Diskussion:Heinrich Albert (Komponist)

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Ännchen von Tharau - "Joseph Müller-Blattau hat es jedoch wahrscheinlich gemacht, dass Albert selber der Verfasser des Gedichtes ... sein dürfte"[Quelltext bearbeiten]

Mal abgesehen davon, daß o.g. Aussage vom Ausdruck her nicht besonders glücklich gewählt ist, halte ich sie für sachlich falsch. Nach der derzeitigen Quellenlage, ist es sehr wahrscheinlach, daß Simon Dach der Verfasser des Gedichtes ist, und Alberts Autorenschaft ist nicht völlig auszuschließen. Es gibt zwei voneinander unabhängige(!) Quellen aus dem Jahre 1723, die Dach als Autor angeben - und zwar für das Jahr 1636. Und es gibt den Druck mit der hinzugefügten Melodie Alberts von 1642, bei der eine mißverständliche Autorenangabe zwei verschiedene Interpretationen zuläßt. In Anbetracht der Quellenlage ist es nicht unmöglich, aber es ist eben gerade NICHT "wahrscheinlich", daß Albert der Autor des Textes ist. Hier die Details: http://www.liederlexikon.de/lieder/aennchen_von_tharau

Gibt es Müller-Blattaus Schrift irgendwo als Digitalisat? Ich würde mir die gerne mal zu Gemüte führen wollen. Beste Grüße Ostpreuße 12:22, 28. Mai 2011 (CEST)Beantworten


Der Aufsatz von Müller-Blattau ist keine Monographie ("Schrift"), sondern Teil der Festschrift von Günther Kraft. Das ist in den Quellenangaben auch angegeben. Möglicherweise ist es ein Nachdruck von:

  • Joseph Müller-Blattau: Heinrich Albert und das deutsche Barocklied. In: Deutsche Vierteljahrsschrift. Band 25. 1951, S. 401–414. Der Druck ist mir nicht zugänglich, deshalb habe ich das bisher nicht prüfen können.

Ob der Aufsatz irgendwo digitalisert vorliegt, weiß ich nicht. Ich nehme es aber nicht an, denn Müller-Blattau ist durch seine NS-Vergangenheit so kompromittiert, dass seine Schriften wohl kaum noch digitalisiert werden. -- Meine Vermutung.

Zur Sache: Müller-Blattaus Aufsatz von 1951 / 1954 ist durch Fakten und Belege besser informiert als Michael Fischers Angaben im Historisch-Kritischen Liederlexikon von 2007, die der traditionellen Auffassung folgen, Simon Dach sei der Verfasser des Textes. (Ich füge hinzu: Ein Zitat aus anderen Texten Dachs kann gerade nicht als Argument pro Dach gelten, denn Albert und Dach waren eng befreundet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Dach sich selber zitiert, scheint mir doh gering.) Fischer nennt denn auch wohl einen Aufsatz Müller-Blattaus von 1934, aber nicht den von 1954. Ich schließe daraus, dass Fischer den späteren Aufsatz nicht kennt.

Aus meiner Sicht haben Nachdrucke des Liedes von 1723 wenig Aussagekraft hinsichtlich der Autorschaft, besonders, wenn der darin behauptete Erstdruck eines einschlägigen Dach-Textes von 1636 nicht vorliegt, sehr wohl aber Daten aus der Zeit des Erstdruckes von 1642, die es wahrscheinlich machen, dass Albert der Verfasser war.

Das und nicht mehr (Wahrscheinlichkeit) hat Müller-Blattau vorgetragen. Mir erscheint es nach wie vor plausibel. Mathiasroesel 21:40, 31. Mai 2011 (CEST)Beantworten

Hallo, zunächst einmal vielen Dank für die Rückmeldung. Ich habe mir Müller-Blattaus Aufsatz von 1954 besorgt. Er macht seine Argumentation an 2 Indizien fest und schließt daraus, daß Albert definitiv der Textautor sei. Müller-Blattau schreibt nicht „möglicherweise“ oder „mit gewisser Wahrscheinlichkeit“ sondern „Gewißheit“. Um von „Gewißheit“ zu sprechen, braucht es allerdings mehr als nur 2 Indizien. Dazu braucht es handfeste Beweise - die Müller-Blauttau natürlich schuldig bleibt. Diese Behauptung einer „Gewißheit“ ist insofern unseriös und unwissenschaftlich und erzeugt bei mir erhebliche Skepsis und damit auch Zweifel an Müller-Blattaus Glaubwürdigkeit.
Zu den 2 Indizien: 1. Der Text sei in schlechtem Platt geschrieben und könne deshalb nur von Albert sein. Zunächst einmal sei dahingestellt, inwiefern man als Nichtzeitgenosse 300 Jahre später zweifelsfrei beurteilen kann, ob es sich um „schlechtes“ Platt handele. Sprache entwickelt sich kontinuierlich weiter. Außerdem war Niederdeutsch nie wirklich eine Schriftsprache. So gab und gibt es dafür keine einheitlichen Schreibweisen. Mein Großvater z.B. hat eine Vielzahl von Texten auf Niederdeutsch verfasst – dabei verwendete er (als Muttersprachler!) z.T. etliche verschiedene Schreibweisen für ein und dasselbe Wort. Hinzu kommt, daß niederdeutsche Dialekte von Dorf zu Dorf stark variieren können. Auch ist zu hinterfragen, wie man (zudem nach 300 Jahren Sprachentwicklung) zwischen schlechtem Platt und dichterischer Freiheit unterscheiden wolle. Das Indiz „schlechtes Platt“ wirft offenbar mehr Fragen auf, als daß es Antworten gibt.
Indiz Nr. 2 – Alberts Anmerkung „Aria incerti autoris”. Müller-Blattau bezieht diese Anmerkung ausschließlich auf die Melodie. (Demgegenüber weist Fischer darauf hin, daß mit „Aria“ nicht nur die Melodie sondern auch der Text gemeint sein kann – ein Hinweis darauf, daß Fischer auch Müller-Blattaus Aufsatz von 1954 kennt und/oder daß dieser Aufsatz Selbstzitate enthält.) Als „Beweis“ präsentiert Müller-Blattau verschiedene Fassungen das Tanzliedes „Ännerlein von Torgen“, bei dem Albert sich bedient haben soll und schließt daraus, daß deshalb der Text nur von Albert sein kann. Spielt man jedoch die verschiedenen Melodien – und vergleicht sie mit Alberts Melodie zu „Anke von Tharau“ stellt man fest, daß es außer der Namensähnlichkeit fast keine Gemeinsamkeiten gibt: nämlich nur die Tonart F und die Taktanzahl pro Strophe. Die Melodie und Harmoniefolge ist eine völlig andere. Und selbst wenn sich Albert von „Ännerlein von Torgen“ hätte inspirieren lassen, schließt das noch lange nicht aus, daß man beim Druck von 1642 die Angabe des Textautors einfach nur vergessen hat.
Albert hat mit seinen Arien 120(!) Lieder veröffentlicht, deren Texte von Dach stammen. (Meid: Barocklyrik S. 99) Die beiden waren also in der Rollenverteilung Albert als Komponist und Dach als Textdichter ein eingespieltes Team.
Inwieweit, es unwahrscheinlich sei, daß Autoren sich selbst zitieren, ist mir auch nicht ganz verständlich. Selbstzitate waren schon in der Dichtung des Altertums üblich – und sind es auch noch heute. http://www.google.de/#sclient=psy&hl=de&source=hp&q=selbstzitate+lyrik&aq=f&aqi=&aql=&oq=&pbx=1&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.&fp=3cf27ffa8e35af0d&biw=1920&bih=1070
Bei den Quellen von 1723 handelt es sich zudem nicht(!) um Nachdrucke des Liedes sondern einerseits um eine Kirchenchronik, in der explizit angegeben wird, daß das Lied „Ännchen von Tharau“ im Jahre 1636 von Dach anläßlich der Hochzeit der Anna Neander gedichtet wurde. Eine davon unabhängige weitere Quelle von 1723 gibt an, daß der Dichter außerdem auch in die Frau verliebt gewesen sein soll. Diese beiden fast zeitgenössischen Quellen haben eine ungleich höhere Aussagekraft als Müller-Blattaus sehr bemüht wirkende, und nur auf 2 schwachen Indizien beruhende Argumentation. Darüber hinaus sind mir keine Schriften aus der neueren Forschung bekannt, die Müller-Blattaus These stützen würde. Demgegenüber schreibt jedoch Meid (Barocklyrik 2008) von dem “freilich ZEITWEISE auch Albert zugeschriebenen“ Lied – ein klarer Hinweis darauf, daß Müller-Blattaus Auffassung in der Fachwelt nicht mehr geteilt wird.
Insofern ist die Formulierung „wahrscheinlich“ in diesem Falle unangemessen und übertrieben. Ich plädiere deshalb dafür, diesen Terminus durch „möglich“ (bzw. eine entsprechende, geeignete Formulierung) zu ersetzen, denn mehr hat Müller-Blattau nicht bewiesen. Beste Grüße -- Ostpreuße 18:12, 12. Jun. 2011 (CEST)Beantworten
Nachtrag: Die These, Heinrich Albert sei der Verfasser des Textes "Anke van Tharaw", ist tatsächlich überholt. Sie wurde von Walter Ziesemer aufgestellt, und Joseph Müller-Blattau berief sich in seinen beiden Aufsätzen auf Ziesemer. Ziesemer jedoch hat seine These (nach Ivar Ljungeruds erstem Ausatz zu dieser Thematik 1949) um 1950 zurückgenommen. Damit bricht auch Müller-Blattaus Argumentation in sich zusammen. Nach dem aktuellen Stand der Forschung besteht kein Zweifel an der Autorenschaft Simon Dachs. Dies ist ausführlich dargelegt in:
- Alfred Kelletat (Hrsg.): Simon Dach und der Königsberger Dichterkreis. Stuttgart: Reclam 1986 (S. 383 bis 386)
- Ivar Ljungerud: Ehren-Rettung M. Simonis Dachii. In: Euphorion 61, 1967 (S. 36 bis 83) -- Ostpreuße 13:57, 18. Jun. 2011 (CEST)Beantworten
Sei's drum, ich bin der Frage nicht religiös. Zum niederdeutschen Text kann ich allerdings sagen, dass er fehlerhaft ist und mindestens in meinen Ohren merkwürdig künstlich klingt. Ich habe nur leider keine anderen samländisch-niederdeutschen Texte zum Vergleich und kann deswegen keinen Beweis antreten. Wenn ich aber noch etwas anmerken darf: Du pflegst eine recht abwertende Sprache, die es mir nicht leicht gemacht hat, ruhig zu bleiben. Mathiasroesel 21:16, 26. Jun. 2011 (CEST)Beantworten
Es liegt in der Natur der Sache, daß schriftliche Beiträge aufgrund der Abwesenheit der Mimik oft anders aufgenommen werden, als sie gemeint sind. Ich vermute, daß Du das „Du pflegst eine recht abwertende Sprache“ auch nicht so böse meintest, wie es zuerst bei mir ankam. Ich versuche einfach nur, klar und deutlich zu formulieren. Versteh das bitte nicht als Angriff auf Dich – es tut mir Leid, falls ich diesen Eindruck erweckt haben sollte. Viele Grüße -- Ostpreuße 13:46, 28. Jun. 2011 (CEST)Beantworten