Der Selbstmörderklub

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Titelblatt der New Yorker Ausgabe
(siehe auch unter Weblinks anno 1896)

Der Selbstmörderklub (engl. The Suicide Club) ist eine Erzählung des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson, die 1878 im London Magazine und 1882 im ersten Band der Sammlung New Arabian Nights[A 1] bei Chatto & Windus in London erschien.

Form[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Text besteht aus den drei unten aufgeführten Geschichten, die über drei Figuren – auch chronologisch – miteinander verbunden sind. Da sind der Prinz Florizel[A 2] von Böhmen und sein junger Stallmeister Oberst Geraldine sowie der anonyme Präsident des Selbstmörderklubs. Der Leser sollte sich Stevensons Beschreibung des Letzteren gleich in der ersten Geschichte einprägen: „Der Präsident war ein Mann von etwa Anfang oder Mitte der Fünfzig, groß von schlechter Haltung, hatte struppige Koteletten …“[1] Denn nur an diesen wenigen Merkmalen ist der Unhold, als er in der zweiten Geschichte auftritt und wiederum sein Unwesen treibt, zu erkennen. Noch mehr detektivisches Gespür ist bei der Erkennung des anonymen jüngeren Bruders des Obersten zu Beginn der zweiten Geschichte vonnöten. Denn dort sind die einzigen Merkmale dieses Mordopfers blondes Haar, jung und hübsch.[2]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte von dem jungen Mann mit dem Cremetörtchen

Der Prinz möchte, mit dem Oberst im Gefolge, möglichst jeden Abend ein neues Abenteuer erleben. Bei einem ihrer Streifzüge durch die Londoner Gaststätten treffen beide Herren in einer Austernbar nahe beim Leicester Square auf einen lebensmüden jungen Mann, der für sein letztes Geld Cremetörtchen unter den Gästen verteilt. Nach einigem Hin und Her führt sie der junge Mann in seinen Klub ein. Nachdem der Präsident des Klubs die Lebensmüdigkeit des Prinzen und des Oberst geprüft hat, ernennt er sie zu ordentlichen Mitgliedern. Das Spiel – genauer, das Kartenspiel – beginnt. Um den Spieltisch sitzen durchweg junge Männer – mit einer Ausnahme: Mr. Bartholomäus Malthus ist ein abgeklärter Herr. Der Präsident mischt die Karten und teilt rundum aus. Wer Pik-Ass aufdeckt, ist das nächste Opfer und wer Kreuz-Ass aufdeckt, ist sein Mörder. Der junge Mann mit dem Cremetörtchen deckt das Kreuz-Ass auf und Mr. Malthus das Pik-Ass.

Am nächsten Morgen steht es in der Zeitung. Mr. Malthus, in Begleitung eines Freundes, habe sich auf dem Heimweg von einer Party über die Brustwehr hinab auf den Trafalgar Square zu Tode gestürzt.

Der Prinz wird vom Oberst gewaltsam am Weiterspielen mit den Karten gehindert und heißt das beherzte Einschreiten seines Untergebenen schließlich doch gut. Der Erbe des böhmischen Thrones schreitet zur Tat. Er haucht den überlebenden jungen Mitgliedern des Klubs neuen Lebensmut ein und schickt den Präsidenten des Klubs auf eine gefährliche Reise. Reiseziel ist der Kontinent. Falls der Präsident unterwegs das Pistolenduell gegen den jüngeren Bruder des Oberst überlebt, wird der Prinz einen neuen Gegner schicken.

Die Geschichte von dem Arzt und dem Saratogakoffer

Der Tourist Mr. Silas Q. Scuddamore aus Bangor will den Pariser Karneval erleben und hat sich im Quartier Latin in einer Pension eingemietet. Er macht in dem Hause die Bekanntschaft des alten englischen Arztes Dr. Noel, spioniert seiner Zimmernachbarin Madame Zéphyrine nach und verliebt sich in das schöne Kind. Diese durchtriebene Frau wird vom Präsidenten des Selbstmörderklubs für ein makaberes Spiel benutzt. Madame Zéphyrine macht ihrem „Liebhaber“ große Hoffnungen und lockt ihn aus der Pension. Während dessen Abwesenheit kann der Präsident die Leiche des jüngeren Geraldine in Scuddamores Bett deponieren beziehungsweise – so klar geht das aus dem Text nicht hervor – deponieren lassen. Der Leser schaut beim besten Willen nicht hinter die Kulissen. Steckt Dr. Noel mit dem Präsidenten unter einer Decke? Kommt der alte Mediziner gar als Mörder in Frage? Jedenfalls „hilft“ er Scuddamore bei der Beseitigung der Leiche. Im Saratogakoffer des Touristen gelangt die schaurige Fracht im Gepäck des Prinzen von Paris nach London.

Im Saal eines Pariser Ballhauses hatten sowohl der Prinz als auch der Bruder seines Stallmeisters zeitgleich den Karneval erlebt. Umso entsetzter ist der böhmische Thronfolger, als er in London die Leiche des Bruders seines Stallmeisters im Koffer Scuddamores vorfindet. Der verruchte Präsident des Selbstmörderklubs ist der Absender.

Das Abenteuer mit den zweirädrigen Kutschen

Die Nebel lichten sich. Der Präsident hat durch die jahrelang angezettelten Ermordungen lebensmüder Männer „ein ungeheures Vermögen“ angehäuft.[3] Also muss er gerichtet werden. Das inszeniert der Prinz in einem der mehreren hochherrschaftlichen Londoner Anwesen des Unholds. Zu dem Duell auf Degen lässt Florizel von Böhmen die beiden Sekundanten von seinem Stallmeister Oberst Geraldine auf eigenwillige Art auswählen. In zweirädrigen Kutschen werden im Eiltempo eine Anzahl vereinsamter Londoner Spaziergänger, in erster Linie charakterstarke Offiziere, zum Ort des Duells befördert und vom Oberst sachkundig bis auf zwei Militärs ausgesiebt. Die gegen kriegerische indische Bergvölkerschaften siegreichen Herren Leutnant Brackenbury Rich und Major O’Rooke bleiben übrig.

Stevenson gibt dem Geschehen eine überraschende Wendung. Der alte Dr. Noel erweist sich als einer der Freunde des Prinzen. Dieser führt dem böhmischen Degenfechter seinen verruchten Duellpartner zu. Der Präsident überlebt das Duell nicht. Der Prinz hat den Mord des jüngeren Geraldine gerächt.

Die Zweifel des Lesers bezüglich der Rolle des Dr. Noel in der Pariser Episode waren voll und ganz berechtigt gewesen. Denn bevor sich der Mediziner um die Leiche des Präsidenten kümmert, bittet er: „… lassen Sie mich gehen, meinen ältesten Freund zu begraben.“[4]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dem Kapitel Neues aus Tausendundeiner Nacht[5] seines Buches geht Dölvers ausführlicher auf den Selbstmörderklub und den Diamant des Radschas – also auf den Inhalt des ersten Bandes der Sammlung New Arabian Nights – ein. Dölvers resümiert am Kapitelende, die beiden Texte seien mehr als unterhaltsame Prosa und auch mehr als Parodien auf den Detektivroman. Distanz zu den Zeitgenossen, wie sie Stevenson in dem Kontext halte, sei eines der Mittel beim Untersuchen und sogar Deuten gesellschaftlicher Vorgänge.[6]

Verfilmungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgaben

  • Robert Louis Stevenson: The suicide club. C. Scribner’s Sons, New York 1896 (archive.org).
  • Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub und andere Geschichten. Moderne Märchen aus Tausend und einer Nacht. Übersetzer und Herausgeber: Marguerite und Curt Thesing. Buchenau & Reichert, München um 1925.
  • Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub (= Zweimarkbücher Band 47). Georg Müller, München 1926,.
  • Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub. S. 5–97. (Übersetzerin: Elfriede Mund) in Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub. Neue Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Mit Holzstichen von Karl Georg Hirsch. (Der Selbstmörderklub. Der Diamant des Radschas) Nachwort von Günter Gentsch. Insel-Verlag, Leipzig 1968 (= Insel-Bücherei. 859)
  • Robert Louis Stevenson: Der Selbstmordklub, S. 93–166 in Robert Louis Stevenson: Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde und andere Erzählungen, 202 Seiten. marixverlag, Wiesbaden 2015. ISBN 978-3-7374-0993-3.

Hörbücher

Sekundärliteratur

  • Horst Dölvers: Der Erzähler Robert Louis Stevenson. Interpretationen. Francke Verlag, Bern 1969, ohne ISBN.
  • Michael Reinbold: Robert Louis Stevenson. Rowohlt, Reinbek 1995, ISBN 3-499-50488-X.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Text online im Projekt Gutenberg-DE

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Den Titel New Arabian Nights (Neue Geschichten aus Tausendundeiner Nacht) der Sammlung hätten bereits die zeitgenössischen Kritiker glossiert. Es fehle jedweder Anklang an orientalische Märchen (Reinbold, S. 66, 13. Z.v.o.). Daran ändern auch solche am Ende jeder Geschichte bemüht-deplatzierte Einschübe wie „Hier (bemerkt mein arabischer Autor)...“ (siehe zum Beispiel Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub. (Übersetzerin: Elfriede Mund) S. 73, 4. Z.v.o. oder auch S. 97, 8. Z.v.o.) nicht das Geringste.
  2. Siehe auch Florizel in Shakespeares Wintermärchen.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub. (Übersetzerin: Elfriede Mund) S. 20, 3. Z.v.o.
  2. Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub. (Übersetzerin: Elfriede Mund) S. 46, 9. Z.v.o.
  3. Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub. (Übersetzerin: Elfriede Mund) S. 96, 13. Z.v.u.
  4. Robert Louis Stevenson: Der Selbstmörderklub. (Übersetzerin: Elfriede Mund) S. 97, 6. Z.v.o.
  5. Horst Dölvers: Der Erzähler Robert Louis Stevenson. Interpretationen. S. 33–53.
  6. Horst Dölvers: Der Erzähler Robert Louis Stevenson. Interpretationen. S. 53, 12. Z.v.u.