Eaux d’Artifice

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Film
Titel Eaux d'artifice
Produktionsland USA
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1953
Länge 12 Minuten
Stab
Regie Kenneth Anger
Drehbuch Kenneth Anger
Produktion Kenneth Anger
Musik Antonio Vivaldi
Kamera Charles und Thad Lovett
Besetzung

Eaux d'artifice (übersetzt „Feuerwerk“ bzw. „Wasserspiele“) ist ein Avantgardefilm aus dem Jahr 1953, produziert von dem amerikanischen Regisseur Kenneth Anger, einem Pionier des queeren Kinos.[1][2] Der Film zeigt keine explizit homosexuellen Inhalte, doch man kann subtile Anspielungen herauslesen.[3] So konnte Anger den Film mitten in der McCarthy-Ära zeigen, ohne (wie bei seinem späteren Film Scorpio Rising) Verbote und Strafen zu riskieren.[4][5]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Film erzählt keine Geschichte, sondern er zeigt eine fließende, rhythmische Abfolge poetisch-erotisch-geheimnisvoller Bilder.[6] Man sieht eine Gestalt, gekleidet in weibliche und elegant wirkende Barock-Gewänder des 18. Jahrhunderts, die im Dunkel der Nacht zwischen Brunnen und Wasserspeiern im Garten der Villa d’Este wandelt. Ihr Gesicht ist nicht zu sehen. Sie taucht unversehens auf und verschwindet wieder, es wirkt wie ein „Versteckspiel in einem nächtlichen Labyrinth“.[7] Schließlich steigt sie in einen Brunnen und verschwindet darin.[8]

Die Filmbilder sind fast monochrom und in dunklen Blautönen gehalten. Geheimnisvolles Licht fällt auf die Statuen des Parks, auf steinerne Fratzen und wasserspeiende Münder. Wasser plätschert sanft über Steine, Fontänen speien Wasserperlen durch die Luft. Kein Wort wird gesprochen, man hört nur das Geräusch des Wassers, begleitet von der Winter-Musik aus den Vierjahreszeiten von Antonio Vivaldi.

Wie die meisten Filme von Kenneth Anger verfügt Eaux d'Artifice über einen verborgenen homosexuellen Subtext, der sich im Wesentlichen nur Menschen mit Vorkenntnissen über den Film oder einer 'eingeweihten' queeren Szene erschließt.

Produktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Radierung von Giovanni Battista Piranesi
Radierung von Giovanni Battista Piranesi (1720–1778), der Kenneth Angers Bildsprache inspirierte

Der Titel Eaux d'Artifice (den Titel könnte man als Wasserspiele übersetzen) spielt an auf Feux d'artifice (Feuerwerk oder Feuerspiele), einen früheren Film Kenneth Angers aus dem Jahr 1947.

Der Film wurde im Renaissance-Wassergarten der Villa d’Este in Tivoli in der Nähe von Rom aufgenommen. Die Schauspielerin, Carmilla Salvatorelli, war eine kleinwüchsige Person, die Anger durch den Filmregisseur Federico Fellini kennengelernt hatte. Diese Besetzung sollte einen veränderten Maßstab suggerieren, weil durch die extrem kleine Person die steinernen Monumente größer als real erschienen.[9] Anger sagte einmal, seine Filmtechnik sei stark inspiriert von den Radierungen des Giovanni Battista Piranesi in den Gärten der Villa d’Este, die ebenso geheimnisvoll, vielschichtig, fast mystisch anmuten wie Eaux d'Artifice.[9][10]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1993 wurde der Kurzfilm von der Library of Congress als „kulturell, historisch oder ästhetisch bedeutsam“ zur Aufnahme in das National Film Registry der Vereinigten Staaten ausgewählt.[11][12] „Seine fließende Ästhetik von Strömen und Musik in einem nächtlichem Labyrinth enthüllt einen von Angers perfektesten, elegantesten und hintergründigsten Filmen“, schrieb die Zeitschrift Artforum.[13] Die amerikanische Filmzeitschrift Senses of Cinema schrieb: „Eaux d'Artifice ist wohl einer der einfachsten und doch am perfektesten realisierten Filme des umstrittenen amerikanischen Avantgarde-Regisseurs Kenneth Anger.“[4]

Kenner der homosexuellen Kultur können dem Film verborgene (homo)sexuelle Subtexte entnehmen. So deutet etwa der Autor Richard Dyer die Wasserspritzer und -schauer als „Bacchanalien ejakulatorischer und urinärer Wollust“.[14] Der Filmkritiker Scott MacDonald war der Ansicht, Angers früheres Werk Fireworks sei ein Film über die Unterdrückung der Homosexualität (des Filmemachers) in den Vereinigten Staaten, wohingegen Eaux d'Artifice „eine Explosion von Vergnügen und Freiheit suggeriert“.[15][16][17]

Man kann Eaux d'Artifice aber laut Deborah Allison von Senses of Cinema einfach als „eine Ode an eine wundersame architektonische Schöpfung, ruhige Meditation über die visionäre Kraft der nutzbar gemachten Elemente oder als völligen Dreck sehen (...) seine perfekte Harmonie von Bild und Musik bleibt in Ausführung und Wirkung nahezu beispiellos und ist dazu bestimmt, noch lange nach dem Erlöschen des Lichts der Projektorlampe im Gedächtnis zu verweilen.“[4]

Anger selbst schrieb zu seinem Film: „Übergieße dich mit Wasser: so sollst du dem Universum ein Brunnen sein. Finde dich selbst in jedem Stern! Erlange für dich jede Möglichkeit!“[18]

Retrospektiven[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eagan, Daniel: America's Film Legacy. The Authoritative Guide to the Landmark Movies in the National Film Registry. Hrsg.: National Film Preservation Board USA. 2010, ISBN 978-0-8264-1849-4.
  • Dyer, Richard: Now You See It. Studies in Lesbian And Gay Film. Routledge, London 1990, ISBN 978-0-415-03555-2.
  • Hunter, Jack: Moonchild: the films of Kenneth Anger. London: Creation Books, 2002, ISBN 978-0-415-25499-1.
  • Suárez, Juan Antonio: Bike boys, drag queens & superstars: avant-garde, mass culture, and gay identities in the 1960s underground cinema. Bloomington: Indiana University Press, 1996, ISBN 978-0-253-32971-4

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Library of Congress: Eaux d'artifice. Abgerufen am 6. März 2021.
  2. Daniel Eagan: Eaux d’artifice. In: America's Film Legacy: The Authoritative Guide to the Landmark Movies in the National Film Registry. A&C Black, 2010, S. 481–482.
  3. Kinofenster.de: Queer Cinema - kinofenster.de. Abgerufen am 14. März 2021.
  4. a b c Deborah Allison: Eaux d’Artifice: Wet Dreams and Water Sports in the Garden of Delights – Senses of Cinema. Abgerufen am 6. März 2021 (amerikanisches Englisch).
  5. Axel Schock: Diffamierung und Emanzipation | bpb. Abgerufen am 14. März 2021.
  6. Videoex Schweiz: Eaux d’artifice. Abgerufen am 6. März 2021.
  7. Robert A. Haller: Kenneth Anger. In: The Equinox. 3. Jahrgang, Nr. 10, 1990, S. 239–60.
  8. Interview with Kenneth Anger. Electric Sheep, abgerufen am 23. August 2010.
  9. a b Scott MacDonald: A critical cinema: interviews with independent filmmakers. UCLA UP, 2006, ISBN 978-0-520-24595-2, S. 27–30 (google.com).
  10. VirginieSelavy: Interview with Kenneth Anger. In: Electric Sheep. 4. Juni 2009, abgerufen am 2. März 2021 (amerikanisches Englisch).
  11. Librarian Announces National Film Registry Selections (March 7, 1994) - Library of Congress Information Bulletin. In: www.loc.gov. Abgerufen am 30. September 2020.
  12. Complete National Film Registry Listing | Film Registry | National Film Preservation Board | Programs at the Library of Congress | Library of Congress. In: Library of Congress, Washington, D.C. 20540 USA. Abgerufen am 30. September 2020.
  13. Tom Gunning on Kenneth Anger. Abgerufen am 2. März 2021 (amerikanisches Englisch).
  14. Richard Dyer: Now You See It: Studies in Lesbian and Gay Film. Routledge, London 1990, S. 118.
  15. Scott MacDonald: A critical cinema: interviews with independent filmmakers. UCLA UP, 2006, ISBN 978-0-520-24595-2, S. 27–30 (google.com).
  16. Deborah Allison: Eaux d’Artifice: Wet Dreams and Water Sports in the Garden of Delights – Senses of Cinema. Abgerufen am 2. März 2021 (amerikanisches Englisch).
  17. Wer hat Angst vor Kenneth Anger? 26. Juni 2013, abgerufen am 2. März 2021.
  18. Museum Joanneum: Kenneth Anger Eaux d’Artifice, 1953. Presseinformation, 2007, abgerufen am 14. März 2021 (deutsch).
  19. International Film Festival Rotterdam 1978. Abgerufen am 10. März 2021.
  20. Karlovy Vary International Film Festival 2006. Abgerufen am 10. März 2021.
  21. National Film Preservation Board 1993. Abgerufen am 10. März 2021.
  22. Kenneth Anger Eaux d’Artifice, 1953. Abgerufen am 6. März 2021.
  23. Kenneth Anger - Eaux d´Artifice - n.b.k. - Video-Forum. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. September 2015; abgerufen am 6. März 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nbk.org
  24. Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. Abgerufen am 6. März 2021.