Diskussion:Walther Vetter

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Letzter Kommentar: vor 3 Jahren von Mondrian v. Lüttichau in Abschnitt Zur Kontroverse mit Friedrich Smend
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Zur Kontroverse mit Friedrich Smend[Quelltext bearbeiten]

Friedrich Smend, Professor für Liturgik und Kirchemmusik, bezieht sich in seinem Buch Bach in Köthen (Berlin o.J. [1951]) auf etliche andere Musikwissenschaftler für einzelne Aspekte sowohl zustimmend, teilweise im Widerspruch. Darunter ist auch Walther Vetter. –

Dann aber gibt es bei Smend eine fünf (!) Druckseiten lange Fußnote (# 5, S. 144-159), die sich ausschließlich mit Vetter befaßt. Nach einer einleitenden (taktischen?) Bemerkung, vieles in Vetters Werk "wird man mit großem Gewinn lesen", holt er zu einem an dieser Stelle verblüffenden Rundumschlag aus. Im Mittelpunkt stehen hier zum einen Nuancen theologischer/liturgischer Fragestellungen. Zugleich unterstellt er Vetter, Bachs Konflikte speziell mit kirchlichen Stellen unangemessen hervorgehoben zu haben. Dies bringt Smend explizit in Zusammenhahg mit Vetters Anbindung an die atheistische SED-Ideologie. Letztlich unterstellt er ihm, hier parteipolitische Zuarbeit geleistet zu haben.

Die Behauptung "Im Sinne der Staatsideologie hob er insoweit das weltliche Schaffen des Komponisten und Thomaskantors zu Lasten seiner evangelischen Kirchenmusik hervor (...) kann m.E. nur jemand übernehmen, der Vetters Buch nicht gelesen hat. Tenor deser Arbeit ist, daß jegliches Komponieren bei J.S.B. "aus der Tiefe seines Glaubens" kommt: "soli Deo gloria". Übrigens trifft sich gerade Smend in seiner – für beide Autoren zentralen! – Einschätzung des Verhältnisses von "Weltlichem" und "Geistlichem" bei Bach in allem Wesentlichen mit Vetter (siehe bei Smend insb. S. 114-122, 142/3); Vetter seinerseits erwähnt Smend mehrfach, und durchweg achtungsvoll. – Ich kann mir die Philippika der 5-Seiten-Fußnote leider nur als Symptom des Kalten Krieges erklären, zumal Smend seine Arbeit der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dank für die Verleihung der Doktorwürde widmet. Möglicherweise liegt die Wahrheit über die kirchlichen Behörden zu Bachs Zeiten irgendwo in der Mitte zwischen Smend und Vetter.

Zur Frage der "Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis": In Vetters Buch Bach in Köthen fand ich nichts davon. Die erwähnte frühere Veröffentlichung Johann Sebastian Bach. Leben und Werk (Leipzig 1938: Breitkopf & Härtel) ist ein kleinformatiges 100 Seiten-Büchlein; dies ist zweifellos eine der vielen taktischen Bekundgungen, mit denen gerade seriöse Verlage während der NS-Zeit ihr Bestehen sichern wollten. (Breitkopf & Härtel war und ist bekanntlich einer der bedeutendsten Musikverlage der Welt.) Das taktische "Aufputzen" des Textes mit nationalistischen oder Blut-und-Boden-Versatzstücken wird beim Lesen wohl deutlich. Mehr läßt sich dazu nicht sagen. - Friedrich Smend nutzt diesen Kritikpunkt jedenfalls nicht. --Mondrian v. Lüttichau (Diskussion) 12:21, 9. Jul. 2020 (CEST)Beantworten

Nachdem jetzt wieder 4 Wochen verstrichen sind, habe ich selbst einiges geändert. Mir kam es darauf an, a) fachliche Kontroverse und politische Kritik deutlich voneinander abzugrenzen. (So äußert sich Friedrich Smend in keiner Weise zu Vetters NS-Nähe!) und b) die fachliche Kritik von tendenziösen Verallgemeinerungen zu befreien. Es gibt keine rigorose Ablehnung Vetters in der "Wissenschaft"; selbst Smend bezieht sich in seinem Werk mehrfach zustimmend auf - andere - Aspekte der Vetterschen Arbeit, vice versa ebenfalls. Meinungsverschiedenheiten über einzelne Fragen sind Normalität unter Wissenschaftlern (zumindest philologischer und historischer Fachbereiche.) c)Zu dem Büchlein von 1938 hatte ich oben schon was geschrieben.
Ich würde mich hier nicht so engagieren, wenn nicht Vetters großes Buch meines Erachtens nach wie vor höchst lesenswert ist für den Blickwinkel der "kompositionspsychologischen" Entwicklung Bachs. Vetter ging es keineswegs "nur" um Köthen (was auch der vollständige Titel zeigt). Smends Buch ist ebenfalls wichtig, allerdings vor allem für die kirchenmusikalische (liturgische) Situation speziell der Köthener Zeit.--Mondrian v. Lüttichau (Diskussion) 11:39, 11. Aug. 2020 (CEST)Beantworten