Energiesklave

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Richard Buckminster Fuller (1970er)

Der Begriff „energy slave“ (deutsch: Energiesklave) wurde 1940 von Buckminster Fuller geprägt und erfuhr beginnend in den 1960er Jahren eine gewisse Verbreitung, insbesondere im Kontext von Debatten über Ökologie und Globale Gerechtigkeit. Der Begriff dient als Veranschaulichung der Menge an Energie nicht-menschlicher Herkunft, die in einer Industriegesellschaft verbraucht wird. Dabei wird diese extern verbrauchte Energie in Relation zur physikalischen Arbeitsfähigkeit eines Menschen gesetzt.

Begriffsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei seinen Betrachtungen ging Buckminster Fuller davon aus, dass ein Energiesklave das Energieäquivalent der Arbeit sei, die ein gesunder jugendlicher Mensch verrichten könnte. Die Zahl der Energiesklaven, die verwendet wurden, ergab sich für ihn aus der Menge an Energie, die der Natur in Form von Wasserkraft, fossilen Brennstoffen, Wind und Lebensmitteln entnommen wurde. Des Weiteren ging er davon aus, dass an der Ostküste der Vereinigten Staaten 1940 135 Energiesklaven für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind arbeiteten, die in der Lage waren, ununterbrochen bei extremer Hitze und Kälte zu arbeiten.[1][2]

Auch der in Belgien geborene englische physikalische Chemiker Alfred Ubbelohde verwendete diesen Begriff in seinem Buch Man and Energy.[3]

Im deutschen Sprachraum ist die Einführung des Begriffes mit dem Namen Hans-Peter Dürr verbunden[4][5][6][7] und hat sich zu einem Schlüsselbild[8][9] der Umweltdebatte entwickelt.

„Der pro Kopf Energieverbrauch der Vereinigten Staaten liegt etwa bei 86.000 kWh pro Jahr. Jeder Amerikaner hat etwa 98,3 Personen-Equivalente an Energie und damit Maschinen, die für ihn arbeiten. Dies sind mehr Sklaven, als für einen römischen Adligen arbeiteten. Diese Energiesklaven treiben die Maschinen an, die Waren herstellen, unsere Felder pflügen und Bücher drucken.“

John E. Ross: BioScience April 1977[10]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bertrand de Jouvenel setzte sich kritisch mit dem Begriff des Energiesklaven auseinander. Er verwies unter anderem darauf, dass

  • diese Pseudo-Sklaven im Wesentlichen nicht gerecht bzw. gleichmäßig verteilt sind, sondern dass diese hauptsächlich an kollektiven Prozessen beteiligt sind. Es seien die Früchte ihrer Energie, die uns zur Verfügung stehen.
  • die Verwendung des Begriffes „slave-power“ (in Deutsch in etwa „Sklavenkraft“) impliziere eine Vielseitigkeit mechanischer Energie, die (Stand 1965) nicht angezeigt sei.
  • unsere Beherrschung viele Züge einer Symbiose aufweise: „ ... die Maschinen dienen uns nicht, wenn wir ihnen nicht dienen, und wir müssen unsere menschliche Organisation an unsere Ausrüstung anpassen.“[11]

Bob Johnson kritisiert, dass Begriffe, wie die des Energiesklaven soziale Probleme verdecken, indem das Fortbestehen schwerer körperlicher Arbeit herunter gespielt, von der Schichtung von Privilegien in der Wirtschaft abgelenkt und indem die ökologische Rolle, die fossile Brennstoffe in der modernen Gesellschaft und ihrer Klimakrise spielen, falsch dargestellt würden.[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jean-François Mouhot: Des esclaves énergétiques – Réflexions sur le changement climatique. Champ Vallon editions, 2011.[13]
  • Andrew Nikiforuk: The Energy of Slaves : Oil and the New Servitude. Greystone Books, 2012, ISBN 978-1-55365-979-2, S. 272.[14]
  • Bob Johnson, Mineral Rites: An Archaeology of the Fossil Economy. JHU Press, 2019, S. 256.[15]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Energiesklave – Sammlung von Bildern
  • Wie viel Power hat der Mensch?
  • Kapitalismuskritik zwischen Anführungsstrichen: „Energiesklaven“-Metapher
  • Michael Andritzky: Energiesklaven aus der Steckdose. (PDF) Zur Energie-Ausstellung im Deutschen Museum: „Wieviel Wärme braucht der Mensch?“ In: www.deutsches-museum.de. 1995, S. 7, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Juli 2020; (Faksimile der Zeitschrift „Kultur & Technik“ 3/1995).
  • Energiesklaven, stuartmcmillen.com

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. R. Buckminster Fuller: Vision 65 Summary Lecture. In: Perspecta. Band 11. The MIT Press on behalf of Perspecta., 1967, JSTOR:1566935 (englisch, Seite 58-63): “... The energy slaves in operation were determined by the amount of energies we were consuming from nature as waterpower, fossil fuels, wind, foods. ...”
  2. Robert S. Rouse, Robert OwensSmith: Energy : ressource, slave, pollutant :A physical science text. Macmillan, 1975, ISBN 0-02-404000-2 (englisch, google.com [abgerufen am 11. Dezember 2019]).
  3. Alfred René Ubbelohde: Man and energy. Penguin Books, 1963 (englisch, google.com [abgerufen am 11. Dezember 2019]).
  4. Hans-Peter Dürr im Gespräch. BR-Alpha, Alpha-Forum, Sendung vom 29. Mai 1998, PDF-Datei, S. 7. (br.de)
  5. Christiane Grefe: Energiesklaven in der Armutsfalle. Ohne Sonnen-, Wind- und Wasserkraft wird sich das Bevölkerungswachstum in der Dritten Welt nicht aufhalten lassen. zeit.de, 7. Oktober 1999, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. November 2007; abgerufen am 1. Januar 2017.
  6. Peter Bendixen: Zivilisationswende: Technischer Fortschritt und Wohlstand unter Stress. Springer-Verlag, 2012, S. 351 (Volltext in der Google-Buchsuche).
  7. Regina Oehler: Wir brauchen ein neues sparsames Leben. Keine Angst vor dem Ausstieg aus dem Hochleistungsenergiezeitalter, meint Regina Oehler in SWR2 am Morgen vom 22.3.2011. swr.de, 22. März 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. April 2017; abgerufen am 1. April 2017.
  8. Carl Amery, Hermann Scheer, Christiane Grefe: Klimawechsel: von der fossilen zur solaren Kultur. Kunstmann, 2001 (Volltext in der Google-Buchsuche).
  9. Peter Bendixen: Zivilisationswende: Technischer Fortschritt und Wohlstand unter Stress. Springer-Verlag, 2012, S. 351 (Volltext in der Google-Buchsuche).
  10. John E. Ross: From This Valley They Say We Are Going. In: BioScience. Band 27, Nr. 4. Oxford University Press on behalf of the American Institute of Biological Sciences, April 1977, JSTOR:1297700 (englisch, 6 S., Übersetzung): “The United States per capita energy consumption is about 86,000 kilowatt hours per year. Each American has some 98.3 man-equivalents of energy, and thus machines, working for him. This represents more slaves than worked for a Roman nobleman. These energy slaves drive the machines that manufacture goods, plough our fields, and print out books.”
  11. Bertrand de Jouvenel: Utopia for Practical Purposes (= 94. Nr. 2). The MIT Press on behalf of American Academy of Arts & Sciences, 1965, S. 437–453, JSTOR:20026918 (englisch).
  12. Bob Johnson: Energy Slaves: Carbon Technologies, Climate Change, and the Stratified History of the Fossil Economy. In: American Quarterly. Band 68, Nr. 4. The Johns Hopkins University Press, 2016, JSTOR:26360963 (englisch, S. 956 American Quarterly bzw, S. 3 des Dokumentes).
  13. Critical review by historian Fabien Locher: L’Histoire face à la crise climatique, November 2011; auf La vie des Idées.
  14. Andrew Nikiforuk: The Energy of Slaves: Oil and the New Servitude. 2012, ISBN 978-1-55365-979-2 (englisch, google.com).
  15. Bob Johnson: Mineral Rites: An Archaeology of the Fossil Economy. 2019, ISBN 978-1-4214-2756-0 (englisch, google.com).