Dritte-Mann-Phänomen

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Drei Bergsteiger

Das Dritte-Mann-Phänomen (engl. third man factor oder third man syndrome) beschreibt Situationen, in denen ein Mensch das Gefühl hat, eine unsichtbare Präsenz, wie beispielsweise ein Geist, würde ihn ermutigen und ihm während einer traumatischen Erfahrung beistehen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sir Ernest Shackleton beschrieb in seinem 1919 erschienenen Buch namens South, seinen Glauben, dass ein körperloser Kamerad ihm und seinen Männern auf dem letzten Abschnitt der Endurance-Expedition beistand, nachdem sie im Packeis gefangen waren und nur mühselig wieder in Sicherheit gelangen konnten. Shackleton schrieb, „während diesem langen und qualvollen Marsch, der sechsunddreißig Stunden lang über unbenannte Berge und Gletscher auf Südgeorgien ging, erschien es mir oft so, als wären wir zu viert und nicht zu dritt“.[1]  

„Wer ist der dritte, der neben dir läuft?

Wenn ich zähle, sind es nur wir zwei

Aber wenn ich weiter über die weiße Straße schaue

Ist da immer jemand, der neben dir läuft

Umhüllt von einem braunen Mantel, verschleiert

Ich weiß nicht, ob Mann oder Frau

- Aber wer ist das auf der anderen Seite von dir?“[2]

Die Zeilen 359 bis 365 aus dem 1922 erschienenen Stück Das wüste Land von T. S. Eliot sind von Shackletons Erfahrung inspiriert, was der Autor in den Notizen erklärte, die dem Werk beigelegt waren. Der Name dieses Phänomens ist durch „den Dritten“ in diesem Werk inspiriert (das Phänomen könnte auch bei einer Personen auftreten, die komplett alleine ist).

In den letzten Jahren haben viele Abenteurer, wie Extrembergsteiger Reinhold Messner und die Polarforscher Peter Hillary und Ann Bancroft davon berichtet, dieses Phänomen erlebt zu haben. Eine Studie an Abenteurern fand heraus, dass die größte Gruppe von Betroffenen Kletterer waren, die zweitgrößte Seefahrer und Schiffbrüchige und die drittgrößte Polarforscher.[3] Eine ähnliche Erfahrung wurde vom Bergsteiger Joe Simpson in seinem 1988 erschienene Buch Sturz ins Leere festgehalten, in welchem er von seiner Nahtoderfahrung erzählt, die ihm in den peruanischen Anden widerfahren ist. Simpson beschreibt „eine Stimme“, die ihn ermutigte und ihn lenkte, während er zu seinem Lager zurück kroch, nachdem er hoch auf dem Siula Grande eine starke Verletzung am Bein erlitt und von einer Klippe in einen Spalt fiel. Einige Journalisten haben das Dritte-Mann-Phänomen mit dem Konzept von Schutzengeln oder imaginären Freunden verglichen. Wissenschaftliche Erklärungen betrachten das Phänomen als Bewältigungsstrategie oder als Beispiel von bikamerale Psyche.[4] Das Konzept wurde durch das 2009 erschienene, von John G. Geiger verfasste, Buch, The Third Man Factor, populär.

In der modernen Psychologie wird das Dritte-Mann-Phänomen genutzt, um Menschen zu helfen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Der "kultivierte innere Charakter" soll für eingebildete Unterstützung und Trost sorgen.[5]

Literatur- und Film-Referenzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der von Geraldine McCaughrean veröffentlichten Novelle Weiße Finsternis, tritt die Jugendliche Heldin, Sym, einer zum Scheitern verurteilten Expedition in die Antarktis bei. Zurückgelassen und verloren wird sie von einem „dritten Mann“, ihrem imaginären Freund, Lawrence Oates, in Sicherheit gebracht.

In der von Larry McMurtry geschriebenen, 1985 erschienenen Western-Novelle Weg in die Wildnis überlebt Pea Eye, zusammen mit Gus, nur knapp einen Indianerangriff und wird auf dem Marsch zurück zu Call von einem „Geist“ oder „geistlichen Wesen“ geleitet.

Die von Thomas Pynchon geschriebene, 2006 erschienene Novelle Gegen den Tag zeigt Referenzen zu den Erfahrungen auf.

In der 2006 erschienenen Novelle Operation Zombie: Wer länger lebt, ist später tot, die von Max Brooks geschrieben wurde, macht Oberst Christina Eliopolis eine Notlandung inmitten eines von Zombies infizierten Gebiets, ist aber in der Lage zu überleben und gerettet zu werden, dank einem Himmelsbeobachter mit dem Codenamen „Mets Fan“, der sich später als pure Einbildung herausstellt. Sie bleibt in dem Glauben, dass Mets eine echte Person ist.

In dem 2006 erschienen Film The Guardian, fragt ein beinahe ertrunkener Matrose, welcher vom Rettungsschwimmer Jake gerettet wurde, „Wo ist er?“ und erzählt dann von einem Mann, der bei ihm blieb und ihn über Wasser hielt, bis Hilfe kam.

In dem 2013 erschienen Film Gravity schaut Biomedizin-Ingenieurin Ryan Stone dem Astronauten Matt Kowalski zu, während dieser ins Weltall schwebt, ohne dass Hoffnung auf Überleben besteht. Später im Film, als Ryan erschöpft und kurz vorm Aufgeben ist, sieht man, wie Kowalski erscheint und in ihre Raumkapsel eintritt, nachdem er scheinbar überlebte. Er gibt Ryan die Willenskraft um weiterzumachen und zeigt ihr, wie sie zurück zur Erde gelangen kann, bevor er als Einbildung von Ryan offenbart wird.

In dem 1984 erschienenen Film Cloak & Dagger wird Davey Osborne, ein Kind, das seine Fantasie nutzt, um seinen abwesenden Vater zu ersetzen, von Kriminellen verfolgt, welche versuchen versteckte Daten von einer seiner Spielkassetten zu bekommen. In extrem gefährlichen und stressigen Situationen erscheint ein Agent einer Spezialeinheit, namens Jack Flack, welcher auf scheinbar magische Weise Davey durch die Situationen führt. Bemerkenswert ist, dass der Charakter von Jack Flack und Daveys Vater beide vom selben Schauspieler, Dabney Coleman, gespielt werden.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ernest Shackleton: Mit der Endurance ins ewige Eis: Meine Antarktisexpedition 1914–1917. Piper ebooks, 2015, ISBN 978-3-492-97272-7 (google.de [abgerufen am 24. Juni 2023]).
  2. T. S. Eliot, Das wüste Land
  3. J. Harold Ellens: Miracles: God, Science, and Psychology in the Paranormal. Praeger Publishers, 2008, ISBN 978-0-275-99728-1 (google.com [abgerufen am 25. Juni 2023]).
  4. Third man theory of otherworldly encounters. 30. Januar 2009, abgerufen am 25. Juni 2023 (englisch).
  5. An adventurer's guardian angel: the third man. 12. September 2012, abgerufen am 6. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).