Diskussion:Scheich Scharaf ad-Din

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Falsche Darstellung von der Person Scheich Sharaf ad-Din (Scheich Scherfedin)[Quelltext bearbeiten]

Scharaf ad-Din war auch der Gouverneur der antiken Stadt Harput. Verbündet mit dem seldschukischen Prinzen Izz ad-Din gegen die Mongolen war er General einer Streitkraft bestehend aus Jesiden, Kurden und Turkmenen. 1257 oder 1258 fiel er in einer Schlacht gegen die Mongolen.[1][4]

Jene Person, welche heute mit diesem Namen erwähnt wird und in Sinjar (Schingal) aktiv war, ist nicht mit jenem zu identifizieren, über den Bar-Hebraeus berichtete.

Zunächst sollte beachtet werden welche Bedeutungen der Name Scherfedin in der jesidischen Religion/Kultur hat. Durch geschichtliche Quellen weiß man, dass der Vorname von Scheich Adis vollen Namen Scherfedin war. In den sakralen Texten sticht Scherfedin auch als ein Name von "Tawisi Melek" hervor. Doch die historische Person, die am aller wahrscheinlichsten (oder häufigsten) in der jesidischen Tradition mit diesem Namen erwähnt wird, ist Scheich Scherfedin, der Sohn von Scheich Hassan (1195 – 1246), welcher in Sinjar (Schingal) aktiv war. Bis heute ist die mündliche Tradition und das religiöse Leben in Sinjar (Schingal) durch Scherfedin geprägt; dort befindet sich auch seine Heiligenstätte.

Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass in der frühen jesidischen Geschichte mehrere Personen mit den Namen Scherfedin hervor stachen. Das wird dadurch verdeutlicht, dass mehrere jesidische Heilige und historisch bedeutende Personen denselben Vornamen trugen. Als Beispiel sei die bedeutendste jesidische Persönlichkeit Scheich Adi zu erwähnen. Sein Großneffe wurde nach ihm benannt und ist als Scheich Adi II. bekannt. Andere Beispiele sind Mehmed Reban und Mehmed Reschan, Scheich Hasin von den Schamsanis, Scheich Hasin Maman und Scheich Hasin von den Adanis usw.

Der Grund für die falsche Darstellung des Scherfedin ist der Bericht von Gregorius Bar-Hebraeus/Ibn il-Faraj (1226 – 1286). Dieser berichtet von einem „Scheich Mehmed Scherfedin, der Sohn Scheich Adis“, welcher der Gouverneur von Harput war und um das Jahr 1257 in eine Schlacht gegen die Mongolen fiel. Diese Person, die eine Führungspersönlichkeit der Jesiden war, wurde bereits in der Anfangsphase der modernen Jesiden-Forschung mit Scherfedin, dem Sohn Scheich Hassan, identifiziert und durchgesetzt.

Diese falsche Deutung des Berichtes wurde bis heute nicht anständig analysiert. Hier hat man es ohne Zweifel mit einer jesidischen Persönlichkeit zu tun, die eine führende Rolle in der frühen jesidischen Geschichte einnahm. Doch es ist eindeutig – schon allein durch die kurze genealogische Angabe über ihn – dass hier nicht jener Scherfedin gemeint ist, der in Sinjar (Schingal) aktiv war und heute von den Jesiden so hochverehrt wird.

Ein Vorfall wie der in dem Bericht von Bar-Hebraeus, in dem eine von den Jesiden so hochverehrte Persönlichkeit involviert war, hätte auch Eingang in den sakralen Texten (Qewls) gefunden. Wie es z.B. von Scherfedins Vater Scheich Hassan der Fall ist; bis heute erinnert eine kanonische Erzählung und sakraler Text über den Vorfall zwischen Scheich Hassan und Badr ad-Din Lulu im Jahr 1246. Doch bzgl. diesem Vorfall von Bar-Hebraeus´ Bericht fehlt jede Spur in den Texten.

Zu was eine kritiklose Übernahme dieser falschen Darstellung selbst in akademischen Kreise führen kann, wird in einer Übersetzung des sakralen Textes „Qesîda Şerfedîn“ (Botschaft des Scherfedin) durch Prof. Dr. Philip Kreyenbroek und Dr. Khalil Jindy Rashow deutlich. Es geht um diesen Vers aus dem sakralen Text: „Ciwabê biden heyporiya“.

Kreyenbroek/Rashow übersetzten diesen Vers mit „Bringt die Botschaft zu den Menschen in Harput.“ (Kreyenbroek/Rashow 200: S. 221). Hier wurde der sehr unwissenschaftliche Ansatz gewagt, durch die Übersetzung den Inhalt des Verses mit einem völlig anderen Bericht anzugleichen. Doch diese fatale Falschübersetzung lässt sich schnell entkräften:

a) Im Kurmanji ist der Name für Harput „Xarpêt“. Der Begriff „heyporiya“ als Name für Harput ist falsch und lässt sich mit nichts belegen.

b) Dieser Vers heißt sinngemäß richtig übersetzt: „Bringt Botschaft zu den Menschen mit den langen Haaren.“ Damit ist die traditionelle Haartracht der jesidischen Männer in Sinjar (Schingal) gemeint, welche lange Zöpfe trugen. „Poriya“ bzw. „Porî“ bedeutet in Kurmanji Haare. Das „hey“ vor „poriya“ ist ein typisches Merkmal für die Rezitation sakraler Texte der Jesiden und dient dem rhythmischen Schwung. Deutlich wird das durch die anderen Varianten des Verses „Ciwabê biden wan poriya“ und „Ciwabê bidin dinav poriya“.

Mit diesem Beispiel sieht man, wie gravierend solche falschen Darstellungen sein können.

Neben dem Bericht von Bar-Hebraeus gibt es eine weitere Quelle, die über jenen „Scheich Mehmed Scherfedin“ berichtete, und zwar das Traktat von einem nestorianischen bzw. assyrischen Mönchs namens Ramisho aus dem 15. Jahrhundert. Obwohl dieser Text als Fälschung entlarvt wurde, wurde dieser ab seiner Publikation im Jahr 1918 verbreitet. Noch heute gibt es Autoren, die sich auf diese Fälschung stützen. Der bedeutende Forscher auf diesem Gebiet Jean Maurice Fiey (1914 – 1995) untersuchte diesen Text und belegte kategorisch, dass es sich hierbei um eine Fälschung handelt. Über den Inhalt des Textes selber sagte er: „[…] gehört ins Reich der Märchen.“ (Fiey 1966: S. 806)

Über die historische Person Scherfedin, dem Sohn von Scheich Hassan, gibt es keine schriftlichen Quellen. Alle biographischen Angaben seiner Person lassen sich nur aus den sakralen Texten der Jesiden entnehmen und durch die Deutung anderer Quellen über die Geschehnisse in Scheichan (Sheikhan) und Sinjar (Schingal) in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Aus dieser Quellenlage lässt sich über die historische Person zusammengefasst folgendes sagen:

Scheich Scherfedin war der Sohn von Scheich Hassan und wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Lalisch geboren. Er gehörte damit der Scheich-Gruppe der Adani an, aus der die weltlichen Oberhäupter der Jesiden hervorgingen. Er verbrachte den Großteil seines Lebens in Sinjar (Schingal) und mobilisierte die Jesiden zur militärischen Verteidigung auf, nachdem der muslimische Gouverneur von Mosul Badr ad-Din Lulu 1246 und 1254 die Jesiden in Scheichan (Sheikhan) angriff.

Nach seinem Vater wurde Scherfedin ab 1246 das weltliche Oberhaupt der Jesiden, die zur damaliger Zeit noch unter dem alten Namen Adawiya bekannt waren. In den jesidischen Texten wird er ,,Mîrê edewiya" (Fürst der Adawiyas) genannnt.

Zu Scherfedins Zeit gerieten die Jesiden erstmals in einem großen militärischen Konflikt mit den Moslems in der Region. Es war ein Wendepunkt für die Jesiden, da sie nun, einer militärisch weit überlegenden Macht gegenüberstehend, ihre Religion mit Waffengewalt verteidigen mussten. Scherfedin wird in den Texten deshalb auch als ,,Oberster (militärischer) Befehlshaber" (Seresker) bezeichnet.

Es ist nicht verwunderlich, dass in dieser Zeit, in der die Jesiden ihre Religion mit Leib und Leben verteidigten, damit begonnen wurde die jesidische Religion zu kanonisieren. Wie die Jesiden ihr religiöses Leben führen, man kann hier auch von einer jesidischen Gesetzgebung sprechen, wurde durch Scherfedin bestimmt und geprägt. Diese Gesetzgebung wird in der Religion der Jesiden ,,Dîn" (Religion) genannt, und umfasst das religiöse Leben der Jesiden wie etwa die Art zu beten (dua kirin), die Beschneidung (sinet kirin) von Jungen, die Pilgerfahrt nach Lalisch (hec û ziyaret kirin), die Segnung bzw. die jesidische "Taufe" (mor kirin) usw.

Diese Entwicklung geschah unter Scherfedins Herrschaft, weshalb er in der jesidischen Religion auch zur Personifizierung dieser wurde. Dieses religiöse Leben, die Religion in ihrer Äußerlichkeit, wurde deswegen mit seinem Namen definiert. In allen jesidischen Texten heißt es deshalb: Sherfedin ist meine Religion (Şerfedîne dînê mine).

--Artafarnah (Diskussion) 20:40, 22. Apr. 2020 (CEST) ArtafarnahBeantworten