Diskussion:Wucher auf dem Land

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Letzter Kommentar: vor 7 Jahren von Ringelschnurz in Abschnitt Studien / Antisemitismus
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Der Artikel „Wucher auf dem Land“ wurde im Dezember 2016 für die Präsentation auf der Wikipedia-Hauptseite in der Rubrik „Schon gewusst?vorgeschlagen. Die Diskussion ist hier archiviert. So lautete der Teaser auf der damaligen Hauptseite vom 7.01.2017; die Abrufstatistik zeigt die täglichen Abrufzahlen dieses Artikels.

Schwieriger Satz[Quelltext bearbeiten]

Im Artikel steht: „Der Wucher trat in verschiedenen Formen auf, wobei allen gemeinsam war, dass von rücksichtslosen Geschäftsleuten deren wirtschaftliche und – bedingt durch die bessere Bildung – auch intellektuelle Überlegenheit ausgenutzt wurde.“ Vermutlich ist Folgendes gemeint: „…, dass rücksichtslose Geschäftsleute ihre wirtschaftliche und – bedingt durch die bessere Bildung – auch intellektuelle Überlegenheit dazu einsetzten, wirtschaftlich Schwächere auszunutzen.“ Dass die Geschäftsleute ihre Überlegenheit ausnutzten, kann ich mir kaum vorstellen. Der Satz wäre allerdings vielleicht auch verständlich, wenn es hieße, „dass rücksichtslose Geschäftsleute ihre … Überlegenheit nutzten.“ -- Lothar Spurzem (Diskussion) 23:13, 21. Dez. 2016 (CET)Beantworten

Zucht- oder Zugtiere?[Quelltext bearbeiten]

Es heißt: „Produktionssteigerungen waren also in erster Linie durch den Einsatz von bisher unbekannten Produkten wie leistungsfähigerem Saat- und Pflanzgut, leistungsstärkeren Zuchttieren, Düngemitteln und ab Mitte des 19. Jahrhunderts Maschinen, mit denen Feldfrüchte schneller und dadurch witterungsunabhängiger bestellt und geerntet werden können, möglich.“ Soll es tatsächlich „Zuchttiere“ heißen oder „Zugtiere“? -- Lothar Spurzem (Diskussion) 23:27, 21. Dez. 2016 (CET)Beantworten

Zuchttier ist korrekt. Höhere Milchleistung, bessere Futterverwertung usw. waren auch schon damals ein Thema. Was natürlich nicht ausschließt, das für manche robustere Zugtiere das Zuchtziel war. --V ¿ 10:53, 24. Dez. 2016 (CET)Beantworten

Anmerkungen[Quelltext bearbeiten]

Der Artikel basiert vor allem auf der Dissertation von Katja Bauer - was ihm einerseits eine solide Grundlage gibt, aber die Perspektive auch eingrenzt. Bei Bauer geht es - wenn ich Deine Auswertung richtig interpretiere - vor allem um die Rolle Raiffeisens und des Wuchers bei Viehhaltung und Handel im beutepreußischen Umfeld, weniger in Ostelbien (?). Eingangs wird bei Deinem Artikel dementsprechend auch "(der Wucher auf dem Land) am Beispiel des Vorkommens auf preußisch beherrschten Territorien" und "in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts" eingegrenzt.

Was sicher fehlt und angemessen darzustellen eine besondere Herausforderung darstellt, ist das Zusammenspiel der vor allem katholisch geprägten Bauernvereine (und dem mächtigen und konservativen Agrarflügel des Zentrums) mit der jüdischen Emanzipation wie dem aufkommenden organisierte Antisemitismus. Ein markantes Beispiel ist Burghard Freiherr von Schorlemer-Alst, der 1848/49 als preußischer Sekondeleutnant an der militärischen Niederschlagung der „demokratischen Umtriebe“ im Rahmen der Feldzüge in Rheinland-Pfalz teilnahm. Aus katholisch-altständischer Sicht sah Schorlemer die Landwirtschaft durch den Liberalismus und Kapitalismus bedroht. Neben Ludwig Windthorst gehörte er zu den prononciertesten Gegnern Bismarckscher Innenpolitik und galt 1880 auch als prominenter Antisemit in der Zentrumspartei. An den Spitzen der Vereine standen (und stehen, man vergleiche Freiherr Constantin Heereman von Zuydtwyck, Ehrenvorsitzender des Beirates der Agravis Raiffeisen AG) typischerweise katholische Adelige. Die Rhetorik der großen Bauernvereine war damals durchaus antisemitisch eingefärbt. [1]. Gleichzeitig reichte allein der Trier Bauernverein zwischen 1884 und 1918 in insgesamt 13.500 Fällen Anti-Wucher-Klagen gegen Hopfen, Wein, Holz, Tabak und Getreidehändler ein. Die auch gegen den Wucher etablierten Bauernvereine waren zentrale Anlaufstellen zur Unterstützung der Primärproduzenten in ganz alltäglichen Fragen und tatsächlichen Notlagen. Sprich darzustellen wäre eine differenzierte Dialektik, wie bei anderen politischen Strömungen ja auch. Wie Du bereits andeutest, war Handel und die aufkommende Finanzwirtschaft auf dem Lande ja kein per se zu verteufelnde (vgl. allerdings Günter Dürr "Als man Geld noch beim ... lieh 1960) Bösartigkeit, sondern wirtschaftlich essentiell.

Zum nichtpreussischen Umfeld - Internationales

Super spannend wären Parallelen zu der populist party und entsprechenden Entwicklungen in den USA. Zeitlich und auch im Zusammenhang Vieh- wie Finanzwirtschaft Mitte bis Ende des 19. evident. Lies einfach mal Populist_Party#Gründung. Die amerikanische Antwort war nun weniger die Raiffeisensche Mikrofinanzwirtschaft als der Versuch, über eine Silberwährung an "leichtes Geld" für den Landwirtschaftsbereich zu kommen. Aber die Ursachen der Bauernrevolte und der zugehörigen politischen Bewegung waren dieselben.

Zum nichtpreussischen Umfeld - Badisches und unsymbadisches

Wucher auf dem Land wird bereits anhand der Hungerjahre 1812-1817 beschrieben, die von der damaligen Teuerung am meisten betroffen Regionen waren Baden, Württemberg und auch das benachbarte Bayern. Die massive Auswanderung aus Süddeutschland in die USA ist da begründet und war ein durchaus sinnvolles Gegenmittel, bei den Kings of Kallstadt, Pforzheim und Walldorf (Trump, Christopher Bechtler, Heintz, Astor) auch wirtschaftlich sehr erfolgreich.

Ab 1816/17 sind auch die Skandinavier und Neuenglandstaaten der USA betroffen, Osteuropa bis Polen hingegen weniger. In jedem Fall wäre sinnvoll, auch hier auf die zwischen 1815 und 1855 stattfindene Klimaverschlechterung hinzuweisen, die unter anderem mit dem Jahr ohne Sommer und dem Tamboraausbruch 1815 wie dem Daltonminimum zusammenhing. Besonders ausgeprägter Kreditwucher trat in Baden vornehmlich im Umfeld der Sonderkulturen auf, sprich Hopfen, Wein und Tabak. Das Großherzogtum hatte eine früh internationalisierte Forst- und Agrarwirtschaft, entlang der Rheinschiene und war von der Klimaveränderung besonders negativ betroffen. Im Hauptteil steht dann "besonders betroffene Gebiete waren ... die Rheinprovinz, Baden und das Reichsland Elsaß-Lothringen". Aber auch Württemberg is zu nennen - die Württembergische Landessparkasse wurde bereits 1818 auf Initiative von Johann Friedrich Cotta durch die württembergische Königin Katharina gegründet.

Kulturelles

Fehlt noch. Siehe Deine Disk ;)

Fazit

Das Lemma ist breiter als die tatsächlich dargestellte, allein schon hochinteressante Thematik, es etwas einzugrenzen erscheint mir sinnvoll. Ringelschnurz (Diskussion) 00:48, 24. Dez. 2016 (CET)Beantworten

Eher kurze Antwort;
Die von Dir beschriebene Problematik, das der Artikel sowohl zeitlich als auch räumlich nur einen Teilaspekt abdeckt, denke ich schon in der Einleitung thematisiert zu haben. Gegen ein beschreibendes Lemma habe ich mich entschieden, weil ich denke, dass kurzfristig niemand umfassend zur Situation in nichtdeutschsprachigen Regionen umfassend schreiben wird. Und wenn wäre dann immer noch Zeit entweder zu verschieben oder ausgehend vom Hauptartikel Wucher auf Nebenartikel mit ausführlicher Darstellung desselben in bestimmten Zeitabschnitten und Regionen zu verlinken.
Ansonsten - fühl Dich frei kulturelles zu ergänzen:-) Wenn ich den Artikel für umfassend ausgearbeitet halten würde stände er bei KALP. Es war nur ein zu seiner Zeit hochrelevantes Thema, was ich nicht nur in die Artikel zu F.W. Raiffeisen oder der Geschichte der ländlichen Genossenschaften abkippen wollte. An sich eher eine Auslagerung - und als solche nach einem Empfinden qualitativ besser wie die meisten WP-Artikel. --V ¿ 11:04, 24. Dez. 2016 (CET)Beantworten

Teilaspekt[Quelltext bearbeiten]

Man liest doch ab und zu die Aussage, dass sich der Ärger der Bauern vielfach gegen jüdische Viehhändler gerichtet habe. Ich sitze hier keineswegs einem primitiven antisemitischen Vorurteil auf. Beispielhaft heißt es bei Arthur Prinz, Avraham Barkai: Juden im Deutschen Wirtschaftsleben: Soziale und wirtschaftliche Struktur im Wandel 1850-1914. (Mohr Siebeck) auf S. 175: „Die so oft hervorgehobene Stellung der Juden im Großhandel und ihr Anteil an der Modernisierung des Einzelhandels, verdeckt die Tatsache, daß […] ein beträchtlicher Teil der im Handel beschäftigten Juden in ländlichen Gegenden mit Vieh und Agrarprodukten handelte. Noch 1917 wurden 25000 jüdische Viehhändler, über 60 % aller in ganz Deutschland im Viehhandel Tätigen, gezählt […] In Hessen, Baden, Württemberg, Franken, Rheinland und Westfalen blieb der Viehhandel zum größten Teil in jüdischen Händen. […] Hier waren vornehmlich die weniger entwickelten landwirtschaftlichen Gebiete mit ärmeren Bauern das eigentliche Betätigungsfeld der Juden, ein Umstand, der zu Spannungen führen musste, und durch antisemitische Agitatoren wie Wilhelm Boeckel [gemeint ist hier wohl eher Otto Böckel] in Hessen ausgenutzt wurde.“ (Google-Digitalisat – der link wird wahrscheinlich in Kürze nicht mehr abrufbar sein).

Im Artikel liest man gar nichts dazu, obwohl es einen sehr ausführlichen Abschnitt über „Viehwucher“ gibt. Das ist natürlich ein heikles Thema, weil es das Stereotyp des „jüdischen Wucherers“ berührt, aber es sollte doch nicht ganz aus so einem umfangreichen Artikel ausgeklammert werden. Schließlich hat es erheblich zur Ausbreitung antisemitischer Strömungen beigetragen. Gruß --Furfur Diskussion 16:37, 27. Dez. 2016 (CET)Beantworten

In dem Buch, welches praktisch die Grundlage des Artikels ist (und das ich nicht mehr zur Verfügung habe - war eine Fernleihe) wurde das Thema durchaus behandelt. wobei dort die antisemitischen Stereotype erwähnt wurden - aber dann mit dem Hinweis abgetan wurde, dass sie halt dem Zeitgeist entsprachen. Wobei sich die (kläglich vorhandene) Raiffeisen-Forschung der letzten Jahren so wie in Friedrich_Wilhelm_Raiffeisen#Zum_Judentum beschrieben zusammenfassen lässt.
Als Thema erschien es mir nicht relevant für diesen Artikel - eher ließe sich der Artikel Antisemitismus (bis 1945) damit ausbauen. Beste Grüße --V ¿ 15:22, 31. Dez. 2016 (CET)Beantworten
Ich wollte nur anmerken, dass das zumindest erwähnt werden sollte. Momentan ist es in diesem umfangreichen Artikel mit keinem Wort erwähnt. --Furfur Diskussion 16:44, 5. Jan. 2017 (CET)Beantworten
Die Verwendung von Wucher als auch antisemitischem Kampfbegriff im 19. (ich vermute, das ist damals sowas wie heute "Gentrifizierung" gewesen) kann man nur mit ordentlich TF oder nicht ganz einschlägigen Quellen abhandeln oder halt auslassen. Ganz glücklich bin ich auch nicht über die Situation. Ringelschnurz (Diskussion) 22:24, 5. Jan. 2017 (CET)Beantworten

Studien / Antisemitismus[Quelltext bearbeiten]

  • Antisemitismus in Deutschland 1815- 1918: Rezensionen – Forschungsüberblick ...

von Thomas Gräfe S.178.

  • Handbuch des Antisemitismus, Walter de Gruyter, 28.08.2013 Gräfe 252
  • Jüdisches Leben auf dem Lande: Studien zur deutsch-jüdischen Geschichte

von Reinhard Rürup S.353

  • Ausgegrenzt - Juden im Hochstift Paderborn in frühpreußischer Zeit

von Margit Naarmann Reales Problem: Die Steuererhebung

Demnach ist ein Zusammenhang (Land)Judentum - Wucher bis in die 1980er Jahre nicht weiter besonderes angezweifelt worden. Der Wucherdiskurs habe sich aber eher an alten Mythen als an der Realität orientiert, obwohl etwa in Hessen der Viehhandel mehrheitlich von Juden beherrscht wurde, sind aufgrund der Antiwuchergesetzgebung mehr Christen/Nichtjuden verurteilt worden. Propagandaschriften wie die sogenannte Güterschlächterliste und die zugehörige Propaganda im Gefolge Otto Böckels trugen zur Persistenz des entsprechenden Mythos bei. Das tatsächliche Problem war der Fiskus, sprich gerade Steuern wurden zunehmend nicht mehr in Naturalien sondern in monetär eingetrieben und zwar ohne viel Federlesens. Auch die VfSp-Studie Der Wucher auf dem Lande habe den (jüdischen) Wucher (mythos) durchaus perpetuiert. Imho kann man damit hier auch weiter ausbauen. Ringelschnurz (Diskussion) 20:08, 7. Jan. 2017 (CET)Beantworten