Der Landvogt von Greifensee

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Der Landvogt von Greifensee ist die dritte und letzte Novelle im ersten Band von Gottfried Kellers Züricher Novellen. Die Novelle nimmt das Walten des Salomon Landolt zu seiner Zeit als Landvogt von Greifensee zur Folie, vor der fünf Geschichten einer gescheiterten Liebe erzählt werden.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 13. Mai 1783 leitet der Landvogt Salomon Landolt ein Manöver der Scharfschützen-Miliz, er ist 41 Jahre alt; nach dem Manöver begrüßt ihn eine fremde Dame, seine erste Liebe »Distelfink«. Er lädt sie nach Greifensee ein und plant, auch die anderen ehemals von ihm geliebten Frauen dazu einzuladen, von denen er seinerzeit abgewiesen worden ist. Dann beschliesst er, der einmal als beliebter und offener Mann (vgl. 134), dann wieder als »verhärteter Hagestolz« (135) beschrieben wird, die »fünf alten Flammen an seinem Herde [zu] vereinigen und leuchten [zu] lassen.« (139)

Die erste in der Reihe ist eine Schöne namens Salome (141-150), die Landolt auf einem alten Herrensitz kennenlernt. Schon wegen der Namensgleichheit zueinander gedrängt, verlieben sich beide schliesslich beim Pflanzen von Kirschbäumen ineinander. Eine Mischung aus Ehrlichkeit und Liebesprobe drängt Landolt jedoch, die nach einem Vogel im Familienwappen »Distelfink« Genannte von einigen übertrieben dargestellten unsicheren Familienverhältnissen in Kenntnis zu setzen, worauf die vorher ihm Zugetane, von den Eltern unterstützt, die Beziehung abrupt beendet. In Salome sieht Nußberger die Angebetete Kellers Luise Rieter wiedergegeben (vgl. Nußberger 1903, 56) – nicht zuletzt, da Luise von Keller einen dem Landoltschen nicht unähnlichen Brief erhält (am 16. Oktober 1847; vgl. Keller, Gesammelte Briefe, hg. v. Carl Helbling, 4 Bde., Bern 1950–1954, Bd. 2, 10f). Die von Landolt zwischen die roten gepflanzten »weissen Kirschen« will sein Biograph Hess noch gesehen haben (vgl. David Heß, Salomon Landolt. Ein Charakterbild nach dem Leben...; Zürich 1820, 29).

Die zweite Angebetete des späteren Landvogtes ist Figura Leu (150-171), die Nichte eines Rats- und Reformationsherrn, die melusinenhaft als »elementares Wesen« (150) beschrieben wird, das »wie von Luft getragen« (153) umherläuft und ihre Spässe treibt und daher die »Hanswurstel« genannt wird. Auch hier verfestigt sich zuerst die über den Bruder Martin Leu von Landolt zuwege gebrachte Nähe beider, um dann von der Geliebten abrupt abgebrochen zu werden. Von den Motiven der fünf Damen für einen Korb ist allein Figuras Motiv ehrlich und selbstlos: sie sieht sich einer Erbkrankheit konfrontiert. Um das »mystisch-abstrakte Gewalttier« (154) des calvinistischen Stadtregimentes zu illustrieren, mit dem Landolt in der »Gesellschaft für vaterländische Geschichte« wie im Hause des Ratsherren sich konfrontiert sieht, werden auch Bodmer und Gessner als historische Personen herangezogen und abgebildet – ersterer von Keller eher in Richtung der Überheblichkeit, letzterer in die des Spasses überzeichnet (vgl. 167f.). Auch von der historischen Figur des Reformationsherren Leu sind Briefe überliefert, die Keller verwendete (vgl. Nussberger 1903, 8ff.). Die Gesellschaft für Vaterländische Geschichte hat die »Historisch-politische Gesellschaft auf den Schuhmachern« zum Vorbild (vgl. 577 u. Anm. z. 153,12f.)

Als dritte wird dann Wendelgard, auch »Kapitän« genannt (171–186), eingeführt, so geheissen, da als Vater tatsächlich der Kapitän Gimmel angegeben wird, der als Trunken- und Raufbold von sich reden macht. Zuletzt bringt Gimmel auch die eigene Tochter, die einige Schulden anschreiben lassen musste, dem Haushalt während der Eskapaden des Vaters zu versorgen, in arge Bedrängnis, als er sich weigert und wohl auch kaum in der Lage ist, diese Schulden zu begleichen. Landolt, der hiervon erfährt, errettet die Schöne nun ehrvoll, indem er das Geld hinterbringt, aber, ihr die Schmach zu ersparen, dies im Namen des Vaters tut. Als nun, derart von Sorgen befreit, sich beide näherkommen, scheint dem Vater aber Besseres für die Tochter im Auge zu liegen. Eine Reise nach Baden wird so gleichzeitig zur Frist Wendelgards, einen Antrag Landolts zu bedenken. Als sie schon beinahe einzuwilligen bereit ist, durchkreuzt aber die auch vor Ort weilende Figura, die sich mit der Kapitänstochter befreundet, diese Pläne. Sie erahnt den unentschlossenen Charakter der Wendelgard ebenso wie die in ihr gegebene Mesalliance von einem Hang zum Geld, aber wenig wirtschaftlichem Verstand. In alter Possenreisser-Manier wird nun ihr Bruder Martin beauftragt, dem Mädchen einen reichen Hugenotten vorzuspielen – ein Spiel, auf das nun Wendelgard zur Gänze hereinfällt, die sich von Landolt gleich aller Pflichten entbinden lässt. Als der Scherz aufgedeckt wird, ist Landolt der Kapitänstochter entwöhnt, aber sein Freund Martin, nun in eigener Person sprechend, kann der Schönen nicht widerstehen, so dass die beiden heiraten.

Die beiden letzten Angebeteten werden dann unter den Spitznamen »Grasmücke und Amsel« geführt (187–203). Die Grasmücke (bis 195) trägt den Namen Barbara und ist die Tochter des Proselytenschreibers und ehem. Pfarrherrn Elias Thumeysen. Barbara gerät dann auch zur fremdesten der Geliebten Landolts. Sie erhält von Landolt Unterricht im Zeichnen, bis ihre Fertigkeiten wie auch ihre Hingezogenheit zu diesem zugenommen haben, wirft all dies aber über Bord, als sie erstmals des Geliebten eigene Malerei betrachten darf, und ist mit einem Mal völlig verändert. In dem letzten Angebot der Holden, beide mögen, um eine friedliche Ehe zu schliessen, auf ihre Malerei verzichten, erkennt Landolt aber rasch, »[…] dass hier im Gewande unschuldiger Beschränktheit eine Form der Unbescheidenheit auftrete, die den Hausfrieden keineswegs verbürge […]« (195) und verzichtet.

Die andere, die Amsel, heisst Aglaja und scheint in gleicher Weise, wie vorher schon Salome, den Landolt zu locken, erklärt dem Landvogt aber, bevor es zum Äussersten kommt, dass es ihr um Hilfe ginge, mit einem anderen zusammenkommen zu können. So erscheint Aglaja als einzige redliche unter den Frauen nebst Figura Leu. Mit der Hilfe, die Landolt gewährt und zum Erfolg führt, ist aber auch diese letzte in Aussicht genommene Verheiratung perdu.

Seine strenge Haushälterin Marianne hat der Vogt dafür gewonnen, alle fünf zu einem Mal zu laden. Am 31. Mai kommen die Damen nacheinander an und werden festlich begrüßt. Sie erleben den Landvogt am Vormittag als einen klugen milden Richter. Nach einem fröhlichen Mittagessen, bei dem er vom ersten Untergang der Burg Greifensee erzählt, führt er sie aufs Glatteis: Sie sollen ihm raten, ob er eine Alte oder eine Junge heiraten soll; die Damen stimmen 3:2 für die Junge – da werden sie aufgeklärt, dass das Ganze nur ein Scherz war. Nach einer Schiffsfahrt auf dem See gibt es noch Gelegenheit zum Tanz, ehe die Damen am Abend wieder heimfahren. Zum Schluss wird kurz vom weiteren Leben des ab 1798 ehemaligen Landvogts erzählt, der 1818 im Alter von 87 Jahren stirbt; Marianne war ihm 1808 vorausgegangen.

Die Figur der Marianne stiess als historische Person erst auf dessen Gut in Enge zu Landolts Haushalt und war entsprechend jünger – statt des Geburtsjahrgangs 1737/1738, wie Kellers Figur, ist Marianne Klaissner Jahrgang 1754 und weist zudem eine noch lebende Tochter auf (vgl. 565).

Verfilmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Novelle wurde 1979 mit Christian Quadflieg in der Hauptrolle verfilmt:[1][2]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Max Nußberger: „Der Landvogt von Greifensee“ und seine Quellen. Eine Studie zu Gottfried Kellers dichterischem Schaffen. Huber, Frauenfeld 1903, (Zürich, Universität, Dissertation).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Der Landvogt von Greifensee@1@2Vorlage:Toter Link/filmevona-z.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.. Filmlexikon von A – Z. Abgerufen am 27. Februar 2011.
  2. Der Landvogt von Greifensee bei IMDb