Elektronische Zunge

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Eine elektronische Zunge ist ein Gerät, das den Geschmackssinn elektronisch imitieren soll.

Êine elektronische Zunge muss, ähnlich den Geschmacksknospen, mittels Mehrfeldsensoren organische und anorganische Verbindungen erkennen. Die ionensensitiven Elektroden weisen eine spezifische Empfindlichkeit gegenüber einem einzelnen Ion auf und reagieren sensibel auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Ionen und chemischen Verbindungen. Diese Eigenschaft wird als Querempfindlichkeit bezeichnet. Die Querempfindlichkeit der Elektroden gegenüber einzelnen Ionen unterscheidet sich jedoch voneinander, so dass jede Elektrode anders auf vorhandene Ionen reagiert. Aus der Reaktion der einzelnen Elektroden entsteht in einzigartiges Muster, aus er eine Identifikation eines Analyten möglich wird.[1]

Das Gesamtkonzept versucht die biologischen Sinne, sowohl in der Sensorik, als auch der Datenanalyse, zu kopieren und elektronisch umzusetzen. Daher gibt es neben der elektronischen Zunge auch noch eine elektronische Nase für gasförmige Stoffe. Die auswertende Elektronik entspricht der der elektronischen Zunge. Jedoch werden für die Sensorik gassensitive Detektoren verwendet.

Konzept[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die elektronische Zunge besteht aus den folgenden Elementen:

  1. einem Sensorarray
  2. einer signalerfassenden Elektronik mit A/D-Umsetzer
  3. Signalaufbereitung im PC
  4. Signalanalyse

Für die Signalanalyse kommen zum Einsatz:

  1. Clusterverfahren (Hauptkomponentenanalyse)
  2. Fuzzylogik
  3. künstliche neuronale Netze

Die auswertende Elektronik muss in der Lage sein, Muster wiederzuerkennen. Da sich die Ergebnisse, je nach Anzahl der im Sensorarray verwendeten Sensoren, über mehrere Dimensionen erstrecken (3 Sensoren = 3-dimensionaler Ausgangsvektor) und es immer zu den nicht vermeidbaren Messfehlern kommt, muss die Elektronik diese multidimensionale und unscharfe Daten verarbeiten können.

Anwendungsfelder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die elektronische Zunge ist in der Lage zwischen verschiedenen Gemischen zu differenzieren bzw. verschiedene Gemische miteinander zu vergleichen. Diese Fähigkeiten eröffnen dieser Technologie ein sehr weites Anwendungsspektrum. Anwendungsfelder wären beispielsweise:

Industrielle Analytik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Bereich der industriellen Anwendungen ermöglicht die elektronische Zunge eine Onlineüberwachung von verschiedenen Prozessen. So ist die elektronische Zunge in der Lage, den Grad an Alterung von Schmiermitteln zu bestimmen.[2] In der Automobilbranche ließe sich somit der Zeitpunkt bestimmen, zu welchem das Motor- und Getriebeöl verschlissen ist. Somit könnten Routineölwechsel entfallen und das Öl müsste nur zu dem Zeitpunkt gewechselt werden, zu dem es seine Gleitfähigkeit verloren hat. Der Einsatz der elektronischen Zunge würde somit sowohl die Unterhaltskosten für ein KFZ senken, als auch die Umwelt entlasten, da Altölabfälle minimiert werden würden.

Klinische Analytik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im klinischen Bereich bietet die elektronische Zunge die Möglichkeit, Laborkosten zu reduzieren und viele Untersuchungen nahezu in Echtzeit durchzuführen. Es könnten viele aufwendige chemische Analysen entfallen, da die elektronische Zunge in der Lage ist, verschiedene Verbindungen und Ionen in den Körperflüssigkeiten nachzuweisen, bzw. deren Konzentration zu überwachen. Auch kann ein direkter Vergleich zwischen den Körperflüssigkeiten eines kranken Patienten mit denen eines gesunden Patienten erfolgen. Gerade die Urinanalyse stellt hierbei ein interessantes Anwendungsfeld dar, da sich sogar eine routinemäßige Onlineüberwachung des Urins realisieren lassen könnte.

Nahrungsmittelanalytik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Nahrungsmittelindustrie stellt einen sehr wichtigen Anwendungsbereich für die elektronische Zunge dar. Da diese Technologie stark an die biologischen Sinne angelehnt ist, eignet sie sich für die Differenzierung diverser Nahrungsmittel. Im Gegensatz zu menschlichen Testern können bereits geringste Geschmacksuntrschiede nachgewiesen werden, was die elektronische Zunge für Qualitätskontrollen in der Lebensmittelindustrie prädestiniert.[3]

Umweltanalytik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch im Bereich der Umweltanalytik kann die elektronische Zunge Kosten senken und durch Onlineüberwachung mögliche Umweltbelastungen reduzieren. So bietet sich ihr Einsatz in der Überwachung des Abwassers von Kläranlagen und Industrieanlagen an. Schon geringe Verunreinigungen können frühzeitig erkannt werden, so dass eingegriffen werden kann, bevor eine tatsächliche Gefährdung der Umwelt eintreten würde. Die elektronische Nase kann, als elektronische Zunge für Gase, eine konkrete Überwachung von Geruchsbelästigung ermöglichen. Wird sie nach dem menschlichen Geruchssinn geeicht, so können wissenschaftlich fundierte Aussagen über die Belastung der Umwelt mit unangenehmen Gerüchen gemacht werden.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Künstliche Zunge aus Japan unterliegt auch Illusionen (Memento vom 10. Februar 2013 im Webarchiv archive.today) In: nano. 25. Februar 2002.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Yu. Vlasov et al.: NONSPECIFIC SENSOR ARRAYS (“ELECTRONICTONGUE”) FOR CHEMICAL ANALYSIS OF LIQUIDS. In: Pure Appl.Chem., Vol. 77, No. 11, pp. 1965–1983, 2005.
  2. Elektronische Zungen schmecken den Unterschied
  3. Forscher konstruieren elektronische Zunge