Diskussion:Sekundenstil

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Letzter Kommentar: vor 10 Jahren von AntikerAnwalt in Abschnitt Zeit
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Gäbe es dafür auch ein Beispiel? Danke --Wst 19:19, 20. Nov 2004 (CET)

ein Beispiel hier wieder zu geben ist eher schwierig, da ja der Sekundenstil darauf baut, das Geschehen auf der Bühne quasi in Echtzeit zu zeigen. Für die TheatergängerInnen: haltet euch an Hauptmann, Strindberg, Ibsen.

Dazu ein kurzer Abschnitt von Heinrich Hart über Arno Holz, der zum Unterschied zwischen alter und neuer Kunst ausführt "... Beispiel eines fallenden Blattes. Die alte Kunst hat von einem fallenden Blatt weiter nichts zu melden gewußt, als dass es im Wirbel sich drehend zu Boden sinkt. Die neue Kunst schildert diesen Vorgang von Sekunde zu Sekunde; sie schildert, wie das Blatt, jetzt auf dieser Seite vom Licht beglänzt, rötlich aufleuchtet, auf der andern schattengrau erscheint, in der nächsten Sekunde ist die Sache ungekehrt, sie schildert, wie das Blatt erst senkrecht fällt, dann zur Seite getrieben wird, dann wieder lotrecht sinkt, sie schildert - ja der Himmel weiß, was sie sonst noch zu berichten hat."

Zeit[Quelltext bearbeiten]

Thiel-Beispiel: Ist gemeint (dann sollte das aber auch gesagt werden), dass man den Abschnitt in 20 Sekunden VORLIEST? Das kann etwa hinkommen. Wenn man den Absatz für sich liest, sind es nie und nimmer 20 Sekunden. CarlM (Diskussion) 23:15, 26. Mär. 2013 (CET)Beantworten


Hallo, das hier ist mein erster Diskussionsbeitrag auf Wikipedia, hoffe, ich mach das richtig.

Zunächst muss ich mal CarlM insoweit widersprechen, als ich beim zweiten (stillen) Lesen des Zitats meine Lesezeit gestoppt habe und dabei sogar auf knapp 22 Sekunden gekommen bin. Dass ich für die paar Zeilen nicht (wie wohl beim ersten Mal) deutlich unter 20 Sekunden gekommen bin, liegt wohl daran, dass ich mir gerade bei diesem Zeitnehmungs-Lesen erlaubt habe, währenddessen kurz über das Gelesene nachzudenken. Fazit: Ein bedachter, literaturinteressierter Leser benötigt wohl tatsächlich ungefähr die im Artikel ausgewiesene Zeit.

Während ich also die angebene Erzählzeit nicht weiter bestreiten möchte, zweifle ich dennoch an deren zwingender Kongruenz mit der angeblich im Zitat erzählten Zeit, wobei ich nicht soweit gehe, der im Beispiel beschriebenen Ereignissequenz unbedingt und jedenfalls die Eignung abzusprechen, innerhalb (guter) 20 Sekunden stattfinden zu können. Allerdings ist dem zitierten Text weder irgendein ausdrücklicher Hinweis auf diese doch sehr kurze, relativ exakt umrissene, Zeit, die er beschreiben soll, zu entnehmen, noch ergibt sich ein solcher schlüssig aus einer einzelnen Passage; ebensowenig kann dies zwingend aus der Gesamtsicht des Zitates abgeleitet werden.

Vielmehr drängt sich, insbesondere im gegebenen lexikalischen Zusammenhang, dem mit dem Werk, dem das Zitat entnommen wurde, nicht vertrautem Leser (wie mir), der Eindruck auf, dass es sich uwar um eine Darstellung von Ereignissen in jener, verhältnismäßig langsamen, Erzählgeschwindigkeit handelt, mit welcher uns die Autoren, Regisseure und, vor allem, die Cutter bei Film und Fernsehen, eine abenteuerliche Situation in "Quasi-Echtzeit", nichtsdestoweniger gerafft, zu suggerieren pflegen, wobei sie selbst kürzeste, der Dramatik der Handlungsabfolge unzuträgliche "Längen" von wenigen Millisekunden auszumerzen trachten.

Anhaltspunkte im Text sind dazu mehrfach vorhanden: So fragt sich etwa, ab der wievielten Sekunde der Erzähler die Dampfstöße der Lokomotive als "unzählbar" zu betrachten begonnen hat, wobei diese Formulierung bei der Schilderung einer "Echtzeitsituation" zunächst wohl nahelegt, dass er diese offenbar sehr wohl zählen wollte. Warum ist er gescheitert? Der Text beantwortet diese Frage nicht. Vielmehr scheint es, als wollte er doch nur das unablässige "Schnaufen" einer Dampflok, somit deren gewöhnlichen und ängerdauernden Betriebszustand, besonders dramatisch darstellen.

Je nachdem, welche Sichtverhältnisse herrschten, als der Zug "sichtbar wurde" (worüber das Zitat keine Auskunft gibt), kann der im ersten Satz des Zitates eher unbestimmt beschriebene Zeitraum mit einer vom jeweiligen Leser und nur im Zusammenhang mit den nachfolgenden Satzen zu interpretierenden Dauer zwischen wenigen Sekunden und bis etwa einer vollen Minute angenommen werden.

Lediglich der zweite und dritte Satz des Beispielzitates scheinen tatsächlich eine Schilderung in Echtzeit zum Inhalt zu haben. Unmittelbar darauf geht freilich aus dem Zitat hervor, dass der Protagonist die Ereignisse nicht nur wahrnimmt, sondern auch beurteilt bzw sogar noch hinterfragt. Vielleicht ergäbe sich seine besonders schnelle Auffassungsgabe bzw Reflexionsfähigkeit aus dem nicht zitierten Zusammenhang, ohne diesen, gemessen an der Lebenserfahrung und der Vorgabe von 20 Sekunden scheitert die Glaubwürdigkeit einer solchen wohlwollenden Annahme allerdings jedenfalls am letzten Satz des Zitates: Dieser ist nicht etwa nur zeitlich unbestimmt wie der erste, sondern spricht sogar von einer "langen, ununterbrochenen Reihe" akustischer Signale.

Vielleicht missverstehe ich aber auch insofern den Begriff "Sekundenstil", als bei seiner kunstgerechten Bemühung (auch gehäufte) Auslassungen der Beschreibung von Zeiträumen in der Dauer von weniger als einer Sekunde zulässig sind. Der Artikel schweigt jedenfalls dazu.

Langer Rede kurzer Sinn: da muss es doch ein besseres Beispiel geben. Oder zumindest eine nachvollziehbare Erläuterung.

Grüße! (nicht signierter Beitrag von AntikerAnwalt (Diskussion | Beiträge) 04:09, 23. Okt. 2013 (CEST))Beantworten