Dschundollah

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Lage der Provinz Sistan und Belutschistan in Iran

Dschundollah (arabisch جندالله, DMG Ǧundallāh ‚Soldaten Gottes‘, auch Dschundallah, englisch transkribiert Jundallah) ist nach Angaben des Außenministeriums der Vereinigten Staaten eine sunnitisch-islamistische terroristische[1] Organisation in Iran, die in der Provinz Sistan und Belutschistan aktiv ist. Die Organisation, die 2002 gegründet wurde, begann im Jahr 2005, Anschläge auszuüben.[2] Ein Sprecher der Organisation sprach von 1000 Kämpfern, die ihr zur Verfügung stehen.[3] Sie steht der dschihadistisch-salafistischen Terrororganisation Islamischer Staat nahe.[4]

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ihrem Selbstverständnis nach ist die Dschundollah eine religiös motivierte Rebellengruppe, die die Interessen der unterdrückten sunnitischen Glaubensbrüder verteidigt.[5] Die Dschundollah sind wahrscheinlich ein Ableger der Befreiungsbewegung Belutschistans.[6] Der Iran bezeichnet Dschundollah als terroristische Vereinigung und sieht seit 2007 die Organisation als „Staatsfeind Nummer eins“.[7] Die Organisation soll von Pakistan aus operieren und in den Drogenhandel mit Schlafmohn verwickelt sein.[8] Es wurde mehrfach über eine Unterstützung der Dschundollah durch die USA berichtet,[9][10][11][12][13][14][15] die US-Regierung bestreitet dies energisch. Auch sollen nach iranischen Angaben Mitarbeiter des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad als Mitarbeiter der CIA getarnt („unter falscher Flagge“), Männer der Dschundollah für Anschläge angeworben haben.[16] Israel bestreitet die Vorwürfe.[17]

Am 3. November 2010 wurde die Dschundollah in die Liste der ausländischen terroristischen Organisationen des US-Außenministeriums aufgenommen.[18]

Anführer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Anführer der Dschundollah, Abdolmalek Rigi, galt für Iran als Statthalter des Terrornetzwerks al-Qaida, da dieser in einer pakistanischen Koranschule ausgebildet wurde und an der Seite der afghanischen Islamisten gekämpft haben soll. Wie die sunnitischen Taliban und al-Qaida bezeichnete Rigi die Schiiten in seinen Reden als Kuffar.[19] Er wurde am 23. Februar 2010 von iranischen Sicherheitskräften festgenommen.[20] Rigi sei an Bord eines Flugzeugs gewesen, das auf seinem Weg von Dubai nach Kirgisien durch iranischen Luftraum flog. Iranische Abfangjäger sollen die Maschine zur Landung in Bandar Abbas gezwungen haben. Rigi wurde noch an Bord festgenommen[21] nach seiner Festnahme sagte Rigi dem iranischen Staatsfernsehen, dass die Vereinigten Staaten ihn für seine Aktionen entlohnt hätten[22][23] ob diese Aussage durch Folter während Rigis Inhaftierung im berüchtigten Evin-Gefängnis erzwungen wurde, ist ungewiss[24] die Vereinigten Staaten bestritten die Behauptungen Rigis jedenfalls[25] am 20. Juni 2010 wurde Rigi schließlich durch den Strang hingerichtet. Der Doppelanschlag vom 15. Juli 2010 wird als Rache für die Hinrichtung Rigis angesehen.[26][27]

Zugeschriebene Anschläge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Am 14. Dezember 2005 wurde auf den Wagen des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in der Provinz Sistan und Belutschistan nahe der Stadt Zabol ein Anschlag verübt. Ein Leibwächter des Präsidenten wurde getötet, ein weiterer verletzt.[28]
  • Am 16. März 2006 wurde in der Nähe der Stadt Tasuki eine Autokolonne angegriffen, in der zahlreiche hochrangige Amtspersonen der Provinz Sistan und Balutschistan saßen. Mindestens 22 Personen wurden getötet, 7 als Geisel genommen. Die Täter sollen laut diversen Quellen Polizeiuniformen getragen haben und bei der Kontrolle Polizeiausweise vorgezeigt haben. Nach dem Überfall sollen die Täter zusammen mit ihren Geiseln über die pakistanische Grenze geflohen sein. Die Gruppe forderte für den Austausch der Geiseln, die Freilassung von 5 gefangenen Mitgliedern der Dschundollah.[29][30]
  • Durch den Anschlag am 14. Februar 2007 bei Zahedan, bei dem 18 Mitglieder der Iranischen Revolutionsgarde getötet wurden, wurde die Organisation im Westen bekannt.[31]
  • Im Sommer 2007 wurden 41 iranische Lastwagenfahrer von Dschundollah nach Pakistan entführt, wo sie pakistanische Sicherheitskräfte schließlich allesamt befreien konnte[32]
  • Am 19. August 2007 wurden in der Nähe der Stadt Tschahbahar bis zu 30 Menschen entführt.[33]
  • Am 29. Dezember 2008 wurde ein Selbstmordanschlag auf ein Gebäude der Sicherheitskräfte in Saravan verübt. Bei dem Anschlag, ausgeführt von Abdul-Ghafoor Rigi, einem Bruder des Anführers, starben 4 Menschen, darunter 2 Polizeioffiziere, 20 Menschen wurden verletzt.[34][35]
  • Am 28. Mai 2009 kamen bei einem Anschlag auf eine Moschee in Zahedan 15 Gläubige ums Leben und etwa 50 weitere wurden verletzt.[36]
  • Am 18. Oktober 2009 wurden bei einer Selbstmordattacke in der Region Pischin der Provinz Sistan und Belutschistan, 29 Menschen getötet, darunter fünf ranghohe Kommandeure der Revolutionsgarde und 28 verletzt. General Nur Ali Schuschtari, der Vizekommandeur der Landstreitkräfte und der Kommandeur der Revolutionsgarden in Sistan-Balutschistan, General Mohammed Sadeh, wurden dabei getötet.[37]
  • Am 15. Juli 2010 sprengte sich in der großen Moschee in der Stadt Zahedan ein Selbstmordattentäter in die Luft. Kurz darauf attackierte ein zweiter Selbstmordattentäter die Helfer. Die Explosionen forderten über 27 Tote und 270 Verletzte.[38]
  • Am 15. Dezember 2010 kamen bei einem Anschlag in der Stadt Tschahbahar vor einer Moschee mindestens 38 Menschen ums Leben, 60 Menschen wurden verletzt. Die Dschundollah bekannte sich nach Angaben des Senders Al-Arabiya zu dem Anschlag.[39]
  • In der iranischen Stadt Char Bar attackierte am 19. Oktober 2012 ein Selbstmordattentäter eine schiitische Moschee und tötete dabei sich selbst und eine weitere Person und verletzte einige Menschen.[40]
  • In der Nacht zum 23. Juni 2013 wurden in einem pakistanischen Hotel am Fuße des Nanga Parbat neun Touristen und ein Pakistani erschossen.[41]
  • Am 13. Mai 2015 erschoss die Gruppe im pakistanischen Karatschi 40 Menschen in einem Bus, den sie zuvor stoppte. Dutzend weitere Menschen wurden verletzt.[42]

Reaktionen des Iran[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 30. Mai 2009, zwei Tage nach dem Anschlag von Zahedan, wurden 3 Männer aufgrund der Beteiligung am Bombenanschlag gehängt. Zwei Männer wurden am 2. Juni 2009 und 13 weitere mutmaßliche Mitglieder der Dschundollah im Juli 2009 gehängt.[43] Am 24. Mai 2010 wurde ein Bruder von Rigi, Abdolhamid, gehängt.[44] Am 20. Dezember 2010 wurden nach Angaben von Ebrahim Hamidi, dem Justizleiter der Provinz Sistan-Balutschistan, 11 Terroristen der Dschundollah in Zahedan gehängt.[45][46]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Office of the Spokesman – Washington, DC – November 3, 2010
  2. aljazeera.net vom 20. Juni 2010 Jundallah: Iran's Sunni rebels
  3. washingtontimes.com vom 16. Januar 2006 Sunni group vows to behead Iranians
  4. Dutzende Tote bei Anschlag auf Bus, Tagesschau.de, 13. Mai 2015
  5. Irans geheimnisvolle Rebellen. Dw-world.de, 20. Oktober 2009, abgerufen am 18. Juni 2010.
  6. Selig S. Harrison: Reiches Belutschistan, arme Belutschen - LMd. Abgerufen am 23. April 2020.
  7. Spiegel Nr. 35/2007 Al-Qaida gegen Mullahs
  8. Tagesschau: Blutiger Angriff auf die Revolutionsgarden (Memento vom 20. Oktober 2009 im Internet Archive), 18. Oktober 2009
  9. Daily Telegraph: US funds terror groups to sow chaos in Iran 25. Februar 2007
  10. Daily Telegraph Bush sanctions black ops against Iran 27. Mai 2007
  11. ABC News: The secret war against Iran (Memento vom 30. April 2012 auf WebCite) 3. April 2007
  12. The New Yorker: Preparing the battlefield 7. Juli 2008, Seymour M. Hersh
  13. publicintelligence.net: US-Backed Jundullah Responsible for Iran Mosque Bombing (Memento vom 19. Juli 2010 im Internet Archive) 16. July 2010
  14. Hintergrund.de: Iran: Eine Hinrichtung über die man nicht spricht 25. Mai 2010
  15. uni-kassel.de US-Geheimdienst CIA unterstützt „Dschundallah“-Terroristen im Iran
  16. spiegel.de vom 16. Januar 2012 Geheimkrieg unter falscher Flagge? (abgerufen am 17. Januar 2012)
  17. Raphael Ahren: Tough on Israel, fond of Iran: Jerusalem wary of incoming EU foreign policy czar. Abgerufen am 23. April 2020 (amerikanisches Englisch).
  18. http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2010/11/150332.htm
  19. Spiegel Nr. 35/2007 Al-Qaida gegen Mullahs
  20. Archivlink (Memento vom 31. Januar 2016 im Internet Archive) Reuters vom 23. Februar 2010
  21. Spiegel online vom 25. Februar 2010
  22. Rigi Claims U.S. Assistance to Jundallah. (PDF) 27. August 2009, abgerufen am 23. April 2020.
  23. Iran 'militant' claims US support. 26. Februar 2010 (bbc.co.uk [abgerufen am 23. April 2020]).
  24. Matt Roper: Inside 'black hole of evil' torture jail where British mum is on hunger strike. 14. Januar 2019, abgerufen am 23. April 2020.
  25. Secretary of State's Terrorist Designation of Jundallah. 27. April 2017, archiviert vom Original am 27. April 2017; abgerufen am 23. April 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/2009-2017.state.gov
  26. https://www.boell.de/de/navigation/naher-mittlerer-osten-9791.html
  27. 22 Tote nach Doppel-Selbstmordanschlag, FAZ, 16. Juli 2010
  28. Nazlia Fathi: nytimes vom 15. Februar 2007 Car Bomb in Iran Destroys a Bus Carrying Revolutionary Guards
  29. alischirasi.de vom 6. Mai 2006 Balutschistan am Rande einer Explosion?
  30. tehrantimes.com vom 21. Juli 2009 Brother of Jundullah leader makes new revelations
  31. Zeit online 15. Februar 2007 Großes Unruhepotenzial
  32. Saleem Shahid: Iranian hostages freed after clash with militants. 21. August 2007, abgerufen am 23. April 2020 (englisch).
  33. Süddeutsche.de vom 19. August 2007 Geiselnahme: 30 Menschen im Iran entführt
  34. tehrantimes.com vom 30. Dezember 2008 Jundullah responsible for Saravan bombing
  35. trust.org vom 15. Dezember 2010 (Memento vom 24. Dezember 2010 im Internet Archive) Jundollah, Iran's Sunni Muslim rebels
  36. Spiegel.de vom 28. Mai 2009 Mehr als ein Dutzend Tote bei Anschlag auf Moschee
  37. Spiegel Online: Anschlag tötet Kommandeure der Revolutionsgarden in Iran, 18. Oktober 2009
  38. Viele Tote bei Anschlägen vor Moschee, FAZ, 16. Juli 2010
  39. Spiegel.de vom 15. Dezember 2010 Viele Tote bei Anschlag auf Moschee
  40. Sputnik News - World News, Breaking News & Top Stories. Abgerufen am 23. April 2020 (englisch).
  41. Tote am Nanga Parbat: Extremisten bekennen sich zu Mordanschlag auf Touristen, Spiegel Online, 23. Juni 2013
  42. Dutzende Tote bei Anschlag auf Bus, Tagesschau.de, 13. Mai 2015
  43. trust.org vom 15. Dezember 2010 (Memento vom 24. Dezember 2010 im Internet Archive) Jundollah, Iran's Sunni Muslim rebels
  44. Archivlink (Memento vom 5. März 2012 im Internet Archive)
  45. PressTV vom 20. Dezember 2010 (Memento des Originals vom 23. Dezember 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.presstv.ir Iran executes 11 Jundullah terrorists
  46. Spiegel.de vom 20. Dezember 2010 Behörden lassen elf Extremisten hinrichten