Diskussion:Paralleljustiz

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Letzter Kommentar: vor 8 Monaten von Belthil in Abschnitt Nähere Erläuterungen
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Kirchliche Datenschutzgerichte als Beispiel[Quelltext bearbeiten]

Hallo. In der Definition von Paralleljustiz steht oben, dass sie "außerhalb der staatlichen Rechtsordnung" stattfindet. Dann werden weiter unten als Beispiel kirchliche Datenschutzgerichte mit Quelle genannt. In dieser Quelle ist der erste Satz: "Die Deutsche Bischofskonferenz erlässt aufgrund eines besonderen Mandats des Apostolischen Stuhles gemäß can. 455 § 1 CIC in Wahrnehmung der der Kirche durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland garantierten Freiheit, ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen, und im Einklang mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung vom 27. April 2016 zur Herstellung und Gewährleistung eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes auf dem Gebiet des Datenschutzes wie dies in § 49 Absatz 3 des Kirchlichen Datenschutzgesetzes (KDG) vorgesehen ist, die folgende Ordnung" Damit ist sie doch per Definition hier innerhalb der staatlichen Rechtsordnung. Also entweder stimmt die Definition nicht, die Quelle ist falsch oder das Beispiel mit den kirchlichen Datenschutzgerichten ist falsch.

Nähere Erläuterungen[Quelltext bearbeiten]

Insgesamt muss festgestellt werden, dass Art. 140 GG iVm Art 137 Abs. 3 WRV den Kirchen das Recht gibt, ihre Angelegenheit selbständig innerhalb der Grenzen des geltenden Rechts zu ordnen und zu verwalten. Art. 91 DSGVO iVm Art. 17 AEUV den Religionsgemeinschaften das Recht gibt bestehende Ordnungen zum Datenschutz weiterhin zu verwenden, wenn diese mit der DSGVO in Einklang gebracht werden und weiterhin eigene unabhängige Aufsichtsbehörden errichten kann, insofern diese die Bedingungen der DSGVO erfüllen. Für die Katholische Kirch ergibt sich folgende Situation:

1977 hat die DBK die KDO (Anordnung über den kirchlichen Datenschutz) für ihren vereinigten "Jurisdiktionsbereich" (tatsächlich ist die Diözese der Jurisdiktionsbereich des Ortsordinarius, d.h. des Bischofs/Erzbischofs (ggf. eines Abts einer Terrotorialbtei, in Deutschland gibt es keine mehr), aber die DBK hat das Recht zum Erlass von allgemeinen Dekreten aufgrund dem allgemeinen Recht oder eines Mandats des Apostolischen Stuhls) erlassen und mit der DSGVO durch das in der DBK beschlossene Katholische Datenschutzgesetz, welches durch die Diozesanbischöfe als Ortordinarius durch Verkündung im jeweiligen Amtsblatt in Kraft gesetzt wurde, in Einklang gebracht. Gleiches hat die DOK mit dem KDR-OG (Kirchliche Datenschutzregelung der Ordensgemeinschaften päpstlichen Rechts) erlassen, sowie den Ordensdatenschutzbeauftragten als Datenschutzaufsicht, welcher durch den höheren Oberen/die höhere Obere der Ordensgemeinschaft als Ordinarius/Ordinaria bestellt wird. Ordensgemeinschaften bischöflichen Rechts fallen unter die Jurisdiktionsgewalt des zuständigen Ortsbischof.

Aufgrund einer fehlenden Verwaltungsgerichtbarkeit in der Gerichtsbarkeit der Katholischen Kirche (s. hierzu z.B. den CIC, die AK Pastor Bonus oder auch Praedicate Evangelium) stand bis zum Erlass der KDGSO nur bei Beschwerden gegen Maßnahmen der ausführenden Gewalt (s. Can. 1400 § 2) , d.h. kirchliche juristische Personen, welche in nomine ecclesia handeln, nur der Rekurs zur nächst höheren Autorität zu (z.B.: Beschwerde gg. eine Maßnahme des Priesters -> Bischof -> Metropolit -> Dikasterium fur die Bischöfe) und zuletzt Klage vor der Apostolischen Signatur, als Verwaltungsgericht der Kurie als Möglichkeit offen. Ggü. Maßnahmen anderer kirchlicher juristischen Personen stand der normale Klageweg vor den kirchenlichen Gerichten der ersten und zweiten Instanz, sowie der Rota als Appellationsgerichtshof offen, weiterhin bestand die Möglichkeit, welche rechtlich zwar nicht vorgesehen war, zum Rekurs zur nächst höheren Autorität.

Mit Erlass der KDGSO wurden das interdiözesane Datenschutzgericht in Köln als Datenschutzgericht erster Instanz und das Datenschutzgericht der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn als Gericht zweiter Instanz errichtet. Somit wurde jetzt dem Beschwerdeführer gegen Maßnahmen der ausführenden Gewalt sowohl der Rekurs zur nächst höheren Autorität offen, als auch der Klageweg über die katholischen Datenschutzgerichte offen (beide Wege sind nicht einander ausschließend). Ggü. Maßnahmen anderer kirchlicher juristischer Personen der o.g. Weg.

Letzlich wird auch im CIC Can. 1401 festgestellt, dass die Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche nur in originär kirchlichen Angelegenheit (Fragen geistlicher Natur, z.B. Sakramentale Fragen oder Streitigkeiten zwischen juristischen Personen kirchlichen Rechts) ausschließlich ist, d.h. der Beschwerdeführer kann auch Gerichte der staatlichen ordentlichen Gerichte anrufen. Nur werden diese voraussichlich unter Verweis auf Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 3 WRV zunächst ihre Zuständigkeit verneinen, solange der kirchenrechtliche Beschwerdeweg nicht ausgeschöpft ist. Nachzulesen ist dies z.B. im Kommentar zum KDSGO durch Ulrich Rhode, SJ in Sydow, Kirchliches Datenschutzrecht. Letzlich kann man polemisch sagen, dass kirchliche Datenschutzgerichte, auch wenn sie besetzt sind mit einer Mindestanzahl von Juristen mit Befähigung zum Richteramt, nur besondere Streitschlichtungsstellen sind.

Zu dem Beispiel mit dem Kirchenarbeitsgerichten muss man klar herausarbeiten, dass diese nicht für Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und einem kirchlichen Arbeitgeber zuständig ist, dies sind die jeweiligen Arbeitsgericht und ihr Instanzenzug, sondern nach § 2 Abs. 1 und 2 KAGO für Streitigkeiten aus dem aufgrund der Grundordnung des kirchlichen Diensts gebildeten Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrecht und den Streitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht, also Streitigkeiten zwischen kirchlichen juristischen Personen.

Ob man den Religionsgemeinschaften diese Rechte (z.B. des sog. dritten Wegs im Arbeitsrecht) zu billigen möchte ist eine gesellschaftliche Frage, deren Änderung nur über eine entsprechende GG-Änderung möglich ist. Dies dann aber als Paralleljustitz zu bezeichnen geht eindeutig zu weit und entspricht auch nicht der Definition, insbesondere da diese Rechte den Religionsgemeinschaften, im Gegensatz zum letzten Beispiel, von der Gesamtgesellschaft, vertreten durch den Parlamentarischen Rat, den Bundestag sowie den Bundesrat und im Rahmen der Rechtsordnung des Grundgesetz ausdrücklich zugebilligt worden ist. --Belthil (Diskussion) 13:15, 7. Sep. 2023 (CEST)Beantworten