De morbis acutis et chronicis

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De morbis acutis et chronicis ist eine medizinische Schrift in lateinischer Sprache, die Caelius Aurelianus zu Beginn des 5. Jahrhunderts erstellt hat. Durch die Darstellung der Heilmethoden zahlreicher Ärzte der vorangegangenen Jahrhunderte bietet sie wertvolle Einblicke in die Heilkunst der Antike.

Quellen und Stellung in der antiken Medizinliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Caelius Aurelianus nennt in seiner Schrift immer wieder Soranos, der 300 Jahre früher wirkte, als seinen Lehrmeister und Gewährsmann. Im Vorwort gibt er an, den Kollegen, die das Griechische nicht mehr beherrschen, die griechische Medizin zu erschließen. Man nimmt daher an, dass es sich um eine – wenn auch freie – Übersetzung von Büchern des Soranos handelt[1].

Die Sprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Latein des Caelius Aurelianus ist nicht mehr das des republikanischen Roms. Allerdings ist kein afrikanischer Lateindialekt ausgeprägt worden, wie man eine Zeitlang annahm. Vielmehr muss man von einem gut gebildeten Latein mit Zugeständnissen an die spätlateinische Volkssprache, einzelne Vulgarismen und griechische Fachausdrücke sprechen. So wird z. B. anagargarisma (= Gurgelmittel) aus dem Griechischen entnommen. Es gibt Wortneubildungen, wie recorporativus (zur Wiederherstellung des Körpers gehörig). Auch neue grammatische Strukturen treten auf.[2]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es werden 'akute' Krankheiten von 'chronischen' Krankheiten unterschieden. Im Vorwort zu den chronischen Krankheiten führt er aus, dass die chronischen Krankheiten ein langwieriges Leiden bedeuteten, das größere ärztliche Kunst verlange, als die akuten, die eventuell auch von selbst endeten.
Die Darstellung der Krankheiten erfolgt stets nach demselben Schema: der Beschreibung der Krankheiten mit ihren Symptomen, eventuell auch Abgrenzung gegen andere Erkrankungen und Ursachen der Erkrankung folgen die Behandlungsempfehlungen. Daran schließt sich meistens eine ausführliche Verurteilung der Behandlung anderer Ärzte an.

Die Krankheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es werden etwa 60 Leiden vorgestellt. Die "Krankheiten" reichen von Parasitenbefall (z. B. Phthiriasis = Läusekrankheit, c.m., IV, 2), Symptomen (z. B. Tussicula = Husten, c.m., II, 8), Symptomgruppen (z. B. Stomachicus = Magenkranker, c.m., III, 2) bis zu Krankheiten im klinischen Sinn[3] (z. B. epilepsia). Häufig behält Caelius Aurelianus den griechischen Namen bei, so spricht er von katarrh, apoplexia. Manchmal ist er zweisprachig (z. B. hydrophobia = aquifuga oder morsus canis rapidi = Tollwut, a.m., III, 9). Viele Bezeichnungen haben sich bis heute erhalten, entsprechen aber meistens nicht exakt der damaligen Bedeutung. Die Krankheiten werden definiert, eingeteilt nach den beiden Merkmalen "Straffung (= strictura)" und "Lockerung (= solutio)" und durch Symptome wie Fieber, Schweißausbruch, Appetitlosigkeit u. ä. beschrieben.

Die Heilmethoden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Behandlung folgt den Grundsätzen der Schule der Methodiker[4]. Es wird die Lagerung der Kranken detailliert dargestellt, die Diät, das Fasten, Aderlass, Herumtragen etc. Die Anweisungen sind sehr genau. So heißt es in c.m. IV, 3 über die zu gebende Ziegenmilch:

lac summendum ex agresti pastu perfectum. etenim in ciuitat...sed aquatum faciant..ex caprea, quae lentisci pascua uel murtae aut rubi aut vitis foliis…
Man soll Milch von der Landweide nehmen…Denn die in der Stadt gehaltenen geben wässrige Milch… Die Ziegen sollten genährt sein mit Mastix, Myrte, Brombeere, Weinblättern…


In zahlreichen Behandlungen wird der Schröpfkopf (= cucurbitta) und das Klistier (= clister) verwendet; sogar die Ernährung durch das Klistier (das Nährklistier) wird beschrieben (c.m. II, 37). Caelius Aurelianus verfügt auch über ausgedehntes pharmazeutisches Wissen. Chirurgische Eingriffe werden selten und nur ablehnend erwähnt; selbst das Ziehen eines schmerzenden Zahnes wird negativ gesehen (c.m., II, 4).

Die Ärzte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außer Soranos zitiert Caelius Aurelianus zirka 50 Ärzte von Hippokrates von Kos bis zu Eudemus und Lysias, die zur Zeit des Tiberius wenige Generationen vor Soranos wirkten. Am häufigsten zitiert er Asklepiades von Bithynien, Diokles von Karystos, Erasistratos, Herakleides von Tarent, Praxagoras von Kos und Themison von Laodikeia.
Nach der Behandlungsempfehlung für eine Krankheit ergeht sich der Autor häufig in einer ausführlichen Kritik der Kollegen. Dass er Herakleides, der der abweichenden Schule der Empiriker anhängt, z. B. für die Behandlung der Pleuritis tadelt, ist nicht überraschend. Aber auch dem Methodiker Themison und selbst Hippokrates wirft er Behandlungsfehler bei dieser und anderen Krankheiten vor (a.m. II, 19, 23, 24).

Überlieferung und Textausgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Cassiodor nennt noch Caelius Aurelianus[5]. Danach gerät er mehr und mehr in Vergessenheit, wogegen der Name Soranos im frühen Mittelalter immer wieder auftaucht. Die Bücher haben sich nur in einer Handschrift im Kloster Lorsch erhalten. Diese ging, nachdem sie 1529 von Johannes Sichard herausgegeben und bei Henricus Petrus in Basel gedruckt worden war, verloren[6]. Da nur geringe handschriftliche Fragmente erhalten blieben, erwiesen sich spätere Ausgaben als schwierig, häufig wurden 'Verbesserungen' vorgeschlagen. 1950 brachte Israël Edward Drabkin eine Edition mit englischer Parallelübersetzung heraus, 1990 erschien die Ausgabe von Gerhard Bendz mit der Übersetzung von Ingeborg Pape.

Textausgaben und Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Caelius Aurelianus: Celerum passionum libri III (= De morbis acutis); Tardarum passionum libri V (= De morbis diuturnis). Akute Krankheiten, Buch I-III, Chronische Krankheiten, Buch I-V. Herausgegeben von Gerhard Bendz und ins Deutsche übersetzt von Ingeborg Pape, 2 Bände, Berlin 1990 (= Corpus Medicorum Latinorum, VI.1).
  • Caelius Aurelianus: On acute diseases and on chronic diseases. Hrsg. und übersetzt von Israel E. Drabkin, Chicago 1950.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Valentin Rose: Anecdota Graeca et Graecolatina, Heft 2, Berlin, 1870.
  • Theodor Meyer-Steineg: Das medizinische System der Methodiker, Jena 1916.
  • Robert Fuchs: Geschichte der Heilkunde bei den Griechen, in: Max Neuberger/Julius Pagel: Handbuch der Geschichte der Medizin, Hildesheim, New York 1971.
  • Alf Önnerfors: Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Band II 37, 1, de Gruyter, Berlin, New York 1993.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Robert Fuchs: Geschichte der Heilkunst bei den Griechen, 32. Die Methodiker
  2. Alf Önnerfors: Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix, X. Caelius Aurelianus.
  3. Pschyrembel
  4. Theodor Meyer-Steineg: Das medizinische System der Methodiker, V. Caelius Aurelianus.
  5. Cassiodor: Institutiones divinarum et saecularium litterarum, Buch I, XXXI, (2)
  6. Valentin Rose: Anecdota Graeca et Graecolatina, Aus den Medicinales Responsiones des Caelius Aurelianus