Diskussion:Wirtsvolk

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Letzter Kommentar: vor 8 Jahren von 93.129.181.160 in Abschnitt Gefahr einer zirkulären Semantik
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"Wirtsvolk" bei Carl Gustav Jung[Quelltext bearbeiten]

Ich habe diesen Absatz über C.G. Jung herausgenommen, weil dort erstens Aussagen von C.G. Jung aus bereits interpretionshaltigen Paraphrasierungen aus der Sekundärliteratur zitiert worden waren (das ist wissenschaftlich nicht korrekt) - und zweitens, weil diese Zitatenzusammenfügung der an ihrem Kontext besser erkennbaren Gesamtintention des Autors allzu weitgehend zuwider läuft. Angesichts der bereits zeitgenössisch kontroversen Diskussion von Jungs Aussagen über "die Juden" wehrte sich Jung 1934 in einem Artikel in der NZZ (neuen Zürcher Zeitung) gegen Vorwürfe, Antisemit zu sein, und betonte, dass seine Unterscheidungen zwischen jüdischer und germanischer/arischer Seele nicht wertend gemeint seien (vgl. Carl Gustav Jung#Jungs Äußerungen im Kontext des Nationalsozialismus).

Insofern halte ich diese Zitatkombinationen/Paraphrasierungen von Carl Gustav Jung für nicht ausreichend geeignet, eine - lt. Absatzüberschrift intendierte - "diskriminierende Verwendung" des Begriffes "Wirtsvolk" zu illustrieren.

Zu den fraglichen Zitaten im Einzelnen:

Jung schreibt an der zitierten Stelle nicht von „religiöse Tiefe“ (das muss eine freie Deutung der zitierten Sekundärliteratur sein). Hingegen schreibt der Psychologe Jung am selben Ort wertschätzend über die Juden: "Infolge ihrer mehr als doppelt so alten Kultur sind sie sich der menschlichen Schwächen und Schattenseiten in viel höherem Maße bewußt als wir" und einige Sätze weiter: "Der Jude, ..., ist wie der gebildete Chinese in einem weiteren Umkreise psychologisch bewußt als wir" (C.G. Jung: Zur gegenwärtigen Lage der Psychotherapie. Gesammelte Werke 10, S. 190, par. 353).

Zum höheren „schöpferisches Potential“: Jung schreibt: „das arische Unbewusste dagegen ... enthält ... Spannkräfte und schöpferische Keime von noch zu erfüllender Zukunft“ (ders., S. 190, par. 353) und: „Das arische Unbewusste hat ein höheres Potential als das jüdische; das ist der Vorteil und der Nachteil einer dem Barbarischen [d.h. Unzivilisierten] noch nicht völlig entfremdeten Jugendlichkeit.“ (ders., par. 354).

Zum Artikel Zur gegenwärtigen Lage der Psychotherapie: In seinem 19seitige Artikel Zur gegenwärtigen Lage der Psychotherapie (1934) erörtert Jung vor allem für die Psychotherapie wichtige Gesichtspunkte. Dabei grenzt Jung seine Sichtweise gegen die Freuds und Adlers ab. Er kritisiert deren in seinen Augen materialistischen Ansätze, die Symptome zu "nichts als" reduzierten, während es in Jungs Augen andere Erklärungsmöglichkeiten gebe, und würdigt im Verlauf seiner Ausführungen, dass beide die menschlichen Schattenseiten sehr deutlich gesehen hätten. Die an beiden (Freud und Adler waren beide Juden) gemachten Beobachtungen verallgemeinert er offenbar auf „die Juden“ (ders., S. 190 und S. 191). Er lobt zum einen deren Zugehörigkeit zu einer 3'000 Jahre alte Kultur(rasse) und ihre „höhere“ oder „psychologisch weitere“ „Bewusstheit“, und Fähigkeit mit eigenen Untugenden (die jeder habe) in "duldsamer Nachbarschaft" zu leben. Dann stellt er das in den Gegensatz zur Beschreibung des unkultivierten "arischen Unbewussten", das spannungshaft sei, aber auch schöpferische Keime enthalte, aus denen sich (erst) noch eine Kultur entwickeln müsse, weil sie nötig sei. Die Juden hätten schon eine hochentwickelte Kultur und daher fehle ihnen diese Spannung. Das verknüpft er mit der damaligen Situation der Juden ohne eigenes Land, die ein „zivilisiertes Wirtsvolk zu ihrer Entfaltung“ bräuchten.(ders., S. 190, par. 353) Seine Behauptung, der "Jude als relativer Nomade hat nie... eine eigne Kulturform (ge)schaffen", macht deutlich, dass Jung ein einseitiges Bild vom Judentum hatte, welches er dann in Auseinandersetzung mit seinen jüdischen Analysanden und Kollegen nach 1934 sowie in eigenen Studien über die jüdische Kultur nach 1944 zunehmend differenzierte und wertschätzte. (Vgl. dazu Ann C. Lammers: Professional relationships in dangerous times: C. G. Jung and the Society for Psychotherapy, Journal of Analytical Psychology, 57/ 2012, S. 115. Und: Thomas Kirsch: Jung and His Relationship to Judaism, Jung Journal: Culture & Psyche, 6:1 (2012), S. 19). Aus dieser Mischung von Beobachtung und Vorurteil kam er im zitierten Text zum induktiven Fehlschluss, der Jude "...wird voraussichtlich auch nie eine eigene Kulturform schaffen, da alle seine Instinkte und Begabungen ein mehr oder weniger zivilisiertes Wirtsvolk zu ihrer Entfaltung voraussetzen." (ders., S. 190, par. 354). Diese Bemerkung untermauert u.a. seine Unterscheidung zwischen jüdischer und germanischer/arischer "Seele", deren Berücksichtigung für eine Psychotherapie von entscheidender Bedeutung seien. Aufgrund der vorhandenen Unterschiede seien nach Jung die Kategorien der Psychologie von Adler oder Freud "nicht einmal für alle Juden verbindlich" und könnten nicht „unbesehen auf den christlichen Germanen oder Slawen“ verwendet werden (ders., S. 191, par. 354). --BineMaja (Diskussion) 00:57, 2. Dez. 2013 (CET)Beantworten

Gefahr einer zirkulären Semantik[Quelltext bearbeiten]

Auf diesen Beitrag wurde ich aufmerksam, weil das "Hamburger Abendblatt" einen Beitrag zum dtv-Atlas Geschichte weitgehend durch Wikipedia-Recherche 'gesichert' hat und auch bei jüdischen Intellektuellen bzw. Vertretern der Antisemitismusforschung nachfragte. Der dtv-Atlas bezeichnet die Zielethnien des jüdischen Kulturwandels im 20. Jahrhundert als "Wirtsvolk" und wird daher selbst als rassistisch attribuiert. Der Beitrag hier stützt sich ausschließlich auf die Antisemitismusforschung, der Begriff wird - auch in anderen Medien - ausschließlich in seiner antisemitischen Funktion wahrgenommen. Das wirkt alles ein bisschen zirkulär. Wäre es beispielsweise möglich, dass der Begriff "Wirtsvolk" auch außerhalb der antisemitischen Rhetorik Verwendung fand, z.B. in der älteren ethnologischen Forschung zu Prozessen des kulturellen Wandels bzw. der Assimilation, Enkulturation etc.? Dann wäre dem Begriff und seinen Verwendern zwar in jedem Fall das Verdikt des Anachronismus sicher, schlimm genug, über die rassistische Intention müsste man noch gesondert verhandeln. --93.129.181.160 07:23, 29. Jun. 2015 (CEST)Beantworten