Diskussion:Ultra posse nemo obligatur

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Letzter Kommentar: vor 10 Monaten von Stephan Klage in Abschnitt impossibilium nulla est obligatio
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Unzutreffende Aussagen bzgl. § 275 II, III BGB[Quelltext bearbeiten]

Die Aussagen des Artikels zu § 275 II (als obj. Unmöglichkeit regelnd bezeichnet) und III (als subj. Unmöglichkeit regelnd bezeichnet) BGB sind mE unzutreffend. § 275 II BGB regelt die sog. "praktische Unmöglichkeit", bei der die Leistung gerade nicht objektiv oder subjektiv unmöglich ist, aber vom Gläubiger nicht erwartet werden kann (Alpmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 275 BGB Rn. 52); dies ist bereits aus dem Wortlaus und der Systematik des Gesetzes ersichtlich: Der Schuldner "kann verweigern", dies müsste er aber nicht, wenn die Leistung obj. oder subj. unmöglich wäre, da die Leistung dann bereits nach § 275 I BGB kraft Gesetzes (ipso iure) ausgeschlossen wäre. Auch im Falle des § 275 III BGB ist die Leistung objektiv und subjektiv möglich, jedoch kann dem Schuldner die Erbringung der persönlich zu erbringenden Leistung nicht zugemutet werden (s. auch: Alpmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 275 BGB Rn. 68.).

Damit sollte mE der Satz "Für das deutsche Zivilrecht ist dieser Grundsatz in § 275 Abs. 2 BGB für die objektive Unmöglichkeit und in Abs. 3 für die subjektive Unmöglichkeit geregelt." durch den Satz "Für das deutsche Zivilrecht ist dieser Grundsatz in § 275 Abs. 1 BGB geregelt, nach dem die Leistungspflicht des Schuldners ausgeschlossen ist bzw. der Schuldner nicht zu leisten braucht, wenn die Leistung für den Schuldner (subj. Unmöglichkeit) oder für jedermann (obj. Unmöglichkeit) unmöglich ist." (nicht signierter Beitrag von 129.7.0.91 (Diskussion) 04:53, 26. Okt. 2015 (CET))Beantworten

impossibilium nulla est obligatio[Quelltext bearbeiten]

Der Artikel nennt "impossibilium nulla est obligatio" einen "ähnlichen" Grundsatz. Historisch scheint es aber doch so zu sein, dass die Digestenstelle "impossibilium nulla obligatio est" die Grundlage der weiter verbreiteten Regel "Nemo potest ad impossibile obligari" (Liber Sextus) war und daraus erst das geläufige "Nemo ultra posse cogitur" wurde. Oder ist der Unterschied zwischen Digesten und Liber Sextus juristisch so groß, dass man das als zwei Grundsätze behandeln muss? --CRolker (Diskussion) 09:46, 30. Jun. 2023 (CEST)Beantworten

Sehe jetzt erst, dass @Stephan Klage schon 2011 auf eine sehr ähnliche Frage geantwortet hat: https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Impossibilium_nulla_est_obligatio. Ja, offenbar sind die juristischen Implikationen unterschiedlich genug, um von zwei Grundsätzen zu sprechen, unabhänhig von der von mir erst mal nur vermuteten Überlieferung. --CRolker (Diskussion) 10:48, 30. Jun. 2023 (CEST)Beantworten
Hallo @CRolker, gib Deine Vermutung erst einmal nicht auf oder preis. Impossibilium nulla est obligatio wird mit Celsus in den Digesten 50, 17, 185 wiedergegeben, ist also ein in den Quellen nachweisbarer Satz, wenngleich die Quelle eine kompilierte ist, wir also die klassische Bedeutung nicht zuverlässig kennen. Der Begriff impossibilis wurde – jedenfalls nach den Untersuchungen Christian Wollschlägers in seiner Dissertation, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre: Zur Dogmengeschichte des Rechts der Leistungsstörungen (S. 16) – in Rom auf unpersönliche, naturgesetzliche Sachverhalte angewandt. Daraus könnte man herleiten, dass allein die „objektive Unmöglichkeit“ gemeint war; nicht jedoch die „subjektive Unmöglichkeit“, das Unvermögen. Die Zweiteilung könnte aber insoweit unzutreffend sein, als dass der Rechtssatz auch gerne in den Kontext der alten Fassung des § 306 BGB gestellt wurde. § 306 BGB a.F. wartete mit dem Wortlaut auf: Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist nichtig. Das ist ein anderer Blickwinkel. Er ist vom Objekt der Leistung her eingenommen und nicht von dem der Person (des Schuldners oder des jedermann). Diese Norm wurde aufgegeben, weshalb argumentativ nur ein Rückgriff auf § 275 BGB möglich ist, der das Unmöglichkeitssystem aber in Gänze anspricht (...für den Schuldner oder für jedermann unmöglich...). Der topisch-diskursive Denkstil der klassischen Juristen (so Franz Wieacker), das sind die Juristen der früheren Kaiserzeit, lasse es aber nicht zu, in dem Rechtssatz einen Obersatz für ein einheitliches Unmöglichkeitssystem zu erkennen. War der Rechtssatz impossibilium nulla est obligatio mit § 306 BGB vergleichbar? Ist er dann auch mit § 275 BGB adaptibel? Allein: der zumeist gewählten Übersetzung: Zu Unmöglichem ist niemand verpflichtet, würde ich mich heute anschließen. Für ultra posse nemo obligatur finde ich keine Quelle im römischen Recht. In impossibilium nulla est obligatio könnte ich bei Gelegenheit mal tiefer schauen. --Stephan Klage (Diskussion) 10:15, 1. Jul. 2023 (CEST)Beantworten
Danke für die noch ausführlichere Erklärung. Ich vermute immer noch, dass die Lücke zwischen dem belegten römischrechtlichen Ursprung und den anderen Fassungen nicht ohne die Rezeption im mittelalterlichen Kirchenrecht zu verstehen ist, aber das ist nur eine Vermutung und auch nur auf die Überlieferung (nicht den juristischen Gehalt) bezogen. Meine ursprüngliche Frage, ob es wirklich zwei Lemmata braucht, hattest Du schon 2011 beantwortet: ja, und inzwischen verstehe ich auch warum. Gruß --CRolker (Diskussion) 10:52, 1. Jul. 2023 (CEST)Beantworten
Juristisch nicht so einfach. Es sind zu unterscheiden: „objektive“ und „subjektive Unmöglichkeit“; ebenso: „anfängliche“ und „nachträgliche Unmöglichkeit“. Und wir wissen nicht, ob impossibilium nulla est obligatio nur mit § 306 BGB a.F. (heute in Rudimenten § 311a BGB) oder auch mit § 275 BGB in Zusammenhang gebracht werden muss. Das möchte ich schon noch mitgeben, denn die anfängliche Unmöglichkeit hatte ich einst nicht hinreichend vor Augen, gut der Gesetzgeber nach der Schuldrechtsreform von 2000 auch nicht mehr. ;-) In Rom jedenfalls blieb der unvermögende Schuldner leistungspflichtig. Die Figur griff zu seinen Gunsten nicht.
Zur Metamorphose der Begriffsfassungen in der Rezeptionsgeschichte kann ich nichts Verlässliches sagen. Rechtshistorische Bücher greifen auf den begrifflichen Originalbestand zurück (Kaser, Kunkel, u.a. die mir gerade vorliegen). VG --Stephan Klage (Diskussion) 14:18, 1. Jul. 2023 (CEST)Beantworten