Cauchyscher Hauptwert

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als cauchyschen Hauptwert (nach Augustin-Louis Cauchy) bezeichnet man im mathematischen Teilgebiet der Analysis den Wert, den man einem divergenten Integral zuordnen kann, wenn sich divergente Teile verschiedenen Vorzeichens gegenseitig aufheben.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt zwei unterschiedliche Fälle, in denen man von einem cauchyschen Hauptwert spricht:

  • Seien und . Die Funktion sei auf allen Intervallen der Form und mit Riemann-integrierbar. Existiert dann der Grenzwert
so nennt man ihn den cauchyschen Hauptwert von und schreibt dafür .[1]
  • Sei eine Funktion, die auf jedem Intervall Riemann-integrierbar ist. Existiert der Grenzwert
so heißt er cauchyscher Hauptwert von und man schreibt dafür .[2]

Es ist auch gebräuchlich, „v.p.“ (aus dem Franz. valeur principale) oder „p.v.“ (aus dem Engl. principal value) anstatt „CH“ zu schreiben.[3]

Beziehung zwischen cauchyschem Hauptwert und uneigentlichem Integral[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Existiert ein Integral über im uneigentlichen Sinn, so existiert auch immer der cauchysche Hauptwert (nach der zweiten Definition) und diese beiden Werte stimmen überein. Aus der Existenz des cauchyschen Hauptwertes folgt hingegen noch nicht die Existenz des uneigentlichen Integrals.[4]

Beispiel (CH 1/x)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

cauchyscher Hauptwert – Beispiel

Es wird das Integral untersucht. Der Integrand ist bei (ein innerer Punkt des Integrationsbereichs ) nicht definiert. Damit ist dieses Integral uneigentlich in . Die Aufteilung des Integrationsbereichs in und führt auf die uneigentlichen Integrale

die beide divergieren. Dieses Integral existiert also nicht als uneigentliches Riemann-Integral, der cauchysche Hauptwert beträgt jedoch :

Dabei wurde im zweiten Schritt benutzt, dass eine Stammfunktion von auf jedem Intervall und eine Stammfunktion von auf jedem Intervall ist (siehe Tabelle von Ableitungs- und Stammfunktionen).

Der Cauchy-Hauptwert ermöglicht es also, einem Integral, das weder im riemannschen Sinn noch im lebesgueschen Sinn existiert, einen Wert zuzuordnen.

Wenn auf der reellen Achse stetig und nur auf einem beschränkten Intervall von null verschieden ist, existiert also insbesondere der Ausdruck . Das heißt, dass wie die Delta-Distribution auch als Distribution verstanden werden kann.

Substitution i. Allg. nicht erlaubt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Hauptwert eines Integrals bleibt jedoch im Allgemeinen nicht unter Substitution invariant. Wenn man etwa die Funktion durch für und für definiert, so gilt zwar nach der Substitutionsregel

wann immer oder gilt. Für ist jedoch der Hauptwert des linken Integrals eine endliche Zahl, der Hauptwert des rechten Integrals ist aber :

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis II. 2. Auflage. Birkhäuser, Basel 2006, ISBN 3-7643-7105-6, S. 100.
  2. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie. Springer-Verlag, Berlin, ISBN 3-540-67641-4, S. 177.
  3. Cauchyscher Hauptwert. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0439-8.
  4. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie. Springer-Verlag, Berlin, ISBN 3-540-67641-4, S. 177–178.