Cartan-Matrix

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Eine Cartan-Matrix, benannt nach Élie Cartan, ist eine Matrix, die in der mathematischen Theorie der Lie-Algebren zur Klassifikation dieser Algebren verwendet wird.

Cartan-Matrix einer Lie-Algebra[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Definition der Cartan-Matrizen werden einige Begriffe und Tatsachen aus der Theorie der Lie-Algebren benötigt, die hier kurz zusammengestellt werden. Es sei eine endlichdimensionale halbeinfache Lie-Algebra über dem Körper der komplexen Zahlen . sei eine darin enthaltene Cartan-Unteralgebra. Für sei

die sogenannte Adjunktion mit . In der Theorie der Lie-Algebren zeigt man, dass durch eine symmetrische, nicht-ausgeartete Bilinearform definiert ist, die sogenannte Killing-Form. Deren Einschränkung auf ist ebenfalls nicht-ausgeartet, das heißt jedes Element des Dualraums ist von der Form

für ein eindeutig bestimmtes . Mittels des Vektorraumisomorphismus überträgt man die Killing-Form zu einer nicht-ausgearteten Bilinearform auf , das heißt man setzt .

Weiter zeigt man, dass es eine endliche Menge linearer Funktionale gibt, so dass

wobei

und nicht der Nullraum ist. Aus dieser Menge der sogenannten Wurzeln kann man eine Teilmenge auswählen, so dass jedes eindeutige Linearkombination der Elemente aus ist, wobei die Koeffizienten entweder alle positiv oder alle negativ sind. heißt eine Menge von Fundamentalwurzeln, sie ist eine Vektorraumbasis der Cartan-Unteralgebra .

Die Cartan-Matrix der Lie-Algebra ist definiert als die Matrix mit Koeffizienten .[1][2]

Zwei Cartan-Matrizen heißen äquivalent, wenn sie durch Änderung der Anordnung der Basis auseinander hervorgehen. Da die Basisvektoren beliebig permutiert werden können, kann eine Cartan-Matrix natürlich nur bis auf Äquivalenz eindeutig bestimmt sein. Man kann zeigen, dass die Äquivalenzklasse der Cartan-Matrix nicht von den anderen Wahlmöglichkeiten in obiger Konstruktion abhängt, das heißt nicht von der Wahl der Cartan-Unteralgebra und auch nicht von der Wahl der Fundamentalwurzeln .

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • ist die einzige -Matrix, die eine Cartan-Matrix ist.
  • ist Cartan-Matrix der dreidimensionalen, speziellen linearen Lie-Algebra.

Da wir unten eine vollständige Klassifikation aller Cartan-Matrizen angeben, erübrigen sich an dieser Stelle weitere Beispiele.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei eine Cartan-Matrix. Dann gilt:

  •   für alle   .
  •   für alle  
  • Wenn   so ist  
  •   genau dann, wenn  
  • ist regulär, die inverse Matrix hat nur nicht-negative rationale Koeffizienten.[3]
  • Es gibt eine Diagonalmatrix und eine symmetrische Matrix mit .

Zerlegbarkeit der Cartan-Matrizen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist die Cartan-Matrix einer Lie-Algebra äquivalent zu einer Matrix der Form

mit Untermatrizen und , so heißt die Cartan-Matrix zerlegbar. Man kann zeigen, dass und ihrerseits wieder Cartan-Matrizen sind. Dieser Zerlegung entspricht eine direkte Summenzerlegung

in Ideale und , dabei ist Cartan-Matrix von . Es genügt daher alle unzerlegbaren Cartan-Matrizen zu kennen, diese gehören dann zu einfachen Lie-Algebren.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zuordnung

Isomorphieklassen endlichdimensionaler einfacher Lie-Algebren     Äquivalenzklassen von Cartan-Matrizen

ist eine vollständige Isomorphie-Invariante, d. h.

  • Isomorphe endlichdimensionale einfache Lie-Algebren haben äquivalente Cartan-Matrizen.
  • Endlichdimensionale einfache Lie-Algebren mit äquivalenten Cartan-Matrizen sind isomorph.

Klassifikation der unzerlegbaren Cartan-Matrizen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann alle unzerlegbaren Cartan-Matrizen (bis auf Äquivalenz) angeben. Die Benennung in der folgenden Aufzählung folgt der üblichen Klassifikation endlichdimensionaler einfacher Lie-Algebren.[4][5]

Existenzsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Theorie der Lie-Algebren zeigt man mit einigem Aufwand, dass jede endlichdimensionale einfache Lie-Algebra eine Cartan-Matrix aus obiger Liste haben muss. Wesentlich schwieriger ist der Beweis, dass es zu jeder dieser Cartan-Matrizen tatsächlich eine passende endlichdimensionale einfache Lie-Algebra gibt. Dass das in der Tat so ist, besagt der sogenannte Existenzsatz. Natürlich könnte man zu jeder der angegebenen Matrizen eine endlichdimensionale einfache Lie-Algebra angeben und nachrechnen, dass deren Cartan-Matrix die vorgegebene Matrix ist. In einer allgemeinen Konstruktion betrachtet man die von Erzeugern frei erzeugte Lie-Algebra mit Relationen

  für  
  mit und Vorkommen von
  mit und Vorkommen von .

Von dieser Lie-Algebra kann man zeigen, dass es sich um eine endlichdimensionale einfache Lie-Algebra mit passender Cartan-Matrix handelt. Eine besondere Schwierigkeit liegt im Nachweis der endlichen Dimension.[6] Das ist der auf Jean-Pierre Serre zurückgehende Beweis des Existenzsatzes. Man beachte, dass diese allgemeine Konstruktion nur von den Daten der vorgelegten Cartan-Matrix abhängt. Das zeigt noch einmal, dass die Kenntnis der Cartan-Matrix die endlichdimensionale einfache Lie-Algebra bestimmt.

Beziehung zu Dynkin-Diagrammen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die zusammenhängenden Dynkin-Diagramme

Die Cartan-Matrizen stehen in enger, wechselseitiger Beziehung zu den Dynkin-Diagrammen. Zu jeder Cartan-Matrix mit unterem Index konstruiert man einen Graphen, den man dann das zugehörige Dynkin-Diagramm nennt, mit Knoten und verbindet je zwei verschiedene Knoten und durch Kanten. Sind und durch mehr als eine Kante verbunden, so setzt man noch einen Winkel > durch diese Kanten, wobei das spitze Ende genau dann zu zeigt, wenn .[7] Aus dem Dynkin-Diagramm kann man die Cartan-Matrix zurückgewinnen. Die Unzerlegbarkeit auf der Seite der Cartan-Matrizen korrespondiert genau zum Zusammenhang der Dynkin-Diagramme. In nebenstehender Zeichnung sind alle Dynkin-Diagramme zu den unzerlegbaren Cartan-Matrizen angegeben.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Roger Carter: Lie Algebras of Finite and Affine Type, Cambridge studies in advanced mathematics 96 (2005), ISBN 978-0-521-85138-1, Kapitel 6.1: The Cartan matrix
  2. James E. Humphreys: Introduction to Lie Algebras and Representation Theory, Springer-Verlag (1972), ISBN 0-387-90052-7, Kapitel 11.1: Cartan matrix of
  3. Roger Carter: Lie Algebras of Finite and Affine Type, Cambridge studies in advanced mathematics 96 (2005), ISBN 978-0-521-85138-1, Satz 10.18
  4. Roger Carter: Lie Algebras of Finite and Affine Type, Cambridge studies in advanced mathematics 96 (2005), ISBN 978-0-521-85138-1, Kapitel 6.4: Classification of Cartan matrices
  5. James E. Humphreys: Introduction to Lie Algebras and Representation Theory, Springer-Verlag (1972), ISBN 0-387-90052-7, Kapitel 11.4: Classification Theorem
  6. Roger Carter: Lie Algebras of Finite and Affine Type, Cambridge studies in advanced mathematics 96 (2005), ISBN 978-0-521-85138-1, Kapitel 7.5: The existence theorem
  7. Roger Carter: Lie Algebras of Finite and Affine Type, Cambridge studies in advanced mathematics 96 (2005), ISBN 978-0-521-85138-1, Kapitel 6.4: Classification Cartan matrices