Diskussion:Ehaft

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Gegenstand und Inhalt einer Ehaft oder: Ein Beitrag zur Überwindung der babylonischen Begriffsverwirrung[Quelltext bearbeiten]

Ich war eben auf der Suche nach einer griffige Definition des Wortes "Ehfaft" und habe dabei auch Wikipedia zu Rate gezogen. Die Erklärungen, die ich dort gefunden habe, waren für mich nicht überzeugend bzw. bringen nicht das zum Ausdruck, was unter einer Ehaft wirklich zu verstehen ist, jedenfalls nicht, was Tirol betrifft. Dass es sich bei der Ehaft um "rechtliche Entschuldigungsgründe" handeln soll, um von der Ehafttaiding (der jährlich ein- oder zweimal stattfindenden Versammlung der Gerichtsgenossen) fernzubleiben, greift eindeutig zu kurz. Unter Ehaft haben die Zeitgenossen (in Tirol und wahrscheinlich auch an anderen Orten) Rechtssatzungen oder Ordnungen ihres Gemeinwesens verstanden. Der Gegenstand und der Inhalt einer Ehaft ist nachzulesen in: Die tirolischen Weisthümer ; T. 2, Oberinntal – Österreichische Weisthümer ; Bd. 3 – z. B. Die ganze gemain und nachperschaft zu Silz der herrschaft zu St. Petersperg neu aufgerichte Ehaft und Ordnung. Quelle: Digital Tessmann. [1] --Kluibi (Diskussion) 11:20, 24. Mai 2021 (CEST)Beantworten

Hallo Kluibi. Die Angaben für die Schweiz, Schwaben und Bayern sind sicher richtig, sie werden durch sehr gute Literatur einschliesslich Belegen gestützt. Der Satz, den du bemängelt hast, war hingegen wohl effektiv nicht optimal. Deine postulierte tirolische Bedeutung aber finde ich jedoch nirgends zusätzlich bezeugt. Ich habe auch etliche österreichische Quellen nachgeschlagen; einzig und allein in Theodor Ungers und Ferdinand Khulls Steirischem Wortschatz als Ergänzung zu Schmellers Bayerischem Wörterbuch von 1903 finde ich S. 188 «Ehaft fem. (ä. Spr.), Recht und Pflicht durch Satzung und Herkommen». Das aber ist nicht weit entfernt von der schweizerisch-schwäbisch-bairischen Bedeutung, und wenn ich den von dir zitierten Text lese, kann man die Textstelle durchaus in diesem Sinne interpretieren. Ich glaube deshalb nicht, dass deine Ergänzung richtig ist. Gruss, --Freigut (Diskussion) 14:58, 25. Mai 2021 (CEST)Beantworten
Hallo Freigut. Den Begriff Ehaft auf Ehehaftgewerbe reduzieren zu wollen, wäre nur die halbe Miete. In der Ehaften- oder Dorfordnungen waren die Rechte und Pflichten der Gemeindemitglieder, insbesondere der Nachbarn festgelegt. Die dort vorzufindenden Regelungen betreffen die Gemeindeorganisation, über die Bewirtschaftung der Flur und die Ehaftgewerbe. Daneben enthalten viele Ordnungen detaillierte weitere Regeln und Vorschriften, zum Beispiel religiöse Vorschriften, Kleiderordnungen, etc. Weil die meisten der Untertanen nicht lesen konnten, gab es ein- oder zweimal im Jahr eine Versammlung, bei der die Ehaft verlesen wurde. Eine Unterscheidung der Begriffe Ehaft und Dorfordnung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Siehe dazu die Rezension Martin P. Schennach über Wolfgang Wüsts: Die gute Policey im Reichskreis. http://www.sehepunkte.de/2009/10/14190.html. Bei den ein bis zweimal jährlich gemeindeweise (oder für mehrere Gemeinden zusammen) unter der Leitung des Landgerichts-Pflegers stattfindenden Gerichtstagen (Ehehaft-Taidingen = Gerichtsversammlungen an dem alle Dorfgenossen bzw. Gerichtsgenossen teilzunehmen hatten) wurden Vorschriften, die man für besonders wichtig hielt, in Erinnerung gebracht. Um dafür eine sichere Grundlage zu haben, erschienen immer wieder Abordnungen aus den Gemeinden bei Beamten eines Landgerichts und baten dort, über jene Vorschriften, die ihrer Erinnerung nach seit Menschengedenken galten, oder auf die man sich im Dorf geeinigt hatte, ein Protokoll zu verfassen. Diese Rechtsweisungen (Weistümer) wurden schriftlich festgehalten. Der Inhalt der Weistümer sind – wie sich auch an dem von mir angeführten Beispiel der Ehaft und ordnung der gmein Silz ergibt – Rechtsquellen, die das Zusammenlegen der Dorfgemeinschaft regelten. Oder: Ehaft ist, was durch Satzung oder Herkommen für eine Person oder Kommunität Recht oder Pflicht ist oder der Inbegriff oder die Sammlung aller örtlichen Satzungen, Rechte und Pflichten einer Gemeinde. Ehehaft ist auch ein von einer Gemeinde oder deren Herrschaft gegen gewisse Verpflichtungen oder Leistungen und mit gewissen Rechten übertragenes Gewerbe und Geschäft, besonders das eines Schmiedes, Müllers, Baders, Wirts etc.
Da es um eine Grundsatzfrage geht, könnte man den Fall der Wikipedia:Redaktion Geschichte vortragen, was hältst du davon? --Kluibi (Diskussion) 20:23, 27. Mai 2021 (CEST)Beantworten
Ob in deinem Fall eine spezifisch tirolische Bedeutung vorliegt? Für die Schweiz und für Südwestdeutschland ist die jedenfalls undenkbar. Interessant wäre zu wissen, was im Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte steht, das ist die einzige Quelle, die ich bislang nicht nachschlagen konnte (mir steht nur die erste Auflage zur Verfügung, und dort fehlt ein Artikel zum Thema). Und wir können natürlich gerne bei der Redaktion Geschichte nachfragen. --Freigut (Diskussion) 22:30, 27. Mai 2021 (CEST)Beantworten
Lieber Freigut. Ich hatte schon die Befürchtung, dass meine Ansicht als "Theoriefindung" abgetan wird. Ich kann jetzt aber einen unverfänglichen Nachweis dafür anbieten, dass sie (auch für Bayern) zutreffend ist. Aus urheberschutzrechtlichen Gründen kann ich hier nicht einfach aus dem Werk zitieren, aber ich kann auf die Fundstelle verweisen: Hans Seidel Stiftung, Bayrische Landesgeschichte. Hrsg. Reinhard Heydenreuter, Birgit Strobl, ISBN 978-3-88795-360-7, (Erklärung der Begriffe Ehaft, Ehehafte Not und Ehafttaiding, S. 231) . Hier der Link: [[2]]. Danke für deine Mitwirkung an der Diskussion. Gruß --Kluibi (Diskussion) 22:12, 28. Mai 2021 (CEST)Beantworten
Lieber Kluibi. Es liegt mir fern, deine Ansicht als Theoriefindung abzutun. Ich kenne einfach nur die alemannische Bedeutung, und die ist eine andere. Ich vertiefe mich bei Gelegenheit gerne in deinen Link. LG, --Freigut (Diskussion) 17:05, 29. Mai 2021 (CEST)Beantworten
Ich muss mich korrigieren: Das im Artikel verlinkte Schweizerische Idiotikon kennt mehrere Bedeutungen: 1. Herkommmen; was durch Satzung Recht und Pflicht ist; 2. Urkunde, durch welche solches Recht besiegelt wird; […] 4. das aus den Befugnissen eines Gemeinwesens oder einer Oberhoheit emanierende und an den Sitz gebundene Recht oder Privilegium; […] 6. das für gewisse dem Gemeinwesen unentbehrliche und daher als Regal betrachtete Gewerbe von einem Lehensherrn […] übertragene Betriebsprivilegium, samt dem betreffenden Gebäude [usw.] – Hier haben wir alle Bedeutungsaspekte dieses Wortes versammelt. LG, --Freigut (Diskussion) 18:07, 29. Mai 2021 (CEST)Beantworten