Diskussion:Carlos Ezeta

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Jesús Cáramo »Das Archiv«[Quelltext bearbeiten]

Um diese Zeit verstehen zu können, ist es nützlich, sich überblickartig die Geschichte der Jahre vorher ins Gedächtnis zu rufen und vielleicht bis zum Jahre 1890 zurückzugehen, als die Generäle Carlos und Antonio Ezeta das Land regierten. Entgegen anderslautenden Einschätzungen, war die Regierung Ezeta eine der fortschrittlichsten in unserer Geschichte als Republik. Ich erinnere mich, dass ein Campesino aus Los Amates mir die Augen für die historische Wahrheit öffnete. Bis dahin hatte auch ich geglaubt, die Regierung Ezeta sei eine Bande von Räubern und Volksfeinden gewesen. Der Genosse aus Los Amates hiess Jesús Cáramo aber wir nannten ihn nur »das Archiv«, weil er fast alle historischen Daten und Zusammenhänge im Kopf hatte. »Das Archiv« war blind, aber wenn man ihn reden hörte, schien es, als sähe er all das, wovon er erzählte, genau vor sich. Zur Zeit der Regierung Ezeta war er kaum zwölf Jahre alt gewesen, aber er erinnerte sich an jedes Detail ihrer fortschrittlichen Massnahmen. General Carlos Ezeta, der Präsident der Republik, verpflichtete die Grossgrundbesitzer, ihre Betriebe zu modernisieren. Er zwang sie, Häuser zu bauen und Sozialmassnahmen einzuführen, und er erliess ein Gesetz, das den Besitzern der Kaffeeplantagen eine intensive Bewirtschaftung ihres Landes befahl. Ein Landbesitzer, der sich diesen Bestimmungen widersetzte, lief Gefahr, sein Land zu verlieren. Die Akkordsätze wurden reduziert und ein einheitlicher Stücklohn festgelegt. Bis dahin waren die Löhne erbärmlich und die Messgeräte für den gepflückten Kaffee erst noch falsch geeicht gewesen. 18 Centavos bekamen die Pflücker. Unter Ezeta wurde der Lohn auf einen Colón angehoben, womit er sogar noch höher war als heute. Damals konnte ein Kaffeepflücker am Tag leicht zwei Colones verdienen, und zwar Colones von damals. »Das Archiv« arbeitete zu dieser Zeit als Wasserträger und verdiente einen Colón am Tag.

Die Grossgrundbesitzer wurden ausserdem verpflichtet, jeden Tag drei reichliche Mahlzeiten bereitzustellen, und die Familie eines Arbeiters hatte Anrecht auf eine ausreichende Menge Kaffee.

Das Geld,rollte auf dem Lande, und die Geldbeutel, die die Männer an ihren Gürteln trugen, quollen über von Münzen. Das Glücksspiel breitete sich aus, und wo immer sich ein hübsches Plätzchen fand, versammelten sich die Männer zum Spielen und Wetten. Die Bauern begannen, sich in feinere Tücher zu kleiden; sie legten sich den sogenannten kolumbianischen Mantel zu, der seither in EI Salvador auf dem Land getragen wird und eine Zeitlang als eine Art Uniform der Landbevölkerung galt. Die Bauern kauften Hüte, Messer und Macheten, Kerzen und verschiedene Dinge handwerklichen Ursprungs. Das Handwerk in den Städten blühte auf. hatten die Handwerker bisher 75 Centavos verdient, so kamen sie nun auf vier, manchmal auf bis zu fünf Colones. Die Tuchwebereien von Candelaria und San Jacinto entwickelten eine fieberhafte Aktivität und beschäftigten immer mehr Arbeiter. Darüber hinaus eröffnete sich nun ein bedeutender Importmarkt. Zusammen mit dem Anstieg des Lebensstandards wuchs allerdings auch die Inflation, die dem Lande sehr schadete. Aber die Armen EI Salvadors waren unter Ezeta glücklich.

Das Hauptproblem war der Feudalismus. Im Land selber war zwar der Kampf zwischen Liberalen und Konservativen am Abflauen, aber von Guatemala aus wurde er am Kochen gehalten. Die Feudalherren hatten wegen des allgemeinen Chaos in Zentralamerika ihre Macht noch nicht ausreichend gefestigt, und der ausländische Imperialismus war noch nicht der entscheidende Faktor. Die Regierung des Generals Ezeta, eines Liberaldemokraten im ursprünglichen Sinn, legte sich direkt mit den Feudalherren an. Sicher, es war eine Regierung der harten Hand, aber im Grunde nahm sie die Bedürfnisse des Volkes zum erstenmal wahr. Der Klerus, die Feudalherren und die konservative Regierung Guatemals begannen gemeinsam, gegen die Regierung EI Salvadors zu konspirieren. Sie begünstigten insgeheim verschiedene militärische Aufstände, wie den des berüchtigten Generals Rivas und den des »Kindsmörders von Cojutepeque«, Horacio Villavicencio. Doch diese Putschversuche wurden niedergeschlagen, teilweise sogar mit Hilfe des Volkes. Schließlich hatte der Aufstand von Santa Ana Erfolg. Auch er wurde von der guatemaltekischen Regierung unterstützt. Es war die berühmte »Rebellion der 44«, eine Zusammenrottung von Reaktionären, die die feudalen Interessen verteidigten. Die bürgerlichen Historiker haben dafür keinen eigentlichen Namen überliefert, denn dieser würde lauten: »Rebellion der 44 Junkersöhnchen« oder »der 44 Hurensöhnchen«. Die Streitkräfte von Ezeta marschierten damals nach Santa Ana, um den Gesetzen der progressiven Regierung Achtung zu verschaffen. Aber sie wurden von den Rebellen und ihren Söldnern geschlagen, unter tatkräftiger Mitwirkung der guatemaltekischen Armee, der schwärzesten in ganz Zentralamerika, die nichts anderes war als eine Bande klerikalfaschistischer Mörder.

Der Klerus hatte die Bevölkerung von Santa Ana aufgehetzt, eine leidende und mutige, aber ignorante und geradezu abergläubisch katholische Bevölkerung. Er hatte öffentlich verkündet, dass die Ezetas Ketzer seien. General Antonio Ezeta, der Bruder des Präsidenten und Chef der Streitkräfte, habe geschworen, in der rebellischen Stadt Santa Ana auf dem Altar der Jungfrau eine schwarze Messe zu feiern. Obwohl das Kriegsglück dem General Ezeta günstig gesonnen schien, floh der Präsident während der Revolte nach Panama und setzte damit alles aufs Spiel. Sein Bruder, der General, begab sich nach Mexiko ins Exil und widmete sich dort mit Enthusiasmus den Büchern des Marquis von Volney. Der Roman »Die Ruinen von Palmira« war bis zu seinem Tod seine Bettlektüre. Einer der 44 Junkersöhnchen, Rafael Antonio Gutiérrez, wurde zum provisorischen Präsidenten der Republik ernannt, und Santa Ana erhielt den Titel »Heroische Stadt«. Quelle: Roque Dalton Die Welt ist ein hinkender Tausendfüssler, Das Jahrhundert des Miguel Mármol, aus dem salvadorenischen Spanisch übersetzt von Michael Schwan und Andreas Simmen , Die spanische Originalausgabe erschien 1972 unter dem Titel »Miguel Mármol. Los sucedes de 1932 en El Salvador« bei EDUCA in San José, Costa Rica, Rotpunktverlag Zürich März 1997. S.32ff. (nicht signierter Beitrag von 87.163.100.142 (Diskussion) 08:46, 15. Aug. 2008‎)