Diskussion:Mutter, der Mann mit dem Koks ist da

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Letzter Kommentar: vor 2 Jahren von FordPrefect42 in Abschnitt Zweideutiger Text
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Zweideutiger Text[Quelltext bearbeiten]

Die Idee mit den Wortspielen (Koks, Kohle) hatte nicht erst Falco mit seiner Komposition von 1996: Wenn in den 1920er Jahren Claire Waldoff diesen Gassenhauer sang, dann bezog sich das natürlich auf den damals grassierenden Kokainismus (zum Kokainkonsum in der Populärmusik der Zwischenkriegszeit siehe z.B. Daniel Morat, Paul Nolte et al.: Weltstadtvergnügen: Berlin 1880–1930. Vandenhoeck & Ruprecht, 2016. Kapitel 6.5) --Hodsha (Diskussion) 20:52, 25. Jul. 2021 (CEST)Beantworten

1920er Jahre. Das Lied ist aber (spätestens) von 1886. Kokain wurde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts produziert, ab wann aber der Wortgebrauch „Koks“ dafür aufkam, wäre gesondert zu belegen. --FordPrefect42 (Diskussion) 10:16, 20. Nov. 2021 (CET)Beantworten
PS: bei Morat/Nolte heißt es zu dem Lied explizit: „Der Text, mit dem das Lied bekannt geworden ist, wird jedoch dem sogenannten Berliner Volksmund zugeschrieben, der hier die klammen Lebensverhältnisse in den Berliner Mietskasernen thematisierte […]“, und in der Fußnote dazu: „Im Kontext der Drogenkultur der Zwischenkriegszeit konnte der Liedtext dann noch einmal eine andere Bedeutung annehmen […]“ (S. 129). Und weiter unten: „Auch der Berliner Gassenhauer Mutter, der Mann mit dem Koks ist da aus dem Jahre 1886, der in den 1920er Jahren von Claire Waldoff gesungen wurde, erhielt im Kontext des Kokainismus dieser Zeit eine gewisse Zweideutigkeit, mit der die Sängerin bewusst spielte.“ (S. 228) Morat, Nolte und Ko-Autor:innen behaupten also ausdrücklich nicht, dass die Zweideutigkeit schon von Anfang an dem Text innewohnte, sondern dass sie erst sekundär hinzu-empfunden wurde. Diesen Unterschied sollte man nicht verwischen. --FordPrefect42 (Diskussion) 17:16, 20. Nov. 2021 (CET)Beantworten

Fontane[Quelltext bearbeiten]

@Hectordoering66: Du hast folgende Angabe in den Artikel eingefügt:

In einem Brief gibt Theodor Fontane an, sein Freund Moritz Lazarus sei der Dichter des Texts.[1]
  1. Theodor Fontane: Briefe. Dritter Band (1879-1889). Hanser, München 1980, S. 462.

Danke für diese Entdeckung, aber ich vermute, dass du da etwas missverstanden hast. In der Fontane-Briefausgabe ist das Lied in zwei Briefen erwähnt, du beziehst dich offenbar auf den zweiten. Der erste ist für das Verständnis des Zusammenhangs wichtig, er lautet:

An Moritz Lazarus
Berlin, den 29. März 1886. Potsdamer Straße 134 c.
Teuerster Leibniz.
Zum ersten Male in zwanzig Jahren oder länger habe ich in Schillerstiftungssachen einen kleinen Sieg errungen, und meine Bitte geht dahin, ihn nicht wieder umstoßen zu wollen. »Die Schlacht ist verloren«, sagte Napoleon bei Marengo, »aber es ist gerade noch Zeit genug, sie wiederzugewinnen.« Richten Sie's so ein, daß ich nicht das Umgekehrte sagen muß.
Ich las die beiliegende — an der angestrichenen Stelle unübertrefflich schöne — Eingabe der Agnes Mylius mit so herzbeweglicher Stimme vor, schilderte den Ruhm der Verfasserschaft von »Mutter, der Mann mit 'm Koks ist da«, im Gegensatz zu dem Zehnpfennigelend des humoristischen und täglich tausendfältig zitierten Dichters so lebhaft, daß man das Votum zwar nicht umzustoßen, aber wenn irgend möglich zu amendieren beschloß. Zöllner, Eggers und ich sind in der Hilfsbereitschaft einig. Kommen Sie noch dazu, so sind wir Majorität und können machen, was wir wollen, d. h. was uns unser gutes Herz eingibt. Beauftragt bin ich nur, Ihnen von einer Unterstützung von zwanzig oder dreißig Mark aus der Ihnen unterstehenden Extrakasse zu sprechen. Ich sehe aber nachträglich nicht ein, warum wir nicht noch einen Schritt weiter gehn und ihm wenigstens fünfzig Mark aus der eigentlichen Kasse bewilligen sollten.
Es liegt hier doch wirklich ein ganz besonderer Fall vor. Faucher sagte mir mal an einem unvergeßlichen Tage, wo ich in einem halben Dutzend Londoner Tavernen und Kaffeehäusern mit ihm umherkneipte: »Ja, es ist etwas Sonderbares mit dem Dichterruhm. Sehen Sie, da gibt es den Gassenhauer aus dem vorigen Jahrhundert: ›Und wenn der Große Friedrich kommt Und klopft bloß auf die Hosen, Reißt aus die ganze Reichsarmee, Panduren und Franzosen‹ — nun, was meinen Sie wohl, was der alte Gleim für'n Gesicht gemacht haben würde, wenn man ihm damals gesagt hätte: ›Ja, lieber Kanonikus, wenn Ihre berühmten Grenadierlieder vergessen werden, wird der Gassenhauer noch leben.‹« Das machte damals einen großen Eindruck auf mich und fiel mir bei diesem modernsten Gassenhauer wieder ein. Er wird zwar nicht hundert Jahre leben, auch nicht hundert Tage; aber es ist doch immer was, einer Millionenstadt auf vier Wochen hin ein bestimmtes Wort oder Lied in den Mund gelegt zu haben. Wie immer Ihr
Th. Fontane

Moritz Lazarus (den Fontane „Leibni[t]z“ nennt) ist mit keinem Wort als Texter des Liedes genannt, vielmehr schreibt Fontane ihn an, um von der Schillerstiftung das Ehrenhonorar für den (hier namentlich noch nicht genannten) Texter bewilligt zu bekommen. Die erwähnte Beilage von Agnes Mylius ist leider in der Briefausgabe nicht mit abgedruckt.

Der folgende Brief lautet:

An Karl Zöllner
Berlin 1. April 86. (Bismarck-Tag.)
Theuerster Chevalier.
Nach einem liebenswürdigen Briefe von Leibnitz (der Dichter von ›Mutter der Mann mit'n Coaks ist da‹ wird 50 geschrieben fünfzig Mark aus der kl. Extra-Kasse erhalten, ein von mir erfochtener Sieg, der mich stolz macht) also nach einem liebenswürdigen Briefe von Leibnitz fällt der Rütli am 3. aus und tagt erst am 10. Königplatz 5. Bis dahin braucht aber Neumann-Strela seinen ›Frack‹, wenn er einen braucht, weshalb ich mit Rücksendung der betr. Schriftstücke nicht länger säumen will. Nikol kann ihm wohl die Moneten gleich zugehen lassen.
Heute war ich in der Königsstadt und von allem was ich da sah, aufs höchste interessirt. Könnten wir nicht am Sonnabend eine Entdeckungsreise durch die Kaiser-Wilhelmsstraße etc etc machen und dann im Rathskeller essen, wo Dieckhof die Morde ausbaldowert. Etwas unappetitlich, aber man kommt drüber hin. Wie immer Dein
Noel.

In diesem zweiten Brief bestätigt Fontane an Zöllner, dass Lazarus die Aufstockung des schon beschlossenen Honorars auf fünfzig Mark bewilligt hat. Es geht nicht mit letzter Klarheit aus dem Brief hervor, aber wenn ich es recht verstehe war es Karl Neumann-Strela (1838–1920), deutscher Buchhändler, Journalist und Schriftsteller, der sich da als Autor geoutet und eine Eingabe um finanzielle Unterstützung gemacht hat. --FordPrefect42 (Diskussion) 18:27, 12. Nov. 2021 (CET)Beantworten

Grmpf, das stimmt leider auch nicht. In dem zweiten Brief sind zwei unterschiedliche Vorgänge beschrieben, Neumann-Strela erhielt auch 150 Mark [1]. Der Registerband zur Fontane-Briefausgabe identifiziert Otto Mylius als den Dichter und Empfänger der 50 Mark [2]. Was auch Sinn macht, wenn seine Tochter Agnes die Eingabe an die Schillerstiftung schrieb. Ob Mylius’ Text aber tatsächlich die Urfassung des Gassenhauers ist, scheint ungewiss [3]. --FordPrefect42 (Diskussion) 23:14, 14. Nov. 2021 (CET)Beantworten