Diskussion:Kungssången

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Letzter Kommentar: vor 7 Jahren von Andif1 in Abschnitt Übersetzungsprobleme
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Übersetzungsprobleme[Quelltext bearbeiten]

Der letzte Vers der 5. Strophe lautet: Och låt din ande vila än utöver nordanland! Ich bezweifle, dass die dafür angegebene Übersetzung „Und lass deinen Geist noch ruhen über das Nordland hinaus!“ richtig ist. Und zwar geht es mir konkret um die Präposition utöver, die hier mit „über … hinaus“ übersetzt ist.

Als ich vor Jahren zum ersten Mal diese Strophe las, machte ich mir nicht die Mühe, diese Vokabel im Wörterbuch nachzuschlagen, sondern überlegte mir: Bekanntlich kann bei einer Reihe schwedischer Präpositionen das Präfix ut- davorgesetzt werden, ohne dass sich die Bedeutung ändert. Von dieser Möglichkeit wird nach meinen Beobachtungen gelegentlich in Gedichten und Liedern Gebrauch gemacht, weil man dadurch die Anzahl der Silben um eins erhöhen kann, was es oft erleichtert, das Versmass einzuhalten. Ein bekanntes Beispiel ist etwa das gotländische Volkslied s:sv:Uti vår hage där växa blå bär, das in zahlreichen schwedischen Liederbüchern zu finden ist. Das Anfangswort uti heisst nichts anderes als i (In unserem Wäldchen wachsen blaue Beeren). Andere Beispiele sind utav (= av) und utur (= ur).

Daraus schloss ich, dass auch utöver nichts anderes als över heisst. Dann hiesse der Vers auf Deutsch: „Und lass deinen Geist noch ruhen über dem Nordland.“ Das klingt ja durchaus plausibel; so hatte ich überhaupt keine Zweifel an der Richtigkeit meiner Annahme utöver = över. Denn welche andere Präposition könnte besser passen?

Sehr irritiert war ich dann, als ich hier die Übersetzung „… über das Nordland hinaus“ las. Ich schlug dann im Prisma-Handwörterbuch Schwedisch–Deutsch nach, und tatsächlich steht dort utöver = über … hinaus. Dass es auch einfach über heissen kann, davon steht dort nichts. Naja, offensichtlich gilt die Regel nicht bei allen Präpositionen. Utför und utmed haben ja auch andere Bedeutungen als för und med. Aber welchen Sinn soll es denn geben, dass der Geist Gottes über das Nordland hinaus ruhen soll? Das kann doch gar nicht sein!

Heute hatten wir nun eine Diskussion zur Übersetzung der schwedischen Nationalhymne Du gamla, Du fria (Diskussion:Du gamla, Du fria#Übersetzung), in der es um die Bedeutung des Wortes bli in der zweiten Strophe geht. Der betreffende Vers lautet: Jag vet att du är och du blir vad du var. Bekanntlich bedeutet das Wort bli (das eine Verkürzung von bliva ist und sprachgeschichtlich mit dem deutschen Wort bleiben verwandt ist) „werden“. Im Prisma-Handwörterbuch ist dazu als zweite Bedeutung auch noch „bleiben“ angegeben. Jedoch wird es im heutigen Schwedisch, von wenigen sprichwörtlichen Redewendungen abgesehen, fast nur noch im Sinne von werden gebraucht. So war denn auch für diesen Vers die Übersetzung angegeben: „Ich weiss, dass du bist und dass du wirst, was du warst“. Das gibt aber gar keinen Sinn, sondern es kann eigentlich nur heissen: „Ich weiss, dass du bist und dass du bleibst, was du warst.“

Um die Frage endgültig zu klären, hat Andif1 im Svenska Akademiens ordbok (SAOB) nachgeschlagen, und er fand dort bestätigt, dass bli früher tatsächlich auch in der Bedeutung bleiben gebraucht wurde. Die Sprache, in der das Lied gedichtet wurde, ist nicht das heutige Schwedisch, sondern das Schwedisch der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damit ist es klar, dass das Wort bli an dieser Stelle richtig nur mit bleiben übersetzt werden kann.

In dem Zusammenhang kam mir der Gedanke, dass es sich vielleicht mit den Bedeutungen des Wortes utöver ähnlich verhalten könnte. So habe ich also auch hierzu einmal im Svenska akademiens ordbok (SAOB) den Artikel zum Wort utöver aufgeschlagen. Der Artikel beginnt sogleich mit der Anmerkung ”Ordet utöver kan i de flesta användningarna växla med över. Språkvårdare under 1900-talet och tidigare språkriktighetsböcker har förespråkat formen över framför utöver, liksom i allmänhet enkla prepositioner framför sammansatta.” (Das Wort „utöver“ kann in den meisten Anwendungen durch „över“ ausgetauscht werden. Sprachpfleger während des 20. Jahrhunderts und frühere Sprachlehrbücher sprachen sich für die Form „över“ gegenüber „utöver“ aus, wie auch im allgemeinen für die einfachen Präpositionen gegenüber den zusammengesetzten.)

Anschliessend werden für das Wort utöver als Präposition vier verschiedene Bedeutungen aufgeführt. Die ersten drei, die alle als veraltet oder heute weniger gebraucht markiert sind, sind alle gleichbedeutend mit über; als Bedeutung 1b, die „heute weniger gebraucht“ wird, ist eine räumliche Erstreckung, auch im Sinne einer Bedeckung, aufgeführt, mit beispielhaftem Zitat „… utöfver hela världen“ (von 1903). Die vierte Bedeutung, in der das Wort auch heute noch allgemein in Gebrauch ist, ist im Sinne von über … hinaus, wie es auch das Prisma-Handwörterbuch nennt.

Carl Wilhelm August Strandberg lebte im 19. Jahrhundert und dichtete das Königslied im Jahr 1844. Damit ist es klar, dass er das Wort utöver keineswegs nur im Sinne von über … hinaus, sondern ebenso gut auch im Sinne der Bedeutung 1b des SAOB, also einer räumlichen Erstreckung, gebraucht haben kann. Damit ist utöver hier als gleichbedeutend mit över und die Übersetzung „Und lass deinen Geist noch ruhen über dem Nordland“ zweifelsfrei als richtig anzusehen. --BurghardRichter (Diskussion) 03:03, 9. Apr. 2017 (CEST)Beantworten

Ein Detail macht mir etwas Kopfschmerzen. Im letzten Satz wäre m.E. „weiter“ oder „weiterhin“ passender als „noch“. Gibt irgendein Wörterbuch das her? Ich habe leider kein schwedisch-deutsches Wörterbuch. --Andif1 (Diskussion) 12:50, 9. Apr. 2017 (CEST)Beantworten
Ich verstehe wohl, was du meinst. Weiter oder weiterhin drückt klarer aus, was offensichtlich gemeint ist, als das blasse noch. Das Prisma-Handwörterbuch nennt für weiter (in diesem Sinne) und weiterhin die schwedischen Wörter vidare, fortfarande, längre fram, i fortsättningen, senare, aber nicht än. Man könnte einwenden, dass der Dichter das Wort än nur deswegen an dieser Stelle gewählt haben mag, weil es sich auf igen und män reimen musste, und dass er vielleicht vidare oder fortfarande genommen hätte, wenn der Zwang des Reimes und des Versmasses nicht bestanden hätte. Aber das wäre pure Spekulation; darauf möchte ich mich nicht einlassen. Darum lasse ich es lieber bei noch.
Andere Stellen bereiten mir mehr Kopfzerbrechen. Zum Beispiel das „en gång“ am Ende des ersten Verses der ersten Strophe – ein vollkommen nichtssagender Ausdruck, der offensichtlich nur aus Verlegenheit hier eingesetzt wurde, damit es sich auf sång reimt. In der deutschen Übersetzung, in der es sich nicht reimen muss, wirkt „einmal“ für mich irgendwie peinlich deplaziert. Aber was soll man machen?
Es ist überhaupt ein seltsames Lied. Einiges bewundere ich, zum Beispiel dass der Dichter die adlige Abstammung des Königs nicht erwähnt, sondern vielmehr herausstellt, dass das Volk „von berühmtem Stamm“ ist, oder dass er den König ermahnt, „die Majestät des Volkes“ als die Grundlage der seinigen zu schützen – das in einer Zeit, die dem Absolutismus noch sehr nahestand und in der das heutige Modell der konstitutionellen Monarchie noch keineswegs ausgeprägt war.
Andererseits sind da so seltsame Bilder, die man gar nicht recht versteht, so dass man sie kaum übersetzen kann, etwa „en samfälld och en enkel sång“ (gemeint ist anscheinend Chorgesang und solistischer Gesang) – warum diese Unterscheidung? Oder die besiegten Feinde „als königlicher Fussschemel“? Oder aus dem Blut des Volkes einen Purpurmantel „nähen“, in den der Leichnam des Königs eingehüllt werden soll? Tatsächlich heisst sömma „nähen“. Mein Prisma-Handwörterbuch von 1992 kennt das Wort sömma überhaupt nicht – wohl aber söm („Naht“) und sömmerska („Schneiderin“). Ich besitze eine Ausgabe des Langenscheidt-Taschenwörterbuchs von 1911. In dessen deutsch-schwedischem Teil wird für nähen nur die Übersetzung „sy“ angegeben. Im schwedisch-deutschen Teil wird dagegen auch das Wort sömma mit der Bedeutung „nähen“ genannt. Seltsam auch die Todessehnsuch in der 3. und 4. Strophe, in die der König hereingezogen wird, mit Kampf, Untergang und Tod als anscheinend höchster Erfüllung für den König.
Ein Grammatik-Problem enthält die erste Strophe. „En samfälld och enkel sång“ wäre ein Lied, das sowohl gemeinschaftlich als auch einfach vorgetragen wird; aber „en sammfällt och en enkel sång“ (mit Wiederholung des unbestimmten Artikels), das sind eindeutig zwei Lieder. Also müsste doch das Prädikat des daran anknüpfenen Reltivsatzes im Plural stehen (som till kungen fram). Immerhin waren in der Entstehungszeit des Liedes die Pluralformen noch voll in Gebrauch. Nur aus heutiger Sicht erscheint der Singular richtig. Ich hatte zunächst den Verdacht, dass dies eine spätere Anpassung des Liedes an den heutigen Sprachgebrauch sein könnte. Der hat sich allerdings nicht bestätigt. Ich habe in mehreren Liederbüchern, die alle vor 1950 erschienen sind, nachgeschlagen (s. auch die Faksimile-Abbildung im Artikel) – überall heisst es „som går till kungen fram“. Auch enthält die zweite Strophe drei Verben korrekt im Plural: stå, blinka, lägga, die bei einer Anpassung nicht hätten stehenbleiben können. Also offensichtlich ein Grammatikfehler, der schon in der Original-Veröffentlichung enthalten ist. Heute fällt das natürlich keinem auf, weil es nach heutigem Sprachgebrauch ebenso gut der Plural sein kann.
Wie soll man den Vers dann übersetzen? Wenn die Sprache des Liedes das heutige Schwedisch wäre, wäre es klar, dass der Relativsatz im Plural steht, also ein gemeinsames und ein einfaches Lied, die zum König vorgehen. Aber im traditionellen Schwedisch kann es nur der Singular sein: ein gemeinsames und ein einfaches Lied, das zum König vorgeht. Das ist kein richtiges Deutsch; aber wenn man falsches Schwedisch richtig übersetzt, dann muss das Ergebnis notwendigerweise falsches Deutsch sein. --BurghardRichter (Diskussion) 03:59, 11. Apr. 2017 (CEST)Beantworten
Ich kann hier im Moment nur einen kurzen Kommentar hinzufügen: Die Feinde als Fußschemel des Königs sind ein biblisches Bild aus Psalm 110 (dort Fußschemel Gottes), das im Neuen Testament mehrfach zitiert wird. Zu den anderen Problemen evtl. später. Ich verfüge allerdings nicht über Deine Bibliothek, kann also vermutlich nicht viel beitragen. --Andif1 (Diskussion) 09:17, 11. Apr. 2017 (CEST)Beantworten