Diskussion:Abduktion/Archiv/1

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Letzter Kommentar: vor 12 Jahren von Leif Czerny in Abschnitt Bemerkung
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Umleitung von "Umkehrschluss"

Hallo,

es existiert ein Redirect von "Umkehrschluss" auf diesen Artikel. Unter "Umkehrschluss" verstehe die unzulässige Ableitung der Aussage "aus b folgt a" von der Aussage "aus a folgt b". Eine einfach verständliche Erklärung dazu sollte meiner Ansicht nach unter dem Stichwort "Umkehrschluss" auffindbar sein. Der Verweis auf diesen recht komplexen und speziellen Artikel ist bei der Suche danach nicht hilfreich. Sicher wisst ihr, die ihr euch mit der Materie beschäftigt, am besten, wie man Abhilfe schaffen kann?

--rara 11:17, 15. Okt. 2006 (CEST)

Ein Redir von Umkehrschluss direkt hierher ist falsch. Ich werde mic darum kümmern. Gruß --Lutz Hartmann 12:14, 15. Okt. 2006 (CEST)
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Weiterentwicklung des Artikels

Ich habe schon oben betont, dass ich gegen Veränderungen im Artikel, die zur Verbesserung beitragen, überhaupt nichts habe. Einige Deiner Diskussionspunkte stechen absolut, d.h. sie gehören im Artikel berücksichtigt. Wogegen ich mich alleine gewehrt habe, war die pauschale Änderung, die Du vornehmen wolltest, weil dadurch einiges verloren gegangen wäre, was heute - aus meiner Sicht richtigerweise - im Artikel steckt. Ich hätte also überhaupt nichts dagegen, wenn Du einzelne Resultate der Diskussion auch umsetzt, nur ein wenig behutsamer als im ersten Ansatz. Vor allem möchte ich nicht, dass wir den Charakter eines Lexikonartikels verlieren. Gruß --Lutz Hartmann 11:23, 8. Aug 2006 (CEST)

Lieber Lutz,

okay, lass mir ein paar Tage Zeit und ich werde dann behutsam den jetztigen Text überarbeiten.

Jo


Lieber Lutz,

an bei der 1. Versuch. Aber wie kann ich die Tabelle ändern??

JoRe

Hallo Jo,

  1. Wenn ich weiß, was Du ändern willst, kann ich vielleicht helfen, auch wenn ich kein Spezialist für die optischen Strukturen hier bin.
  2. Die Einleitung stellt nun nur auf Forschung ab. Ich halte das für ungünstig (Abduktion im Alltagsleben und als Element der Wahrnehmung)
  3. Umberto Eco sollte hier nicht ausradiert werden. Stattdessen sollte gesagt werden, inwiefern seine Sicht begrenzt ist. Ein unbefangener Leser würde den Artikel anhand von anderer Literatur vielleicht für lückenhaft halten können.

Gruß --Lutz Hartmann 16:19, 10. Aug 2006 (CEST)

Lieber Lutz,

jetzt würde ich ja noch gerrne die Tabelle löschen. das, was dort zur Abduktion gesagt wird, passt ja nicht mehr. Ist das Okay??

Jo

Ich bin im Moment mit dem Artikel ziemlich unglücklich und weiß nicht genau, warum. Deine Veränderungen sind in Ordnung, aber das ist irgendwie nicht alles. Der Begriff der Abduktion bezeichnet für mich nicht nur ein wissenschaftstheoretisches Modell zur Erkenntnisgewinnung, sondern auch eine (heuristische) Schlussweise, gerade auch in Psychologie und Juristik. Dort kommt es auch nicht unbedingt auf die Wissenserweiterung, sondern auf die Diagnostik an. Wenn die Tabelle gelöscht wird, kommt das noch weniger zum Ausdruck. Vielleicht wäre es besser, die unterste Zeile zu verändern (z.B. Schluss von einer Regel und einer Tatsache auf einen Fall). Die Beschreibung des Wissenschaftsverfahrens wäre noch zu ergänzen um diagrammatisches Schließen. Gruß --Lutz Hartmann 19:59, 14. Aug 2006 (CEST)

Der Artikel ist in dder tat nicht 'rund'. Was sollen wir tun?? Das diagnostische, detektivische etcc. ist in der Regel keine Abduktion, sondern eine qualitative Induktion. Das sollte man nicht miteinander vermengen.

Jo

Hallo Jo,

  • Ich habe einige eher kleine Umstellungen vorgenommen und meine, dass der Ablauf so im Artikel besser ist.
  • Im Abschnitt Unterschiedliche Deutungen der Abduktion hast Du einige Bezüge zur Literatur hergestellt, die nicht genannt ist. Kannst Du dazu bitte die Quellen nennen?
  • Nachdem Du Dich sehr intensiv mit Peirce auseinandergesetzt hast, wäre es sehr schön, wenn duch auch den Artikel Charles S. Peirce kritisch durchsehen und Deine Kritik zumindest auf der Diskussionsseite notieren würdest. Optimal wäre es, wenn Du auch ein Kapitel zur Rezeption verfassen könntest, die Du ja ausgezeichnet kennst.

Gruß --Lutz Hartmann 16:16, 17. Aug 2006 (CEST)

Hallo Lutz,

bin gerade aus dem Urlaub zurück. Werde mich in den nächsten Tagen an die Arbeit machen.

Jo

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Neuer Textvorschlag von Jo Reichertz

Hallo Luha, so recht weiss ich nicht, wie ich mit Dir Kontakt aufnehmen kann. Gerne würde ich den Abduktionartikel wesen tlich ändern. Habe es bislang vergeblich versucht.

Von der Sache her ist der aktuelle Artikel stark veraltet. Er entspricht nicht mehr dem Verständnis von Peirce zur Abduktion. Statt dessen macht er eine Lesart von Umberto Eco stark, die erwiesenermaßen sehr einseitig ist.

Wie kann ich das Dir plausibilisieren? Hinweis auf mein Buch (Abduktion in der qualitativen Sozialforschung), das in allen Rezensionen ohne Widerrede blieb? Lass mich wissen, was zu tun ist.

Jo Reichertz

Hierher kopiert von meiner Benutzer-disku --Lutz Hartmann 23:41, 4. Aug 2006 (CEST)

Textvorschlag Jo Reichertz aus der reverteten Fassung des Artikels von heute nachmittag hierher kopiert (--Lutz Hartmann 00:00, 5. Aug 2006 (CEST)):

Einleitung

Der Begriff Abduktion ist von dem amerikanischen Begründer des Pragmatismus Charles Sanders Peirce (1839-1914) in die wissenschaftliche Debatte eingeführt worden. Die Abduktion ist gefordert, wenn in der Forschungsarbeit etwas Unverständliches vorgefunden wird. Der abduktive ‚Schluss’ besteht darin, eine neue Regel zu finden bzw. zu erfinden, die klar macht, was der Fall ist. Diese Art des Zusammenschlusses ist nicht zwingend, eher sehr waghalsig. Die Abduktion ‚schlußfolgert’ also aus einer bekannten Größe (=Resultat) auf zwei unbekannte (=Regel und Fall). Maßnahmen, günstige Bedingungen für Abduktionen zu schaffen, zielen neben einer sehr guten Kenntnis der Daten stets auf eins: auf die Erlangung einer Haltung, bereit zu sein, alte Überzeugungen aufzugeben und neue zu suchen.

Der abduktive Schluss

Der Begriff ‚Abduktion‘ ist im wesentlichen von dem amerikanischen Logiker, Mathematiker, Philosophen, Geometer und Begründer des Pragmatismus Charles Sanders Peirce (1839-1914) in die wissenschaftliche Debatte eingeführt worden, und er bezeichnet (so Peirce) das einzige wirklich kenntniserweiternde Schlußverfahren, das sich von den geläufigen logischen Schlüssen - nämlich der Deduktion und der Induktion - kategorial unterscheidet. In seinem Spätwerk, also etwa ab 1898, ersetzte Peirce den Begriff der ‚Abduction‘ oft auch durch den der ‚Retroduction‘. Die Abduktion ist als Entdeckungsverfahren der erste Teil einer umfassenden Logik der Forschung. In der Geschichte der Logik geht die Idee der Abduktion oder Hypothese auf Aristoteles zurück, der sie mit dem Begriff Apagoge erwähnt (Erste Analytik II, 25, 69a) und auch bereits der Induktion (conclusio) gegenüberstellt. Die Übersetzung des Begriffs Apagoge mit Abduktion erfolgte 1597 erstmals durch Julius Pacius, einem Heidelberger Rechtsprofessor. Die besondere Leistung von Peirce besteht darin, diese Schlussweise genauer untersucht und für die Logik des Wissenschaftsprozesses fruchtbar gemacht zu haben.

Peirce selbst unterscheidet vier für die Forschung wesentliche Formen des Denkens: 1. Die Deduktion 2. Die quantitative Induktion 3. Die qualitative Induktion (im Frühwerk von Peirce 'Hypothese' genannt und später oft mit der Abduktion verwechselt) 4. Die Abduktion Vergleich der Schlussweisen

Wenn man in der (qualitativen wie der quantitativen) Forschung ernsthaft damit beginnt, erhobene Daten auszuwerten, also diese entlang bestimmter Merkmale und Merkmalsordnungen zu typisieren, dann stellt sich sehr schnell die Frage, wie man ein wenig Ordnung in sein Datenchaos bringen kann. Das ist nur zu einem geringen Teil eine arbeitsorganisatorische Frage (Sortieren der Daten), sondern sehr viel mehr die Frage, wie die Mannigfaltigkeit der Daten mit (vorhandenen oder noch zu findenden) Theorien in Verbindung gebracht werden können. Bei diesem Unternehmen sind (folgt man den Überlegungen von Peirce) idealtypisch drei Verfahren zu unterscheiden, wobei das zweite Verfahren in zwei Untergruppen geteilt wird - jedoch nicht, weil zwischen den beiden gravierende Unterschiede vorliegen, sondern weil so die Unterscheidung zwischen Abduktion und qualitativer Induktion klarer gemacht werden kann (ausführlicher hierzu Reichertz 1991, Riemer 1988, Wartenberg 1971)

(1) Eine Art der Datenauswertung besteht in dem Verfahren der Subsumtion. Die Subsumtion geht von einem bereits bekannten Merkmalszusammenhang, also einer bekannten Regel aus (z.B.: Alle Einbrecher, die auch den Medizinschrank plündern, sind drogenabhängig.) und versucht diesen allgemeinen Zusammenhang in den Daten wiederzufinden (z.B. Der unbekannte Einbrecher hat den Medizinschrank geplündert.), um dann über den Einzelfall Kenntnisse zu erlangen (z.B.: Der unbekannte Einbrecher ist drogenabhängig.). Die logische Form dieser gedanklichen Operation ist die der Deduktion: Der in Frage stehende Einzel-Fall wird einer bereits bekannten Regel untergeordnet. Hier wird eine vertraute und bewährte Ordnung auf einen neuen Fall angewendet. Neues (über die Ordnung der Welt) erfährt man auf diese Weise nicht. Deduktionen sind also tautologisch, sie besagen nicht Neues. Deduktionen sind jedoch nicht nur tautologisch, sondern auch wahrheitsübertragend: Ist die zur Anwendung gebrachte Regel gültig, dann ist nämlich auch das Ergebnis der Regelanwendung gültig. Deduziert man, dann hat man sich entschlossen, das zu Untersuchende als Wiederkehr des Bekannten und Bewährten anzusehen.

(2.a) Eine zweite Art der Auswertung besteht darin, im Datenmaterial vorgefundene Merkmalskombinationen zu einer Ordnung oder Regel zu ‚verlängern‘, zu generalisieren. Ausgehend von der Beobachtung: ‚Bei den Einbrüchen a, b und c ist der Medizinschrank geplündert worden.‘ und der Fallkenntnis: ‚Herr Müller beging die Einbrüche a, b und c.‘ wird der Schluß gezogen: ‚Herr Müller plündert bei Einbrüchen immer den Medizinschrank‘. Die logische Form dieser gedanklichen Operation ist die der quantitativen Induktion. Sie überträgt die quantitativen Eigenschaften einer Stichprobe auf die Gesamtheit, sie ‚verlängert‘ den Einzelfall zu einer Regel. Quantitative Induktionen sind also (streng genommen) ebenfalls tautologisch (da sie keine neue Idee in die Welt bringen), jedoch nicht wahrheitsübertragend. Die Resultate dieser Form des Schlußfolgerns sind lediglich wahrscheinlich.

(2.b) Eine besondere Variante der induktiven Bearbeitung der Daten besteht nun darin, bestimmte Merkmale der untersuchten Stichprobe so zusammenzustellen, das diese Merkmalskombination einer anderen (bereits im Wissensrepertoire der Interaktionsgemeinschaft vorhandenen) in wesentlichen Punkten gleicht. In diesem Fall kann man den bereits existierenden Begriff für diese Kombination benutzen, um die 'eigene' Form zu benennen. Die logische Form dieser Operation ist die der qualitativen Induktion. Sie schließt von der Existenz bestimmter qualitativer Merkmale einer Stichprobe auf das Vorhandensein anderer Merkmale (z.B. Ich sehe hier am Tatort eine bestimmte Spurenlage. In sehr vielen Elementen stimmt sie mit dem Spurenmuster von Müller überein. Schluß: Müller ist der Spurenleger). Die qualitative Induktion schließt also, und das ist entscheidend, von zwei bekannten Größen, nämlich Resultat und Regel auf den Fall. Der beobachtete Fall (token) ist ein Exemplar einer bekannten Ordnung (type).

Kurz: Schließt die quantitative Induktion von den quantitativen Eigenschaften einer Stichprobe auf die Gesamtheit, so ergänzt die qualitative Induktion dagegen die wahrgenommenen Merkmale einer Stichprobe mit anderen, nicht wahrgenommenen. Nur in diesem Sinne überschreitet diese Art der Induktion die Grenzen der Erfahrung - nämlich lediglich die Erfahrung mit der in Frage stehenden Stichprobe. Kenntniserweiternd ist dieser Schluß nur insofern, als er von einer begrenzten Auswahl auf eine größere Gesamtheit schließt. Neues Wissen (im strengen Sinne) wird auf diese Weise nicht gewonnen, bekanntes lediglich ausgeweitet. Die qualitative Induktion ist ebenfalls kein gültiger, sondern ein nur wahrscheinlicher Schluß. Allen wissenschaftlichen Verfahren, die in den erhobenen Daten nur neue Formen des bereits Bekannten erkennen, liegt die qualitative Induktion zugrunde.

(3) Die Abduktion ist innerhalb des Forschungsprozesses gefordert, wenn in den erhobenen Daten solche Merkmalskombinationen vorkommen, für die sich im bereits existierenden wissenschaftlichen Wissensvorratslager keine entsprechende Erklärung oder Regel findet. Etwas Unverständliches wird in den Daten vorgefunden und aufgrund des geistigen Entwurfs einer neuen Regel wird sowohl die Regel gefunden bzw. erfunden und zugleich klar, was der Fall ist. Die logische Form dieser Operation ist die der Abduktion. Hier hat man sich (wie bewusst auch immer und aus welchen Motiven auch immer) entschlossen, der bewährten Sicht der Dinge nicht mehr zu folgen. (z.B. Ich sehe am Tatort eine unvertraute, also in wesentlichen Teilen unbekannte Spurenlage und entwerfe einen in wesentlichen Teilen neuen Handlungs- und Motivtyp, der die Spurenlage in allen wesentlichen Teilen verständlich macht. Für die Profiler, die aufgrund der Art der Tatbegehung die typische Einzigartigkeit (Handschrift) des Serientäters erfassen wollen, gehört die Abduktion zum alltäglichen Rüstzeug.)

Eine solche Bildung eines neuen 'types‘, also die Zusammenstellung einer neuen typischen Merkmalskombination ist ein kreativer Schluß, der ein neue Idee in die Welt bringt. Diese Art des Zusammenschlusses ist nicht zwingend, eher sehr waghalsig. Wenn jemand beim Anblick einer Spielkarte mit den Merkmalen: ‚rote Ziffern 6' und darunter ‚runde und ebenfalls roten Symbole’ sagt: „Dies ist keine Herz 6, sondern ein Fehldruck der Spielkarte Pik 6", dann hat er eine solche Abduktion getätigt. Die Abduktion 'schlußfolgert' also aus einer bekannten Größe (=Resultat) auf zwei unbekannte (=Regel und Fall).

Die Abduktion ist ein mentaler Prozeß, ein geistiger Akt, ein gedanklicher Sprung, der das zusammenbringt, von dem man nie dachte, dass es zusammengehört. Abduktionen ereignen sich, sie kommen so unerwartet wie ein Blitz („flash”), sie lassen sich nicht willentlich herbei zwingen, und sie stellen sich nicht ein, wenn man gewissenhaft einem operationalisierten Verfahrensprogramm folgt. Begleitet wird die Abduktion von einem angenehmen Gefühl, das überzeugender ist als jede Wahrscheinlichkeitsrechnung. Leider irrt dieses gute Gefühl nur allzu oft. Abduktionen resultieren aus Prozessen, die nicht rational begründ- und kritisierbar sind. Deshalb ist abduktives Schlußfolgern nach Peirce nicht mehr und nicht weniger als Raten (”neither more nor less than guessing”).

Abduktion als Ausgangspunkt des Erkenntnisprozesses

Maßnahmen, günstige Bedingungen für Abduktionen zu schaffen, zielen neben einer sehr guten Kenntnis der Daten stets auf eins: auf die Erlangung einer Haltung, bereit zu sein, alte Überzeugungen aufzugeben und neue zu suchen. Abduktives ‚Räsonieren‘ ist also kein glückliches, zufälliges Raten ins Blaue hinein, sondern ein informiertes Raten. Wenn man so will: das Glück trifft immer nur den vorbereiteten Geist. Die Abduktion sucht angesichts überraschender Fakten nach einer sinnstiftenden Regel, nach einer möglicherweise gültigen bzw. passenden Erklärung, welche das Überraschende an den Fakten beseitigt. Ergebnis und Endpunkt dieser Suche ist eine (sprachliche) Hypothese. Ist diese gefunden, beginnt ein mehrstufiger Überprüfungsprozess. Besteht die erste Stufe des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses in der Findung einer Hypothese mittels Abduktion, dann besteht die zweite aus der Ableitung von Voraussagen aus der Hypothese, also einer Deduktion, und die dritte in der Suche nach Fakten, welche die Vorannahmen 'verifizieren', also einer Induktion. Sollten sich die Fakten nicht finden lassen, beginnt der Prozeß von neuem, und dies wiederholt sich so oft, bis die 'passenden' Fakten erreicht sind. Mit dieser Bestimmung entwirft Peirce eine dreistufige Erkenntnislogik von Abduktion, Deduktion und Induktion.

Gewissheit über die Gültigkeit abduktiver Schlüsse ist jedoch selbst dann nicht zu erreichen, wenn man die abduktiv gewonnene Hypothese einer extensiven Prüfung unterwirft, also aus ihr Konsequenzen deduziert und diese dann induktiv aufzuspüren sucht und dann diesen Dreischritt immer wieder repetiert. Was man allein auf diesem Wege erhält, ist eine intersubjektiv aufgebaute und geteilte 'Wahrheit'. Diese ist (nach Peirce) allerdings erst erreicht, wenn alle Gemeinschaftsmitglieder zu der gleichen Überzeugung gekommen sind. Da mit 'alle' (bei Peirce) auch die gemeint sind, die nach uns geboren werden, ist der Prozeß der Überprüfung grundsätzlich nicht abzuschließen.

Ende der Textkopie

Hallo Jo, Dein Text hat aus meiner Sicht mehrere Nachteile:

  • Er ist eindeutig zu essayistisch.
  • Er ist für den Leser zu unstrukturiert
  • Er transportiert viel weniger als der bestehende Text Peirce, sondern eine bestimmte Interpretation

Im Gegensatz zu Deiner Hypothese habe ich mich nicht auf Eco gestützt, sondern vorwiegend auf Michael H.G. Hoffmann: Erkenntnisentwicklung. Klostermann, Frankfurt/M 2005, eine nicht so sehr veraltete Habilitation. Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir konkrete Kritik an konkreten Passagen. Für sinnvolle Veränderungen und Ergänzungen bin ich offen, würde aber gerne die doch sehr aussagefähigen Peirce-Zitate beibehalten. --Lutz Hartmann 00:00, 5. Aug 2006 (CEST)

Antwort und Aufsatz Jo Reichertz

Hallo Luha, wenn Hoffmann das schreibt, was sich im Artikel zur Abduktion findet, dann hat er sich eng an Eco gehalten (vgl. auch mein Text: Zur rezeptionsgeschichte der Abduktion - bei wikipedia). Eco übernimmt den Fehler, der Peirce in seinem Frühwerk selbst lange Zeit unterlaufen ist. Zur Erläuterung ein langer Text (Sorry) von mir, der hoffentlich wissenschaftlicher ist und hoffentlich den Sachverhalt weiter klärt. Es geht vor allem darum, zwischen qualitativer Induktion und Abduktion zu unterscheiden, was wesentlich, wenn man selbst Forschung betreibt.


2. Die Besonderheit der Abduktion – Ch. S. Peirce


Qualitative Fallanalysen haben das Ziel (und in diesem Ziel unterscheiden sie sich nur unwesentlich von einander), aufgrund der Ausdeutung sinnstrukturierter Daten, (welche Teile, Reste, Verkürzungen oder Abstraktionen sinnstrukturierter Interaktionen sind) zu rekonstruieren, wie Handlungssubjekte – hineingestellt und sozialisiert in historisch und sozial entwickelte Routinen und Deutungen des jeweiligen Handlungsfeldes – diese einerseits vorfinden und sich deutend aneignen (müssen), andererseits diese immer wieder neu ausdeuten und damit auch «eigen-willig» erfinden (müssen).

Qualitativ arbeitende Forscher gehen dabei davon aus, dass jede Form der Interaktion eine bedeutungstragende Einheit ist, deren Bedeutung sich dadurch mehr oder weniger deutlich erfassen lässt, dass man sie in das Feld der gesellschaftlich akzeptierten Gründe, also in den gesamten Bedeutungszusammenhang einer Gesellschaft, auf den sie verweist, einordnet. Diesen Vorgang des Einordnens nennt man ganz allgemein Hermeneutik – je nach methodischem Procedere und Zielvorgabe kann man ihn auch Narrations-, Diskurs- oder auch Inhaltsanalyse u.v.a.m. nennen.

Hermeneutische Handlungserklärungen zielen in der Regel auf die (Re)Konstruktion der für die handelnden Subjekte relevanten Ordnung und nicht auf die Offenlegung gesellschaftlicher Makrostrukturen. Allerdings kann die subjektiv geschaffene Ordnung nicht mehr aus klassischen und bewährten Großtheorien abgeleitet werden, da diese zum einen in der Regel nicht «lokal» genug, zum anderen diese oft durch den gesellschaftlichen Wandel bereits überholt sind. Weil dies so ist, müssen «passende» Ansichten über die Beschaffenheit sozialer Ordnung stets aufs Neue von der Sozialwissenschaft generiert werden. Deshalb ist es ausgesprochen sinnvoll, sich die zu verstehende Lebenspraxis möglichst genau anzusehen und aufgrund dieser Daten die neuen Ordnungen zu (re)konstruieren.

Wenn man nun in der qualitativen (aber auch in der quantitativen) Forschung ernsthaft damit beginnt, erhobene Daten auszuwerten, also diese entlang bestimmter Merkmale und Merkmalsordnungen zu typisieren, dann stellt sich sehr schnell die Frage, wie man ein wenig Ordnung in sein Datenchaos bringen kann. Das ist nur zu einem geringen Teil eine arbeitsorganisatorische Frage (Sortieren der Daten), sondern sehr viel mehr die Frage, wie die unüberschaubare Mannigfaltigkeit der Daten mit (vorhandenen oder noch zu findenden) Theorien in Verbindung gebracht werden können.

Bei diesem Unternehmen, nämlich Daten mit (alten oder neuen) Theorien in Zusammenhang zu bringen, sind idealtypisch drei logische Schlussverfahren zu unterscheiden: die Deduktion, die Induktion und die Abduktion.

Deduktion und Induktion sind zwei logische Operationen, die jedem, der (vor dem PISA-Test) mehr als 10 Schuljahre hinter sich hat, bekannt sind. Das gilt jedoch nicht für die Abduktion: was abduktives Folgern letztlich bedeutet, ist (trotz des rasanten Aufstiegs der Abduktion in den letzten Jahrzehnten) oft immer noch unklar – auch unter (Sozial)-Wissenschaftlern. Dabei hat der Begriff «Abduktion» – glaubt man ihrem wichtigsten Förderer, nämlich Charles Sanders Peirce – eine knapp 400jährige Geschichte. Erstmals eingeführt 1597 von Julius Pacius, um das Aristotelische «Apagogé» zu übersetzen , blieb er fast drei Jahrhunderte gänzlich unbeachtet. Erst Peirce (1839-1914) griff ihn auf, und bezeichnete mit ihm das einzige wirklich kenntniserweiternde Schlussverfahren (so der Anspruch), das sich von den geläufigen logischen Schlüssen – nämlich der Deduktion und der Induktion – kategorial unterscheidet.

Im Folgenden werde ich versuchen, die Bedeutung des Begriffs «Abduktion» nicht begriffsgeschichtlich, sondern im Sinne des Pragmatismus zu erläutern. Allerdings ist dies nicht so leicht, denn auch heute noch birgt das Unterfangen, sich mit der Philosophie von Charles Sanders Peirce auseinanderzusetzen, ein nicht kleines Risiko. Zum einen wegen der unbefriedigenden Datenlage: Sehr viele der Arbeiten von Peirce liegen nur in handschriftlicher Form vor, vieles ist noch unveröffentlicht, das meiste noch nicht ins Deutsche übersetzt und eine Gesamtausgabe noch in weiter Sicht .

Sehr viel ärger, insbesondere für die Rekonstruktion der Verwendung des Abduktionsbegriffes, ist, dass die Herausgeber der Collected Papers (CP), Charles Hartshorne und Paul Weiss , später auch Arthur Burks, trotz all ihrer Verdienste zu vielen weitreichenden und lang anhaltenden Missverständnissen beitrugen. Denn die in den CP aufgenommenen Texte gaben oft zu Irrtümern Anlass, da die Herausgeber manche Texte gekürzt oder aus frühen und späten Arbeiten einen neuen Text «geschaffen» haben – und dies alles ohne Hinweis. Bei anderen Arbeiten griffen die Herausgeber direkt in den Text ein und veränderten Formulierungen. Besonders gravierend war jedoch, dass die Herausgeber in editorischen Bemerkungen die «Hypothesis» mit der «Abduktion» und der «Retroduktion» gleichsetzen und dadurch eine Verwirrung anrichteten, die teilweise noch bis heute anhält. Helmut Pape urteilt keineswegs übertrieben, wenn er schreibt: „Diese Ausgabe ist (...) editorisch mangelhaft, ohne kritischen Apparat, enthält zerstückelte, geänderte und geglättete Texte“ (Pape 1989: 35).

Aber die Arbeit der Herausgeber war auch nicht leicht. Als Hartshorne und Weiss die ihnen überlassenen Kartons mit den handschriftlichen Manuskripten sichteten, mussten sie feststellen: „[Peirce] manuscripts represent all states of incompleteness. Frequently there is no date or title and many leaves are out of place or altogether missing. Some of them were rewritten as many as a dozen times: it is often evident that Peirce himself was not able to select a final form“ (Peirce CP 1: IV). Aber die Beschäftigung mit Peirce ist nicht nur wegen der Datenlage riskant, sondern auch und vor allem deshalb, weil er mehrfach in den Jahren des schriftlichen Philosophierens (also von 1855 bis 1914) seine Terminologie, aber auch seine Grundüberzeugungen (teils recht deutlich) wechselte. Wer sich also mit der Arbeit von Peirce auseinander setzen will, sollte einerseits bei Generalisierungen eine gewisse Vorsicht walten lassen, zum anderen wird er klugerweise nicht die Philosophie von Peirce untersuchen, sondern nur einen bestimmten Teil. Eingedenk dieser Vorbehalte werde ich mich auf einen kleinen, wenn auch zentralen Teil der Spätphilosophie (also ab 1890) beschränken.

Meine Auseinandersetzung mit Peirce beansprucht also nicht (das war bereits gesagt worden), die die Entstehung und auch die Wandlungsprozesse des Abduktionsbegriffes genau nachzuzeichnen. Das ist Ansgar Richter in seiner ausgesprochen unaufgeregten und sorgfältigen Untersuchung der Schriften von Peirce sehr gut gelungen (vgl. Richter 1995). Mir geht es hier «nur» um die Herausarbeitung des Besonderen, des Spezifischen der Abduktion. Bei diesem Versuch werde ich bei der Darstellung der Peirceschen Position nicht immer ins letzte Detail gehen, ebenso werde ich einige (auch wichtige) Verbindungen zu anderen Konzepten Peirce’s (z.B. Semiose, Lehre von den Qualitäten) frühzeitig kappen – meist mit schlechtem Gewissen. Auch bei der Rezeption der Peirceschen Ideen werde ich nicht die gesamte Literatur berücksichtigen, sondern mich auf die Aneignung durch die deutsche qualitative Sozialforschung beschränken (zur Geschichte der Rezeption des Abduktionsbegriffes siehe Reichertz 1991a: 71-113).

Ziel meiner Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Peirce und der entsprechenden Sekundärliteratur ist, zu (ideal-)typischen Handlungstypen des Auf- und Entdeckens zu gelangen. Um dorthin zu gelangen, werde ich das Programm nutzen, das Peirce selbst für die Rekonstruktion von Begriffsbedeutungen gefordert hat. Denn Ideen und Begriffe sind für Peirce nur mithilfe der pragmatischen Maxime zu klären: „Überlege, welche Wirkungen, die denkbarerweise praktische Auswirkungen haben könnten, wir den Gegenständen unseres Begriffes in der Vorstellung zuschreiben. Dann ist unser Begriff jener Wirkungen das Ganze unseres Begriffes des Gegenstandes“ (Peirce 1976: 454 – CP 5.438 – 1905) . Mit dieser Formulierung besteht Peirce darauf, dass es sinnlos ist, Begriffe abstrakt zu definieren, da sie keine in ihnen ruhende Bedeutung haben, sondern dass sie stets Handlungen und Handlungsmöglichkeiten bezeichnen. Da hier nicht der Platz ist, die Fruchtbarkeit dieser Bedeutungstheorie auszuweisen, werde ich im Weiteren lediglich – ganz defensiv – beanspruchen, dass eine solche Theorie der Bedeutung für die Gesamtfragestellung meiner Studie nützlich sein wird.

Was fordert nun die pragmatische Maxime im Einzelnen? Sie fordert zu überlegen, welche denkbaren Handlungsweisen vorstellbar sind, oder besser: ausgelöst werden durch das, was der Begriff «herbeibringt». Die Summe aller vorstellbaren Handlungsweisen oder genauer: die begriffliche Fassung dieser Handlungsweisen macht die Bedeutung eines Begriffes aus. „Der volle intellektuelle Bedeutungsinhalt irgendeines Symbols besteht in der Gesamtheit aller allgemeinen Formen rationalen Verhaltens, die aus der Annahme des Symbols konditional in Bezug auf alle möglichen verschiedenartigen Umstände und Bestrebungen folgen“(ebd.). Etwas einfacher formuliert Peirce an anderer Stelle: „Um die Bedeutung eines Gedankens zu entwickeln, haben wir daher einfach nur zu bestimmen, welche Verhaltensweisen er erzeugt, denn was ein Gegenstand bedeutet, besteht einfach in den Verhaltensweisen, die er involviert“ (Peirce 1976: 193 – CP 5.400 – 1878).

Bedeutungsunterschiede beruhen demnach auf unterschiedlichen praktischen Auswirkungen. Unterschiedliche Handlungstypen konstituieren unterschiedliche Bedeutungen . Will man also die Bedeutung eines Begriffes – auch eines wissenschaftlichen – rekonstruieren, muss man gemäß dem Programm der pragmatischen Maxime möglichst viele (vielleicht auch alle) von ihm ausgelöste Verhaltensweisen auflisten.

Charles Sanders Peirce hat den Ausdruck «Abduktion» nicht in die Geisteswissenschaften eingeführt, er hat lediglich einen längst vergessenen Begriff aufgegriffen und in neue Spiele mit Sprache eingeführt – das war bereits weiter oben gesagt worden. In einen Lexikonartikel aus dem Jahr 1868/69 schrieb er zwar schon etwas zum Begriff «Abduktion», stellte diesen jedoch zu diesem Zeitpunkt keineswegs in Beziehung zu seinen Arbeiten und Begriffen (vgl. Richter 1995: 53 und Kempski 1992: 320ff). Den Begriff «Abduktion» verwendete Peirce in eigener Sache zum ersten Mal etwa 1893, systematisch setzte er ihn jedoch erst ab 1901 ein. Ab 1906 benutzte Peirce dann zunehmend den Begriff der Retroduktion (vgl. Richter 1995: 159, siehe auch Wartenberg 1971: 155 und Riemer 1988a: 291).

Aus heutiger Sicht ist unstrittig, dass Peirce etwa bis 1898 unter dem Namen «Hypothesis» zwei recht unterschiedliche Formen des Schlussfolgerns fasste , ohne dies jedoch zu bemerken. Als ihm dieser unklare Gebrauch des Namens «Hypothesis» auffiel, arbeitete er in seiner Spätphilosophie den Unterschied zwischen den beiden Verfahren deutlich heraus und nannte die eine Operation «qualitative Induktion» , die andere «Abduktion». Das meiste, was Peirce vor 1898 zum Thema «Hypothesis» geschrieben hatte, charakterisierte jedoch nicht die Abduktion, sondern die qualitative Induktion. Erst später räumt Peirce ein: „By hypothetic inference, I mean (...) an induction of qualities“ (Peirce CP 6.145 – 1892) – siehe hierzu auch Misak 1991: 92.

Die neuen Namen markierten – dies ist allerdings nicht mehr so unstrittig – eine Änderung in der theoretischen Konzeption von Peirce und damit eine Änderung des entworfenen Handlungstyps logischen Schlussfolgerns. Demnach hat es Peirce mit seinen Schriften ab 1901 unternommen, „die Abduktion psychologisch und forschungslogisch zu interpretieren, während die Bedeutung logisch-mathematischer Interpretationsansätze insgesamt abnimmt“ (Richter 1995:172). Über die Gründe, die zu der Überarbeitung des Konzepts der Hypothesis führten, kann man nur spekulieren . Durchaus plausibel erscheint mir allerdings, dass dabei die «Kehre» von Peirce, nämlich die von einem überzeugten Deterministen und zu einem überzeugten Evolutionisten, eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte (vgl. hierzu auch Kloesel 1994).

Im Falle des Wandels von «Hypothesis» zu «Abduktion» veränderte Peirce nicht nur die Verwendungsweise, sondern auch die Namen. Und er wies ausdrücklich darauf hin! So schrieb er 1902 rückblickend, dass sich seine Theorie der gültigen Schlüsse seit 1883 enorm verbessert habe. Vor 1883 habe er sich in einigem geirrt. Grund für den Irrtum: „Doch ich war zu sehr damit beschäftigt, die syllogistische Form und die Lehre von der logischen Extension und Komprehension zu untersuchen, die ich als weit grundlegender ansah als sie wirklich sind. Solange ich dieser Überzeugung war, vermengten sich in meiner Vorstellung von der Abduktion notwendig zwei verschiedene Arten des Schließens“ (Peirce 1986: 399f – MS 425 – 1902).

Weil er zu sehr die syllogistische Form von Schlussverfahren beachtete und weil er sich zu sehr auf allein logische Analysen konzentrierte, gelang die Grenzziehung zwischen zwei Schlüssen – nämlich der Abduktion und der Induktion – nicht, so die Peircesche Rekonstruktion. In einem Briefentwurf an Paul Carus ging Peirce mit seinen Ansichten von 1883, welche er in den «Studies in logic» vertreten hatte, noch schärfer ins Gericht. „In fast allem, was ich vor dem Beginn dieses Jahrhunderts in Druck gab, vermengte ich mehr oder weniger Hypothese und Induktion“ (Peirce 1986: 81 – CP 8.227 – 1910). „But what I there call hypothesis is so far from being that, that it is rather Quantitative than Qualitative Induction“ (Peirce CP 8.234 – 1910) .

Aus all dem lässt sich leicht begründen, dass Peirce den Ausdruck «Abduktion» anders verwandte als den Vorläuferbegriff «Hypothese», somit also anhand der Arbeiten von Peirce zwei Handlungstypen rekonstruiert werden können: der des hypothetischen und der des abduktiven Schlussfolgerns. Ob der Wandel sich sprunghaft vollzog oder sich Schritt für Schritt langsam gestaltete und wann dies geschah, sind Fragen, die hier nicht zur Klärung anstehen, da sie für meine Fragestellung nicht bedeutsam sind. Allerdings muss eine – nicht nur denkbare, sondern m.E. auch zutreffende – Möglichkeit berücksichtigt werden: So könnte es sein, dass der Handlungstyp des abduktiven Schlussfolgerns bereits in dem früheren Typ des hypothetischen Schlussfolgerns «enthalten» war, lediglich vermischt bzw. nicht genügend abgegrenzt gegen eine Spielart der Induktion, nämlich die der qualitativen Induktion. Dass dem so ist, dafür spricht allein schon die Tatsache, dass Peirce seine selbstkritische Replik mit den Worten: „In fast allem, was ich ... in Druck gab“ rahmte – also nicht in allem fand seiner Meinung nach die Vermischung statt.

Daraus ergibt sich die Frage, wie aus den Frühschriften der Typ des hypothetischen Schlussfolgerns rekonstruiert werden kann, wenn doch Formulierungen aus der Zeit vor 1883 sowohl Beschreibungen des hypothetischen als auch des abduktiven Schlussfolgerns sein können. Das Problem lässt sich lösen, indem man nicht nur der Datierung von Peirce folgt (also das Jahr 1883 als Scheitelpunkt betrachtet), sondern auch seine inhaltliche Bestimmung des hypothetischen Schlussfolgerns miteinbezieht. An dieser Art des logischen Schließens kritisierte er nämlich die Zuspitzung auf die syllogistische Form und seine vor allem formallogische Beschreibung. Deshalb dürfte es sinnvoll sein, für die Rekonstruktion des Handlungstypus «hypothetisches Schlussfolgern» Texte zu untersuchen, welche (a) vor 1883 geschrieben wurden und (b) zugleich formallogisch argumentieren Für die Nachzeichnung des Handlungstypus «abduktives Schlussfolgern» werde ich dagegen vor allem solche Texte heranziehen, welche nach 1898 geschrieben wurden und in denen Peirce entweder den Begriff «Abduktion» oder «Retroduktion» benutzte.


2.1 Hypothetisches Schlussfolgern


Auch auf die Gefahr hin, der Differenziertheit der Peirceschen Frühphilosophie nicht gerecht zu werden (was ich im übrigen mit diesem Kapitel auch nicht anstrebe), werde ich im folgenden versuchen, einen «Idealtyp» (vgl. Weber 1973) des hypothetischen Schlussfolgerns zu rekonstruieren. Gefährlich ist dieses Unternehmen deshalb, weil Peirce bereits in früheren Charakterisierungen der Hypothesis Argumente benutzte, die später bei der Beschreibung der Abduktion erneut auftauchten. Aber in diesem Kapitel soll nicht die Kontinuität der Peirceschen Philosophie dargestellt werden, sondern ihre Veränderung. Deshalb werde ich versuchen, Unterschiede herauszuarbeiten, um auf diese Weise zu trennscharfen Begriffen bzw. Handlungstypen zu gelangen.

Eine der ersten veröffentlichten Arbeiten von Peirce erschien im April 1867 unter dem Titel „On the Natural Classification of Arguments“ (Peirce CP 2.461ff.). In dieser Arbeit setzt sich der 28-jährige mit der These Kants auseinander, alle Formen des Urteilens ließen sich auf eine Form – nämlich auf die der Deduktion im modus Barbara – zurückführen. Peirce räumt zwar ein, dass alle bekannten Syllogismen sich durch Umformungen in die Form «Barbara» verwandeln ließen, besteht jedoch darauf, dass es neben der Deduktion zwei weitere selbständige Formen des Schlussfolgerns gebe, nämlich die Induktion und die Hypothesis (vgl. Peirce CP 2.792ff. – 1866) – die beiden zuletzt genannten seien durch eigene Charakteristika gekennzeichnet. Diese bekäme man jedoch nur zu Gesicht, wenn man nicht mehr (wie Kant) das Schlussfolgern als einen Prozess des Urteilens ansehe, sondern als eine Proposition.

Peirce sieht die Frage nach der Möglichkeit des erkenntniserweiternden Urteilens a priori als Spezialfall einer weit umfassenderen Frage an, der Frage nämlich, „wie synthetische Urteile im allgemeinen, oder noch allgemeiner, wie synthetisches Denken überhaupt möglich ist. Wenn die Antwort auf das allgemeine Problem gewonnen ist, wird das besondere Problem verhältnismäßig einfach sein. Das ist das Schloss vor dem Eingang zur Philosophie“ (Peirce 1976: 97 – CP 5.348 – 1868). Dieses Schloss will Peirce mit seinen Untersuchungen öffnen, und das verbindet ihn ohne Zweifel mit der frühen Phänomenologie Husserls, aber auch mit dem Denken Freges. Zu diesem Zweck geht Peirce den Weg der Philosophiegeschichte weit zurück, bis zu jener Stelle, die nach seiner Meinung eine entscheidende Kreuzung im abendländischen Denken markiert: der Philosophie Descartes’ (auch das verbindet Peirce mit Husserl). Gegen Descartes gewandt postuliert Peirce vier grundsätzliche Unvermögen der menschlichen Gattung: „1. Wir haben kein Vermögen der Introspektion, sondern alle Erkenntnis der inneren Welt ist durch hypothetisches Schlußfolgern aus unserer Erkenntnis äußerer Fakten abgeleitet. 2. Wir haben kein Vermögen der Intuition, sondern jede Erkenntnis ist von vorhergehenden Erkenntnissen logisch bestimmt. 3. Wir haben kein Vermögen, ohne Zeichen zu denken. 4. Wir haben keinen Begriff von einem absolut Unerkennbaren“ (Peirce 1976: 42 – CP 5.265 – 1868). Entscheidend für meine Argumentation ist, dass Peirce die Möglichkeit der Intuition ganz ausschließt (zumindest in dieser Schrift). Jede Erkenntnis ruht für ihn vorangegangenen Erkenntnissen auf, Erkenntnis ist stets «diskursive Erkenntnis».

Wenn Peirce gegen die Intuition argumentiert, greift er immer die These an, es gebe zwei Arten des Erkennens – eine diskursive, welche auf vorhergehende Erkenntnisse verweist, und eine nicht-diskursive, eine vorprädikative Unmittelbarkeit, ein nicht-sinnliches Schauen auf ansonsten vollkommen Unzugängliches, ermöglicht durch einen gnädigen Gott . Für Peirce gibt es dagegen nur eine Art der geistigen Tätigkeit, welche in einem kontinuierlichen Prozess zur Erkenntnis führt. „Wir müssen also mit einem Prozeß der Erkenntnis beginnen (...). Das ist nichts anders als der Prozeß gültigen Schließens (...)“ (ebd.: 43).

Aber in seinen weiteren Arbeiten interessierte sich Peirce gerade nicht für den faktischen kontinuierlichen Erkenntnisprozess, sondern er suchte immer wieder nach logischen Formeln, Syllogismen, mit denen sich erkennendes Denken beschreiben lässt. Zwar stellte er auch die Frage, ob sich das erkennende Denken tatsächlich in der Form eines syllogistisch strukturierten Prozesses vollziehe, doch für Peirce gab es in dieser Phase seiner Arbeit eine klare Antwort: „Es findet also etwas im Organismus statt, das dem syllogistischen Prozeß äquivalent ist“ (ebd.: 44).

Erworben hat der menschliche Organismus diese Fähigkeit in einem langen Prozess „natürlicher Zuchtwahl“ (ebd.: 92 – CP 5.341 – 1868). Das Fundament seiner Frühphilosophie ruht mithin auf folgenden Prämissen auf:

Es gibt nur eine Art erkennenden Denkens.
Erkenntnis ohne vorhergehende Erkenntnis ist unmöglich.
Der Erkenntnisprozess im Organismus kann als syllogistischer Prozess aufgefasst werden.
Das Erkenntnisvermögen ist Ergebnis der Evolution der menschlichen Gattung.

Diese Prämissen hatten für die Philosophie von Peirce weitreichende Folgen. Eine, für meine Argumentation wichtige, soll hier kurz ausgeführt werden. Indem Peirce mit seinen Prämissen die Fähigkeit zum erkennenden Denken nicht mehr als Aufgabe und Leistung eines einzelnen, in Handlungen verstrickten Erkenntnissubjektes ansieht, sondern als Ergebnis der menschlichen Evolution und damit allen Gattungsmitgliedern zueigen, «bereinigt» er einerseits den Erkenntnisprozess von historischen und individuellen Einschränkungen, bindet ihn andererseits in die Aufgabe ein, das Überleben der Gattung Mensch sichern zu helfen. Diese «Abstrahierung» des erkennenden Denkens macht es sinnvoll, nicht mehr einzelne, konkrete Erkenntnisprozesse zu untersuchen, sondern das allen Prozessen zugrunde liegende Muster. Dass diese Muster sich vollständig mit Syllogismen, also logischen Formen, beschreiben lassen, war die Annahme des frühen Peirce – eine Annahme, die keineswegs nahe liegend war, höchstens für einen Mathematiker oder Bewunderer der Logik .

Ist man genau, dann muss man allerdings einräumen, dass Peirce keineswegs davon überzeugt war, dass Erkenntnisprozesse sich vollständig auf Syllogismen abbilden lassen. Stattdessen glaubte er schon sehr früh, „daß kein Schluß eines Individuums gänzlich logisch sein kann“ (ebd.: 101 – CP 5.345 – 1868). Ein nicht-logischer Rest verbleibe, wenn nicht immer, so doch oft. Dieser Rest gründe – so Peirce – im Sozialem . Allerdings behandelte Peirce das «Nicht-Logische» des Erkenntnisvorganges (zu dieser Zeit noch) als zu vernachlässigenden Rest, und er wandte sein ganzes Augenmerk den logischen Argumentformen zu. Diese klassifiziert er mit der Begrifflichkeit Kants auf folgende Weise:

„Schluß
┌────────────────┴───────────────┐
deduktiv oder analytisch synthetisch
┌──────────┴─────────┐
Induktion Hypothese“
(Peirce 1976: 232 – CP 2.623 – 1878).

Induktion und Hyothesis werden also beide als synthetische, erkenntniserweiternde Schlüsse aufgefasst. Die drei Syllogismen skizziert Peirce in seinem Bohnenbeispiel, das vor allem dadurch berühmt wurde, dass es meist von denen in den Zeugenstand zitiert wird, welche die Abduktion als eine logische Operation auffassen wollen:

Deduktion

Regel. Alle Bohnen in diesem Sack sind weiß.
Fall. Diese Bohnen sind aus diesem Sack.
Resultat. Diese Bohnen sind weiß.

Induktion

Fall. Diese Bohnen sind aus diesem Sack.
Resultat. Diese Bohnen sind weiß.
Regel. Alle Bohnen aus diesem Sack sind weiß.

Hypothese

Regel. Alle Bohnen aus diesem Sack sind weiß.
Resultat. Diese Bohnen sind weiß.
Fall. Diese Bohnen sind aus diesem Sack.“ (ebd.)

Die Deduktion wird also verstanden als die „Anwendung allgemeiner Regeln auf besondere Fälle“ (ebd.: 230), die Induktion als „der Schluß von Fall und Resultat auf die Regel“ (ebd.: 231) und die Hypothesis als „der Schluß von Regel und Resultat auf einen Fall“ (ebd.). „Hypothesis proceeds from Rule and Result to Case“ (Peirce CP 2.712 – 1883). Das Schlussfolgern wird also stets als Dreischritt begriffen, geschlossen wird von zwei bekannten Größen auf eine unbekannte.


2.1.1 Die Hypothesis als Schluss von zwei bekannten Größen auf eine unbekannte


In den zuletzt zitierten Bestimmungen von Peirce entdeckt man bei genauem Hinsehen zwei unklare Formulierungen: denn zum einen ist unklar, ob Peirce tatsächlich unterstellt, dass bei Induktion und Hyothesis (die Deduktion interessiert an dieser Stelle nicht) von zwei bekannten auf eine unbekannte geschlossen wird, zum anderen muss noch geklärt werden, was in diesem Zusammenhang das Wort «unbekannt» bedeutet. Der ersten Frage möchte jetzt nachgehen, der zweiten weiter unten. Auf der Suche nach einer Antwort auf die erste Frage hilft ein Beispiel, die Argumentation von Peirce zu verdeutlichen:

„Ich gehe auf den Jahrmarkt und ziehe aus der ‚Gewinntrommel’ zwölf Päckchen. Ich öffne sie und finde, daß jedes einen roten Ball enthält. Damit haben wir eine allgemeine Tatsache. Sie hängt nun von den Bedingungen der Erfahrung ab. Was ist die Bedingung der Erfahrung? Einzig und allein, daß die Bälle die Inhalte von Päckchen darstellen, die aus jener Gewinntrommel gezogen wurden, d.h. das einzige, was die Erfahrung bestimmte, ist das Entnehmen aus der Trommel. Ich schließe also nach Kants Prinzip, daß dasjenige, was aus der Gewinntrommel gezogen wird, einen roten Ball enthalten wird. Das ist Induktion“ (Peirce 1976: 39 – 1868).

Bekannt (aufgrund eigener Erfahrung) ist dem Nutzer der Gewinntrommel zweierlei: (a) Diese Päckchen sind aus dieser Gewinntrommel (= Fall), und (b) diese Päckchen enthalten rote Bälle (= Resultat). Der Schluss von Fall und Resultat auf die Regel «verlängert» allein die Erfahrung, das Bekannte, er vergrößert den Geltungsbereich des bisherigen Wissens. Unterstellt wird dabei die auch zukünftige Gleichförmigkeit der Erfahrung bzw. der Welt . Die Induktion fügt der Erfahrung nicht Neues hinzu, sondern «entgrenzt» lediglich bereits Gewusstes. Zwei Größen, nämlich Fall und Resultat, sind bekannt, die dritte ergibt sich aus einer Variation des Bekannten .

Ähnlich, wenn auch etwas weniger eindeutig, sieht es bei der Hypothesis aus. Eindeutig scheint die Beschreibung nur, wenn man die syllogistische Form der Hypothesis betrachtet – dort heißt es nämlich sehr klar: von Regel und Resultat wird auf den Fall geschlossen. Die bekannte Regel steht am Anfang, das Resultat ist gleichfalls bekannt, was im dritten Schritt erfolgt, ist die Subsumtion des Resultats unter eine Regel. Komplizierter wird die Lage, wenn man die Formulierung genauer untersucht, die Peirce wenige Sätze später zur näheren Kennzeichnung der Hypothesis verwandte. Dort heißt es nämlich: „Um eine Hypothese handelt es sich, wenn wir einen seltsamen Umstand finden, der durch die Unterstellung erklärt werden würde, dass er ein Fall einer bestimmten allgemeinen Regel ist, und wenn wir daraufhin jene Unterstellung akzeptieren“ (Peirce 1976: 232 – CP 2.624 – 1878). Der scheinbar nur kleine Widerhaken steckt im letzten Halbsatz: „und wenn wir daraufhin jene Unterstellung akzeptieren“!

Der Begriff «Unterstellung» bezieht sich nämlich auf zweierlei – zum einen auf: «Ist ein Fall einer Regel», zum anderen auf: «Es gibt eine bestimmte allgemeine Regel». In der ersten Lesart sind Regel und Resultat und damit letztlich auch der Fall bekannt – bei der Hypothesis handelt es sich also eindeutig um eine Subsumtion. In der zweiten Lesart geht es um die Akzeptanz der Gültigkeit einer Regel. Ist die Regel bereits bekannt, welche den «seltsamen Umstand» verständlich macht, dann wird der Glaube an die Gültigkeit der Regel gefestigt, und wir haben einen Fall der o.a. ersten Lesart. Ist allerdings noch keine Regel bekannt, die das «Seltsame» in eine Ordnung eingliedert, erfindet man eine neue, noch unbekannte Regel und unterstellt deren Gültigkeit. Wenn diese Unterstellung das Seltsame auflöst und wenn aufgrund dieser «Leistung» der neuen Regel deren mögliche Gültigkeit/Brauchbarkeit vermutet werden kann, dann liegt ein ganz anderer Fall vor: dann sind Regel und Fall unbekannt, man weiß allein um das Resultat .

Diese zweite Lesart verliert aber an Plausibilität, wenn man den Text von Peirce weiterliest. Denn es geht weiter mit einem einschließenden und nicht ausschließenden ‚oder’ und die (scheinbare) Paraphrase lautet so: „Oder, wenn wir finden, daß in gewissen Hinsichten zwei Objekte einander sehr ähnlich sind, und schließen, daß sie einander in anderen Hinsichten ebenso ähnlich sind“ (ebd.). Auf den ersten Blick ist diese Formulierung keine Paraphrase der zuvor untersuchten, geht doch die frühere von der Regel und dem Resultat aus, während die neue von der Gleichheit einiger Merkmale (also von einem sample) auf die Gleichheit aller Merkmale schließt. Um diese Unstimmigkeiten aufzulösen, aber auch zugleich zu verstärken, möchte ich ein weiteres Beispiel von Peirce untersuchen.

„Ich landete einst in einem Hafen in einer türkischen Provinz und als ich zu dem Haus hinaufging, das ich besuchen wollte, traf ich einen Mann auf einem Pferd, der von vier Reitern, die einen Baldachin über seinen Kopf hielten, umgeben war. Da der Gouverneur der Provinz die einzige Person war, von der ich mir denken konnte, daß sie so hoch geehrt wurde, schloß ich, daß es der Gouverneur war. Das war eine Hypothese“ (ebd.: 233) .

Die Struktur des hypothetischen Schlussfolgerns ist bei diesem Beispiel besonders leicht zu erkennen, aber auch, dass meine oben entwickelte «zweite Lesart» zumindest durch dieses Beispiel nicht gestützt wird: Der Amerikaner, gerade in der Türkei gelandet, sieht etwas für ihn Seltsames, etwas, was er so nicht kennt – überraschend war es gewiss nicht, denn jeder Besucher eines fremden Landes weiß, dass es dort nicht so ist wie zuhause. Er beobachtet ein Ereignis und er registriert folgende äußeren Merkmale: ein Mann reitet auf einem Pferd – im Gegensatz zu vielen anderen Menschen im Hafen, die zu Fuß unterwegs sind. Der Reiter hebt sich also von der Umgebung der übrigen «Fußgänger» ab. Die Abhebung wird weiter verstärkt durch ein anderes Merkmal – nämlich die vier ihn umgebenden Reiter, welche in der sonnigen Türkei einen Baldachin über den Kopf des Reiters in der Mitte halten. Der Reiter ist also von den übrigen Menschen deutlich abgegrenzt und abgehoben. In gewissem Sinne ist er auch gut aufgehoben, bewegt er sich doch deutlich komfortabler durch die Welt.

Dieses Maß an Komfort und möglicherweise auch dieses Maß an Ehrerbietung bemerkt der Beobachter aus Amerika. Daraufhin sucht er in seinem Gedächtnis nach Erlebnissen, bei denen Personen in Amerika ähnlicher Komfort und ähnliche Ehrerbietung zuteil wurde. Er stößt darauf, dass das öffentliche Auftreten amerikanischer Gouverneure ähnliche Merkmale, vielleicht strukturell gleiche, aufweist. Von der Gleichheit dieser wenigen Merkmale wird auf die Gleichheit der übrigen Merkmale geschlossen, woraus sich im weiteren ergibt, dass beide Ereignisse unterschiedliche Fälle derselben Klasse (= Regel) sind. Daraus, dass dem baldachinbeschützten Reiter einige Merkmale mit einem amerikanischen Gouverneur gemeinsam sind, wird gefolgert, dass ihm auch das Merkmal «Hat die Position eines Gouverneurs» zukommt. Man schließt von einer Auswahl von Merkmalen, welche man sieht, auf andere, welche man nicht sieht. Dieser Schluss von der Stichprobe auf die Gesamtheit ist induktiv, auch wenn er nicht von den quantitativen Eigenschaften einer Stichprobe folgert, sondern von deren Qualitäten. Insofern ist diese Art der Hypothesis eine Induktion von Merkmalen – auch wenn Peirce ihr diesen Charakter (noch) abspricht.

Man kann das Beispiel auch mit anderen, aus Syllogismen bekannten terms beschreiben: Ein Mann sieht ein Ereignis, und er rechnet nicht hoch, wie es weitergehen wird, sondern er betrachtet das Ereignis als Gewordenes, als Resultat. Er betrachtet die einzelnen Merkmale des Ereignisses genau und versucht, alle Merkmale durch eine Erklärung sinnvoll aufeinander zu beziehen. Hierzu greift er auf «Dinge» zurück, die nicht im Ereignis selbst enthalten sind. Er greift nämlich auf die Kenntnis von Regeln (Gesetzen) zurück, um die Anordnung von Merkmalen zu erklären. Dieser Rückgriff auf bekannte Regeln entpuppt sich allerdings bei näherem Hinsehen als ein Schließen von der Gleichheit einiger Merkmale auf die Gleichheit aller Merkmale einer Klasse, und damit wird klar, dass die beiden von Peirce benutzten Bestimmungen der Hypothesis tatsächlich als gegenseitige Paraphrasen gedacht sind, (auch wenn sie objektiv nicht bedeutungsgleich sind).

Denn die Anwendung der Regel «Gouverneure werden in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Maß an Reisekomfort und Ehrerbietung von den Normalbürgern abgehoben» erweist sich nicht als Schluss von einem Merkmal auf ein anderes, sondern als die Bestimmung einer Klasse, zu der eine Menge von Merkmalen gehören. Insofern unterscheidet sich dieses Schlussfolgern (von Resultat und Regel auf den Fall) von der oben dargestellten Induktion von Merkmalen. Folgt man dieser Sicht, dann bemerkt man eine Besonderheit der Induktion von Merkmalen: Sie ergibt sich nämlich aus zwei Schlussfolgerungen: zuerst schließt man von der Anwesenheit bestimmter Merkmale auf das Vorhandensein anderer Merkmale, dann folgert man, dass der in Frage stehende Fall Element einer bekannten Klasse ist – letzteres ist eine Deduktion. Denn der Hinweis «Hat die Position eines Gouverneurs» ist nicht – wie oben eingeräumt – ein Schluss auf ein weiteres Merkmal des in Frage stehenden «Objekts», sondern es ist die Angabe eines Oberbegriffes (Klasse), welcher durch eine gewisse Menge von Merkmalen konstituiert wird. Diese Art hypothetischen Schlussfolgerns besteht also aus einer Induktion von Merkmalen mit anschließender Deduktion oder wie Peirce schreibt: „Ebenso ist die Hypothese in Wirklichkeit eine Subsumtion eine Falles unter eine Klasse (...)“ (ebd.: 235). Diese Form des Folgerns oder in diesem Fall besser: des figurativen Schließens sucht keine neuen Regeln, sondern versucht «Neues» unter alte Regeln zu fassen.

Dagegen könnte der Prozess des Auffindens neuer Regeln – bleibt man im Beispiel – so aussehen: Der Fremde will sich ein für ihn seltsam erscheinendes Ereignis erklären. Anstatt das «Seltsame» schnell unter bekannte Regeln zu subsumieren, klammert er sein Wissen um soziale Regeln erst einmal ein. So muss er z.B. virtuell die Geltung der Regel für den beobachteten Fall außer Kraft setzen, dass die Begleitung durch baldachintragende Männer Ausdruck von Ehrerbietung ist, ja der abduktive Schlussfolgerer muss sogar auf die Benennung des getragenen «Sonnenschutzes» als «Baldachin» verzichten, da diese Bezeichnung bereits auf spezifische soziale Regeln verweist. D.h.: der Beobachter muss die Gültigkeit der von ihm gewussten Regeln und Gesetze für den zu erklärenden Fall außer Kraft setzen, was nicht heißt, dass er die Regeln vergessen müsste – wie sollte dies auch gehen? Nachdem erst einmal die Gültigkeit der gewussten Regeln ausgesetzt worden ist, konstruiert der Beobachter unter Zuhilfenahme aller ihm bekannten Regeln mögliche (neue) Regeln, die alle beobachteten Merkmale sinnhaft und sinnvoll aufeinander beziehen. Ist eine solche Regel gefunden, liegt zugleich eine Deutung vor, was der Fall (in diesem Fall) ist. Ob diese Deutung etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat, ist aber eine ganz andere Frage.


2.1.2 Entdeckt die Hypothesis Neues?


An dieser Stelle möchte ich den reisenden Amerikaner verlassen und mich wieder meiner ersten Ausgangsfrage zuwenden, nämlich der, ob bei der Induktion und Hypothesis – folgt man der Konzeption von Peirce – tatsächlich zwei Größen als bekannt vorausgesetzt werden, aus denen dann etwas Drittes, Unbekanntes, erschlossen wird. Meine bisherige Untersuchung hat m.E. ergeben, dass dem so ist – zumindest in den Jahren bis etwa 1895. Die Beantwortung meiner zweiten oben gestellten Frage steht allerdings noch aus; es muss nämlich noch geklärt werden, wie Peirce das Wort «unbekannt» verwendet. Ist «unbekannt» identisch mit «neu», «noch nie da gewesen»? Bedenkt man, was Peirce in den frühen Schriften über die Unmöglichkeit der Intuition gesagt hat, dann kann man sich schon ausrechnen, in welche Richtung er argumentieren wird, doch ich werde mich hier der Spekulation und Unterstellung enthalten und Peirce selbst zu Wort kommen lassen. Um seine Argumente verständlicher zu machen, muss ich ein wenig ausholen, und zwar beginne ich bei der Peirceschen Einschätzung der Gültigkeit der einzelnen Schlüsse, was mir Gelegenheit gibt, zu dem Türkeibesucher kurz zurückzukehren.

Es liegt auf der Hand (= es ist sehr plausibel), dass die Schlussfolgerung des Fremden nicht nur sehr waghalsig war, sondern wahrscheinlich auch falsch. So ist es nicht nur fraglich, ob es damals in der Türkei Gouverneure gab, sondern auch, ob diese zum geehrten Teil einer Administration gehörten. Konnte sich ein reicher Privatier einen solchen Komfort nicht leisten? Vielleicht handelte es sich auch um einen religiösen Führer? Denkbar und plausibel sind noch eine Reihe weiterer Lesarten. Wie viele man findet, hängt von dem Maß der eingesetzten Phantasie ab. Diese Vielzahl von möglichen und sinnmachenden Hypothesen diskreditiert nicht diese Form des Schlussfolgerns, sondern ihre Gültigkeit.

Hypothesen können gültig sein, sie müssen es jedoch nicht – so Peirce. Für die Gültigkeit einer Hypothesis spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit (diese kann auch sehr gering sein). Gleiches gilt für die Induktion, auch wenn sie etwas «wahrscheinlicher» ist. Deduktionen sind dagegen immer gültig (wenn die Prämisse gültig ist), einfach deshalb, weil wir unfähig sind, uns vorzustellen, sie wären es nicht (Peirce 1976: 91 – CP 5.341 – 1868).

Induktion und Hypothesis (verstanden als Induktion von Merkmalen) betrachten stets eine bekannte Stichprobe (siehe oben). Das Argument von Peirce lautet jetzt so: je größer die Stichprobe, desto gültiger die Aussage. Je mehr man erfahren hat/weiß, desto gültiger das Urteil. Neue Erkenntnis ist über das Schlussfolgern also nicht zu erreichen, allein die Erfahrung bringt Neues. Logisches Schließen vermehrt nicht die Erkenntnis, es macht das Bekannte nur deutlicher.

Allerdings unterscheidet Peirce in diesem Punkt die Hypothesis von der Induktion. Die erste schließt von qualitativen Merkmalen eines Objektes auf andere qualitative Merkmale, die zweite aufgrund quantitativer Merkmale. Auch wenn beide Schlussarten von Stichproben auf Ganzheiten schließen, so lassen sich quantitative und qualitative Merkmale nicht miteinander vergleichen, da letztere sich oft nicht beobachten lassen. „Der große Unterschied zwischen Induktion und Hypothesis liegt darin, daß erstere auf die Existenz von Phänomenen, so wie wir sie in ähnlichen Fällen beobachtet haben, schließt, während die Hypothesis etwas annimmt, das von dem verschieden ist, was wir unmittelbar beobachtet haben, und häufig etwas, was unmittelbar zu beobachten uns gar nicht möglich ist“ (Peirce 1976: 245 – CP 2.640 – 1878).

So ist z.B. der Schluss, dass Cäsar oder Napoleon gelebt haben, ein hypothetischer. Eine Hypothesis verlässt oft das Terrain des bereits Beobachteten, sie entwirft zukünftige oder «vorzeitliche» Beobachtungen, imaginiert mögliche innere und/oder äußere Wahrnehmungen, vergrößert auf diese Weise die Stichprobe und kommt so zum Schluss. „Dementsprechend nimmt der Schluß, wenn wir eine Induktion völlig über die Grenzen unserer Erfahrung hinaus ausweiten, die Natur einer Hypothese an“(ebd.). „Aber das Wesen einer Induktion ist, daß sie von einer Reihe von Fakten auf eine Reihe ähnlicher Fakten schließt, während die Hypothese von Fakten einer Art auf Fakten anderer Art schließt“ (ebd.: 246 – CP 2.642 – 1878).

Die Lage ist erneut nicht eindeutig. Liefert das hypothetische Schlussfolgern Neues? Auf den ersten Blick gewiss, überschreitet sie doch die Grenzen der Erfahrung, genauer: soll sie doch die Grenzen der Erfahrung überschreiten. Aber es stellt sich die Frage, – bleibt man innerhalb der Peirceschen Konzeption – wie eine solche Überschreitung der Erfahrung gelingen soll, besitzen doch die Menschen keine Intuition und leiden sie zudem an dem Unvermögen, nicht ohne Zeichen denken zu können. Erkenntnis ruht laut Peirce (siehe oben) stets anderen prädikativen Erkenntnissen auf, das absolut Neue ist undenkbar.

Wie soll man nun mit diesem Widerspruch umgehen? Eine Möglichkeit besteht darin, mittels einer sehr weitreichenden Interpretation zu sagen, die Formulierung «über die Grenzen unserer Erfahrung» sprenge implizit die Grenzen eines (älteren) theoretischen Konzepts; sie trage bereits den Keim einer neuen Konzeption, welche möglicherweise später zu Explikation gebracht werde. Mir scheint diese Interpretation sehr plausibel zu sein, gibt es doch noch eine Fülle weiterer Anzeichen für einen Prozess des Umbruchs in diesen Jahren, so z.B. die Parallelisierung der Schlussarten mit menschlichem Verhalten. Aber da es mir nicht darum geht, die Dynamik und die innere Entwicklung des Peirceschen Denkens nachzuzeichnen, sondern um die Ermittlung von Idealtypen, werde ich diese Interpretation vernachlässigen und mich einer (ebenfalls plausiblen) anderen Lesart zuwenden.

Diese engere Interpretation richtet ihr Augenmerk auf die Deutung des Wortes «Erfahrung» und zieht zur Unterstützung die Beispiele von Peirce heran. Sie begrenzt die Verwendung des Begriffes «Erfahrung» allein auf das Wissen, das aus der persönlichen, erlebten Erfahrung mit der untersuchten Stichprobe resultiert. Von dieser zu unterscheiden ist das Wissen um eigene, frühere Erfahrungen (und deren Deutungen) und jenes Wissen, das die persönlichen Erfahrungen übersteigt, das die Gesellschaft ihren Mitgliedern via Sozialisation mitgibt, das Wissen um die Erfahrungen und Deutungen anderer.

Liefert die direkte Erfahrung einer Stichprobe – so die engere Interpretation – keine Deutung der wahrgenommenen Merkmale, dann muss etwas, was entweder nicht in der Stichprobe enthalten oder (noch) nicht erfahrbar ist, der Erfahrung hinzugefügt werden, und zwar aufgrund und mithilfe des bereits vorhandenen, prädikativen Wissens. «Über die Grenzen der Erfahrung hinaus ausweiten» heißt – folgt man dieser Interpretation – lediglich, man fügt der Erfahrung etwas hinzu, und zwar etwas, was man bereits «weiß». Plausibel wird diese Deutung bei der weiteren Betrachtung der Peirceschen Beispiele.

Sowohl der Schluss, dass Napoleon gelebt hat, als auch der Schluss, dass ein Berittener ein türkischer Gouverneur ist, fügen den beobachteten Daten etwas hinzu – nämlich Wissen. Mithilfe dieses vorhandenen Wissens werden die Erfahrungen gedeutet und Bekanntem zugeordnet. Es zeigt sich also, dass auch das Sprechen von der Überschreitung von Erfahrungsgrenzen eine Induktion von Merkmalen und damit eine Unterordnung eines Falles unter eine Regel (Klasse) darstellt und dass es sich bei der Hypothesis – und damit komme ich zur Ausgangsfrage zurück – nicht um eine Folgerung handelt, die Neues oder bislang Unbegriffenes auffindet. Die Hypothesis – in dieser Deutung- ordnet Wahrgenommenes in bereits vorliegende Ordnungen ein, sie erklärt Singuläres, indem sie erklärt, es sei der Fall einer bereits bekannten Klasse.

2.1.3 Der Handlungstyp «Hypothetisches Schließen» Ich räume ein, diese Interpretation verengt die theoretische Konzeption von Peirce ein wenig, da in den Frühschriften vereinzelt Hinweise darauf zu finden sind, dass die Hypothesis auch in der Lage ist, neue Klassen zu erfinden. Aber diese Hinweise widersprechen den übrigen theoretischen Aussagen von Peirce – vor allem seinem Standpunkt von der Unmöglichkeit der Intuition. Deshalb scheint es mir gerechtfertigt und aus der Perspektive meiner Zielstellung auch sinnvoll, die Bedeutung des Begriffes «Hypothesis» (in der Frühphase) mit folgenden Essentials idealtypisch zu (re)konstruieren:

  • Induktion und Hypothesis sind beides synthetische, d.h. kenntniserweiternde Schlüsse.
  • Kenntniserweiternd sind diese Schlüsse nur insofern, als sie von einer begrenzten Auswahl auf eine größere Gesamtheit schließen. Neues Wissen – im strengen Sinne – wird auf diese Weise nicht gewonnen, bekanntes lediglich ausgeweitet.
  • Die Induktion überträgt die quantitativen Eigenschaften einer Stichprobe auf die Gesamtheit. Die Hypothesis ergänzt die wahrgenommenen Merkmale einer Stichprobe mit anderen, nicht wahrgenommenen.
  • Die Hypothesis in dieser Fassung ist nichts anderes als eine Induktion von Merkmalen. Sie schließt folgendermaßen: wenn die wahrgenommenen Merkmale einer Stichprobe mit einigen Merkmalen einer bekannten Klasse von Merkmalen übereinstimmen, dann besitzt die Stichprobe ebenfalls die (noch nicht wahrgenommenen) Merkmale, die von der bekannten Klasse bereits gewusst sind. Nur in diesem Sinne überschreitet die Hypothesis die Grenzen der Erfahrung – nämlich lediglich die Erfahrung mit der in Frage stehenden Stichprobe.
  • Die Hypothesis resultiert aus zwei Arten des Wissens: (a) aus dem Wissen um die Merkmale der wahrgenommenen Stichprobe und (b) dem Wissen um Klassen, Regeln und Ordnungen. Die Hypothesis schließt von Resultat und Regel auf den Fall.
  • Die Hypothesis ist ein logischer Schluss. Der Syllogismus dieses Schlusses hat folgende Form:
Regel: Alle P(x) sind Q.
Resultat: Diese P sind Q.
Fall: Diese P sind P(x).
  • Hypothesis und Induktion sind keine gültigen, sondern wahrscheinliche Schlüsse. Auf sehr lange Sicht führen sie allerdings zu «wahren» Erkenntnissen.

Einmal unterstellt, damit seien die wichtigsten inhaltlichen Bestimmungsstücke zusammengestellt, welche durch die Verwendung des Begriffes «Hypothesis» im Frühwerk von Peirce abgedeckt sind, dann stellt sich jetzt – eingedenk der oben behandelten pragmatischen Maxime – die sehr viel entscheidendere Frage, welchen Handlungstyp des Schlussfolgerns diese Weise der Begriffsverwendung impliziert. Im Folgenden werde ich nun versuchen, diesen Handlungstyp zu (re)konstruieren. Dabei werde ich, um die Lektüre zu erleichtern, den Handlungstyp als personalen Typus darstellen (aber auch mit dem Hintergedanken, ihn sehr viel später besser mit anderen Typen des Aufdeckens, die bereits als personale Typen vorliegen, vergleichen zu können).

Ein idealtypischer hypothetischer Schließer sollte (fasst man das oben Gesagte unter der Perspektive eines personalen Typus zusammen) zwei Fähigkeiten besitzen: (a) die Fähigkeit, sich möglichst viel Wissen über die Geordnetheit der ihn umgebenden Welt verfügbar machen zu können, (b) die Fähigkeit, möglichst genau Merkmale von Stichproben identifizieren zu können. Die erste Fähigkeit ist das Ergebnis einer umfassenden Bildung, die zweite das Ergebnis einer guten Beobachtungsgabe. Besitzt man beide Fähigkeiten, ist das Auffinden der Regel, die klar macht, von was das Beobachtete der Fall ist, eine einfache Rechenaufgabe, ein simpler, klarer und angebbarer logischer Schluss. Der Schluss selbst und auch der Weg zu ihm sind beschreibbar und zwar vollständig.

Das Schlussfolgernde Handeln im Vollzug ist mit der späteren ex-post-Beschreibung der Schlussfolgernden Handlung zur Deckung zu bringen. Die spätere Erläuterung der Schlussfolgerung begründet diese nicht nur innerhalb eines rationalen Diskurses, sondern die Begründung liefert zugleich die Nachzeichnung der Entdeckung. Die Entdeckung wird auf diese Weise diskursiv, und damit wird die Prüfung der Gültigkeit der Begründung unter der Hand eine Prüfung der Gültigkeit der Entdeckungsprozedur. Die syllogistische Form des hypothetischen Schlusses zaubert die Suggestion herbei, die Entdeckungsprozedur ruhe auf den Pfeilern der Logik, und zwar der Subsumtion von Merkmalen unter eine Klasse, also letztlich der (gültigen) Deduktion . Ein weiteres Beispiel von Peirce soll den Handlungstyp «hypothetischerer Schließer» weiter verdeutlichen und ausleuchten:

„Ich weiß, dass die Sorte Menschen, welche als ‚Unabhängiger’ klassifiziert wird, ganz bestimmte Charakteristika besitzt. Ein Unabhängiger hat eine hohe Selbstachtung und legt großen Wert auf soziale Distinktion. Er beklagt den großen Anteil, den pöbelhaftes Benehmen und unfeine Kumpanei im Umgang amerikanischer Politiker mit ihrer Wählerschaft einnehmen. Er denkt, dass die Reform, welche sich aus der Preisgabe eines Ämterverteilungssystems, das letztlich allein die Partei stärke, ergebe und eine Rückkehr zu der ursprünglichen und wichtigen Amtserfüllung ein ungetrübtes Gut darstellten. Er meint, dass finanzielle Überlegungen normalerweise die entscheidenden in Fragen der öffentlichen Politik sein sollten. Er respektiert das Prinzip der Individualität und des laissez-faire als die großen Errungenschaften der Zivilisation. Diese Meinungen, unter anderen, so weiß ich, sind die hervorstechensten Eigenschaften des ‚Unabhängigen’. Nun – vorgestellt – ich träfe zufällig einen Mann im Zug und unterhielte mich mit ihm und fände, er teilte Meinungen dieser Art. Ich bin dann natürlich dazu geführt, dass er ein Unabhängiger ist. Das ist ein hypothetischer Schluss. Das ist so: eine Anzahl von leicht verifizierbaren Merkmalen eines Unabhängigen werden ausgewählt, ich finde, der Mann hat diese, und schließe, dass er auch die anderen Merkmale hat, welche einem Denker dieser Sorte zu eigen sind“ (Peirce CP 6.145 – 1891 – eigene Übersetzung).

Nicht zufällig ist der Ausgangspunkt des hypothetischen Schlusses gewählt – er lautet: „Ich weiß“. Am Anfang steht das Wissen über den typischen «Unabhängigen, Liberalen» in den USA. Dieses Wissen über die «hervorstechendsten Merkmale» dieser Spezies besitzt der Schließer bereits. Nimmt er dann (später) an einem Menschen diese Merkmale wahr, schlussfolgert oder besser: subsumiert er die beobachteten Merkmale unter eine bekannte Klasse. Er kennt die Klasse, nämlich die Unabhängigen, und er kennt die Merkmale dieser Klasse – zumindest die hervorstechendsten. Seine Aufgabe besteht lediglich darin, die Umwelt zu beobachten und, wenn er die entsprechenden Merkmale entdeckt, diese als Merkmale einer bestimmten Klasse zu benennen. Neues über die Welt erfährt der hypothetische Schließer auf diese Weise nicht, stattdessen wird ein bereits vorhandenes Wissen weiter gefestigt, verifiziert. Die Hypothesis in dieser Form ist Teil einer vermessenden Verifikationslogik und nicht der erste Schritt einer Logik der Entdeckung.


2.2 Abduktives Schlussfolgern


Dieses verdutzte Gefühl nennen viele Leute heutigentags Intuition, nachdem man es früher auch Inspiration genannt hat, und glauben etwas Überpersönliches darin sehen zu müssen; es ist aber nur etwas Unpersönliches, nämlich die Affinität und Zusammengehörigkeit der Sachen selbst, die in einem Kopf zusammentreffen. Robert Musil – Der Mann ohne Eigenschaften

Im Detail steckt der Teufel – so überliefert der Volksmund die Weisheit, dass oft nicht die großen Worte die entscheidenden sind, sondern die kleinen, welche (im Schatten der großen stehend) oft überhört bzw. überlesen werden. Bedeutungsvoll an scheinbar Gleichem ist oft das abweichende Detail, da es Veränderung, Entwicklung oder gar Neues signalisiert. Sucht man bei Peirce nach Themen, die er über längere Zeit scheinbar gleich behandelte, mit der Absicht, auf Anzeichen für Entwicklungsprozesse zu stoßen, findet man leicht eine Gruppe von Beispielen, die immer wieder hypothetisches bzw. abduktives Schlussfolgern veranschaulichen sollen. Eines dieser Beispiele hatte ich bereits weiter oben vorgestellt und behandelt – nämlich das Beispiel, wie es mithilfe von Wissen und Logik gelingt, jemanden als «Unabhängigen» zu identifizieren. Diese Weise des Schließens nannte Peirce noch 1891 «hypothetisch».

Zehn Jahre später benutzt er ein ähnliches Beispiel, um den Unterschied zwischen zwei Arten der Induktion anschaulich zu machen. So bestimmt er in einer Arbeit über die richtige Behandlung der Hypothesis das Spezifische von Induktionen so: Alle Induktionen hätten Stichproben zur Verfügung und alle folgerten von der Auswahl auf das Ganze – allerdings gelte es, zwei Arten der Induktion zu unterscheiden: „Now the two cases are those in which the sample consists of units which can be counted or measured (...), and those in which nothing of the sort is possible“ (Peirce MS 692: 18 – 1901). Die zuletzt genannte Form der Induktion erläutert Peirce mit folgendem Beispiel:

„Einmal folgendes vorgestellt: während ich in einem Zug reise, lenkt jemand meine Aufmerksamkeit auf einen Mann in unserer Nähe, und er fragt mich, ob jener nicht irgendwie einem katholischen Priester ähnele. Ich beginne dann, meinen Kopf abzusuchen nach beobachtbaren Charakteristika eines normalen katholischen Priesters, um zu sehen, in welchem Maß dieser Mann sie vorführt. Charakteristika sind nicht fassbar als Größen oder Maße. Ihre relative Bedeutsamkeit in Bezug auf die Frage, kann nur vage geschätzt werden. In der Tat, die Frage allein erlaubt noch keine genaue Antwort. Dennoch: wenn des Mannes Kleidungsstil – Stiefel, Hosen, Mantel und Hut – so ist, wie er bei der Mehrheit amerikanischer katholischer Priester zu sehen ist, und wenn seine Bewegungen so sind, wie sie für einen der ihren charakteristisch sind, welche einen ähnlichen Zustand der Selbstbeherrschung verraten, und wenn der Ausdruck seiner Miene, welcher von einer gewiss langen Disziplin zeugt, ebenso charakteristisch ist für einen Priester, während da jedoch ein einziger Umstand sehr ungewöhnlich für einen römischen Priester ist, wie zum Beispiel das Tragen des Freimaurerzeichens, dann würde ich sagen, er ist zwar kein Priester, aber er war es oder wäre es fast geworden. Diese Sorte vager Induktion nenne ich abduktive Induktion“ (Peirce MS 692: 19f – 1901 – eigene Übersetzung).

Das Szenarium ist bekannt: Man befindet sich in einem Zug, die Aufmerksamkeit wird auf einen anderen Menschen gerichtet bzw. gelenkt; über den Anderen, den man nicht kennt, dessen Weg nur der Zufall den des Beobachters kreuzen ließ und dessen Anwesenheit im Zug recht wenig über ihn selbst aussagt, werden weitreichende Aussagen getroffen – in dem weiter oben dargestellten Fall glaubt man, sagen zu können, es handele sich um den Vertreter einer bestimmten politischen Anschauung, und in dem hier angeführten Beispiel, es handele sich um einen ehemaligen Angehörigen eines bestimmten Berufstandes. Beide Male schließt man von dem, was man sieht bzw. hört auf etwas anderes, was so nicht gesehen bzw. gehört werden kann.

Allerdings unterscheiden sich die Daten, welche gedeutet werden. Bei dem «Unabhängigen» hatte der Schlussfolgerer mehr das im Ohr, was geäußert wurde, bei dem Priester achtete er vor allem auf Kleidungsstil, Gesichtsausdruck und Haltung. Im ersten Falle nannte Peirce das Schlussverfahren «Hypothesis», im zweiten «vage Induktion» oder «abduktive Induktion». Aber wichtiger als diese Namensunterschiede sind die Unterschiede in der Rahmung und dem Ablauf der Folgerungsprozesse. Bei dem «Unabhängigen-Beispiel» steht am Anfang das Wissen. Dieses wird eingesetzt oder besser: angewandt, wenn der Beobachter auf gewisse Äußerungen und/oder Verhaltensweisen trifft. Ausgangspunkt im «Priester-Beispiel» ist dagegen eine Frage; diese ist Anlass, Wissen über katholische Priester zu aktivieren und dieses Wissen mit den Beobachtungen zu vergleichen. Entspricht das, was man sieht, dem, was man weiß, dann kann die Zuordnung erfolgen, nämlich: das Beobachtete ist Teil einer mir bekannten Klasse. Liegt die Zuordnung zu einer bereits bekannten Klasse nicht auf der Hand – was in dem Beispiel von dem Priester mit dem Emblem «Freimaurer» der Fall ist –, sucht man nach einer anderen, etwas abgelegeneren Klasse. Auch diese Klasse ist bekannt, wenn auch vielleicht nicht so gut.

Der Vorgang des Zuordnens zu der Gruppe der Fast- oder Ex-Priester unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Zuordnung zu der Gruppe der Priester. Mit der Erkenntnis, dass der Mann mit dem Freimaurerzeichen entweder einmal Priester war oder fast geworden wäre, wird keine neue Klasse konstituiert oder erfunden, sondern eine bereits bekannte, möglicherweise nicht so deutlich abgegrenzte, dazu herangezogen, die Mannigfaltigkeit des Beobachteten auf einen geordneten Fluchtpunkt zu beziehen. Das Auffinden des Prädikates «Priester» unterscheidet sich strukturell nicht von dem Auffinden der Prädikate «Fast-Priester» oder «Ex-Priester», auch wenn die Entscheidung auf den ersten Blick nicht so eindeutig ist. Die Identität erkennt man, wenn berücksichtigt wird, dass der Beobachter mit seinen zwei Alternativen lediglich zwei Untergruppen des übergeordneten Prädikates «Vom-Priesteramt-Geprägte» aufgeführt hat. Dieser Klasse wird der Beobachtete aufgrund bestimmter Merkmale zugeordnet. Hätte die Ausgangsfrage gelautet: „Ist dieser Mann vom Priesteramt geprägt?“, dann wäre das entsprechende Wissen um die Typik dieser Personengruppe aktiviert worden und die Zuordnung hätte vonstatten gehen können.

Dennoch gibt es zwischen den beiden Beispielen deutliche Differenzen: so reagiert die «vage» oder «abduktive Induktion» in dem Priester-Beispiel auf eine Frage, während die Hypothesis im Unabhängigen-Beispiel eine Antwort liefert, obwohl noch niemand eine Frage gestellt hat. Außerdem gelangt der Schließer zur Hypothesis durch die Überzeugungskraft einer externen Logik – fast von selbst, die vage Induktion ist dagegen eingerückt in einen Satz im Modus des Konjunktivs. Aber viel entscheidender als der hier sichtbar werdende Verfall des Glaubens an die «Zauberkraft» der Logik ist die Tatsache, dass die vage Induktion (und man erkennt unschwer in ihr die «weiche» Form einer Induktion von Merkmalen) von Peirce in dieser späten Phase nicht mehr als kenntniserweiternd (= synthetisches Urteil) entworfen wird, sondern als kenntnisüberprüfend . Mit Induktionen überprüft man Fragen, versucht zu klären, ob möglicherweise etwas so oder so ist, mit ihrer Hilfe kommt man jedoch keinesfalls zu den Ausgangsfragen, die zur Beantwortung anstehen.

Noch sehr viel deutlicher wird diese Trennung der Aufgaben, wenn man eine Arbeit von Peirce untersucht, die er nur wenig später geschrieben hat. Demnach ist es etwas gänzlich anderes, eine Frage (= Hypothesis) zu finden als eine gefundene zu überprüfen. Der Begriff «Hypothesis» wird nicht mehr wie in früheren Arbeiten im Sinne eines logischen Schlusses verwendet, auch nicht mehr als eine Induktion von Merkmalen, sie ist jetzt «nur» noch eine Annahme, eine Frage, ob etwas so oder so ist. Die Annahme, die Hypothese, ist das eine, sie ist das Ergebnis eines Prozesses, der Prozess selbst ist das andere – ihn nennt Peirce Abduktion . „The first starting of a hypothesis and the entertaining of it, whether as a simple interrogation or with any degree of confidence, is an inferential step which I propose to call abduction. (...) I call all such inference by the peculiar name abduction, because its legitimacy depends upon altogether different principles from those of other kinds of inference“ (ebd.). Die Abduktion führt zu einer Frage, einer Annahme, sie schafft eine Hypothese. Beim Testen der Hypothese hilft die Induktion, sowohl die quantitative als auch die von Merkmalen (= qualitative). Im Fall der hier in Frage stehenden Hypothese, ob jemand ein katholischer Priester ist, gestaltet sich das Testverfahren so:

„But suppose we wish to test the hypothesis that a man is a catholic priest, that is, has all the characters that are common to catholic priests and peculiar to them. Now characters are not units, nor do they consist of units, nor can they be counted, in such a sense that one count is right and every other wrong. (...) The consequence is that there will be a certain element of guess-work in such an induction; so that I call it an abductory induction“ (Peirce CP 6.526 – 1901).

Der Test der Hypothese beginnt also damit, bekanntes Wissen abzurufen, nämlich das Wissen, wie sich Priester normalerweise verhalten, was sie tun, was sie sagen, auch wie sie etwas sagen. Eigenschaften von Priestern werden also aufgelistet und Merkmale, an denen diese Eigenschaften erkannt werden können. Allerdings, das gibt Peirce zu bedenken, die Liste der typischen Merkmale ist nicht abschließbar und das Gewicht der einzelnen Merkmale nicht angebbar. Zwar sind die einzelnen Merkmale dem Tester bekannt, aber er weiß nicht, ob er alle kennt und deren Bedeutung. Insofern ist der Entschluss, den Prozess der Erstellung von Listen mit Merkmalen abzubrechen, immer waghalsig. Waghalsig also nicht, weil kein Wissen vorhanden wäre, sondern waghalsig, weil man nicht weiß, ob das vorhandene Wissen für die Beantwortung einer Frage nützlich ist, und dies nur erraten kann. Hat der Tester allerdings einmal eine solche Liste, dann kann er Vorhersagen treffen und prüfen, ob diese sich erfüllen.

„All catholic priests are more or less familiar with Latin pronounced in the Italian manner. If, then, this man is a catholic priest, and I make some remark in Latin which a person not accustomed to the Italian pronunciation would not at once understand, and I pronounce it in that way, then if that man is a catholic priest he will be so surprised that he cannot but betray his understanding of it. I make such a remark; and I notice that he does understand it“ (ebd.).

Formalisiert man die Argumentation etwas, findet man folgende Figur: (a) Ausgangspunkt ist das Wissen um typische Merkmale von katholischen Priestern (All-Satz): alle Priester verstehen italienisch ausgesprochenes Latein; (b) daraus wird die Erwartung einer Handlung abgeleitet – insofern ist dieser Schritt Ergebnis einer klaren Deduktion: wenn dieser Mann ein katholischer Priester ist, wird er einen italienisch ausgesprochenen lateinischen Satz verstehen. (c) Beobachtung eines Einzelereignisses: dieser Mann versteht einen italienisch ausgesprochenen lateinischen Satz; (d) von einem beobachteten Merkmal wird auf die Anwesenheit anderer Merkmale geschlossen – insofern ist dies das Ergebnis einer Induktion: Dieser Mann ist ein katholischer Priester.

Eine aus einer Regelkenntnis deduzierte Voraussage wird mittels Beobachtung und Induktion «verifiziert». Neu ist in diesem ganzen Prozess lediglich die abduktiv ermittelte Frage, die ganz zu Beginn steht. Deduktion und Induktion fügen nichts Neues hinzu. „It also partakes of the nature of abduction in involving an original suggestion; while typical induction has no originality in it, but only tests a suggestion already made“ (ebd.). In diesem Prozess geht jeder Induktion ein Regelwissen, im weiten Sinne: eine Theorie, voraus. Aus dieser werden Vorhersagen deduziert und im dritten Schritt sucht man nach den Fakten, um die Annahme zu bestätigen – so sieht Peirce die Logik der Forschung zu diesem Zeitpunkt. Die Abduktion sucht nach Theorien, die Deduktion nach Voraussagen, die Induktion nach Fakten.

„Abduction makes its start from the facts, without, at the outset, having any particular theory in view, though it is motived by the feeling that a theory is needed to explain the surprising facts. Induction makes its start from a hypothesis which seems to recommend itself, without at the outset having any particular facts in view, though it feels the need of facts to support the theory. Abduction seeks a theory. Induction seeks for facts“ (Peirce CP 7.219 – 1901).

Die Abduktion sucht angesichts überraschender Fakten nach einer sinnstiftenden Regel, nach einer möglicherweise gültigen Erklärung, welche das Überraschende an den Fakten beseitigt. Endpunkt dieser Suche ist eine „proposition“ (Peirce MS 692: 14 – 1901), die (sprachliche) Hypothese. Ist diese gefunden, beginnt der Überprüfungsprozess. „Now, in an inquiry concerning a hypothesis in general, three distinct stages have to be recognized, three stages being governed by entirely different logical principles“ (ebd.). Die erste Stufe des gesamten Erkenntnisprozesses besteht in der Findung, der Entdeckung einer Frage, einer Hypothese mittels einer Abduktion, die zweite in der Ableitung von Voraussagen aus der Hypothese (Deduktion), die dritte in der Suche nach Fakten, welche die Vorannahmen «verifizieren». Sollten sich die Fakten nicht finden lassen, beginnt der Prozess von neuem und dies wiederholt sich so oft, bis sich die «passenden» Fakten gefunden sind, was bedeutet, dass die letzte Hypothese brauchbar ist. So entwirft Peirce – auf eine kurze Form gebracht – die Mechanik des Erkenntnisprozesses.

An dieser Stelle möchte ich kurz innehalten und das Gesagte zusammenfassen und gewichten. Außer Zweifel steht – ich denke, die Analyse der Beispiele belegt dies –, dass Peirce, etwa im Vergleich mit seinen Arbeiten vor 1891, in seinen Artikeln nach 1900 für die Beschreibung der Erkenntnislogik sowohl neue Begriffe einführt, als auch alte völlig anders verwendet.

So ist die Induktion (in all ihren Varianten) nicht mehr als ein synthetischer, also kenntniserweiternder Schluss gefasst. Sie ist stattdessen das letzte Stadium einer dreiteiligen Logik der Erkenntnis. Wirklich kenntniserweiternd ist für Peirce nur noch die Abduktion. Sie allein steht am Beginn jeder Erkenntnis. Damit unterscheidet sich die Verwendung des Ausdruckes «Abduktion» also sehr deutlich von der Verwendung des Ausdrucks «Hypothesis» in seinen früheren Arbeiten. In der zuletzt untersuchten Arbeit taucht zwar erneut der Begriff «Hypothesis» auf, doch hier steht er für «Proposition», welche Ergebnis eines abduktiven Prozesses ist. «Hypothese» in dieser Verwendung bezeichnet also nicht mehr die Art und Weise des Schlussfolgerns, sondern dessen (sprachliches) Produkt: die Frage, die Annahme, den Verdacht, die Theorie (im weiten Sinne).

Aber das Entscheidende bei der Neubestimmung der Abduktion ist deren reklamierte Leistung: Allein abduktiv gewonnene Urteile (so die scharfe Begrenzung) sind synthetische Urteile, nur durch sie wird etwas Unbekanntes erkannt, allein sie zeigen noch nicht gesehene Ursprünge – nur Abduktionen sind in der Lage, Neues zu finden. Das ist die Quintessenz aller Aussagen des späten Peirce bezüglich der besonderen Leistung dieser Art des Schlussfolgerns: allein die Abduktion ist kreativ. Stellvertretend für viele (fast gleichlautende) Formulierungen: „Eine Abduktion ist darin originär, dass sie als einzige Art von Argumenten eine neue Idee in Umlauf bringt“ (Peirce 1986: 394 – MS 1579 – 1901). Und da das Auf- und In-Umlauf-Bringen neuer Ideen das zentrales Anliegen des Peirceschen Pragmatismus ist, ist auch die spätere Formulierung konsequent: „Wenn Sie die Frage des Pragmatismus sorgfältiger Prüfung unterwerfen, werden Sie sehen, dass er nichts anderes als die Frage nach der Logik der Abduktion ist“ (Peirce 1976: 407 – CP 5.196 – 1903).


2.2.1 Wahrnehmung als Abduktion


Um die Besonderheit und die besonderen Leistungen der Abduktion besser herausarbeiten, eignet sich m. E. die Wahrnehmungstheorie von Peirce besonders gut. Denn diese ist interessant, weil sie sowohl die Wahrnehmung (= percept) als auch das Wahrnehmungsurteil (= perceptual judgement) als abduktive Schlüsse entwirft – wenn auch als Extremfälle . Und an Extremfällen lässt sich meist sehr viel erkennen. Sie thematisieren nämlich die Gebrauchsgrenzen eines Begriffes: wo darf man ihn noch verwenden und wo nicht. Deshalb werde ich im Weiteren näher auf die Wahrnehmungstheorie eingehen, und zwar auf die Form, die Peirce nach 1900 formulierte . Einen guten Einstieg in diese Theorie liefert das hübsche Beispiel von der nicht weniger hübschen Azalee:

„Wenn ich an diesem herrlichen Frühlingsmorgen aus dem Fenster schaue, sehe ich eine Azalee in voller Blüte. Doch nein! Das sehe ich gar nicht; nur handelt es sich hierbei um die einzige Möglichkeit, das, was ich sehe, zu beschreiben. Meine Beschreibung ist eine Behauptung, ein Satz, ein Faktum; was ich jedoch wahrnehme, ist weder eine Behauptung noch ein Satz noch gar ein Faktum, sondern lediglich ein Bild, das ich mit Hilfe einer faktischen Aussage teilweise faßbar mache. Diese Aussage ist abstrakt, während das von mir Gesehene konkret ist. Ich vollziehe eine Abduktion, sobald ich das von mir Gesehene in einem Satz ausdrücke. In Wahrheit stellt das gesamte Gefüge unseres Wissens nicht mehr als eine dichtverwobene Schicht von reinen Hypothesen dar, die mittels Induktionen bestätigt und weiterentwickelt worden sind. Nicht den kleinsten Schritt können wir in unserer Wissenserweiterung über das Stadium des leeren Starrens hinaus tun, ohne dabei bei jedem Schritt eine Abduktion zu vollziehen“ (Peirce MS 692: 26f. – 1901).

Der menschliche Blick – so Peirce – besteht ohne abduktives Schlussfolgern aus einem leeren Starren („vacant staring“) auf eine ungeordnete Mannigfaltigkeit von Farben und diffusen Formen. Erst ein Urteil konstruiert oder rekonstruiert (das ist eine Frage des Erkenntnisoptimismus) eine bislang bekannte oder auch neue Ordnung und lässt die Azalee in voller Blüte sichtbar werden. Mithilfe einer Abduktion wird die Lücke zwischen visuellem Eindruck und Aussagesatz überbrückt. Diese Sicht enthält viele Annahmen aus dem Bereich der Anthropologie, einige aus dem der Biologie. Die wichtigsten dieser anthropologischen Prämissen revidieren frühere Positionen von Peirce in entscheidenden Punkten, und sie bestimmen die Rolle der Erfahrung in neuer Weise: Erfahrung ist nicht das Unbedingte, das alles weitere bedingt, ohne selbst Bedingtes zu sein, sondern die Einsicht in die nicht hintergehbare Bedingtheit leitet nun die Suche nach eben diesen Konditionen.

„Die Erfahrung ist unsere einzige Lehrerin“ (Peirce 1976: 353 – CP 5.50 – 1903). Dieser gewiss nicht leicht zu verstehende Satz hat für den späten Peirce den Rang einer Tatsache. Aber, und dies ist die entscheidende Einschränkung, dennoch geht Peirce nicht von einer tabula rasa im Menschen aus. Was auf die Tafel geschrieben und wie es geschrieben wird, also was überhaupt «Erfahrung» und damit Grundlage unseres Wissens wird, das ist Ergebnis der Gattungsgeschichte, ist die conditio humana. Erfahrungen basieren auf Wahrnehmungen: auf der Wahrnehmung einer äußeren Welt, der Natur, auf der Wahrnehmung anderer Menschen, auf der des eigenen Körpers, aber auch auf der Wahrnehmung von Vorgängen, Ereignissen und Handlungen. Allerdings ist der Begriff «Wahrnehmung» – laut Peirce – äußerst unscharf. Deshalb unterscheidet er bei seinen Überlegungen erst einmal zwischen den Begriffen «Wahrnehmungsinhalt» (=percept) und «Wahrnehmungsurteil» (=perceptual judgement). Der Bedeutungsunterschied zwischen diesen Begriffen ist sehr groß und für die weitere Argumentation zentral. Das Wahrnehmungsurteil unterscheidet sich prinzipiell vom Wahrnehmungsinhalt. Letzterer ist dem ersten „so wenig ähnlich wie die gedruckten Buchstaben in einem Buch, in dem die Madonna von Murillo beschrieben wird, diesem Bild selbst ähnlich ist“ (Peirce 1976: 355 – CP 5.54 – 1903). Dieser Vergleich erläutert nicht nur, sondern weist sogleich auf die zentralen Merkmale von Wahrnehmungsurteilen und Wahrnehmungsinhalten hin. Urteile sind Texte, Inhalte dagegen Bilder.

„The percept is the reality. It is not in propositional form“ (Peirce CP 5.568 – 1906). Wahrnehmungsurteile sind dagegen Propositionen, sie sind sprachlich formulierte Vermutungen zu «percepts». „Unter einem Wahrnehmungsurteil verstehe ich ein Urteil, das in Satzform aussagt, worin die Eigenschaft eines Wahrnehmungsinhaltes besteht, der unserem Verstande direkt gegenwärtig ist“ (Peirce 1976: 355 – CP 5.54 – 1903). Aber wie gelangt man oder besser: wie kommt es zu Sätzen wie: „Dies ist ein gelber Stuhl mit grünem Polster.“, oder: „Der Zug, in dem ich sitze, bewegt sich.“, oder: „Dies ist meine Hand.“?

Über den Satz: „Dies ist eine Hand.“ hat sich im Anschluss an Moore bekanntlich auch Wittgenstein seine Gedanken gemacht (vgl. Wittgenstein 1977b). Ihn interessierte dabei weniger die Frage, wie es zu Wahrnehmungsinhalten kommt, sondern allein das Problem, wie es in Wahrnehmungsurteilen gelingt, einen Anschluss an intersubjektiv geteilte Sprache zu erreichen. Der «späte» Wittgenstein argumentierte dabei (da er jede Hoffnung auf eine wie auch immer geartete wahre Erkenntnis aufgegeben hatte) völlig anders als Peirce und liefert deshalb eine gute Kontrastfolie. Gerade diese Gegenüberstellung zeigt nämlich, dass es auch dem späten Peirce immer noch und immer wieder um «wahre Erkenntnis» geht. Er will rekonstruieren, wie – ausgehend von unstrukturierten Gefühlseindrücken – sich Schritt für Schritt ein sprachliches Wahrnehmungsurteil aufbaut, Wittgenstein will dagegen zeigen, wie sprachliche Gebrauchsweisen an Wahrnehmungen herangebracht werden.

Laut Wittgenstein ist der Prozess des Spracherlernens eine Abrichtung im Gebrauch von Sprache. Wahrnehmungen (innere und äußere) werden dem herrschenden Sprachgebrauch zugeordnet. Dies gelingt, indem das aktuell Wahrgenommene aufgrund von Familienähnlichkeiten bereits früher Wahrgenommenem zugeordnet und auf gleiche Weise – wie gelernt – sprachlich ausgedrückt wird. Die Familienähnlichkeit zwischen zwei Wahrnehmungen resultiert – und das ist der Pfiff der Wittgensteinschen Position – aus einer Fülle von Merkmalen des Wahrgenommenen, die selbst aber «nicht-sprachlich» sind. Wie viele Merkmale eine Familienähnlichkeit konstituieren und welche das sind, sind Fragen, deren Beantwortung sich nicht aus den Eigenschaften des Wahrgenommenen ergibt. Die Antworten auf diese Fragen sind stattdessen Ergebnis eines sehr langen und sehr verwickelten Interpretationsprozesses des Wahrgenommenen durch die menschliche Gattung. Dieses soziale Erbe kann sich auflösen oder entwickeln. Wenn dies geschieht, entsteht Neues, oder aus der Wittgensteinschen Perspektive: der Wahrnehmung wird ein neuer Sprachausdruck zugeschrieben (vgl. Wittgenstein 1977a).

Für Peirce sieht der Sachverhalt ganz anders aus: unhintergehbarer Ausgangspunkt aller menschlichen Erkenntnis ist für ihn das «percept». Es ist die Wirklichkeit – zumindest für den Menschen. Hinter den «percepts» existiert für ihn keine (andere) Welt. Dennoch ist – so Peirce – das «percept», der Wahrnehmungsinhalt, zusammengesetzt: Ergebnis eines Schlusses. „Two utterly different kinds of elements go to compose any percept“ (Peirce CP 7.625 – 1903). Es sind dies Empfindung und Sinneseindruck, feeling und sensation – zu dieser Unterscheidung und deren Bedeutung siehe vor allem Scherer 1984: 139ff. Das «feeling» ist vollkommen unstrukturiert, eine Subjekt-Objekt-Trennung existiert noch nicht. Eine erste Strukturierung leistet der Sinneseindruck (sensation). Er führt sinnliches Unterscheidungswissen wie Farbe, Härte, Größe etc. an das «feeling» heran. Dieser Vorgang liegt jenseits aller menschlichen Kontrolle, Ergebnis der Evolution der Gattung. «feeling» und , «sensation» sind einfach gegeben, sie sind «selbstgenügsam». „On account of this self-sufficiency, it is convenient to call these the elements of ,Firstness’“ (ebd.).

Die Reaktion des Menschen auf «feelings» und «sensations» ist das «percept» (damit gehört es der Zweitheit an). «Percepts» strukturieren erheblich genauer als «sensations». «Percepts» enthalten Figuren und Gestalten, wie z.B. Tische, Stühle, also nicht allein Farben und Größen. Obwohl in den «percepts» ein historisch erworbenes und aufgeschichtetes begriffliches Unterscheidungswissen zum Tragen kommt, sind «percepts» dennoch vorsprachlich – so Peirce. Die Natur schließt ohne Beteiligung menschlichen Bewusstseins aus «feeling» und «sensation» auf ein «percept». Dieser Prozess liegt außerhalb jeder bewussten Kontrolle , er muss auch nicht begründet werden, er ist so, weil er so ist. «Percepts» sind zwingend. „It is a forceful thing. Yet it offers no reason, defence, no excuse for its presence. It does not pretend to any right to be there. It silently forces itself upon me“ (Peirce CP 7.621 – 1903). Es ist stets ganz vorhanden, unteilbar und: einzigartig!

Allerdings kann man durch bewusste Manipulationen bestimmte «percepts» herbeiführen bzw. korrigieren. So kann man z.B. bei sogenannten «Kippfiguren» (Schroeder-Treppe) durch langes Starren einen «Gestaltwandel» herbeizwingen – die identische Spur kann auf zwei Arten gelesen werden. Dieses Phänomen kann man bei allen «Kippfiguren» erleben. Dass dem so ist, liefert jedoch keinen Hinweis auf die Möglichkeit der bewussten Herbeiführung von beliebigen «percepts». Gerade das Gegenteil ist der Fall: allen Beobachtern eröffnen sich beim Betrachten dieser Kippfiguren lediglich zwei Lesarten (und zwar stets die gleichen) und nicht beliebig viele.

Aber immer noch ist nicht geklärt, wie es – laut Peirce – gelingt, von einem «percept» zu einem «Wahrnehmungsurteil» zu gelangen. Denn zwischen diesen beiden liegt eine breite Kluft, die überbrückt werden muss. Der Schritt vom Wahrnehmungsinhalt zum Wahrnehmungsurteil ist der Schritt vom Vorprädikativen zum Prädikativen, vom Unbegrifflichen zum Begrifflichen. Die sprachliche Proposition kleidet das «percept» neu ein in die Uniform des intersubjektiv geteilten Ausdrucks, «beraubt» es seiner Einzigartigkeit. Die Prädikation gliedert das Unbekannte, Überraschende und Erschreckende in eine mehr oder weniger bekannte Ordnung ein, verwandelt das Neue in Bekanntes. Ermöglicht wird dieser überbrückende Schritt durch einen geistigen Prozess des Schlussfolgerns und zwar durch die Abduktion.

Doch was bedeutet das? Wie gestaltet sich dieser Prozess des abduktiven Schlussfolgerns? Um diesen Prozess zu erläutern, führt Peirce einen neuen Begriff ein: das percipuum . Ein «percipuum» ist – sehr kurz gesagt – ein stilisiertes «percept», es liefert Typen von «percepts». „The percipuum is a recognition of the character of what is past, the percept which we think we remember“ (Peirce CP 7.677 – 1903) Das «percipuum» ist das typisierte «percept», an das wir uns zu erinnern glauben. Es ist also nicht mehr das singuläre «percept». Das singuläre «percept» weist eine Fülle von unterschiedlichen Merkmalen auf. Diese werden mit denen des «percipuum» verglichen: weist ein «percipuum», also ein Typus dessen, was bereits ein- oder mehrmals wahrgenommen wurde, eine Reihe gleicher Merkmale auf, dann kommt es zu dem Urteil: dieses «percept» ist ein Fall dieses «percipuums». Fehlt eine solche Merkmalsübereinstimmung, lautet das Urteil: zu diesem «percept» lässt sich im erworbenen Vorrat von Typen nichts «Passendes» finden, es muss ein neues «percipuum» entworfen/gefunden werden. Beide oben beschriebenen Urteile ereignen sich unwillkürlich, sie „spring (...) up in our minds, [are] (...) forced upon us“ (Peirce CP 7.678 – 1903).

Nun lässt diese Bestimmung einige Fragen unbeantwortet bzw. andere werden neu aufgeworfen. So ist z.B. unklar, welche und wie viele Merkmale übereinstimmen müssen, damit mithilfe einer qualitativen Induktion eine Zuordnung zu einem Typus vorgenommen werden kann. Welche Instanz vergleicht «percept» und «percipuum»? Steht vor jeder Abduktion eine misslungene qualitative Induktion? Woher nimmt die Abduktion ihr Material für die Konstruktion eines neuen «percipuums»? Doch da ich an dieser Stelle der Argumentation noch nicht über die Argumente verfüge, auf diese Frage eine Antwort zu versuchen, kehre ich erst einmal zurück zur Argumentation von Peirce. Der Schluss vom «percept» und «percipuum» auf ein Wahrnehmungsurteil liegt – das war gesagt worden – außerhalb jeder Kritik und jeder Kontrolle, er ist weder gut noch schlecht – er ist eben. Es gibt auch keinerlei Chance, ihn zu kritisieren, da kein Punkt gedacht und angegeben werden kann, von dem aus über die Angemessenheit des Wahrnehmungsurteils sinnvoll diskutiert werden könnte. „It is the perceptual judgement, that tells what we so ,perceive’“ (Peirce CP 7.643 – 1903). Das Wahrnehmungsurteil liefert also keine Kopie der «percepts», sondern stattdessen den prädikativen Zugriff auf das «percept» und einzig dieser prädikative Zugriff ist der Beginn diskursiver Erkenntnis.

Betrachtet man diese Wahrnehmungstheorie etwas aus der Ferne, lassen sich auf dem Weg vom «feeling» zum «perceptual judgement» zwei Schlussfolgerungen ausmachen: zuerst ergibt sich aus «feeling» und «sensation» das Resultat, das «percept», dann wird von «percept» und «percipuum» auf ein «perceptual judgement» geschlossen. Diese Prozesse «Schlussfolgerungen» zu nennen, ist allerdings nur dann zulässig, wenn man bereit ist, diesen Begriff sehr weit zu fassen, was heißt: man muss darauf verzichten, Schlussfolgerungen als Produkte bewusster Akte menschlicher Vernunft anzusehen. Und Peirce tut genau dies: für ihn sind Schlussfolgerungen alle bewussten und subbewussten Entscheidungen, ob wahrgenommene Daten (im sehr weiten Verständnis) zu einem bereits bekannten Typ von Daten gehören oder ob sie das nicht tun. Und falls keine Zuordnung möglich ist, sind die Entscheidungen, einen neuen Typus zu konstituieren, Schlussfolgerungen.

Dieser etwas kryptische Satz bedarf der Erläuterung: Dass Schlussfolgerungen – laut Peirce – nicht unbedingt an ein aktives Bewusstsein und auch nicht an vorgängige diskursive Kenntnisse gebunden sind, belegt die oben dargestellte Wahrnehmungstheorie sehr deutlich. Innerhalb des Wahrnehmungsprozesses wäre ein bewusster Akt sogar nur ein äußerst schwer zu erreichender Grenzfall. Denn das «percept» ist Ergebnis eines „bewußtlosen Schlußfolgerns der Natur“ (Wartenberg 1971: 130), und das Wahrnehmungsurteil „Produkt eines unbewußten Schlußfolgerns“ (ebd.) – beide lassen sich nur in sehr engen Grenzen bewusst manipulieren (z.B. Schroeder-Treppe). Aktives und bewusstes Tun ist also – so das Ergebnis meiner Interpretation der Peirceschen Spätphilosophie – nicht konstitutiver Bestandteil des Schlussfolgerns, der Schluss kommt statt dessen in der Regel unwillkürlich, blitzartig und zwingend zustande.

Was bleibt jedoch übrig, wenn man vom Vorgang des Schlussfolgerns das aktive Bewusstsein «abzieht»? Allein – so denke ich – handlungsrelevante «Entscheidungen». Dies zu erläutern, versuche ich mit der Betrachtung des Schlusses, der vom «percept» und «percipuum» zum Wahrnehmungsurteil kommt (Überlegungen anzustellen, auf welche Weise eine bewusstlose Natur Entscheidungen trifft, erscheint mir zu spekulativ, um sinnvoll zu sein): dem menschlichen Bewusstsein liegen folgende Daten vor: einerseits als Spur ein singuläres Wahrnehmungsereignis, das «percept», andererseits die Erinnerung an bereits früher erlebte «percepts», welche sich zu einer Fülle bereitstehender typischer «percepts» verdichtet haben, den «percipuums» (Lateiner mögen mir diese Pluralbildung verzeihen). Weist das «percept» die Merkmale F1, F2, F3 ... auf und ein erinnertes «percipuum» ebenfalls, dann ist dieses «percept» ein Fall dieses Typus – a token of that type.

Unschwer ist zu erkennen, dass es sich bei dieser Entscheidung der Frage, ob etwas ein «token of a type» ist, um eine qualitative Induktion handelt. Von der Gleichheit einiger Merkmale wird auf die Gleichheit aller Merkmale geschlossen, wobei vorausgesetzt wird, dass alle Merkmale des zum Vergleich herangezogenen Typus bekannt sind. Diese Entscheidung, ob ein singuläres Ereignis ein «token of a type» ist, erweist sich schnell als recht waghalsig (das war schon weiter oben gesagt worden), nicht nur, weil vorausgesetzt wird, alle Merkmale eines type bereits zu kennen, sondern auch, weil ein Wissen vorhanden sein muss, welche Merkmale marginal und welche konstitutiv für den type sind. Unter dem Strich bringt diese Entscheidung nicht viel Neues, da das singuläre «percept» in eine bestehende Ordnung integriert wird.

Interessant wird es – im Hinblick auf die Abduktion – wenn ein singuläres «percept» Merkmale «aufweist» , die mit keinem erinnerten «percipuum» zur Deckung zu bringen sind, wenn also etwas Neues auftaucht. Was dann passiert, beschreibt Peirce so: „Die alte Erwartung, die aus dem besteht, womit unsere Person vertraut war, ist ihre innere Welt oder ihr Ego. Das neue Phänomen, das Fremde, stammt aus der äußeren Welt oder ist ihr Non-Ego“ (Peirce 1976: 357 – 1903). Das Neue löst Überraschung aus, echtes Erschrecken. Das Überraschtsein selbst ist wiederum ein Wahrnehmungsurteil. Es urteilt, „daß es das Non-Ego war, das unsere Person überrascht hat, etwas, das dem Ego gegenübersteht und es überwältigt“ (ebd. – CP 5.58 – 1903). Dieses Argument ist für die Peircesche Erkenntnistheorie von hohem strategischem Wert, soll es doch belegen, dass das Neue tatsächlich von «außen» kommt und nicht Ergebnis körpereigener Prozesse ist.

Das neue singuläre «percept» – so die Entscheidung des Wahrnehmungsurteils in dem hier interessierenden Fall – ist also kein token von einem erinnerten «percipuum». Um zu diesem Urteil zu kommen, muss zuerst die erinnerte Erfahrung durchmustert werden: Grundlage des Urteils ist also die Erinnerung. „Es ist wahr, daß die verschiedenen Elemente der Hypothese zuvor in unserem Geist waren; aber die Idee, das zusammenzubringen, läßt blitzartig die neue Vermutung in unserer Kontemplation aufleuchten“ (Peirce 1973: 243 – CP 5.181 – 1903) . Alles – so kann man daraus folgern – ist in diesem Schlussprozess nicht neu – das Ergebnis schon, aber nicht unbedingt seine Bestandteile. In diesem Prozess werden (nimmt man die Metapher von den «Elementen» ernst) zuerst bestehende Elementenfigurationen aufgelöst, dann die Elemente gedeutet und schließlich neu kombiniert.

Eine solche Bildung eines neuen «percipuums» – also mit dem Mittel der Erinnerung an andere types –, die Zusammenstellung einer neuen typischen Merkmalskombination ist ein kreativer Schluss – eine Abduktion. Diese Art der Zusammenschließung ist nicht zwingend, eher sehr waghalsig, gibt es doch eine Fülle von Möglichkeiten, den vorhandenen Bestand an types neu zu ordnen. Solche Schlüsse rufen eine neue Idee ins Leben und integrieren das überraschende Non-Ego in das bekannte Ego. Was neu und was nicht neu ist, bezieht sich also stets auf einzelne handelnde Subjekte, nicht auf das Wissen einer Interaktionsgemeinschaft oder gar einer Gattung.

So weit erst einmal in groben Zügen die Wahrnehmungstheorie von Peirce. Wiederholt habe ich in diesem Kapitel angemerkt, dass es zu ihr Alternativen gibt, Alternativen, die m.E. plausibler sind und mit weniger riskanten Prämissen auskommen. Da jedoch die Gültigkeit der Peircesche Wahrnehmungstheorie für meine Arbeit nur von geringer strategischer Bedeutung ist, unterlasse ich hier eine ausführliche Diskussion. Nur so viel, die bereits vorgebrachten Bedenken ergänzend: trotz aller Einschränkungen und Beteuerungen hat Peirce m.E. die Hoffnung auf einen Zugang zur Wirklichkeit nicht ganz aufgegeben. In der Wahrnehmung kommt es nämlich laut Peirce zum Kontakt mit der Erstheit, und mit abduktiven Schlüssen gelingt es gelegentlich, etwas davon zu «erhaschen». Diese «realistischen» Reste sieht man etwas leichter, wenn man die Rolle der «percepts» etwas weiter ausleuchtet. Das «percept» ist nämlich in diesem Konzept (das hat die bisherige Analyse gezeigt) der Anlass, Neues zu konstruieren. Die Kontakterfahrung gibt dem Menschen einen Anstoß, er handelt infolge dieses äußeren Impulses. Dieser wird dann im Weiteren über mehrere Stufen bearbeitet, bis er Schlussendlich im Bewusstsein als sprachlich geformtes Urteil endet.

Nicht nur im Hinblick auf die bereits dargestellte Argumentation von Wittgenstein scheint mir diese Sicht zu idealistisch. Auch in den Arbeiten von Mead und Piaget finden sich gut begründete Bedenken gegen diese Position. So stellt der eine fest, dass der Wahrnehmung die Identität als Bedingung der Möglichkeit vorausgeht (vgl. Mead 1973), während der zweite in seinen empirischen Untersuchungen nachweist, dass es keine Trennung von Wahrnehmung und Interpretation gibt. Perzeptionen sind stets in Aktionen eingebettet und von Aktionsschemata begleitet (vgl. Piaget 1975: 337ff).

Kurz: Reize werden nur von einem aktiven Handlungszentrum ausgelöst und/oder empfangen und als relevant interpretiert. Diese Reize sind nicht Anlass der Konstruktion von Neuem, sie sind aber die Bedingung der Möglichkeit für solche Konstruktionen. Ob es eine Welt dort draußen, die man mithilfe abduktiver Schlüsse erkennen kann, wirklich gibt oder nicht, das ist eine sinnlose Frage, da niemand einen Weg angeben kann, wie sie beantwortet werden könnte. Die tiefsitzende Skepsis gegenüber einer Möglichkeit, einen Zugang zur Wirklichkeit zu erhalten, ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer Generalunterstellung, alle Wahrnehmungsurteile seien beliebige also auch falsche Konstruktionen. Die Skepsis lässt es sinnvoll erscheinen, damit aufzuhören, sich bei der Klärung der Frage den Kopf einzurennen, ob es Wissen von «dort draußen» gibt oder nicht. Ganz defensiv könnte man sagen – und das ist für meine spätere Argumentation folgenreich –, dass Handlungszentren Reize auch mithilfe abduktiver Schlüsse ausdeuten. Diese Deutungen der Welt haben den Zweck, Vergangenes zu erklären und Zukünftiges vorauszusagen – und damit Handlungsprobleme zu beseitigen; sie dienen der Kontrolle dessen, was geschehen ist und noch geschehen wird; sie schaffen Ordnung und sind dann zweckdienlich, wenn sie zurückliegende Handlungen einordnen und neue entwerfen können.


2.2.2 Abduktion: Logic or Magic


In den Frühschriften von Peirce besaß die Hypothesis, die begriffliche Vorläuferin der Abduktion, eine sehr klare logische Form – wie oben dargestellt: aus Regel und Resultat wurde auf den Fall geschlossen. Beispiel: (a) bei 90% aller Morde existiert eine Opfer-Täter-Beziehung. (b) Dies ist ein Mord. (c) Mit 90% Wahrscheinlichkeit liegt bei diesem Mord eine Opfer-Täter-Beziehung vor. Die Hypothese wurde parallel zu den beiden anderen klassischen Formen des Schlussfolgerns (Induktion und Deduktion) als Syllogismus geschrieben.

In der Spätphilosophie von Peirce zeigt sich ein anderes Bild. In seiner Pragmatismusvorlesung erinnert er ausdrücklich daran, „daß die Abduktion, obwohl sie sehr wenig von logischen Regeln behindert wird, dennoch logisches Folgern ist (...), dennoch eine vollkommen bestimmte logische Form besitzt“ (Peirce 1973: 253 – CP 5.188 – 1903). Peirce unterscheidet also zwischen einer logischen Form und einem Prozess des Folgerns, der in diesem Falle von logischen Regeln nur sehr wenig «behindert» wird. Zumindest übersetzt Elisabeth Walther den Ausdruck „very little hampered“ so. Mir scheint die Übersetzung «ist sehr wenig verwickelt» oder «hat sehr wenig damit zu tun» dagegen sinnvoller, weisen doch auch andere Bemerkungen von Peirce eher in diese Richtung (dazu unten mehr).

Die Form der Abduktion ist klar geschnitten, betrachtet man sie ex post. In den terms der Logik lässt sich folgende Beschreibung anfertigen: „Die überraschende Tatsache C wird beobachtet; aber wenn A wahr wäre, würde C eine Selbstverständlichkeit sein; folglich besteht Grund zu vermuten, daß A wahr ist“ (Peirce 1973: 255 – CP 5.189 – 1903). Ganz offensichtlich hat sich die Form der Abduktion (sieht man sie als Nachfolgerin der Hypothesis an), verändert: nicht mehr die bekannte Regel steht am Anfang, sondern ein überraschendes Ereignis, etwas, was ich weiter oben mit den Worten von Peirce ein «Non-Ego» genannt habe. Dann kommt es im zweiten Schritt zu einer Unterstellung, einer Als-ob-Annahme: wenn es eine Regel A gäbe, dann hätte das überraschende Ereignis seinen Überraschungscharakter verloren. Entscheidend ist nun für die Bestimmung der Abduktion, dass nicht die «Beseitigung der Überraschung» das Wesentliche an ihr ist, sondern die Beseitigung der Überraschung durch «eine neue Regel A». Beseitigen ließe sich eine Überraschung auch durch die Heranziehung bekannter Regeln . Aber das wäre keine Abduktion.

Die Regel A muss erst noch gefunden bzw. konstruiert werden; sie war bisher noch nicht bekannt, zumindest nicht zu dem Zeitpunkt, als das überraschende Ereignis wahrgenommen wurde. Hätte die Regel bereits als Wissen vorgelegen, dann wäre das Ereignis nicht überraschend gewesen, sondern Teil des «Ego». Im zweiten Teil des abduktiven Prozesses wird also eine bislang noch nicht bekannte Regel entwickelt. Der dritte Schritt erbringt dann zweierlei: zum einen, dass das überraschende Ereignis ein Fall der konstruierten Regel ist, zum anderen, dass diese Regel eine gewisse Gültigkeit besitzt.

Der Prozess abduktiven Schlussfolgerns dürfte damit klar umrissen sein: Am Anfang steht die Überraschung, auch ein Erschrecken, dann folgt die Konstruktion einer bislang noch nicht bekannten Regel (ordnete man an dieser Stelle das Überraschende einer bekannten Regel zu, läge eine qualitative Induktion vor, und könnte man dies, wäre etwas Wahrgenommenes nicht wirklich überraschend gewesen – es hätte kein Problem verursacht), und schließlich erfolgt die Zuordnung von Ereignis und Regel (etwas ist der Fall von).

„Forschung hat ihren Ausgangspunkt in einer überraschenden Erfahrung. Die erste Aktion des Denkens, die zur Überraschung hinzutritt, besteht dann entweder in einer Erinnerung an solche Zustände, die, falls wir gleich an sie gedacht hätten, die Überraschung verhindert hätten (ein Fall, der aus logischer Sicht kaum der Erwähnung wert ist), oder sie besteht in einer Konjektur, daß das überraschende Phänomen irgendwie mit einer anderen Tatsache innerhalb unseres Kenntnisbereichs in Zusammenhang steht“ (Peirce 1995: 374 – 1908).

Aber ich denke, dass der Umstand, dass die Abduktion mit Begriffen der klassischen Logik zu beschreiben ist, nämlich als Dreischritt von Resultat auf Regel und Fall, nicht hinreicht, die Abduktion zu einer logischen Operation im strengen Sinne zu verklären. Peirce erweitert nämlich mit seinem Konzept die Grenzen formaler Logik erheblich: „When we discuss abduction, we cannot avoid raising the general question what the scope of formal logic is. A theory of abduction argues for a wider scope of formal logic“ (Pape 1996: 2). Diese Ausweitung der Logik wird noch deutlicher, wenn man die Argumentation von Peirce weiter verfolgt.

Elisabeth Walther betont in ihrer (oben wiedergegebenen) Übersetzung, dass die Regeln des abduktiven Schlussfolgerns recht wenig von der Logik behindert werden, was, (nimmt man die Formulierung ernst) bedeutet, dass sie nichtsdestoweniger von ihnen geprägt sind. Mein o.a. Übersetzungsvorschlag akzentuiert dagegen mehr die Unabhängigkeit der Entdeckungsregeln von denen der Logik. Entschließt man sich, «very little hampered by logical rules» mit «hat sehr wenig mit logischen Regeln zu tun» zu übersetzen, hat dies auch Konsequenzen für die Angebbarkeit dieser Regeln. «Wenig-logische Regeln» lassen sich einfach schwerer darstellen. Aber trifft diese Deutung von den «wenig logischen Regeln» der Erkenntnisfindung?

In dem Kapitel über die Wahrnehmungskonzeption von Peirce hatte ich bereits ausgeführt, dass ein Wahrnehmungsurteil, als Ergebnis abduktiven Schlussfolgerns, sich unverhofft wie ein Blitz einstellt (obwohl auch dieser nicht vollkommen aus dem Nichts kommt), also nicht regelgeleitet herstellbar ist. Dies galt jedoch erst einmal nur für Wahrnehmungsurteile. Peirce weitet dieses Modell aber auch aus auf das (logisch geordnete) Denken (= Reasoning). Auch hier bleiben die Entdeckungsregeln (falls vorhanden) im Verborgenen, weshalb Peirce für die Abduktion oft und gerne einen Begriff benutzte, der enorm provozierte und zu einer Reihe von Missverständnissen einlud. „Abduction is that kind of operation which suggests a statement in no wise contained in the data from which it sets out. There is a more familiar name for it than abduction; for it is neither more nor less than guessing“ (Peirce MS 692: 23 – 1901) Abduktion ist in dieser Bestimmung nicht mehr und nicht weniger als Raten. Dass diese Formulierung kein Ausrutscher war, sondern bewusste Entscheidung, zeigt sich auch daran, dass Peirce immer wieder den Begriff «guess» als Synonym für Abduktion verwandte . Es ist sogar (nach Peirce’ Überzeugung) das normale Geschäft des Wissenschaftlers zu raten: „The business of a man of science is to guess, and disprove guess after guess, being guided by the particular way the last guess failed in a forming the next one“ (Peirce NEM III, 2: 893 – 1908; Hervorhebung im Original).

Und (was die These noch provokanter macht): Wissenschaft hat ihr Fundament im Raten, ohne Raten keine Wissenschaft: „In the evolution of science, guessing plays the same part set variations in the reproduction take in the evolution of biological forms, according to the Darwinian theory. (…) so the whole noble organism of science has been built up out of propositions which were originally simple guesses“ (Peirce CP 7.38 – 1907). Und: „jede Planke ihres Fortschritts wird zunächst und allein durch die Retroduktion gelegt, das heißt durch spontane Konjekturen der instinktiven Vernunft (Peirce 1995: 347 – 1908).

Nun kann man geteilter Meinung sein, ob «Raten» überhaupt eine Schlussfolgerung ist, und Peirce entscheidet sich ja nicht aus formalen, sondern eher pragmatischen Gründen dazu, dies zu tun . Interessanter ist es, die Implikationen des Begriffes «Raten» offen zu legen. «Raten» wird dazu verwendet, wenn man nicht weiß oder genauer: wenn man nicht oder nur sehr vage angeben kann, wie man auf eine (vermeintliche) Antwort gekommen ist. Wo das Wissen aufhört, beginnt das Raten, und selbst der Dümmste kann «richtig» raten. Der Volksmund weiß sogar zu berichten, dass gerade die Dümmsten aufgrund unerklärbarer Schicksalsfügungen oft die Besten im Raten seien. Dass dem so ist, kann man bezweifeln, aber unbeschadet dieses Zweifels macht der Volksmund darauf aufmerksam, dass hinter dem richtigen Raten möglicherweise nicht die blinde Zufälligkeit eines Würfels steht, sondern eine bestimmte Fähigkeit, Einstellung etc. aufgrund derer einige besser raten als andere. Und auch Peirce verwendet den Begriff «Raten» in diesem Sinn.

Raten ist gerade nicht zufälliges Entscheiden, man ermittelt einen Mörder nicht, indem man willkürlich auf einen Namen im Telefonbuch zeigt. „Ein Mann wird in den Straßen von New York rücklings erstochen aufgefunden. Der Hauptkommissar könnte nun ein Telefonbuch aufschlagen und blind den Finger auf einen Namen legen, den er dann als den Namen des Mörders «rät». Was wäre eine solche Mutmaßung wert? Die Anzahl der Namen im Telefonbuch reicht nicht einmal entfernt an die Vielzahl der möglichen Anziehungsgesetze heran, die für Kepplers [sic] Gesetz der Planetenbewegung verantwortlich hätten sein können und ihm vor der Verifizierung von Pertubationsaussagen etc. vortrefflich gerecht geworden wären“ (Peirce MS 692: 24 – 1901) .

Die Abduktion würfelt nicht, aber zugleich lässt sich ihre Gesetzlichkeit nicht angeben. Sie urteilt öfter zutreffend als nicht zutreffend. „A singular salad is abduction, whose chief elements are its groundlessness, its ubiquity, and its trustworthiness. We will see what sort of mixture they make“ (ebd.: 23). Die Abduktion ist ein einzigartiges Durcheinander, gekennzeichnet durch ihre Allgegenwart, ihre Zuverlässigkeit und ihre Unbegründbarkeit . Zusammenfassend lässt sich sagen: Erkenntnishandeln wird hier verstanden als die Gesamtheit aller geistigen Prozesse, die uns zu Überzeugungen führt, welche dazu befähigen, dass trotz der nicht zu beseitigenden permanenten Widerständigkeit der Welt-dort-draußen weiter gehandelt werden kann. Bestimmte Arten des Erkenntnishandelns, also des Übergangs von einer Überzeugung zur einer anderen, haben, weil sie sich bewährt haben, im Laufe der Evolution sich zu spezifischen Formaten, Formen verdichtet. Diese Formate des Denkens zeichnen sich dadurch aus, dass sie anderen Formen des Denkens im Hinblick auf ihre Leistung, wertvolle, weil nützliche Aussagen über die Außenwelt zu produzieren, überlegen sind – sie besitzen Kraft, die Macht etwas (vielleicht) Zutreffendes nahe zu legen oder wie Peirce es formuliert: „All forms are also powers“ (Peirce 1982ff – Writings Bd.1: 7 – 1858).

Nicht jede Art des Denkens ist gleich gut. Denken in besonderen Formen, die sich in der Phylogenese der Gattung «Mensch» herausgebildet und bewährt haben, leisten mehr. Denken in Ordnungen hat Vorteile – und bestimmte Ordnungen nennt Peirce «Schlussfolgerungen». „An inference is a passage from one belief to another; but not every such a passage is an inference. (…) In inference one belief not only follows after another, but follows from it“ (Peirce CP 4.53 – 1893).

Der Begriff «Logik» bezeichnet in diesem Gebrauch nicht irgendeine Spielart der klassischen Aussagenlogik, sondern «Logik» meint hier «Denken in vernünftigen Formen»: der Schritt von einem Gedanken zu dem nächsten erfolgt also nicht zufällig, sondern dieser Schritt weist eine bestimmte Form auf und besitzt ein gewisses Maß an Vernunft. «Vernunft» ist jedoch zu verstehen als die Fähigkeit, etwas Bestimmtes zu erreichen. Deshalb weisen bestimmte Denkform nur Vernunft im Hinblick auf ein bestimmtes Merkmal auf.

So weist die Form der Deduktion eine große Vernunft im Hinblick auf das Merkmal «bedeutungsgleiche Kopie von Ideen» auf und die Abduktion eine sehr geringe. Hingegen weist die Deduktion im Hinblick auf das Merkmal «Entwickeln einer neuen Idee» eine geringe Vernunft auf, während die Abduktion hier erheblich höhere Werte erzielt. In diesem Verstande kann auch der Zufall ein hohes Maß von Vernunft besitzen, zum Beispiel wenn es darum geht, Unberechenbarkeit herzustellen. Und wer schon einmal eine Zufallsstichprobe zusammengestellt hat, weiß aus leidvoller Erfahrung, wie schwierig es ist, allein den Zufall die Auswahl bestimmen zu lassen. Dabei leisten die unterschiedlichen Formen des regelgeleiteten Denkens in etwa folgendes: die Deduktion sagt, was gewiss sein wird, und was man zu erwarten hat. Die Induktion ermöglicht uns ein Weiterhandeln, weil sie uns mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nahe legt, dass dies, was bereits einmal oder mehrfach um bereits gewesen ist, auch in Zukunft so sein wird. Die Abduktion dagegen liefert uns Weltdeutungen, die, würde sie sich als richtig erweisen, uns bei Problemen handlungsfähig macht, angesichts derer wir zuvor handlungsunfähig waren.

Abduktion ist nun insofern eine besondere Handlung, als sie nicht Überzeugungen und Gewissheit produziert, indem sie etwas als sicher voraussagt (Deduktion) oder Einzelfälle zu einer Gewissheitsschließenden Regel verlängert (Induktion), sondern die Abduktion ist der Akt der Welt- und Selbstzuwendung, der Ungewissheit dadurch beseitigt, dass sie eine Regel vorschlägt, die (würde sie zu treffen, was gewissenhaft zu prüfen ist) neue Gewissheit schafft. Abduktionen sind also immer dann verlangt und notwendig, wenn alte Weltdeutungen, bewährte Theorien, erfolgreiche Konzepte und hilfreiche Rezepte angesichts neuer Entwicklungen versagen und dennoch weitergehandelt werden muss.

Die Abduktion wird hier also verstanden als die Gesamtheit aller geistigen oder gehirnphysiologischen Prozesse, die zum Entstehen einer neuen Überzeugung führen. Vielleicht haben Abduktionen nur eine Form, die ex post festgestellt und vermessen (und vielleicht auch nachgebildet) werden können. Und vielleicht liegen diesen geistigen Prozessen mehrere Formen zugrunde, die formal logisch sehr unterschiedlich zu beschreiben sind. Entscheidend ist bei der Abduktion jedoch nicht ihre formal logische Beschreibung ex post, sondern ihre Funktion – nämlich dass sie in Situationen großer Unsicherheit, nämlich immer dann, wenn nur ein Resultat (=ein Datum) vorliegt, eine neue Regel anbietet, die zugleich auch klarmacht, was der Fall ist. Weil dies so ist – und hierin ist ein tieferer Grund für die neue Bedeutung der Abduktion zu sehen –, ist die Abduktion gerade in Zeiten großen gesellschaftlichen Wandels, in Sattelzeiten also, gefordert und erforderlich. Deduktionen und Induktionen haben sich im Laufe der Wissenschaftsgeschichte als ungeeignet erwiesen, Neues in die Welt zu bringen. Deshalb ruht jetzt die Hoffnung auf der «dritten» Art des Schlussfolgerns.

Welche formalen Formen dieser Art des Folgerns zugrunde liegen, ist sicherlich für alle KI-Forscher von größerer Bedeutung, ansonsten interessiert den Sozialwissenschaftler sehr viel mehr, ob und wie man Abduktionen mehr oder weniger gezielt hervorlocken kann und wie man dann später ihrer Güte prüfen kann. Weil dies so ist, braucht ein pragmatischer Sozialforscher auch nicht das Argument, die Abduktion sei eine logische Operation. Nur die Forscher, welche die Güte einer Idee von ihrer reinen und edlen Herkunft beurteilen (und natürlich die, die diesem Prozess nachzubilden versuchen), legen Wert auf eine solche Herkunft. Aber für Pragmatisten ist nicht der Stammbaum einer Katze entscheidend, sondern allein ihre Leistung, nämlich dass sie Mäuse fängt. Die Güte einer gedanklichen Operation liegt also in ihrer zukünftigen Konsequenz und nicht in der Herkunft. Nicht der Geburtsort oder die Familie, sondern die Verdienste in der Zukunft bilden den Maßstab, nach dem in der Sozialforschung Orden verliehen werden. Und das, was die Abduktion «fängt», das sind neue Ideen, nicht Gewissheit. Und deshalb ist auch Pape zu Recht der Ansicht: „daß die Abduktion, insofern sie eine endgültige Schlußform ist, nicht kreativ ist, und daß sie, insofern sie kreativ ist, auf eine nicht bewußte und nicht kontrollierbare Suggestion von Wahrnehmungen und Überzeugungen zurückführbar ist“ (Pape 1994b: 30f; siehe auch Kapitan 1994: 156).

Obwohl die Abduktion keine Gewissheit liefert, verfügt sie doch über die Fähigkeit, etwas Zuverlässigkeit mit sich zu bringen – ist sie doch treffsicherer als der Zufall. Wie diese eigenwillige Art der «Zuverlässigkeit» zustande kommt, ist die entscheidende Frage, die jedoch erst weiter unten behandelt werden wird (vgl. Kap. 3).

Fazit: Abduktionen ereignen sich, sie kommen so unerwartet wie ein Blitz, sie lassen sich nicht willentlich herbeizwingen, und sie stellen sich nicht ein, wenn man gewissenhaft einem operationalisierten Verfahrensprogramm folgt. Wenn auch nicht ohne feste Form, so richten sie sich dennoch nicht nach den Gesetzen der formalen Logik. Sie verdanken ihre «Zuverlässigkeit» weder der Logik noch der Magie, sondern der Phylogenese der Menschheit.


2.2.3 Der Handlungstyp «Abduktives Schlussfolgern»


Das Ziel dieses Teils meiner Überlegungen war, die Verwendung, und damit die Bedeutung des Begriffes «Abduktion» im Spätwerk von Ch. S. Peirce zu (re)konstruieren. Weil es um dieses Ziel ging, bin ich vielleicht der Tiefe und Vielschichtigkeit der Peirceschen Argumentation nicht immer gerecht geworden, habe auch manchmal vereinfacht und das Frühwerk auf eine Position zugespitzt und eingeschworen, ebenso das Spätwerk. Diese Engführung ist vielleicht nicht immer im Detail korrekt, doch m. E. in den wesentlichen Grundlinien.

Da meine Absicht darin bestand, Begrifflichkeiten für die Beschreibung sozialwissenschaftlicher Forschung zu entwickeln und zu verfeinern, konnte es ebenfalls nicht darum gehen, das semantische Feld des Begriffes «Abduktion» auszuleuchten. Ganz im Sinne der pragmatischen Maxime sollte stattdessen das durch diesen Begriff ausgelöste typische Handeln mit seinen wichtigsten Komponenten (re)konstruiert werden. Das Ziel war also: Ermittlung und Beschreibung des Handlungstyps «abduktives Schlussfolgern» auf der Grundlage der extensiven Interpretation des Peirceschen Spätwerkes. Dass diese Interpretation aus einer eher wissenssoziologischen Sicht erfolgte, soll und kann hier nicht geleugnet werden. Bevor ich jedoch die (Re)konstruktion des Handlungstyps «abduktiver Schlussfolgerer» vorstelle, möchte ich (als Grundlage dafür) vorab noch einmal ein Beispiel für abduktives Folgern liefern, um dann die wesentlichen Bestimmungsgrößen der Abduktion zusammenfassen. Zuerst also das Beispiel:

Wenn jemand, der die Regeln eines Fußballspiels noch nicht oder doch nur sehr ungenau kennt, freiwillig oder unfreiwillige Zeuge eines solchen Spiels wird, dann hat schnell das Problem nicht zu verstehen, weshalb der Mitspieler in Schwarz seine Trillerpfeife benutzt. Ist unser Besucher auch ein sorgfältiger und genauer Beobachter, dann wird er nach einer gewissen Zeit feststellen, dass manchmal gepfiffen wird, wenn es bei einem Zweikampf um den Ball sehr grob zugegangen ist. Aber bei einer Sorte von Pfiffen wird er beachtliche Probleme haben – nämlich immer dann, wenn eine Mannschaft vor dem gegnerischen Tor auftaucht und ohne erkennbare grobe Auseinandersetzung um den Ball das Spiel plötzlich mittels Pfiff unterbrochen wird: falls es dem Beobachter gelingt, aufgrund der Ereignisse auf dem Platz irgendwann einmal die Abseitsregel zu erraten, dann hat er abduktiv gefolgert. In dem Moment, in dem diese Regel in seinem Geist aufscheint, versteht er zugleich auch, was auf dem Feld der Fall ist. Er wird dann wissen, weshalb gepfiffen wurde (auch wenn manchen Zuschauern das Pfeifen bestimmter Schiedsrichter immer ein Rätsel bleiben wird). Er weiß jetzt, dass nicht gepfiffen wurde, weil das Spiel zu Ende ist oder jemand ein grobes Foul begangen hat, sondern weil Spieler X sich im Moment der Ballabgabe an ihn als «letzter Mann» vor dem gegnerischen Tor befand. Einmal im Besitz dieses Wissens könnte er theoretisch auch selbst pfeifen (was – zumindest gedanklich – bei jedem Spiel auch Tausende von Zuschauern tun, und was regelmäßig zu Meinungsverschiedenheiten führt). Allerdings schließt er jetzt, wenn er pfeift, nicht mehr abduktiv, sondern qualitativ induktiv. Weil er die Abseitsregel kennt, «scannt» er immer wieder das Fußballspiel nach bestimmten und typischen Merkmalen, und wenn er dieses vorfindet, weiß er, dass er zu pfeifen hat. Sein Pfeifen folgt einer Regel.

Für die sozialwissenschaftliche Forschung sind m. E. besonders folgende Bestimmungen zur Abduktion relevant.

  • Es gibt eine Logik der Entdeckung und eine Logik der Begründung. Diese beiden Logiken sind nicht strukturgleich.
  • Die Abduktion ist der erste und einzig kreative Schritt im umfassenden Gesamtprozess der Forschung, der sich aus der steten Wiederholung von Abduktion, Deduktion und Induktion ergibt.
  • Abduktionen sind in der Regel sub-bewusste Prozesse, die sich unwillkürlich ereignen. Das Ergebnis solcher Prozesse ist eine prädikative Hypothese.
  • Der Prozess selbst ist in der Regel nicht von logischen Gesetzmäßigkeiten beherrscht. Ex post lässt sich allerdings für die Abduktion folgender Dreischritt identifizieren: (a) überraschendes Ereignis plus Angst o.ä., (b) «Konstruieren» einer neuen Regel und (c) das ehemals Überraschende erweist sich als ein Fall der neu gefundenen Regel.
  • Die Abduktion «schließt» von einer bekannten Größe auf zwei unbekannte. Mit formaler Logik lässt sich diese Schlussfolgerung nicht begründen. Abduktionen lassen sich prinzipiell nicht begründen, lediglich ihr Ergebnis – die Hypothesen. Der Hypothesentest entscheidet dann über die Brauchbarkeit der Abduktionen.
  • Abduktionen setzen die Geltung prädikativ gefasster Überzeugungen außer Kraft und deuten dann die vorprädikative Wahrnehmung neu aus. Auf diese Weise kommen sie zu einem neuen Urteil.
  • Abduktive Schlussfolgerungen liefern nie Gewissheit oder Wahrheit . Sie eröffnen allein neue Sichtweisen und ermöglichen so den Aufbau neuer (und der veränderten Umwelt angepasster) Überzeugungen.
  • Abduktionen lassen sich nicht durch ein Handlungsprogramm herbeizwingen. Sie stellen sich aufgrund einer Erkenntnishaltung ein, deren hervorstechendes Merkmal ist, dass sie die Gültigkeit bisheriger Überzeugungen aussetzt und zur Disposition stellt.
  • Die Abduktion ist keine Methode der Datenerhebung oder Datenauswertung, sondern nur eine bestimmte Form des Denkaktes, die in jeder Art von Forschung auftreten kann. Die Abduktion ist allein ein Akt der Einsicht, der sowohl in der Feldforschung als auch bei der Clusteranalyse auftreten kann, aber nicht muss. Wahrscheinlicher ist er allerdings bei datengetränkten Forschungsstrategien.

In der neueren wissenschaftlichen Rezeption des Abduktionsbegriffes hat eine Reihe von Autoren immer wieder versucht, die vielen Annäherungen von Peirce an den Begriff der Abduktion zu einem Begriff zu verdichten. Da dies wegen der teils widersprüchlichen Bestimmung des Abduktionsbegriffes durch Peirce nicht gelingen konnte, haben viele zu dem Mittel gegriffen, einerseits mehrere Varianten der Abduktion zu entwerfen (z. B. Eco 1985; Bonfantini & Proni 1985), zum anderen den Begriff widersprüchlich zu belassen oder ihn einseitig zu fassen. Bei letzterem lassen sich zumindest drei wesentliche und auch unterschiedliche Deutungen identifizieren, die aus meiner Sicht nicht nur den Begriff enorm ausweiten, sondern auch seine spezifische Bedeutung so sehr ausgedünnt haben, dass sie oft nur noch am Rande aufscheint.

Eine dieser (Miss-)Deutungen besteht darin, dass die Nutzer des Abduktionsbegriffes großen Wert darauf legen, dass es sich bei der Abduktion um eine streng logische Operation handelt, die durchaus auch methodisch herstellbar ist. Viele KI-Forscher gehen im Anschluss an Thagard 1986 (bislang vergeblich) diesen Weg und auch eine Reihe von Sozialwissenschaftlern bevorzugen (in Weiterführung von Hanson 1965) diese Lesart. Insbesondere wenn es um die Modellierung von kognitiven Prozessen geht, haben die KI-Forscher seit längerer Zeit bemerkt, dass die Abduktion grundlegend ist für menschliches Denken und dass deshalb keine Simulation menschlicher «Intelligenz» vollständig ist, wenn sie nicht über die Fähigkeit der Abduktion verfügt. Deshalb sind vor allem sie daran interessiert, die Abduktion als Algorithmus zu schreiben (vgl. z.B. Aliseda 1997 und Flach & Kakas 2000).

Die zweite unvollständige Deutung des Abduktionsbegriffs schließt an Formulierungen von Peirce an, die besagen, die Abduktion würde Überraschendes erklären und Unverständliches verstehen lassen. Vor allem die Wissenschaftler, die das Lesen, das Interpretieren, das Übersetzen, dass Diagnostizieren, das Handeln, das (kriminalistische) Aufklären und vieles andere mehr als alltägliche Beispiele abduktiven Schlussfolgerns ansehen, fassen Abduktion im wesentlichen auf diese Weise auf. Beispielhaft für solche Ausweitungen sind folgende Äußerungen: „Die Logik des abduktiven Schlusses kann also als Praxis verstanden werden, Rätsel zu lösen (…)“ (Moser 1995: 80). „Peirce definiert die Leistung einer Abduktion auch als ihre Erklärungspotenz“ (Rohr 1993: 132). „Seine Theorie der abduktiven Schlussfolgerung bietet ein starkes Darstellungsmodell für jede Form von Bedeutungsinterpretation, die im Vorgang des Verstehens von Theateraufführungen auftreten kann (Wille 2000: 320, siehe auch Wille 1989). „Handlungen sind in gewisser Hinsicht abduktive Antworten auf existenzielle und gesellschaftliche Herausforderungen“ (Bonfantini 2000: 235). Als besonders folgenreich (vor allem für die Literaturwissenschaft) haben sich folgende Deutungen von Eco erwiesen: „Angesichts dessen, dass wir im Prinzip jedes Mal, wenn wir ein Wort hören, entscheiden müssen, auf welchen Code es bezogen werden muß, scheint eine Abduktion bei jedem Decodierungsakt beteiligt zu sein“ (Eco 1987a: 187). „Die Logik der Interpretation ist die Peircesche Logik der ‚Abduktion’“ (Eco 1987b: 45) .

Die Aussage von Eco, alle Interpretation beruhe auf Abduktion, ist ähnlich überzogen wie die Aussagen von Moser, Rohr, Wille und Bonfantini, jeder Rätsellösung und allem Handeln läge die Abduktion zugrunde. Solche Behauptungen ebnen gerade das ein, was das Spezifische der Abduktion ist und was durch die Einführung dieses Begriffes sichtbar gemacht werden sollte. Abduktion ist nicht die Anwendung eines Codes, nicht die Anwendung einer Regel, sondern Abduktion ist die Erfindung einer Regel, die Erfindung eines Codes. Nur manchmal muss man die Abduktion bemühen, wenn man interpretieren will, und nur manchmal muss man auch bei Rätsellösungen kreativ werden, und nur manchmal erfordert auch das Handeln eine neue Idee, aber meist sind Lesen, Interpretieren, Rätsel lösen und auch Handeln durchaus Tätigkeiten, bei denen man auf bewährte Regeln zurückgreift und diese nur anwendet. Ein Bestandteil der Abduktion, nämlich Unverständliches erklären zu können, wird hier mit dem ganzen der Abduktion gleichgesetzt. Mit diesem Trick, nämlich einen Teil für das Ganze auszugeben, wird jede Operation, die irgendetwas erklärt, in einer Abduktion verwandelt.

Die dritte unvollständige Deutung des Abduktionsbegriffes betont die Aussagen von Peirce, dass abduktive Schlussfolgerungen die beste bzw. die wahrscheinlichste Erklärung liefern würden. Forscher, die im Anschluss an Rescher 1978 dieser Deutung folgen, sehen die Abduktion vor allem als ein Teil der «Economy of Research» an. Ähnlich argumentiert Wirth auch in seiner lesenswerten Studie zur Abduktion: „Abduktives Schlussfolgern ist eine pragmatische Strategie, deren Ziel die Minimierung des Risikos des Scheiterns ist. (…). Der Forscher versucht, die Wahrscheinlichkeit und die Plausibilität seiner Hypothesen zu optimieren. Er ist primär ein spielender Wettpartner, der seine Urteile und Forschungsergebnisse an den Kriterien des erfolgreichen Wettens und der erfolgreichen Spurensuche ausrichtet, bevor sie den Normen des wissenschaftlich-paradigmatischen ‚Strafrechtssystems’ subsumiert“ (Wirth 1999: 123). Dass Peirce der Wahrscheinlichkeit keineswegs traut und sie sehr gering bewertet, zeigt folgendes Zitat recht deutlich:

„Es ist ein sehr gravierender Fehler, der ursprünglichen Wahrscheinlichkeit von Hypothesen viel Bedeutung beizumessen, es sei denn in extremen Fällen; denn die Wahrscheinlichkeiten sind meistens bloß subjektiv und haben so wenig wahren Wert, daß es sich in Anbetracht der bemerkenswerten Gelegenheiten, die wir ihretwegen verpassen, auf die Dauer nicht lohnt, sie im Auge zu behalten. Jede Hypothese sollte getestet werden (…)“ (Peirce 1988: 427 – CP 5.599 – 1903).

Die Abduktion unterliegt nämlich gerade nicht wesentlich einer «Economy of Research», sie ist gerade nicht „eine ökonomische Strategie des Hypothesen-Aufstellens“ (Wirth 1999: 132). Stattdessen bedarf die Abduktion in der Wissenschaft (also nicht in jedem Handlungsbereich) geradezu der Muße (siehe ausführlicher Kap. 5). Denn das Erfinden ungewöhnlicher Lesarten und neuer Ideen braucht viel Zeit. Ein solches Sicheinlassen auf ein zeitintensives Nachdenken ist somit weder Dummheit noch Unbeweglichkeit (wie Wirth vermutete) , sondern eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung zum kreativen Sprung. Nicht der schnelle Kurzschluss punktet, sondern Muße und Datenkenntnis.

Alle drei der hier genannt Deutungen der Abduktion benennen ohne Zweifel auch Merkmale der Abduktion. Aber: alle diese Bestandteile abduktiven Schließen – nämlich ihre logische Form, ihre erklärende Funktion und ihre Fähigkeit, wahrscheinliche Lesarten zu liefern – sind notwendige, aber keine hinreichenden Bestandteile der Abduktion. Diese drei Charakteristika bezeichnen nicht die Besonderheit der Abduktion, sondern deren Randbedingungen. Zugespitzt: Abduktionen können, müssen jedoch nicht logisch, erklärend oder ökonomisch sein (dazu weiter unten mehr). Verstehen und Erklären lässt sich vieles auch mittels Deduktion und Induktion – oft sogar besser, und natürlich liefert die Deduktion die beste Erklärung, und gewiss ist die Induktion oder gar die Deduktion ein zuverlässigerer logischer Schluss. Aber das Entscheidende bei der Abduktion ist nicht ihre logische Form, die erklärende Funktion oder die Wahrscheinlichkeit, sondern vor allem die Fähigkeit, eine neue Regel zu finden. Insofern ist nicht Schönrich zuzustimmen, für den die Bekanntheit der Regel ohne Belang ist: „Ob nun diese Regel vorgegeben ist oder erst noch gefunden werden soll, ist angesichts des grundlegenden Problems, wie ein Fall auf eine Regel bezogen werden kann, von sekundärer Bedeutung“ (Schönrich 1990: 398).

Was bedeutet es nun, dass etwas «neu» ist? Dass es so noch nie in der Welt war, also gerade erst von Einem für Alle erfunden wurde? Oder bedeutet «neu», dass etwas zum ersten Mal in dieser Form in einem bestimmten Bewusstsein erfunden wurde, was für andere Zeitgenossen jedoch eine allseits bekannte Realität ist? Etwas völlig Neues kann es nach Vorstellungen von Peirce nun nicht geben. «Neues-Finden» bedeutet stets nur, Unbekanntes an das Bekannte anschließen. Dennoch liegt das Neue jenseits der Grenze des Bekannten. „Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis ist es, daß ein vollkommen neues Zeichen niemals durch einen Akt der Kommunikation erzeugt werden kann, sondern höchstens ein schon existierendes Zeichen (...) weiter ergänzt und verbessert werden kann. Wenn Sie mir also sagen, daß es an einer bestimmten Stelle, von der ich noch nie gehört habe und von deren Standort ich nicht die geringste Ahnung habe, eine Diamantenmine gibt, so teilen Sie mir nichts mit; wenn Sie mir aber sagen, daß ich sie finden kann, wenn ich einem bestimmten Weg folge, dessen Anfang ich gut kenne, so ergänzen Sie einfach meine Kenntnis dieses Wegs“ (Peirce 1990: 242 – MS 774 – 1904) . Nun kann die Zuschreibung von «neu» aus zwei Perspektiven geschehen: aus der Sicht der Gesellschaft und aus der Sicht eins singulären Subjekts. Mit dem Ersten ist das Neue gemeint, dass von einem Bewusstsein zum ersten Mal in dieser Welt gedacht wurde (Erfindung), zum zweiten aber auch das Neue, das individuell nur wiederholt, was historisch und gesellschaftlich bereits gedacht ist, dennoch in einem konkreten Geist zum ersten Mal auftaucht (neuer Einfall).

Beiden Perspektiven ist die Handlungsorientierung gemeinsam. Allerdings ist für die Wissenschaft nur der erste Gebrauch von «neu» von Interesse, also das, was dem Bestand an Wissen durch die Forschung hinzugefügt wird – und nur dies verdient das Prädikat «neu». Im konkreten Forschungsprozess wird es dagegen immer wieder zu neuen Erkenntnissen kommen, die sich bei Einsichtnahme in die entsprechende Fachliteratur jedoch als nicht mehr so neu herausstellen werden. Dennoch sind auch diese Vorgänge des Erfindens ohne Zweifel abduktive Prozesse. Oder anders: wer ohne Kenntnis der Kuckucksuhr diese erneut erfindet, war ohne Zweifel abduktiv tätig, allerdings wird er schnell feststellen, dass er mit den Ergebnissen seiner Abduktion nicht viel anfangen kann, da sie in jedem Warenhaus in großer Stückzahl feilgeboten werden. Was also für die einen eine echte Abduktion darstellt, ist für die anderen eine allseits bekannte qualitative Induktion. Dies gilt jedoch nicht nur systematisch, sondern auch biographisch: nach der Entdeckung einer neuen Idee ist alles nur noch ein Wiederfinden.

Dies bringt Schreiber von wissenschaftlichen Forschungsberichten, wenn sie versuchen, Datenanalysen in ihrem Verlauf zu dokumentieren, also den Prozess des Findens von (bekannten und unbekannten) Regeln offen zu legen, regelmäßig in arge Schwierigkeiten. Dann scheint nämlich oft das, was abduktiv erfunden wurde, subsumtiv hergeleitet zu sein. Denn die niedergeschriebene Schlussfolgerung hat mit dem Prozess des Schlussfolgerns nichts mehr gemein. Letzterer ist unwiederbringbar verloren, die präabduktive Unschuld nicht wieder herstellbar. Vermeintliche Darstellungen abduktiven Schlussfolgerns sind deshalb immer «Kurzschlüsse», im besten Fall qualitative Induktionen. Dies legt einer Überprüfung abduktiv gewonnener Hypothesen große Hindernisse in den Weg, kann man doch nicht mehr – zumindest in der Regel – die Güte der Schlussfolgerungen selbst durch Nachvollzug bestimmen, also indem man den Prozess der Entdeckung selbst erlebt, sondern allein dadurch, dass man die Hypothesen testet, d.h. ihre Auswirkungen auf die Wirklichkeit überprüft.

In diesem Sinne ist die Abduktion zu verstehen als gedankliches Schlussfolgern in einer bestimmten, auch logisch beschreibbaren Form, die etwas Überraschendes und so mit Problematisches durch die Erfindung einer neuen Regel erklärt bzw. verstehbar werden lässt. Die in subbewussten Prozessen erfundene Regel erscheint dem abduktiven Folgerer von seinem jeweiligen Kenntnisstand aus als die beste und wahrscheinlichste Lösung – oder allerdings diese tatsächliche Wahrscheinlichkeit einschätzen zu können. Deshalb überprüft er die «wahrscheinlichste» als erste. Dennoch: das Abgrenzungskriterium für die Abduktion ist weder ihre Logik, noch ihre erklärende Funktion, noch ihre Wahrscheinlichkeit, sondern allein die Fähigkeit, Neues zu erfinden – das Auffinden bereits bekannter Ordnungen ist dagegen keineswegs eine Abduktion.

Versucht man aus diesen Essentials und dem, was weiter oben ausgeführt wurde, einen idealtypischen Handlungstypus als Ausdrucksgestalt einer abduktiven Haltung zu konstruieren, so lässt sich folgendes Bild zeichnen: Der abduktive Schlussfolgerer ist neugierig, er beobachtet viel und intensiv, stets bereit, sich überraschen zu lassen. Stößt er auf etwas Ungewöhnliches, seine Erwartung Enttäuschendes, dann macht er sich nicht schnell seinen Reim darauf. Er macht genau das Gegenteil: er beobachtet weiter, spricht mit sich und anderen, kramt in der Erinnerung nach ähnlichen Erfahrungen, lässt sein ganzes Wissen um die Wirklichkeit «floatieren» und wartet darauf, dass sich irgendwann eine mögliche einheitliche Deutung aller oder zumindest vieler überraschender Details einstellen wird.

Auch wenn er aufgrund der Arbeits- und Zeitökonomie die naheliegende Deutung unbekannter Spuren in der Regel zuerst testet, lässt er selbst die unwahrscheinlichste Lesart nicht außer Acht. Er vertraut eher seiner «inneren Stimme» und seiner Erfahrung als den Gesetzen der Logik und der Wahrscheinlichkeit. Er weiß, dass er sich schon oft geirrt hat und erneut irren wird. Sein Wissen ist stets vorläufig und immer nur auf Probe in die Welt gesetzt. Er sucht nicht nur nach der Bestätigung seiner Deutung, sondern auch nach deren Widerlegung.

(nicht signierter Beitrag von Jo Reichertz (Diskussion | Beiträge) )

Beitrag von Jo Reichertz etwas borwserfreundlicher formatiert --ZetKIK 18:29, 7. Mär. 2011 (CET)

Fortsetzung der Diskussion

Hallo Jo, das ist viel stuff. Das muss ich erst einmal lesen. Antwort folgt dann. Gruß --Lutz Hartmann 00:13, 6. Aug 2006 (CEST)

Hallo Jo, nun meine Antwort in Form einiger sicherlich manchmal verkürzender Thesen:

Hallo Lutz, hier meine Kommentare zu Deinen Thesen:

  • In Hinblick auf die „Quelle“ Hoffmann fühle ich mich fehlinterpretiert. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass er einen wesentlichen Hintergrund gibt, mehr nicht. Hoffmann hat sich nicht/nur wenig zu Eco ausgelassen. Ich ging davon aus, dass diese sehr gute Arbeit Dir bekannt ist. Hoffmann geht es vor allem um das diagrammatische Schließen, zum dem dem Artikel noch ein Abschnitt fehlt.

Die Arbeit von Hoffmann ist mir nicht bekannt (werde umgehend lesen); aber es gibt Quellen, die müßte man im Zusammenhang zur Abduktion aufnehmen: Pape, Wirth, Riemer, Wartenberg

  • Der Artikel enthält derzeit nur zwei Bezüge zu Eco, nämlich die Bezeichnung „detektivische Methode“ in der Einleitung sowie die Aufteilung in übercodierte, untercodierte und kreative Abduktion. Im restlichen Artikel wird auf Eco kein Bezug genommen. Der Rest der Darstellung richtet sich nach relativ neuer Literatur.

Auch wenn Eco, den ich sehr achte, nur zweimal explizit fällt, folgt die Deutng der Abduktion in dem WickiArtikel eindeutig Eco. Die Rede von über- und untercodiert ist von Eco in Umlauf gebracht. Und entscheident ist: Abduktion ist gerade nicht der Schluss von Resultat UND Regel auf den Fall. Es ist streng genommen auch kein Schluss mehr, sondern eine (wie Peirce sagt) Denkform. Deshalb lässt sich die Abduktion auch kaumm mehr als Syllogismus schreiben. Es ist der Denkakt von Resultat auf Regel und Fall. Übrigens, das sei nur angemerkt, im Wickiartikel steht, dass Abduktion "entweder von einem vorliegenden Resultat und einer möglichen bekannten oder spontan neu gebildeten Regel auf einen Fall schliesst". Dann würden unter dem Begriff zwei verschiedene Denkakte zusammengefasst. Später heisst es dann "Einfach ausgedrückt, bedeutet Abduktion einen Schluss von einem Tatbestand unter Zuhilfenahme einer Regel auf einen Fall,...". Das ist aber gerade nicht zutreffend.

Zu Eco und seiner detektivischen Methode: Eco ist Semiotiker und Literaurwissenschaftler und er weiss vor allem etwas über Krimnalpoesie, also fiktive Detektive. Weil er Fiktion und Fakt verwechselt kommt er zu seinen Ergebnissen. Wenn Dich die Begründung interessiert. Ich habe dazu einen Aufsatz geschrieben, den ich Dir gern überlasse (bitte emailadresse).


  • Der Text enthält relativ viele Peirce Zitate. Diese stammen fast ausschließlich aus den Lectures on Pragmatism (CP 5.14-212), also aus dem Jahr 1903, sind also der ausgereiften Interpretation der Begriffe Induktion/Hypothese bzw. Induktion/Abduktion zuzurechnen. Da diese Zitate sprachlich sehr klar sind und aus einem geschlossenen darstellenden Zusammenhang der ausgereiften Philosophie Peirce’ stammen, möchte ich auf diese nicht verzichten.

Ist völlig okay

  • Auf die syllogistische Darstellung der Abduktion möchte ich ebenfalls nicht verzichten, weil sie den Mechanismus, der in einer Abduktion steckt, veranschaulicht. Das steht auch nicht im Widerspruch zur Abduktion als Instrument zur Auffindung neuer Erkenntnisse. Peirce selbst hat – wie Du in Deinem Aufsatz auch darstellst – ja darauf hingewiesen, dass die Form erhalten ist, auch wenn sie nicht das Entscheidende ist. Das Motiv ist eher didaktischer Natur, um eine Gegenüberstellung zu Deduktion und Induktion zu erreichen. Dass Abduktion damit nicht abschließend dargestellt ist, ergibt sich aus den dann folgenden Abschnitten zur Erkenntnis und Wissenschaft.

Dann müßte aber der Syllogismus anders aussehen - siehe oben: von Resultat auf Regel und Fall

  • Die materiellen Aussagen Deines Textentwurfs sind – wenn Du es einmal genauer analysierst – im derzeitigen Artikel alle enthalten. Der Abschnitt „Der abduktive Schluss“ in Deinem Entwurf wird vom derzeitigen Abschnitt „Wissenschaftstheoretische Bedeutung“ weitgehend abgedeckt, nur dass Du den Findungsprozess in der Wissenschaft blumiger darstellst und gesondert auf die qualitative Induktion (dazu s.u.) eingehst.
  • Der Artikel beschränkt sich aber – im Gegensatz zu Deinem Entwurf – nicht auf das wissenschaftliche Umfeld, sondern betrachtet die Abduktion, wie Peirce, ganzheitlich. Abduktion findet im Wahrnehmungsprozess genauso statt wie im Alltagsleben wie in der Wissenschaft. In Deinem Aufsatz sprichst Du das auch korrekt an.

Das ist richtig. Ich betrachte die Abduktion als Teil der Forschungsarbeit, obwohl sie ohne Zweifel noch mehr ist. Aber Peirce ging es ebenfalls vor allem um die Forschung.

  • Peirce hat nach meiner Kenntnis nie auf den Dreiklang Abduktion, Deduktion und Induktion verzichtet, allerdings im Laufe der Zeit den Begriffen unterschiedliche Gewichte, Inhalte und Abgrenzungen gegeben. Es ist daher korrekt zu sagen, dass Peirce im Frühwerk die qualitative Induktion unter die Hypothese subsumiert hat, diese aber im Begriff Abduktion im Spätwerk nicht mehr enthalten war. Es ist aber nach meinem Dafürhalten nicht korrekt zu sagen, dass Peirce vier Schlussweisen unterschieden hat. Insofern stimme ich mit Deinem Textentwurf nicht überein. Ebenso ist es (logisch und sachlich) nicht korrekt zu sagen, der spätere Begriff der Abduktion enthalte nicht Elemente des früheren Begriffs Hypothese. Korrekt hingegen ist der Hinweis, dass der spätere Begriff der Hypothese nur die Prädikation der Abduktion bezeichnet.

In der Tat hat Peirce nie darauf verzichtet, Deduktion, Induktion und Abduktion auseinander zu halten. Aber er hat die einzelnen Denkakte weiter unterschieden, so die Induktion in krude, quantitative und qualitative Induktion. Und weil qualitative Induktion und Abduktion so leicht verwechelt wurden/werden, kategorial und aufgrund ihrer Leistung aber völlig verschieden sind, muss man sie genau auseinander halten. das tutu der bisherige Wickiartikel nicht.

  • Für die kreative Abduktion fehlt in Deiner Darstellung das doubt-belief Schema, das für das Verständnis von Peirce aus meiner Sicht maßgeblich und daher im Artikel unverzichtbar ist.

Abduktionen sind stets kreativ, sonst sind es keine. Und doubt-belief ist in der Tat unverzichtbar, hab ich aber auch geschrieben.

Ich hoffe, Du kannst erkennen, warum ich einen Austausch Deines Textes gegen die bisherigen Artikelinhalte für nicht sehr gelungen halte. Gruß --Lutz Hartmann 11:59, 6. Aug 2006 (CEST)

Eine letzte Farge: Wie kann ich dich überzeugen, dass die jetztige Version unscharf, unterkomplex und in einigen Punkten falsch ist?

Jo

Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: ZetKIK 15:04, 13. Mär. 2011 (CET)

Gödel mal wieder

Der Artikel schrieb: Nach dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz sind deduktive Schlüsse allerdings nicht nur in den empirischen Wissenschaften, sondern auch in der Mathematik fallibel, weil die jeweiligen Regeln (z.B. Naturgesetze) mit Irrtümern behaftet sein können.

Zum einen wechselt das das Thema - zunächst wurde eine Aussage über die Mathematik aufgestellt und dann auf Naturgesetze gewechselt. Zum anderen sagt der Unvollständigkeitssatz ohnehin nicht, dass die Mathematik fallibel ist. Die Unvollständigkeit gewisser Axiomensysteme sagt etwas völlig anderes. Und der Bezug zur Abduktion war an den Haaren herbei gezogen. Ich werde das löschen. -- ZZ 14:45, 14. Nov. 2006 (CET)

Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: ZetKIK 15:05, 13. Mär. 2011 (CET)

Abduktion bei naturwissenschaftlichen Untersuchungen

Ich habe heute (11.11.07) den Text ergänzt um den neuen Abschnitt 7 und habe einen Verweis auf diesen im Abschnitt 2 eingefügt. Da mein Name nicht genannt ist, möchte ich mich hiermit identifizieren: Prof. (pens.) Dr. rer nat. Gerold Wünsch, Analytische Chemie Univ. Hannover, und M.A. Philosophie und Geschichte. www.wuensch.homepage.t-online.de

Anmerkung zu den Diskussionen um Peirce, Eco usw.: Wir sind nicht mehr im Mittelalter, wo man jeden Einwand erschlagen konnte mit dem Verweis auf die Ansicht des Aristoteles. - Peirce ist lange tot; wie immer er die Sache gesehen hat, - was kümmerts uns?! Zentrale Aufgabe der Philosophie ist die Klärung der Gedanken, nicht der Totenkult. Wissenschaft will zumindest Verlässlichkeit (um den pompösen Ausdruck Wahrheit zu vermeiden)und dazu gehören auch Angaben zu objektiver und subjektiver Wahrscheinlichkeit von Aussagen, so denn Zweifel an ihnen möglich ist. Das Finden neuer Regeln ist ein ebenso notwendiger und wertvoller wie ganz und gar unlogischer Prozess. Meiner naturwissenschaftlichen Erfahrung nach hat Peirce hier einen unangemessenen Gedanken in seine Darstellung der Abduktion hineingebracht.

mir scheint, hier liegt ein missverständnis bezüglich dessen vor, was wikipedia ist. private meinungen gehören nicht in lexikonartikel, und schon doppelt nicht, wenn sie nicht in neutralem stil verfaßt sind. thesen, die in etablierten wissenschaftstheoretischen zeitschriften, buchverlagen o.ä. publiziert sind und in der fachdiskussion aufmerksamkeit gefunden haben, aber durchaus. der betreffende abschnitt gehörte eindeutig in erstere gruppe. etwas anders wäre es, wäre er zumindest in enzyklopädischem stil verfaßt und mit Belegen versehen. richtig an der kritik ist, dass der artikel in weiten teilen einen veralteten theoriestand wiedergibt. die wichtigste neuere literatur wird jetzt aber zumindest angeführt. es wäre in der tat aber schön, jemand fände die zeit dazu, ein paar wichtigere aspekte der jüngeren debatten im artikel klar, neutral, mit belegen versehen und in enzyklopädischem stil zu referieren. (übrigens würde ich fast alle unter "literatur" aufgeführten deutschen titel entfernen, weil sie für die internationalen debatten nahezu bedeutungslos sind.) -- Ca$e φ 18:40, 14. Nov. 2007 (CET)

Sehr geehrter Kollege Ca$e, Dank für Ihren Beitrag, aber Luhas Löschen ist keine Lösung. Der Nutzer eines Wissens-Speichers kann erwarten, dass ihm keine irgendwo abgeschriebenen Einseitigkeiten aufgedrückt werden, wie dies der vorhandene Abduktions-Artikel tut. Ich habe genug Handbuch-, Lehrbuch-, Monographie-Literatur publiziert (www.wuensch.homepage.t-online.de), um beurteilen zu können, was eine solide Informations-Quelle ist und was nicht. Wenn man Luhas Mantras auf seiner Diskussions-Seite ernst nimmt, ist ein schlechter Artikel schlechter als viele gute. Wenn die Wiki-Administratoren lieber einen - wie Sie selbst zugeben - schlechten Artikel stehen lassen als dass er verbessert wird durch einen, der vielleicht formalen Kriterien nicht genügt, - dann machen sie sich schuldig an der wissenschaftlichen Fehl-Information, die unter ihrer Verantwortung publiziert wird. Na schön, ein Gang zurück: - Wollen Sie dafür sorgen, dass der vorhandene Artikel bis auf ein paar Hinweise auf neuere Literatur gelöscht wird? -Ich würde gern Wikipedia als Quelle ansehen, deren Selbstverständnis mich nicht in wissenschaftliche Sackgassen führt. Ihr G. Wünsch

es ist hier leider so dass tausende artikel nicht den qualitätsansprüchen der allermeisten editoren entsprechen. aber bevor man einen artikel noch weiter verschlechtert, kann man, finde ich, mit dem status quo, zumindest in diesem fall, leben. die alternativen sind: den artikel als zu überarbeiten kennzeichnen (so dass der leser entschieden nicht den irreführenden eindruck gewinnt, er würde in diesem artikel hinreichend informiert) oder ihn zur löschung vorzuschlagen. letzteres scheint mir in diesem fall unangebracht, ersteres habe ich eben vorgenommen, weil ich bei einem schnellen querlesen doch allzu krasse einseitigkeiten oder unrichtigkeiten sehe (die nutzer von wikipedia sollten aber ohnehin wissen, dass sie, was wissenschaftliche themen betrifft, hier in 99% aller fälle provisorien geboten bekommen, die mit keinem fachlexikon auch nur annähernd an sachlicher richtigkeit oder aktualität mithalten können.) da wikipedia ein freies projekt ist, werden die meisten editoren, darunter zb wohl auch luha und jedenfalls auch ich, ihre zeit nach sehr subjektiven beweggründen auf die artikelarbeit verwenden. mir ist der artikel hier zb nicht schlimm und wichtig genug, dass ich mich gerade länger darum kümmern würde. was nicht heißt, dass man nicht, wie eben geschehen, unenzyklopädische essays aus formalen gründen prinzipiell immer streichen wird, wenn man sie beobachtet, ganz einfach, weil sie dezidiert gegen die erwähnten formalen richtlinien verstoßen. nichts für ungut, beste grüße, Ca$e 22:27, 14. Nov. 2007 (CET)
Mit Verlaub, Michael Hoffmann, Jo Reichertz und Helmut Pape sind zwar „nur“ deutsche Wissenschaftler, aber zum Thema Peirce und auch zum Thema Abduktion absolut auf dem Stand der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion. Ich kann das gerne vertiefen. Die Literaturverzeichnisse in der Wikipedia sind nicht dazu da, zu zeigen, wie gut man in Datenbanken Titel finden kann, sondern dem Leser eine Hilfe zu geben, wo er sich zum Thema vertiefend informieren kann. Das sollten aus meiner Sicht, natürlich aktuell und qualifiziert, deutsche Titel sein, denn wir wenden uns hier zunächst einmal an deutsche Leser. Die Wikipedia ist kein Forschungsbetrieb, wo der Wahn, nur Englisches sei gut, sich eingenistet hat. Wer Literaturlisten für Diplomarbeiten oder Dissertationen sucht, sollte das nicht in der Wikipedia tun. Die Aussage: „weil ich bei einem schnellen querlesen doch allzu krasse einseitigkeiten oder unrichtigkeiten sehe“ aus der vorstehenden Diskussion bitte ich zu konkretisieren. Ich verweise darauf, dass Jo Reichertz an diesem Artikel aktiv mitgewirkt hat. Gruß --Lutz Hartmann 09:14, 15. Nov. 2007 (CET)
ich habe ja die betreffenden titel auch nicht gelöscht. es ist halt eine grundsätzliche frage, ob man eher sekundäre titel aufnimmt, die aber auch einen überblick zur debatte geben, oder ob man die wichtigsten beiträge zur debatte selbst aufnimmt. wenn es etablierte handbücher gibt, bin ich für ersteres, wenn nicht, eher für letzteres. dass ich jetzt die wichtigsten jüngeren wortmeldungen etc aufgelistet habe, halte ich für sinnvoll, weil der artikel diese noch überhaupt nicht einbezieht. ich halte das gerade in diesem fall durchaus für sinnvoll, denn wer zb im philosopher's index abduction eingibt, wird sofort etliche titel angezeigt bekommen (233, um genau zu sein). da es sich bei jr's buch wohl um spezifischere anwendungsfragen geht, rechtfertigt das eine aufnahme schon mangels alternativen. analog kann man evtl für hoffmanns monographie argumentieren. es geht hier nicht um einen "Wahn, nur Englisches sei gut"; es ist einfach so, dass, wer einen nennenswerten beitrag zu wissenschaftstheoretischen themen meint vortragen zu können, dies als aufsatz in einem fachjournal unterzubringen versucht; wie bei fast allen spezialisierteren themen sind die meisten fachzeitschriften eben englischsprachig. ein konkretes feedback zum artikel kann ich gern mal geben, wenn ich zeit dazu finde und interesse besteht. -- Ca$e φ 14:08, 19. Nov. 2007 (CET)
Hallo Ca$e, ich habe mir mit einer Antwort etwas Zeit gelassen, weil ich nicht so genau weiß wie ich es anpacken soll. Eine Diskussion zur Aktualität und Internationalität sowie zur Art der zu nennenden Literatur gehört wohl eher auf eine allgemeine Diskussionsseite, also vielleicht ins Projekt. Also lasse ich es hier. Mir ist allerdings nach Lektüre der Homepage von Gerhard Schurz sehr wohl bewusst, dass man hier noch einiges machen kann. Allersdings bin ich in Hinblick auf eine Verknüpfung mit dem Schluss auf die beste Erklärung nicht ganz glücklich. Das sollte hier eigentlich nur mit einem Hinweis abgehandelt werden. An einem konkreten Feed back bin ich sehr interessiert, zumal ich mit dem Schluss des Artikels überhaupt nicht glücklich bin. Gruß --Lutz Hartmann 21:54, 23. Nov. 2007 (CET)

Der in Rede stehende Text

Ich habe den von mir gelöschten Text hier einmal wieder ans Tageslicht geholt. Der Text ist essayistisch und enhält aus meiner Sicht eine ziemliche Vermischung verschiedener Schlussweisen. Deshalb im Löschhinweis meine Aussage, er sei wissenschaftstheoretisch nicht haltbar. Ich werde zum dem Text eine kurze Analyse erarbeiten, die aufzeigt, dass dem so ist. Da ich hier nicht hauptberuflich tätig bin, bitte ich mir ein Bisschen Zeit zu geben. Gruß --Lutz Hartmann 08:35, 15. Nov. 2007 (CET)

Abduktion bei naturwissenschaftlichen Untersuchungen

Die Qualität eines gelieferten Stahls, die chemische Ursache des Erdbeer-Aromas, die Gewässergüte eines Flusses, der Verdacht auf Phenylketonurie werden so geprüft, dass man einen Test durchführt, welcher die erforderliche Information liefert, d.h. welcher es erlaubt, vom Test-Phänomen rückwärts zu schließen auf dessen Ursache. Wissenschaftliche Abduktion geht von Beobachtungen aus und schließt, welcher bestimmte Fall vorliegt, so dass das beobachtete Phänomen entstand.

Anders als in der Sichtweise von Peirce und im Beispiel der roten Kugeln ist ein naturwissenschaftlich seriöser, kunstgerecht ausgeführter abduktiver Schluss sicher, denn er ist überhaupt nur zulässig, wenn zwischen Ursache und Test-Phänomen eine bikonditionale (notwendige und hinreichende) Beziehung besteht. Deduktion versucht den Ausgang des nächsten Experiments vorauszusagen; Induktion sucht Erfahrungen verallgemeinernd auszudehnen. Beide machen Behauptungen über Fälle, die noch nicht aufgetreten sind; sie sind in die Zukunft gerichtet. Abduktion ordnet die Gegenwart: Sie identifiziert einen vorliegenden Einzel-Fall als zugehörig zu einer bekannten Fall-Gruppe.

Ein wissenschaftlicher abduktiver Schluss darf nicht hinausgehen über die Tragweite des gesicherten Fachwissens. Selbst Induktion darf dies nur insoweit, als das Fachwissen dem verallgemeinernden Schluss ein vernünftiges Maß an Plausibilität verleiht; Phantastereien sind auch hier nicht zulässig. - Dass alle Kugeln in der Urne rot sind, sagt weder über Farbe noch Herkunft der Kugeln auf dem Tisch etwas aus. Deren Herkunft kann daher nicht erschlossen werden durch Bezug auf den Urnen-Inhalt.

Wenn die Frage lautet "Liegt eine Natrium-Verbindung (z.B. Kochsalz) vor?", dann beginnt kein Prozess der Hypothesen-Generierung, sondern man schaut ins Buch, und dort steht gesichertes Fachwissen als Obersatz (1.Prämisse): "Alle Natrium-Verbindungen und nur diese erzeugen in der Flamme eines Bunsen-Brenners gelbes Licht, das sich im Spektroskop als scharfe gelbe Spektrallinie bei der Wellenlänge 589nm erweist. Die chemisch-analytische Prüfung auf Natrium erfolgt in der Regel spektroskopisch." - Ergebnis des qualitäts-gesichert durchgeführten Tests als 3.Teil der Schluss-Figur: "Rote, grüne, blaue Linien, aber keine gelbe." - Abduktiver Schluss auf den Untersatz (2.Prämisse) als Antwort auf die Frage: "Keine Natrium-Verbindung." Ist auf der Grundlage aktuell nicht in Zweifel stehenden Fachwissens die Gültigkeit des Bikonditionals gesichert, so erfolgt beim abduktiven Rückschließen vom Phänomen auf dessen Ursache keine Bildung von Hypothesen, wenn man unter Hypothese eine wissenschaftlich begründete Aussage versteht, an der wissenschaftlich begründeter Zweifel möglich ist.

Naturwissenschaftliche Prüfverfahren können (und müssen) so gestaltet werden, dass der abduktive Schluss zweifelsfrei ist. Auftreten der gelben Spektrallinie beweist rückschließend Natrium und nichts anderes als Natrium; ihr Ausbleiben beweist dessen Abwesenheit und nichts anderes: causa finita!

Wenn der wissenschaftliche Stand kein für eine einzelne Ursache gesichertes Bikonditional angibt, muss vor dem Schlussfolgern geprüft werden, wie die Schnittmenge aus Grundlage und Fall-Information ist. Nur diese darf Konklusion sein, wenn wissenschaftlicher Anspruch erhoben wird, und sie ist nicht hypothetisch. Sie lautet: Folgende Ursachen sind hinreichend für das Phänomen; verknüpft durch ein einschließendes "oder" sind sie in ihrer Gesamtheit notwendig. -"Die Kugeln in der Urne stammen vom Tisch oder umgekehrt oder beide sind unabhängig voneinander an ihren Platz gelangt." - Gegenüber der Auffassung von Peirce hat diese den Vorzug, dass keine Illusionen, keine Hoffnungen und Befürchtungen erzeugt werden, - eben das, was wissenschaftliche von anderen Aussagen unterscheidet. Wenn dann der Mensch durch eine Willens-Entscheidung eine der Möglichkeiten herauspickt und nach strategischen oder psychologischen Motiven zur Grundlage weiteren Handelns macht, beginnt ein neuer, zunächst hypothesen-geleiteter Abschnitt im Erkenntnis-Prozess; Peirce und auch Popper sei damit Genüge getan.

Der Text stammt von Gerold Wünsch und wurde von Lutz Hartmann gelöscht.

Kritische Anmerkungen

Die Probleme des Beitrages von Gerold Wünsch liegen in folgenden Punkten:

  • Er übersetzt den Begriff Abduktion unmittelbar mit Hypothese und gibt dem Begriff der Hypothese einen Inhalt, der weitgehend mit dem identisch ist, was in der Bedeutung der Schlussweisen allgemein unter Induktion zu verstehen ist. Die gilt besonders krass für die eingangs genannten Beispiele der Qualitätsprüfung. Das hat mit Abduktion überhaupt nichts zu tun. Die Beispiele beschreiben nur Regeln, die angewendet werden. Das ist Induktion pur. „Morgen geht die Sonne auf“, ist ein induktiver Schluss! Ein ähnlicher begrifflicher Fehler liegt bei dem weiter unten beschriebenen Test auf Natrium vor. Das ist Induktion und keine Abduktion. Ob ein bestimmtes Testverfahren ausschließlich Natrium nachweist, ist ein induktiver Schluss. Daran ändert auch nichts, wenn es millionenfach in der Praxis bewährt ist.
  • Abduktive und induktive Schlüsse sind niemals logisch wahr, können also nicht mit der Eigenschaft „notwendig“ versehen werden. Es könnte nämlich auch immer anders sein. Paul Feyerabend hat das mal mit einem drastischen Beispiel beschrieben: Das Huhn hatte sich daran gewöhnt, jeden Morgen nach Sonnenaufgang Futter zu bekommen. Am neuen Morgen war die Sonne aufgegangen. Es schloss daraus, auch an diesem Tag wieder Futter zu bekommen. Stattdessen wurde es geschlachtet.
  • Ein abduktiver Schluss liegt dann und nur dann vor, wenn ich im Rahmen wissenschaftlicher Tätigkeit Phänomene entdecke, die ich nicht aufgrund bisheriger Erfahrung erklären kann, und mir hierfür eine Hypothese (eine Regel) suche, die eine mögliche Erklärung gibt.
  • Der Satz „Deduktion versucht den Ausgang des nächsten Experiments vorauszusagen“ ist in dieser Absolutheit schlicht falsch. Deduktion ist die logisch folgerichtige Schlussweise aus vorher aufgestellten Axiomen. Wenn ich bestimmte Naturgesetze als gültig annehme (hierin liegt die Hypothese) und aufgrund dessen wissenschaftliche Berechnungen anstelle, die einen bestimmten Zustand beschreiben, ist die Berechnung eine Form der Deduktion. Wenn in einem Experiment diese Berechnung überprüft wird, ist das Induktion. Wenn sich dabei herausstellt, dass die Wirklichkeit anders reagiert als das (mathematisch korrekte) Modell, dann zeigt sich, dass die Hypothese über die Gültigkeit der Naturgesetze in diesem Fall falsch war. Die Abduktion lag also in der Annahme, dass die Naturgesetze geeignet sind, in diesem Fall auf die Wirklichkeit zu schließen.
  • Ob Abduktionen Phantastereien sind oder nicht, hat zunächst einmal nichts mit der Schlussweise an sich zu tun. Dass wissenschaftlich seriöses Arbeiten ein sachlich begründetes Vorgehen fordert, ist ein allgemeiner wissenschaftstheoretischer Grundsatz, der den Forscher ehrt, der ihn anwendet. Manche auf Kreativitätstechniken basierende Vorgehensweise würde das anders beurteilen.

Schlussfolgerung aus dem Ganzen: der Text von Gerold Wörner ist geeignet, zu behaupten, dass das newtonische Weltbild gültig ist und ein Einstein niemals recht haben könnte. Insofern bleibe ich bei meiner Auffassung, dass der Text – abgesehen von der essayartigen Darstellungsweise und fehlenden Belegen für die vertretene Auffassung – wissenschaftstheoretisch nicht korrekt ist. Die hier aufscheinende Wissenschaftsauffassung ist blanker Verifikationismus. Diese Einschätzung hat nichts zu tun mit fehlender Offenheit für philosophsiche Auffassungen Dritter. Gruß --Lutz Hartmann 11:12, 15. Nov. 2007 (CET)

Erwiderung

Abduktion ist der Rückschluss von der Beobachtung auf die Ursache, das entspricht auch der Tabelle und ist wohl unstrittig. Dazu gehört gewiss auch der Fall, dass man vor einem neuen Phänomen steht und eine Ursache suchen muss, die bislang unbekannt war. Das ist insoweit Hartmannsche Auffassung, und die Naturwissenschaft hat kein Problem damit. – Der Schluss von gezielt ausgelösten Test–Resultaten auf die Ursache erfolgt in Fällen wie dem Natrium auf der Grundlage, die ich „gesichertes Fachwissen“ genannt habe; bikonditionale Zusammenhänge sind ein Teil davon. Abduktion schließt vom Resultat (Spektrallinie) und dem, was in der Philosophie missverständlich „Regel“ genannt wird (dem gesicherten Fachwissen) auf den Fall (Natrium).

Herr Hartmann bestreitet offenbar, dass es im Bereich der Naturwissenschaft gesicherte Kausalbeziehungen gibt. (Die Diskussion um Hume ist mir bekannt.) Wenn er explizit sagt, „es könnte immer auch anders sein“, dann sollte er sich schleunigst an die Erfindung des Perpetuum mobile machen, denn „es könnte ja sein ...“. Nein, es gibt in den Naturwissenschaften Dinge, für die gibt es keinen angebbaren, vernünftigen Grund, dass sie auch anders sein könnten. Auf Grund solchen Wissens wird geschlossen, und zwar nicht zwecks induktiver Erweiterung der Gültigkeit von Erfahrungen. – Dass solches in die Köpfe der Geisteswissenschaftler nicht recht hinein will, war mir eine der lebhaftesten Erfahrungen in meinem Zweitstudium. Und das ist ein wichtiger Punkt in der Kontroverse: Dass die Philosophen sich seit der Antike um immer die gleichen Sachen streiten, ist kein Grund zu meinen, in den Naturwissenschaften könne man auch nach Lust und Laune ad infinitum hin und her diskutieren; in diesen gilt früher oder später das von mir zitierte causa finita. (Und was Herrn Hartmanns Ausflug in die Theorien–Dynamik angeht: Newton war richtig bis Einstein kam, und gemäß pessimistischer Meta–Induktion ist Einstein falsch, sobald XYZ kommt. – Aber das betrifft theoretische Modelle, keine Tatsachen–Feststellungen.)

Aber nun doch ein paar Belege. Zu Kausal–Beziehungen in der Chemie: Wünsch, Gerold (2000). Einführung in die Philosophie der Chemie. Würzburg, Königshausen und Neumann.

Zur Forderung, nur begründeten Zweifel ernst zu nehmen: Spohn, Wolfgang (1997). Begründungen apriori oder: Ein frischer Blick auf Dispositionsprädikate. In: Lenzen, W. (Hrsg.) Das weite Spektrum der Analytischen Philosophie. Festschrift für Franz von Kutschera. – Berlin

Spohn, Wolfgang (2003). Carnap versus Quine, or Aprioristic versus Naturalized Epistemology, or a Lesson from Dispositions. In: Bonk, T. (Hrsg.) Truth and Knowledge. Contributions to the Philosophy of Rudolf Carnap. – Dordrecht

Gruß, Ihr G.Wünsch

Zweite Replik

Leider geht die Erwiderung von Gerold Wünsch nicht auf die sachlichen Kritikpunkte ein. Ich werde auf das allgemeine Geschimpfe über die Unverständigkeit und ewige Gestrigkeit der Philosophen nicht eingehen. Zur Information für Herrn Wünsch: Auch für mich ist Philosophie so etwas wie ein Zweitfach. Nun zum Sachlichen. Auch die Erwiderung zeigt, dass das Problem in der Interpretation der Begriffe Abduktion und Induktion liegt. Da in der deutschen Wikipedia kein vernünftiger Artikel zur induktiven Logik vorhanden ist, verweise ich der Einfachheit halber auf John Vickers: Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.Vorlage:SEP/Wartung/Parameter 1 und Parameter 3 und nicht Parameter 2. Einen umfangreichen Artikel zur Induktion gibt es auch in der Enzyklopädie Philosophie, hrsg. Von Jörg Sandkühler, Meiner 2005, Sp. 629 – 636b, von Christoph Lumer. Beide Artikel haben den Vorzug einen allgemeinen Überblick zum Thema zu geben.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass induktive (wie abduktive) Schlussweisen informationserweiternd sind, weil die Konklusion jeweils Informationsgehalte enthält, die in den Prämissen nicht gegeben sind. Dies dürfte unstreitig sein. Daraus folgt logisch, dass weder Induktion noch Abduktion notwendig wahre Aussagen erzeugen können. Für Herrn Wörner: Ja, ich bin mit Charles S. Peirce der Auffassung, dass es in den Naturwissenschaften keine endgültigen Wahrheiten gibt und habe den Satz von Peirce: „Unfehlbarkeit in wissenschaftlichen Belangen ist für mich unwiderstehlich komisch.“ (CP 1.9) bewusst in den Artikel aufgenommen. Manchmal haben auch schon verstorbene Leute sehr sinnvolle Sachen gesagt.

Es wird von mir bezweifelt, dass die Beispiele von Herrn Wörner unter die Logik der Abduktion fallen. Ich behaupte vielmehr, dass diese Beispiele induktive Schlüsse darstellen. Hierzu noch einmal die Kurzdefinitionen: Abduktion ist die Hypothese, die vom Einzelnen auf eine Regel und das Allgemeine schließt. Induktion ist die Hypothese, die vom Üblichen (von der Erfahrung) auf das Allgemeine schließt. Ich habe überhaupt nichts dagegen, Regel im Falle der Naturwissenschaften mit Naturgesetz zu übersetzen, wenn mir zugestanden wird, dass Naturgesetze von Menschen gemachte Regeln sind. Sie stehen, jedenfalls so wie der Mensch sie formuliert, nicht im Buch der Natur. Abduktion liegt vor, wenn im Zuge von Forschung neue Naturgesetze (vielleicht besser: Wirkmechanismen) anhand von untersuchten Phänomenen gefunden werden. Wenn aber Einzelphänomene anhand von Lehrbüchern erklärt werden, sind das eindeutig induktive Schlüsse. Denn hier wird auf Erfahrung bereits zurückgegriffen. Dass dabei in den Analysen noch nicht klar ist, welche Regel anwendbar ist, dass man also die richtige aus verschiedenen bereits bekannten Erklärungen erst suchen muss, spielt dabei keine Rolle. Dafür gibt es die verschiedenen statistischen Schlussverfahren (Bayes, Likelyhood etc.). Die Aussage zur Deduktion im von Herrn Wörner vorgeschlagenen Text bleibt nach wie vor unhaltbar.
Gruß --Lutz Hartmann 10:21, 16. Nov. 2007 (CET)

Das wars dann wohl

Sehr schön, nun ist die Katze aus dem Sack. Was die Abduktion angeht, sagt Herr Hartmann jetzt nur noch "Ich behaupte...", "Es wird von mir bezweifelt...", "Ich bin mit Peirce der Meinung...". - Weder gegen Behauptungen noch gegen Definitionen kann man sinnvoll argumentieren; ich fürchte, uns fehlt die gemeinsame Basis. Zur Deduktion habe ich gesagt, dass sie den Ausgang des nächsten Experiments vorauszusagen versucht. Genau das tut sie. Herrn Hartmanns Zusatz, die Überprüfung des Ergebnisses sei Induktion, ist ja in Ordnung. Er sollte mit der Unhaltbarkeits-Vokabel nicht ganz so verschwenderisch um sich werfen. Gruß G. Wünsch

Warum denn keine inhaltlichen Argumente? Indem ich sage "ich behaupte", betone ich doch die Subjektivität meiner Auffassung. Ich gestehe anderen gerne andere Auffassungen zu und habe hier in der Wikipedia auch schon viel gelernt und dabei anderen gerne zugestanden, dass sie recht haben. Mit der Deduktion kann man nur Prognosen erstellen, wenn man (abduktiv und induktiv) eine ganze Reihe von Festlegungen vorher getroffen hat. Gruß --Lutz Hartmann 12:15, 17. Nov. 2007 (CET)

Tschüss Wiki

Der Darlegung von Ansichten ist nun wirklich genug getan; lassen wirs dabei. Ca$e hat den Artikel zur Überarbeitung vorgeschlagen, - aber wer wird sich die Mühe machen angesichts der langen Liste vergeblicher Kritik und abgeblockter Vorschläge. Für unkritisches Referieren, - so dies denn der angemahnte "enzyklopädische Stil" ist, - bin ich nach 40 Jahren wissenschaftlicher Publikations-Tätigkeit verdorben. Nur für Innovation lohnt es sich zu arbeiten, - und ich habe einen Fehler gemacht, als ich die Wikipedia für ein Werkzeug gehalten habe, das mir dabei nützlich sein könnte und zu dessen Weiterentwicklung ich also auch einen Beitrag leisten wollte. Ich habe gegeben, was ich zu geben habe. - Tschüss Wiki, wir können zusammen nicht kommen. Gerold Wünsch

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Nur eine kleine Anmerkung

Hallo,

Folgendes Zitat aus dem Artikel:

"„Angesichts dessen, daß wir im Prinzip jedes Mal, wenn wir ein Wort hören, entscheiden müssen, auf welchen Code es bezogen werden muß, scheint eine Abduktion bei jedem Decodierungsakt beteiligt zu sein“ (Eco). „Die Logik der Interpretation ist die Peircesche Logik der ‚Abduktion’“ (Eco). Die Aussage von Eco, alle Interpretation beruhe auf Abduktion, ist freilich überzogen, da sie gerade das einebnet, was das Spezifische der Abduktion ist und was durch die Einführung dieses Begriffes sichtbar gemacht werden sollte. Abduktion ist nicht die Anwendung eines Codes, nicht die Anwendung einer Regel, sondern Abduktion ist die Erfindung einer Regel, die Erfindung eines Codes."

Auf das erste Eco-Zitat trifft die hier getroffene Kritik meiner Meinung nach zu, nicht aber auf das zweite Zitat. Man kann Interpretation (zumindest in der Literaturwissenschaft) sehr wohl begreifen, als Erfindung eines Codes, der den Text dann mit bestimmten Bedeutungen versieht.

Mich jedenfalls hat die oben zitierte Stelle etwas irritiert. Ich werde hier nicht mitdiskutieren, aber vielleicht ist es eine Anregung.

Liebe Grüße.

Danke für den Hinweis. Eine Anregung ist es in jedem Fall. Der hier zitierte Text, einschließlich der ECO - Zitate, zu denen leider die Stellen nicht angegeben sind, stammt von Jo Reichertz. Aus meiner Sicht wird das kreative Moment der Abduktion von ihm zu stark betont. Ähnlich wie Peirce das für die Wahrnehmung beschrieben hat, kann ich mir durchaus vorstellen, dass in jeder Interpretation ein abduktiver Schritt mitspielt, auch wenn man sich bei Interpretationen vorhandener Methodiken bedient. Ich weiß das aber nicht zu formulieren. Hast Du da einen Vorschlag? Gruß --Lutz Hartmann 10:19, 25. Nov. 2007 (CET)
ich halte das auch für eine der problematischsten formulierungen des artikels, weil in dieser form TF. wenn, dann sollte angegeben werden, dass zb ein herr reichertz in derundder publikation auf seite soundso aus demunddem grund die these ecos für "überzogen" (sowieso zu kolloquialer stil für eine enzyklopädie) hält, jede interpretation sei abduktion. auch die these "abduktion ist erfindung eines codes" ist ziemlich idiosynkratisch. es müsste kurz erklärt werden, wer diese these vertritt und was genau hier code und was hier erfindung heißen soll. je nachdem, wie man hier antwortet, könnte sich der einwand auch erledigen, weil diese antwort relativ gleichlautend sein könnte zu jener auf die frage: was genau konstituiert (im rahmen der theorieskizze ecos) eine interpretation? Ca$e 23:31, 3. Dez. 2007 (CET)
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Abduktion != logischer Schluss

Logische Schlüsse müssen logisch gültig sein. Das sind nur deduktive Schlüsse. Daher sind weder Abduktion noch Induktion logische Schlüsse. Höchstens, wenn man "logisch" im alltäglichen Sprachgebrauch nutzt um zu zeigen, dass der Schluss rational geleitet ist. Da hier aber der Gebrauch der Alltagssprache verwirrend ist, weil Begriffe dadurch mehrere Bedeutung haben (alltägliche und fachspezifische), ist es vernünftiger sich auf den fachwissenschaftlichen Begriff zu beschränken und nur deduktive als logische Schlüsse zu bezeichnen. --RealWursti 11:13, 9. Sep. 2009 (CEST) Das würde Peirces Sprachgebrauch widersprechen. --ZetKIK 12:35, 4. Mär. 2011 (CET)

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Abduktion

kann man die Abduktion als Überbegriff von Deduktion und Induktion sehen, also ist jede Deduktion und Induktion gleichzeitig einen Abduktion? und wird aus der Abduktion erst aus der entsprechenden Verifizierbarkeit eine Deduktion oder eine Induktion? (nicht signierter Beitrag von 62.178.40.62 (Diskussion) 20:22, 1. Jun. 2010 (CEST))

Nein. sie werden von Peirce verglichen, weil sie Methoden sind, um Sätze aus anderen Sätzen zu erzeugen. nur die Deduktion ist dabei ein zwingendes Verfahren. Die Induktion und die Abduktion haben verschiedene Ziele: die Induktion versucht eine allgemeine Regel für bestimmte Fälle eines Begriffs aus Einzelfällen abzuleiten, die Abduktion versuch eine Beobachtung als Fall eines Begriffes zu erkennen, indem sie feststellt, dass die Beobachtung ein Fall einer allgemeinen Regel für diesen begriff wäre, wenn sie unter ihn fiele. --ZetKIK 22:07, 3. Mär. 2011 (CET)

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Schlechtes, unverständliches Deutsch

"Darunter verstand Peirce ein Schlussverfahren, das sich von der Deduktion und der Induktion dadurch unterscheidet, dass allein mit diesem Erkenntnisse erweitert werden."--91.96.48.225 22:12, 1. Jan. 2012 (CET)

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Bemerkung

"Dieser Umkehrschluss muss ja nicht immer stimmen, um beim Beispiel zu bleiben, auch Trockeneis kann etwa "rauchen"."
Hmmm, prinzipiell kannst Du das Rauchen und das Trockeneis auch nicht vom Rauchen und Feuer unterscheiden,
da diese beiden Dinge sich auf verschiedenen Komplexitätsstufen befinden. Nur das ist der Unterschied.
Viele Grüße, Kristian 134.2.242.38 04:00, 20. Jul 2006 (CEST)

Beim Vergleich der Schlußweisen würde ich bei der Deduktion statt "Alle Kugeln auf dem Tisch sind rot" sagen
"Alle Kugeln auf dem Tisch werden rot sein".
Nochmal nachgeschaut, Du solltest die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht vernachlässigen, statt immer zu sagen, daß "sie sind".
134.2.242.38 04:08, 20. Jul 2006 (CEST)

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