Diskussion:Joshua Rifkin

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Letzter Kommentar: vor 1 Jahr von Mondrian v. Lüttichau in Abschnitt Im deutschsprachigen Raum werden sie weiterhin angezweifelt.
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Joshua Rifkin erwarb sich außerdem im Jahr 1965 frühen Ruhm durch die Bearbeitung von Liedern der Beatles im Barockstil, die sich hinsichtlich Niveau und Originalität die üblichen Orchesterbearbeitungen von Popsongs weit hinter sich lassen. Sie waren unter dem Titel "The Baroque Beatles Book" eine der erfolgreichsten Platten des Labels Elektra und sind kürzlich auf Collectors' Choice Music als CD wieder aufgelegt worden. Siehe: http://www.ccmusic.com/item.cfm?itemid=CCM06842

Rifkin war damals 21 Jahre alt.

Im deutschsprachigen Raum werden sie weiterhin angezweifelt.[Quelltext bearbeiten]

Bitte belegen, welcher namhafte Musikwissenschaftler da Zweifel hat. Ich kenne nur die Bemerkung von Gustav Leonhardt, der sich mit Rifkins Thesen anscheinend nicht anfreunden konnte. --Musicologus (Diskussion) 22:38, 5. Mär. 2014 (CET)Beantworten

Mir gefällt vor allem an der Aussage nicht "im deutschsprachigen" Raum. Sicherlich gibt weltweit namhafte Interpreten, die sich in ihrer nicht an Rifkins und die von seinen Wegbegleitern verteidigten Erkenntnissen halten (Gesangsquartet, in Chorälen bestenfalls Doppelquartett) und nach wie vor mit großem Ensemble auftreten. Für Beides ist Platz in unserer weiten Welt.

Der beanstandete Satz las sich in seiner Ursprungsform völlig anders, nämlich:
Im deutschsprachigen Raum werden sie weiterhin angezweifelt, ohne dass eine qualifizierte Widerlegung Rifkins bzw. Parrotts stattfände.

Wenn man "deutschsprachig" streicht und den Rest wieder einfügen würde......

--Frinck (Diskussion) 06:57, 6. Mär. 2014 (CET)Beantworten

Hm. Ich kenne bislang nur zwei Zweifler von Ruf. Und die kommen definitiv nicht aus Deutschland. Vielleicht streichen wir den Passus vollkommen. Jede Theorie hat ihre Zweifler.

--Musicologus (Diskussion) 09:21, 6. Mär. 2014 (CET)Beantworten

@Musicologus Frinck hat recht, die Betonung lag auf "angezweifelt ohne qualifizierte Widerlegung" bzw. in der Weigerung Rifkins und Parrots Thesen überhaupt wissenschaftlich ernst zu nehmen. Weglassen führt hier nicht zum Ziel. Wer zweifelt? Bacharchiv Leipzig und Umfeld z.B. Andreas Glöckner, »On the Performing Forces of Johann Sebastian Bach’s Leipzig Church Music«, Early Music (Mai 2010). Doch es ist denkbar, daß mit dem Wechsel von Wolf zu Wollny sich in dieser Frage ein Umdenken anbahnt. Eine detaillierte Antwort Parrots auf Glöckner und Stand der Diskussionhier http://www.concerto-verlag.de/projekte/233_2529.pdf --Menantes (Diskussion) 18:22, 27. Mai 2014 (CEST)Beantworten


Ich glaube, die Akzeptanz oder Ablehnung der Forschungsergebnisse von Rifkin hat weniger mit der Nationalität zu tun als mit handfesten Interessen. Die Auseinandersetzung ähnelt der Debatte um den Klimawandel: Weltweit ist eine weitaus überwiegende Mehrheit von Wissenschaftlern davon überzeugt, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt und dass wir daraus Konsequenzen ziehen sollten. Andererseits gibt es wirtschaftliche und politische Interessengruppen, denen das nicht in den Kram passt und die deshalb Skepsis schüren und über think tanks "alternative" Theorien propagieren. Genauso verhält es sich in der Diskussion um Bachs Chor: Im akademischen Sektor haben Rifkins und Parrotts Forschungsergebnisse sich durchgesetzt. Dagegen stehen die Interessen von Musikern - und CD-Käufern -, die heute zwar alle auf "historische Informiertheit" geeicht sind, aber auf ihren gewohnten Chor nicht verzichten möchten: Ton Koopman zum Beispiel hat sich mit hunderten von Aufnahmen eine Reputation als Verfechter einer "authentischen" Aufführungspraxis erworben. Wenn sich nun herausstellt, dass Koopmans Chor "unauthentisch" ist, dann muss Koopman fürchten, dass seine Aufnahmen in derselben Mülltonne landen wie die von Karl Richter. Also stänkert er, wobei er ja sogar so weit ging, Rifkin der vorsätzlichen Geschichtsfälschung zu bezichtigen. Die alte Generation der Leipziger Bachforscher ist institutionell mit Traditionen verbunden, auf deren Infragestellung Wolff und Glöckner sehr empfindlich reagiert haben. Auffällig war ja immer die emotionale Gereiztheit ihrer Einlassungen mit viel Polemik und wenig Argumenten.

Man muss natürlich unterscheiden zwischen der akademischen Diskussion, wo Rifkin sich aufgrund der Stärke und Konsistenz seiner Argumente durchsetzen konnte, und einer vagen Skepsis, die vor allem von Musikern geäußert wird - da wird dann in der Tat eine qualifizierte Widerlegung gar nicht erst versucht, sondern es kommen solche Aussagen wie "Ich glaube nicht an das h-Moll-Madrigal" (Gardiner). Weder Koopman (Niederlande), Herreweghe (Belgien), Gardiner (Großbritannien) noch Suzuki (Japan) haben ein Interesse, ihre gewohnte, als "historisch informiert" etikettierte Aufführungspraxis zu ändern. Und natürlich wollen auch unzählige Kirchenkantoren mit ihren Laienchören sich das Bach-Repertoire nicht nehmen lassen. Die entscheidende Frage in der Diskussion auf dieser Ebene ist, wer wem die Beweislast auferlegen kann: Von Liebhabern des Chorgesangs hört man oft das Argument, die Theorie von Rifkin sei vielleicht eine interessante "Hypothese", aber nicht "bewiesen". Die Chorfraktion ist letztlich der Meinung, nicht die Mehrfachbesetzung müsste bewiesen werden, sondern deren Fehlen - das Fehlen von Beweisen für eine Mehrfachbesetzung wird aus dieser Sichtweise einfach durch das tradierte Vorurteil aufgewogen. Oder man zieht sich zurück auf irgendwelche Mutmaßungen über das, was Bach vermeintlich "wollte".

Hier zeigt sich das Dilemma, in dem die "historisch informierte" Aufführungspraxis steht: Die Zeiten, in denen ein Karl Richter einfach Bach so gespielt hat, wie es ihm gefiel, sind vorbei. Es ist zum unhinterfragbaren Glaubenssatz geworden, dass der künstlerische Wert einer Bach-Aufführung von einer durch historische Quellen legitimierten "Authentizität" abhängt. Dadurch ist es zu einer unheilvollen Verquickung faktenbezogener Forschung mit aufführungspraktischen Interessen gekommen. Solange die Koryphäen des Originalklangs der alten Theorie von Schering folgten, wonach Bach einen Chor mit mindestens drei Sängern pro Part vorgesehen habe, war das Ergebnis ein aufgefrischtes und entschlacktes Klangbild, ohne dass man auf fundamentale Gewohnheiten verzichten musste. Wenn die historische Forschung allerdings zu Befunden gelangt, die gewohnten Vorstellungen allzu sehr widersprechen, dann kommt das Bedürfnis auf, die Befunde nach den eigenen Wünschen zurechtzubiegen.

Ich bringe diese Überlegung hier mit Blick auf die Handhabung der Problematik in der Wikipedia an: Hier gibt es einige Artikel zu Werken von Bach, die alle in einer Zeit verfasst wurden, als die Auseinandersetzung nach dem Erscheinen von Parrotts Buch im Gange war und sich der klare Sieg der Rifkin-Partei noch nicht herumgesprochen hatte. Eigentlich bedürften diese Artikel einer Überarbeitung. Beispielsweise ist im Artikel Kantaten (Bach) der stümperhafte Versuch, die Erkenntnisse von Rifkin als exotische Außenseitermeinung darzustellen, inzwischen einfach anachronistisch. Ich fürchte nur, dass ein von mir in Erwägung gezogener Versuch einer Überarbeitung auf heftige Widerstände stoßen würde: Garantiert werden irgendwelche Chorgesangsliebhaber immer noch versuchen, Rifkins Position als POV darzustellen, dem man im Interesse der enzyklopädischen "Neutralität" die Stänkereien von Koopman & Co. als gleichwertigen Widerpart gegenüberstellen müsste. Weil Musikwissenschaft ein Orchideenfach ist, für das sich höchstens ein Bevölkerungsanteil im Promillebereich interessiert, gibt es in diesem Fach eben keine öffentlicher Beurteilung ausgesetzten Qualitätskriterien, und solange nur genug Koopman-Fans dreist genug sind, unter die Gürtellinie gehende Polemiken zu akklamieren, gelten diese dann als anerkannte wissenschaftliche Leistung. Dagegen ist schwer anzukommen. -- 2003:CC:83C7:CD01:129A:729A:FDDD:D1A8 12:56, 12. Nov. 2017 (CET)Beantworten

Vielen Dank für den Beitrag!Stimme dem zu. --Musicologus (Diskussion)
Die Überlegungen sind auch für mich als Laien plausibel. Danke! - Gibt es denn Einspielungen, die auf Rifkins Forschungsergebnissen beruhen? (Ich konnte nur, von ihm selbst interpretiert, "Gottes Zeit sit die allerbeste") finden auf youtube.--Mondrian v. Lüttichau (Diskussion) 17:11, 16. Jul. 2022 (CEST)Beantworten
Da könnte man ja mal eine Liste von Interpretationen in solistischer Aufführungspraxis erstellen. Habe hier Sigiswald Kuijken mit dem WO auf dem Rechner. Die solistischen Interpretationen haben oft die Schwäche, dass da Solisten zusammengekauft werden und keine festen Ensembles aufgebaut werden. Und die Dirigenten kommen auch nicht immer aus dem Gesangsfach. Was man durchaus hört. Cantus Cölln fällt mir hier ein. Die singen solistisch. Auch Bach-Consort Moskau. Was Arnold Schering betrifft, mit seiner Dreifachbesetzung: er schreibt (1936) auch, dass die täglichen Motetten einfach besetzt wurden. --Musicologus (Diskussion) 17:57, 16. Jul. 2022 (CEST)Beantworten
Dankeschön! Ich bin sehr neugierig auf diesen Ansatz! (Ich kam übrigens drauf durch Richard Powers: Der Klang der Zeit).--Mondrian v. Lüttichau (Diskussion) 15:25, 19. Jul. 2022 (CEST)Beantworten