Eidgenössische Volksabstimmung über die Änderung des Verrechnungssteuergesetzes

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Die eidgenössische Volksabstimmung über die Änderung des Verrechnungssteuergesetzes fand am 25. September 2022 statt. Die Vorlage sah eine Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinserträge für Aktiengesellschaften und GmbHs vor. Da gegen die Gesetzesänderung das fakultative Referendum ergriffen worden war, kam die Vorlage zur Abstimmung. Das Volk lehnte sie mit 52 % ab.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Änderung des Verrechnungssteuergesetzes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die verabschiedeten Gesetzesänderungen haben eine Stärkung des Fremdkapitalmarktes sowie die Beseitigung von Hindernissen bei der Konzernfinanzierung zum Ziel. Das soll mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinserträge erreicht werden. Eine Ausnahme bilden Zinserträge aus Guthaben von natürlichen Personen im Inland bei Banken und Sparkassen sowie bei Versicherungsunternehmen. Somit wird die Verrechnungssteuer nur noch für inländische natürliche Personen und Einzelunternehmen erhoben.[1] Abgeschafft wird sie zugleich beim Kauf von Schweizer Obligationen sowie bei der Investition in Fonds, die Schweizer Obligationen enthalten. Dies gilt jedoch nur für den Neukauf; für bestehende Obligationen muss noch immer Verrechnungssteuer gezahlt werden. Weiter wird sie auf Zinsen von Bankkonten für juristische Personen (Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung etc.) sowie ausländische Anleger aufgehoben. Für in der Schweiz ansässige Personen wird diese Form der Verrechnungssteuer weiterhin erhoben.[2]

Die eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) gab auf Auftrag der WAK-N hin aktualisierte Schätzungen zu den finanziellen Folgen der Reform ab. Als temporärer Effekt werden Rückerstattungsanträge, die sich insgesamt ca. auf 1 Milliarde Franken berufen werden (Schätzung der ESTV), prognostiziert; die Rückerstattung der Verrechnungssteuer an die Anleger kann bis zu drei Jahre nach Fälligkeit des Zinses beantragt werden. Diese Schätzungen gehen alle vom im Jahr 2022 vorherrschenden Zinsniveau aus. Die prognostizierten Mindereinnahmen hängen stark davon ab, weshalb zuverlässige Prognosen nur eingeschränkt möglich sind. Der Bundesrat sowie die Bundesverwaltung gehen davon aus, dass die Reform allgemein zu Mehreinnahmen führen werde, weil ausländische Unternehmen vermehrt Geld in der Schweiz anlegen werden.[3]

Weitere Gesetzesänderungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abgesehen vom Verrechnungssteuergesetz werden ebenso das Bundesgesetz über die Stempelabgaben sowie das Finanzmarktinfrastrukturgesetz revidiert. Bei Ersterem wird die Umsatzabgabe (Art. 13 StG) auf Schweizer Obligationen abgeschafft. Die Umsatzabgabe fällt allgemein bei einer Übertragung von Wertpapieren an. Durch die Änderung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes wird der ESTV der Zugang zum Transaktionsregister gewährt. Dieses Register sammelt Daten zu Transaktionen von Derivaten.[4]

Behandlung der Änderungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Herbstsession 2021 befasste sich der Nationalrat zum ersten Mal mit der Vorlage. Zuvor waren in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N), die für die Vorberatung der Vorlage zuständig war, in der Eintretensdebatte im August 2021 zwei Rückweisungsanträge eingereicht worden. Im Namen der Kommission sprachen sich Céline Amaudruz (V) und Leo Müller (M-E) in der Eintretensdebatte dafür, auf die Vorlage einzutreten. Die Schweiz habe im Moment einen relativ unterentwickelten Fremdkapitalmarkt, da auf den Zinszahlungen jeweils 35 Prozent Verrechnungssteuer abgeführt werden müssten. Mit der geplanten Revision könne man aber den Fremdkapitalmarkt stärken und in der Schweiz neue Arbeitsplätze schaffen. Insgesamt habe diese Revision auch ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die eingeplanten Mindereinnahmen der Reform könnten auf Bundesebene nach bereits etwa fünf Jahren kompensiert werden, da die Reform mittelfristig zu Mehreinnahmen führen sollte.

Franziska Ryser (G) als Sprecherin der ersten Kommissionsminderheit, die die Rückweisung an den Bundesrat beantragte, warf dem Bundesrat vor, bei der Revision das Ziel aus den Augen verloren zu haben. Statt die Steuersicherung zu verbessern und den Bund vor ungerechtfertigten Steuerhinterziehungen zu schützen, wolle er einen weiteren Steuerabbau für Unternehmen und ausländische Anleger durchdrücken. Jacqueline Badran (S) als Sprecherin der zweiten Kommissionsminderheit beantragte ebenfalls Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat. Die Verrechnungssteuer auf Obligationen solle zwar abgeschafft, aber durch eine neue obligatorische Meldepflicht ersetzt werden. Denn keine Meldepflicht schaffe eine Grundlage für Steuerhinterziehung. Jene, die ehrlich Steuern bezahlen, würden von der Vorlage nicht profitieren.

Die Fraktionssprecher der Mitte-, der FDP- und der SVP-Fraktion sprachen sich geschlossen für Eintreten auf die Vorlage und gegen die beiden Rückweisungsanträge aus dem linken Lager aus.

Insgesamt folgte der Nationalrat bei der Detailberatung den Anträgen der Kommissionsmehrheit und nahm verschiedene Änderungen gegenüber der Fassung des Bundesrats vor. So soll auch die Verrechnungssteuer auf den Zinsen von indirekt über einen Schweizer Anlagefonds gehaltenen Obligationen abgeschafft werden, sofern diese Zinserträge separat ausgewiesen werden. Was die Umsatzabgabe anbelangt, so beschloss der Nationalrat, diese nicht nur auf Schweizer Obligationen, sondern auch für ausländischen Obligationen abzuschaffen. So soll der Markt für diese Art von Wertschriften in die Schweiz verlegt werden.

Am 2. Dezember 2021 behandelte die kleine Kammer bei der Detailberatung den Erlassentwurf zum ersten Mal, wobei sie gewisse Differenzen zum Nationalrat schuf. Die meisten dieser Unterschiede waren jedoch formaler Natur. In den Schlussabstimmungen nahmen der Nationalrat mit 125 zu 70 Stimmen und der Ständerat mit 31 Stimmen die Reform an.[5]

Fakultatives Referendum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 17. Dezember 2021 wurde die Änderung des Verrechnungssteuergesetzes in der Bundesversammlung angenommen. Am 7. April 2021 endete die Referendumsfrist von 100 Tagen, um 50'000 Unterschriften zu sammeln; das Referendum wurde jedoch schon am 5. April 2021 bei der Bundeskanzlei eingereicht.[6] Am 27. April verfügte die Bundeskanzlei das Zustandekommen mit 66'478 Unterschriften.[7] Am 25. September 2022 fand die Abstimmung über die Vorlage dar.[6]

Eidgenössische Volksabstimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abstimmungsfrage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

«Wollen Sie die Änderung vom 17. Dezember 2021 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer (Verrechnungssteuergesetz, VStG) (Stärkung des Fremdkapitalmarkts) annehmen?»

Haltungen der Parteien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ja-Parole: FDP, Die Mitte, EDU, glp, SVP

Nein-Parole: EVP, Grüne, SP[8]

Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kanton Stimmberechtigte Stimmbeteiligung Ja-Stimmen Nein-Stimmen Ja-Stimmen (in Prozent)
Schweiz 5,549,331 51.7 1,316,767 1,426,257 48.0
Zürich 960,684 50.6 226,929 243,125 48.3
Bern 746,279 53.8 161,153 220,791 42.2
Luzern 284,084 55.4 80,546 70,166 53.4
Uri 26,998 48.8 6,296 6,383 49.7
Schwyz 107,065 56.2 33,466 25,538 56.7
Obwalden 27,399 58.2 8,845 6,183 58.9
Nidwalden 31,737 56.5 10,871 6,472 62.7
Glarus 26,688 45.1 5,448 6,207 46.7
Zug 78,144 56.6 27,190 16,245 62.6
Freiburg 212,695 52.8 46,814 59,509 44.0
Solothurn 182,547 50.5 40,564 48,974 45.3
Basel-Stadt 114,039 53.6 23,264 34,234 40.5
Basel-Landschaft 190,927 50.9 42,583 49,359 46.3
Schaffhausen 53,575 67.9 15,990 16,572 49.1
Appenzell Ausserrhoden 38,994 54.9 10,800 10,070 51.7
Appenzell Innerrhoden 12,173 51.4 3,610 2,376 60.3
St. Gallen 329,981 50.5 86,110 76,207 53.1
Graubünden 141,475 48.3 34,904 30,522 53.3
Aargau 439,398 48.9 105,469 103,364 50.5
Thurgau 177,776 51.4 47,168 39,856 54.2
Tessin 224,811 52.3 56,067 55,548 50.2
Waadt 467,964 52.4 108,554 122,854 46.9
Wallis 231,452 49.5 52,547 54,684 49.0
Neuenburg 113,969 48.2 20,090 31,754 38.8
Genf 274,243 47.5 51,043 71,999 41.5
Jura 54,234 52.6 9,724 17,265 36.0

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. BBl 2021 976 Botschaft zu einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes (Stärkung des Fremdkapitalmarkts). (PDF) In: Bundesblatt. Bundeskanzlei, 14. April 2021, S. 22 f., abgerufen am 12. August 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
  2. Volksabstimmungen 25. September 2022. (PDF) In: Abstimmungsbüchlein. Bundeskanzlei, S. 61, abgerufen am 3. August 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
  3. Aktualisierung der finanziellen Auswirkungen 21.024 Verrechnungssteuergesetz. Stärkung des Fremdkapitalmarkts. (PDF) Eidgenössische Steuerverwaltung, 15. Dezember 2021, abgerufen am 12. August 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
  4. BBl 2021 976 Botschaft zu einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes (Stärkung des Fremdkapitalmarkts). In: Bundesblatt. Bundeskanzlei, 14. April 2021, S. 35, abgerufen am 12. August 2022.
  5. 21.024 Verrechnungssteuergesetz. Stärkung des Fremdkapitalmarkts. In: Curia Vista. Parlamentsdienste, abgerufen am 11. August 2022.
  6. a b Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (Verrechnungssteuergesetz, VStG) (Stärkung des Fremdkapitalmarkts) Chronologie. Abgerufen am 12. August 2022.
  7. Referendum gegen die Änderung vom 17. Dezember 2021 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer (Verrechnungssteuergesetz, VStG) (Stärkung des Fremdkapitalmarkts). Zustandekommen. In: Bundesblatt. Bundeskanzlei, abgerufen am 25. Februar 2023.
  8. Verrechnungssteuergesetz. In: Swissvotes. Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern, abgerufen am 3. August 2022.