Dr. Dollfuß-Platz

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Straßenschild „Dr. Dollfuss Platz“ in Mank

Der Dr. Dollfuß-Platz,[1] auch kurz Dollfuß-Platz, befindet sich in Mank im Mostviertel in Niederösterreich. Es handelt sich bei diesem Platz um eine im öffentlichen Gut befindliche Verkehrsfläche, die sich 200 Meter nordwestlich des Stadtzentrums befindet. Baulich ist dieser als Kreuzung dreier Straßen (nämlich der Herrenstraße sowie deren Verlängerung, der Wieselburger Straße, wobei an deren Schnittpunkt die Alleestraße abzweigt) ausgeführt. Nördlich an diese Verkehrsfläche anschließend tragen zwei Objekte die offizielle Anschrift „Dr. Dollfuß-Platz“ zuzüglich Hausnummern, wobei in Ersterem die Bücherei der Stadt Mank untergebracht ist.[2] Der Platz wurde 1965 im Gedenken an den Bundeskanzler Engelbert Dollfuß benannt, welcher 1934 von aufständischen Nationalsozialisten ermordet wurde. Aufgrund der bis heute nicht abgeschlossenen Debatte um die historische Einordnung des diktatorisch regierenden Kanzlers ist die Benennung des Platzes Gegenstand wiederkehrender Kontroversen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Historischer Kontext[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Engelbert Dollfuß regierte seit der von ihm beförderten so genannten Selbstausschaltung des Parlaments im März 1933 diktatorisch. Bis Mitte des Jahres 1934 ließ er alle relevanten Oppositionsparteien (Sozialdemokraten ebenso wie Nationalsozialisten) verbieten und schuf auf Basis der Christlichsozialen Partei, aus der er selbst stammte, die Vaterländische Front, die Einheitspartei des nunmehrigen Ständestaates. Gleichzeitig war er um den Erhalt der Unabhängigkeit seines Staates gegenüber dem Dritten Reich und die Schaffung einer betont katholischen Österreich-Identität bemüht. Bei dem gescheiterten Juliputsch 1934 wurde er von Nationalsozialisten ermordet. Unter dem nunmehrigen Kanzler Kurt Schuschnigg wurde Dollfuß als christlicher Märtyrer inszeniert und mit zahlreichen Denkmälern, Benennungen und anderem geehrt. Aus dem nun so genannten „Heldenkanzler“ sollte eine Identifikationsfigur des fragilen Staates gemacht werden. Dieser Dollfuß-Kult endete mit dem Anschluss Österreichs im März 1938 jäh,[3] lebte jedoch nach 1945 in kleinem Rahmen und mit dem Schwerpunkt in Dollfuß’ niederösterreichischer Heimat wieder auf.[4]

Neubenennung 1965[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mank ist etwa acht Kilometer von Dollfuß’ Geburtsort Texing entfernt. Bereits im Jahr 1935 wurde die Texinger Straße in Dollfuß Straße umbenannt, wobei diese Bezeichnung 1938 wieder rückgängig gemacht wurde.[5] Auf Initiative des Bürgermeisters Leopold Eigenthaler (ÖVP) wurde anlässlich der Einführung von Straßennamen im Jahr 1965 beschlossen, Engelbert Dollfuß erneut zu ehren.[6] In einem 2002 ausgestrahlten Interview erklärte Eigenthaler: „Ich habe es sehr demokratisch gemacht. Ich habe niemanden gefragt“ (siehe unter „Weblinks“). Anders als oft kolportiert ist der Dollfuß-Platz in Mank nicht die letzte nach dem Kanzler benannte Verkehrsfläche, aber vermutlich die einzige, deren Benennung nach 1945 und durch die öffentliche Hand erfolgte. In katholischen Kreisen gibt es bis heute andere Ehrungen.[4]

Der Name des Platzes in Mank wird seit vielen Jahren kritisiert[7] und ist zusammen mit dem Dollfuß-Museum Gegenstand wiederkehrender Debatten.[8] Diese erreichten im Zuge der Nominierung des vormaligen Bürgermeisters der Gemeinde Texingtal, Gerhard Karner, zum Bundesminister für Inneres im Dezember 2021 einen vorläufigen Höhepunkt. Obwohl der amtierende Bürgermeister Martin Leonhardsberger (ÖVP) im Herbst 2022 ankündigte, den Platz umzubenennen, entschied sich der Gemeinderat der Stadt Mank in seiner Sitzung vom 4. November 2022 mehrheitlich für die Beibehaltung des Namens.[9] Wenige Tage zuvor war von Unbekannten ein Aufkleber mit einem Bild von Engelbert Dollfuss samt einem Kruckenkreuz und dem Text „Engelbert Dollfuß (Bundeskanzler 1932–1934), gefallen für den Glauben und für die Freiheit Österreichs“ an einem metallenen Steher am Dollfuß-Platz angebracht worden. Die Gemeinde Mank ließ diesen Aufkleber umgehend entfernen.[10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lucile Dreidemy: Der Dollfuß-Mythos. Eine Biographie des Posthumen. Wien 2014, Böhlau Verlag, S. 291 ff, ISBN 978-3-205-79597-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Straßenverzeichnis der Statistik Austria, SKZ 015723
  2. Doktor-Dollfuß-Platz · 3240 Mank · Österreich. Abgerufen am 13. Januar 2023.
  3. Lucile Dreidemy: ”Denn ein Engel kann nicht sterben”. Engelbert Dollfuß 1934-2012: eine Biographie des Posthumen. Wien / Straßburg 2012, S. 36 ff. (hal.science – Dissertation Universität Wien/Universität Straßburg).
  4. a b Lucile Dreidemy: ”Denn ein Engel kann nicht sterben”. Engelbert Dollfuß 1934-2012: eine Biographie des Posthumen. Wien / Straßburg 2012, S. 277 f. (hal.science – Dissertation Universität Wien/Universität Straßburg).
  5. Stadtgemeinde Mank: Mank. Hrsg.: Marktgemeinde Mank unter Bürgermeister Kammerrat Leopold Eigenthaler anlässlich der Fertigstellung des Rathauses. Mank 1976, S. 82.
  6. Lucile Dreidemy: Der Dollfuß-Mythos. 1. Auflage. Böhlau Verlag, Wien 2014, ISBN 978-3-205-79597-1, S. 294.
  7. Streit um letzten Dollfuß-Platz. In: derstandard.at. 4. Mai 2012, abgerufen am 12. Januar 2023.
  8. Suchergebnisse zum Begriff "Dollfuss". In: NÖN. 2022, abgerufen am 7. Januar 2023.
  9. Markus Glück: Wende: Dollfuß-Platz in Mank bleibt erhalten. In: www.noen.at. NÖN, 11. September 2022, abgerufen am 6. Januar 2023.
  10. Markus Glück: Wende - Dollfuß-Platz bleibt erhalten. In: NÖN (Hrsg.): Niederösterreichische Nachrichten Bezirk Melk. Nr. 45. NÖN, 9. November 2022, S. 27.

Koordinaten: 48° 6′ 45″ N, 15° 20′ 19,5″ O