Englandspiel

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Der Fall des Ikarus von Titus Leeser in Erinnerung an das Englandspiel im Van Stolkpark in Den Haag (1980)

Das Englandspiel, auch Unternehmen Nordpol genannt, war der Deckname einer deutschen Militäroperation zur gemeinsamen Spionageabwehr der deutschen Abwehr und der Sicherheitspolizei im Zweiten Weltkrieg in den Niederlanden. Niederländische Agenten, die im Vereinigten Königreich von der Special Operations Executive (SOE) für Spionage und Sabotage ausgebildet worden waren, gerieten in die Hände der Deutschen. Ihre Sendeanlagen wurden genutzt, um falsche Informationen nach Großbritannien zu übermitteln. Die SOE warf in den Niederlanden zwischen März 1942 und Mai 1943 über 50 weitere Agenten sowie Tonnen von Waffen, Sprengstoff und Sabotagematerial per Fallschirm ab, die bei der Landung von den Deutschen in Empfang genommen wurden.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im August 1941 wurde Major Hermann Giskes zum Leiter der Gegenspionage (III F) des OKW-Amtes Ausland/Abwehr in Holland zwecks Klärung von Agentenverbindungen mit London ernannt. Durch V-Männer, die er in die Untergrundbewegung eingeschleust hatte, erhielt er im November Kenntnis von einer Gruppe britischer Agenten in Den Haag. Huub Lauwers, ein niederländischer Journalist und Agent der SOE im Rang eines Leutnants, war am 7. November 1941 zusammen mit Thijs Taconis vom Vereinigten Königreich aus über den Niederlanden mit dem Fallschirm abgesprungen. Er schickte am 3. Januar 1942 seinen ersten verschlüsselten Bericht ins Vereinigte Königreich. Die Funküberwachung der Ordnungspolizei, die der Abwehr unterstellt war, ortete den Sender (Rufzeichen RLS) mit Gegenstelle in London und überwachte ihn. Sie erfasste Verkehrszeiten, Frequenzen und Wechsel, Funkdauer u. a. Giskes plante nach Aushebung ein Gegenspionage-Funkspiel, was Erfolg versprach, da es auch hier gelang, einen V-Mann einzuschleusen.

Beginn des Englandspiels[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Zugriff auf die „Gruppe RLS“ (britischer Deckname: Ebenezer) wurden vier Personen einschließlich Lauwers am 6. März 1942 von der deutschen Abwehr gleichzeitig festgenommen. Die erbeuteten Schlüssel ermöglichten die Entschlüsselung des aufgezeichneten Funkverkehrs, woraus sich für die Abwehr ein Bild über die Aufgaben, Pläne und Ziele der Gruppe ergab. Demnach sollten sichere Landeplätze zum Empfang von Waffen, Sabotagematerial und Agenten aus der Luft ausfindig gemacht, das Material gelagert sowie Mitarbeiter angeworben und ausgebildet werden. Für die Deutschen war dies eine einmalige Chance, weitere Geheimagenten in die Hände zu bekommen und den Briten irreführende Informationen zu geben.

Um die Kontinuität und Eigentümlichkeiten des Funkverkehrs zu sichern, war es für Giskes unbedingt nötig, den Funker einzubeziehen. Lauwers wurde im Gefängnis von Scheveningen festgehalten. Anfangs weigerte er sich, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten, ließ sich aber durch Giskes umstimmen, um das Leben von Thijs Taconis zu retten. Außerdem wollte er die SOE mit seinen Funksprüchen auf Basis vereinbarter Sicherheitscodes heimlich über seine Festnahme informieren.

Während seiner Ausbildung hatte Lauwers bei der SOE gelernt, in seinen Morse-Telegrammen einen absichtlichen Fehler einzubauen – der so genannte Security Check – und diesen Fehler wegzulassen, sobald er festgenommen war. Bei der Abwehr wusste man vom vorher festgenommenen Radiotelegraphisten Willem van der Reyden schon von der Existenz von Security Checks, aber man kannte nicht den individuellen Security Check jedes einzelnen Agenten. Lauwers machte die Deutschen glauben, sein Security Check bestünde aus dem Senden von „stip“ statt von „stop“. In Wirklichkeit hatte ihm die SOE beigebracht, jeden 16. Buchstaben falsch zu senden. Im Auftrag von Giskes sendete er am 8. März einen ersten Bericht nach London. Obwohl er in diesem Bericht seinen angeblichen Security Check („stip“ statt „stop“) an Stelle seines echten Security Checks verwendete, kam aus London keine entsprechende Reaktion.

Lauwers tat über die falschen Security Checks hinaus alles, was er konnte, um die Briten wissen zu lassen, dass er gefangen genommen war. So begann er am 28. März sein Telegramm mit den Buchstaben „GHT“ und beendete es mit „CAU“, was zusammengesetzt „CAUGHT“ (gefangen) bildete. Mitte Mai schickte er sogar drei Mal in einem Bericht das Wort „CAUGHT“. Auch diese Hinweise wurden von der SOE nicht beachtet.

Das „Spiel“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im April 1942 wurde Giskes durch „fremden“ Funkverkehr mit der SOE-Leitstelle sowie einen zufällig gefundenen toten Agenten, der beim Absprung umgekommen war, gewahr, dass die SOE weitere Unternehmungen dieser Art unabhängig von Ebenezer durchführte.

Durch für sie günstige Umstände gelang es der Abwehr, diese Unternehmungen zu kontrollieren: Beim Absetzen dreier weiterer Agentenpaare waren zwei Funkgeräte unbrauchbar geworden. Die Agenten nahmen Kontakt zueinander auf und sandten über das intakte Gerät der Gruppe „Trumpet“ nach London, woraufhin sie von dort beauftragt wurden, RLS zu kontaktieren. So fielen der Abwehr auch deren Chiffriermaterial, Kurzsignaltabellen u. a. in die Hand.

Die Abwehr war nicht befugt, Verhaftungen vorzunehmen. Die Festnahmen und die Internierung der feindlichen Agenten erfolgten daher unter Leitung von Kriminalrat Joseph Schreieder, der die gleichfalls mit Gegenspionage befasste Abteilung IV E beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Wilhelm Harster in den besetzten Niederlanden leitete.[1] Das Verhältnis zwischen der Abwehr und der Sicherheitspolizei (Sipo) war Giskes zufolge „kühl und korrekt.“[2] Auch Schreieder stellte die Zusammenarbeit rückblickend als problemlos dar.[3]

Im Mai 1942 verfügte Giskes über drei selbstständige Funklinien nach London sowie über Informationen über deren Abwurfplätze. Der am 27. Juni 1942 abgesetzte Agent George Louis Jambroes sollte Kontakt zum Ordedienst, einer niederländischen Widerstandsbewegung, aufnehmen und mit dessen Hilfe siebzehn Sabotage- und Widerstandsgruppen von je hundert Mann aufbauen, wobei jede zwei leitende Agenten (Funker und Instrukteur) aus England bekäme (Aktion Marrow). Dieses Schema entsprach auch dem Aufbau von Teilen der französischen Résistance.

Giskes übermittelte nach London, dass der Ordedienst von deutschen Agenten durchsetzt sei und er bzw. RLS stattdessen „unabhängige Patrioten“ heranziehen würde. In der Folge sprangen bis November 1942 neunzehn weitere Agenten ab, darunter fünf Funker mit eigenen Codes. Die Abwehr meldete der SOE, dass inzwischen 1.500 Agenten in Ausbildung seien. Die SOE sandte auf Anfrage fünf Tonnen Ausrüstungsmaterial. Bis Mai 1943 sprangen siebzehn weitere angekündigte Agenten, darunter sieben Funker mit eigenen Linien, der Abwehr direkt in die Arme.

Zeitweilig bestanden vierzehn Funklinien nach London, die die Berichte von über fünfzig Agenten zu übermitteln hatten. Giskes sechs Funker schafften die Bewältigung dieser Aufträge nicht mehr, weshalb er hierfür bereits eigenes Personal einsetzte. Er schlug der SOE in London vor, aus Sicherheitsgründen einige Marrow-Sender stillzulegen.

Im August 1942 forderte die SOE die Sprengung der Antennenanlage des Funksenders Radio Kootwijk, über den die deutsche Admiralität den Funkverkehr mit den U-Booten im Atlantik führte.[4] Im Frühjahr 1943 ordnete die SOE die Ermordung von Vertretern der Nationaal-Socialistische Beweging und anderen kollaborierenden Niederländern an und übermittelte eine Liste mit vierzehn Todeskandidaten.[5] Diese beiden Befehle konnten die Deutschen jedoch mit mehr oder weniger überzeugenden Ausreden im Sande verlaufen lassen.[6]

Ende des Englandspiels[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Ende zeichnete sich ab, seitdem die SOE ab Juni 1943 ihre Agenten absetzte, ohne sie vorher anzukündigen. Dadurch verloren die Deutschen, die die Fallschirmspringer bisher stets direkt nach der Landung verhaften konnten, die Kontrolle über die neuen in den Niederlanden tätigen SOE-Agenten, die ihrerseits zumindest zum Teil erkennen konnten, dass das bereits existierende Agentennetz nur ein von der Abwehr vorgegaukeltes Phantasieprodukt war.

Am 31. August 1943 gelang den Agenten Johan Bernard Ubbink und Pieter Dourlein der Ausbruch aus dem Gefängnis der Sicherheitspolizei in Haaren, wo die rund fünfzig SOE-Agenten in einem vierstöckigen Gebäude eines früheren Priesterseminars[7] gefangen gehalten wurden. Eine Großfahndung blieb erfolglos. Um die SOE irrezuführen, übermittelte Giskes, dass die beiden Agenten zum deutschen Geheimdienst übergegangen seien und vermutlich versuchen würden, im deutschen Auftrag England zu erreichen.

Im Oktober 1943 erfolgte der letzte avisierte Materialabwurf.[8] Anfang Dezember wurden die Nachrichten „derartig fade und farblos“,[9] dass kein Zweifel mehr daran erlaubt war, dass die Briten das Spiel durchschaut hatten. Einige Linien des Funkspiels, die von der SOE anscheinend für noch intakt gehalten wurden, wurden im Dezember 1943 von London gewarnt. Die anderen wurden nicht mehr gerufen.[10]

Die Deutschen ließen sich vorerst nichts anmerken und warteten darauf, was die SOE sich als Gegenspiel ausdenken würde. Die Funksprüche wurden aber zunehmend belangloser.[11] Im März 1944 schlug Giskes der Abwehr-Abteilung Berlin vor, das sinnlos gewordene Spiel zu beenden.[12] Am 1. April 1944 wurde das Englandspiel mit einer unverschlüsselten Nachricht an die SOE über alle noch aktiven Kanäle beendet:[13]

„An die Herren Blunt, Bingham und Co. Wir sind uns dessen bewusst, dass Sie bereits seit einiger Zeit ohne unsere Hilfe in Holland Geschäfte machen. Da wir während langer Zeit Ihre alleinigen Vertreter gewesen sind, finden wir dies recht unbillig. Doch schließt dies nicht aus, dass – möchten Sie je beschließen, uns einen Besuch in größerem Ausmaß zu machen – Ihnen derselbe gastfreie Empfang zuteil werden soll, wie Ihren Agenten.“

Ergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die SOE unterstützte die Organisation in Holland mit knapp zweihundert Abwurfaktionen,[14] bei denen zwölf viermotorige Bomber auf dem Rückflug von deutschen Nachtjägern abgeschossen wurden.[15] Den Deutschen fiel im Rahmen des Englandspiels neben einundfünfzig SOE-Agenten[16] auch umfangreiches Spionage- und Sabotagematerial in die Hände:[17]

  • 15 t Sprengstoff
  • 3.000 Maschinenpistolen
  • 5.000 Pistolen
  • 300 Maschinengewehre
  • 2.000 Handgranaten
  • 75 Sendegeräte
  • 100 Stablampen
  • 500.000 Schuss Munition
  • Bargeld in Höhe von 300.000 Gulden

Geliefert wurden auch Brandsätze mit Zeitzündern, Peilgeräte, Lautlose Pistolen, Sprechgeräte, Infrarotstablampen, Fahrradreifen, Regenmäntel, Gummistiefel, Schmierfett für Achsbrände an Zügen, magnetische Haftminen mit Unterwasser-Zeitzündern, pulverisierte Glassplitter für die Wäsche deutscher Soldaten, Totschläger u. a.[18] Ferner zum Aufbau von Kurierlinien über Brüssel-Paris nach Spanien und in die Schweiz erhebliche Geldmittel in den Währungen dieser Länder, sowie Blankopässe und Ausweise aller Art mit dazugehörigen Stempeln und Informationen über Stützpunkte im Raum Brüssel und Paris.

Den Erfolg des Englandspiels umschrieb Giskes wie folgt:[19]

„Um zwei Jahre war der Versuch der alliierten Geheimdienste verzögert, in Holland festen Fuß zu fassen. Die Einrichtung von bewaffneten Sabotage- und Terrororganisationen, die das rückwärtige Kampfgebiet des Atlantikwalls beunruhigen und die Verteidigung im entscheidenden Augenblick der Invasion lähmen sollten, waren verhindert.“

Das Schicksal der gefangenen Agenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sicherheitspolizei (SIPO) nahm unter Leitung von Kriminalrat Schreieder zwischen dem ersten im Rahmen des Englandspiels angekündigten Agentenabwurf am 28. März 1942 und dem letzten am 22. Mai 1943 einundfünfzig SOE-Agenten gefangen.[16] Die meisten von ihnen wurden von der SIPO anschließend in Haaren in einem ehemaligen Priesterseminar, das seit 1941 als Polizei- und Untersuchungsgefängnis diente, festgehalten. Major Giskes von der Abwehr hatte sich im Juni 1942 vom Reichssicherheitshauptamt schriftlich zusichern lassen, dass die gefangenen Agenten nicht zur Höchststrafe verurteilt und somit am Leben bleiben würden.[20] Dennoch haben nur drei von ihnen überlebt.

Nachdem am 22. November 1943 erneut drei Häftlinge – Van der Giessen, Van Rietschoten und Wegner – aus Haaren ausgebrochen waren, wurden die übrigen – mit Ausnahme von Huub Lauwers, Hendrik Jordaan und Beatrice Terwidt – in ein Gefängnis bei Assen verlegt,[21][22] das als ausbruchssicherstes Gefängnis in den Niederlanden galt.[23] Gleichzeitig verlor Schreieder, den man für den Ausbruch verantwortlich machte, die Verfügungsgewalt über die SOE-Agenten.[22]

Nach Abbruch des Englandspiels, als Giskes Begründung, er müsse die Männer ständig für Rückfragen zur Verfügung haben, entfiel,[24] wurden die Gefangenen in das Gefängnis von Rawicz fünfzig Kilometer nördlich von Breslau[25] verlegt, wo mehrere umkamen. Im September 1944 kamen sie in das KZ Mauthausen.[26] Fünfunddreißig der im Rahmen des Englandspiels gefassten niederländischen Agenten wurden dort am 6. und 7. September 1944 von der SS liquidiert.

Zwischen 28. März 1942 und 22. Mai 1943 verhaftete Agenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nr. Nachname Vorname Geboren Absprung Schicksal Gestorben
1 Andringa Leonardus Theodoris Cornelis 22.11.1913 28.03.1942 Mauthausen 06.09.1944
2 Arendse Pieter Arnoldus 14.02.1912 10.03.1943 Mauthausen 07.09.1944
3 Baatsen Arnoldus Albert 11.04.1918 28.03.1942 Mauthausen 07.09.1944
4 Bakker Jacob 01.05.1917 28.10.1942 Vermisst
5 Beukema toe Water Karel Willem Adriaan 20.06.1909 25.09.1942 Mauthausen 07.09.1944
6 Boogaart Pieter Cornelis 10.08.1912 10.03.1943 Mauthausen 07.09.1944
7 Bor van de Klaas 05.03.1913 17.02.1943 Mauthausen 06.09.1944
8 Braggaar Cornelis Carel 23.09.1913 17.02.1943 Mauthausen 06.09.1944
9 Brey de Oscar Willem 01.10.1921 22.05.1943 Mauthausen 07.09.1944
10 Buizer Johannes Joh. Corn. 11.09.1918 22.06.1942 Mauthausen 06.09.1944
11 Bukkens Joseph 08.06.1919 27.06.1942 Mauthausen 07.09.1944
12 Dane Johannes Cornelis 27.04.1912 28.10.1942 Mauthausen 07.09.1944
13 Dourlein Pieter C. 02.02.1918 10.03.1943 Überlebt 31.05.1976
14 Drooglever Fortuin Cornelis 10.04.1922 25.09.1942 Mauthausen 07.09.1944
15 Giessen van der Arie Cornelis 02.08.1916 01.10.1942 Haaren 10.06.1944
16 Haas de Johannes Henricus Marie 07.02.1918 09.04.1942 Mauthausen 07.09.1944
17 Hemert van Gerard John 28.04.1920 24.07.1942 Mauthausen 07.09.1944
18 Hofstede Jan 17.12.1918 25.10.1942 Mauthausen 06.09.1944
19 Hulsteijn van Cornelis Eliza 08.02.1912 17.02.1943 Mauthausen 07.09.1944
20 Jambroes George Louis 22.05.1905 27.06.1942 Mauthausen 07.09.1944
21 Jongelie Roelof Christiaan 25.02.1913 25.09.1942 Mauthausen 06.09.1944
22 Jordaan Hendrik Johan 09.07.1918 29.03.1942 Mauthausen 03.05.1945
23 Kamphorst Pieter 24.11.1894 22.10.1942 Mauthausen 07.09.1944
24 Kist Jan Christiaan 22.09.1912 19.02.1943 Vermisst
25 Klooss Barend 22.10.1913 05.04.1942 Mauthausen 06.09.1944
26 Koolstra Meindert 04.06.1917 22.10.1942 Mauthausen 07.09.1944
27 Kruyff de Arie Johannes 06.11.1912 29.11.1942 Mauthausen 07.09.1944
28 Macaré Humphrey Max 12.10.1921 25.10.1942 Vermisst
29 Mink Anton Berend 21.10.1918 22.05.1943 Mauthausen 07.09.1944
30 Molenaar Jan 12.04.1918 28.03.1942 Tod nach Landung 28.03.1942
31 Mooy Adriaan Klaas 11.07.1919 25.09.1942 Vermisst
32 Niermeijer Willem Johan 02.05.1914 29.03.1942 Mauthausen 07.09.1944
33 Os van Gerard (Cornelis) 02.05.1914 19.02.1943 Mauthausen 06.09.1944
34 Overes Herman Johannes 19.10.1908 30.11.1942 Vermisst
35 Pals Michiel 04.05.1912 22.10.1942 Mauthausen 07.09.1944
36 Parlevliet Hermanus 16.05.1916 29.05.1942 Vermisst
37 Pouwels Charles Christiaan 25.09.1923 25.10.1942 Vermisst
38 Punt Laurentius Maria 13.10.1918 22.05.1943 Mauthausen 07.09.1944
39 Ras Gozewijn Hendrik Gerard 28.08.1914 29.03.1942 Mauthausen 07.09.1944
40 Rietschoten van Jan Jacob 25.08.1921 22.06.1942 Haaren 10.06.1944
41 Rouwerd Frederik Willem 31.05.1912 22.04.1943 Vermisst
42 Ruseler George Lodewijk 27.02.1922 29.11.1942 Mauthausen 07.09.1944
43 Sebes Hendrik 23.07.1919 05.04.1942 Mauthausen 07.09.1944
44 Steeksma Horst Reinder 14.10.1919 25.10.1942 Mauthausen 07.09.1944
45 Steen van Antonius 05.02.1912 29.05.1942 Vermisst
46 Terwindt Beatrice Wilhelmina Marie Albertina 27.02.1911 14.02.1943 Überlebt 07.04.1987
47 Ubbink Johan Bernard 22.05.1921 30.11.1942 Überlebt 31.04.1993
48 Uytvanck van Ivo 07.07.1917 22.04.1943 Mauthausen 07.09.1944
49 Wegner Anthonius Johannes 20.09.1915 22.04.1943 Mauthausen 07.09.1944
50 Wilden van der Pieter 08.05.1914 19.02.1943 Mauthausen 07.09.1944
51 Wilden van der Willem 01.06.1910 19.02.1943 Mauthausen 07.09.1944

Querverbindungen zwischen der SOE und dem britischen Auslandsgeheimdienst MI6 brachten die Sipo auch auf die Spur von unabhängig operierenden Agenten, von deren Existenz ursprünglich nichts bekannt war.[27] Hierzu gehörte der in der obigen Tabelle genannte Niermeijer.[28] Im Mai 1942 wurden die MI6-Agenten Ernst de Jonge und Felix Dono Ortt, die bereits vor Beginn des Englandspiels in den Niederlanden abgesetzt worden waren, verhaftet. Sie kamen unter unbekannten Umständen ums Leben.[29] Die weiter unten erwähnten Agenten Alblas, Emmer, ter Laak und Radema, die ebenfalls vor Beginn des Englandspiels vom MI6 abgesetzt worden waren, wurden in Mauthausen ermordet.[30]

Denkmal im KZ Mauthausen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hinter dem Arrestgebäude vom KZ Mauthausen soll die Asche der siebenundvierzig umgebrachten SOE-Agenten verscharrt worden sein.
Gedenktafeln hinter dem Arrestgebäude im KZ Mauthausen (1968)

Die Nederlands Oorlogsgravenstichting hat 1968 hinter dem Arrestgebäude des KZ Mauthausen eine Tafel mit den Namen von siebenundvierzig im September 1944 liquidierten SOE-Agenten angebracht.[31] Auf drei weiteren Tafeln in niederländischer, englischer und deutscher Sprache steht dort:

„Am 6. und 7. September 1944 sind in diesem Lager 40 niederländische und 7 britische Kriegsgefangene grausam von den Nazis ermordet worden. Es waren Sonderagenten die mit einem speziellen Auftrag mit Fallschirm über deutschem besetzten Gebiet abgesprungen waren. Ihre Körper wurden im Lagerkrematorium verbrannt. Mit grosser Gefahr für das eigene Leben haben yugoslawische und russische Gefangene die Asche dieser Kriegshelden an dieser Stelle begraben. Stiftung Niederländische Kriegsgräberfürsorge.“

Die siebenundvierzig Opfer auf diesem Denkmal waren

  • Fünfunddreißig niederländische Agenten, die nach dem 28. März 1942 im Rahmen des Englandspiels in den Niederlanden abgesprungen waren und in der Tabelle oben enthalten sind
  • Fünf niederländische Agenten, die schon vor dem 28. März 1942 in den Niederlanden abgesprungen waren[16] und in der folgenden Tabelle stehen
  • Sieben britische SOE-Agenten, die den Deutschen in Frankreich in die Hände gefallen waren[31] und in der folgenden Tabelle stehen
Niederlande
1 Alblas Aart Hendrik
2 Emmer Jan
3 Laak ter Johannes Hermanus Arnoldus Maria
4 Radema Evert
5 Taconis Thijs
Frankreich
1 Bloom Marcus
2 Clement George
3 Jones Sydney C.
4 Newman Isidore
5 Norman Gilbert
6 Wilkinson Edward
7 Young John C.

Überlebende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Huub Lauwers blieb dieses Schicksal erspart. Auf Veranlassung von Giskes blieb er zunächst in Haaren. Wegen der Isolierung der Abwehr nach dem „Fall Hans Oster“ und ihrer späteren Umstrukturierung hatte Giskes jedoch kaum noch Einfluss auf das Schicksal der Gefangenen, die formell der Sicherheitspolizei unterstanden. Am 26. April 1945 wurde Lauwers bei Rathenow aus dem KZ Oranienburg durch sowjetische Streitkräfte befreit.

Pieter C. Dourlein und Johan Bernard Ubbink überlebten, weil ihnen am 31. August 1943 die Flucht aus Haaren und im Februar 1944 die Rückkehr nach England gelang. Allerdings wurden sie dort als deutsche Doppelspione verdächtigt, im Mai 1944 verhaftet und fanden in Brixton weitaus schlimmere Haftbedingungen als vorher in deutschem Gewahrsam.[32] 1950 wurden ihnen dritt- und viertklassige Auszeichnungen verliehen, was indirekt ihre Rehabilitierung bedeutete.[32]

Beatrice Terwindt, die einzige Frau unter den niederländischen SOE-Agenten, kam in das KZ Ravensbrück und Anfang 1945 nach Mauthausen, wo sie das Kriegsende überlebte.

Nach dem Krieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Fall des Ikarus im Van Stolkpark in Den Haag von Titus Leeser (1980)
Gedenktafel zum Englandspiel im Binnenhof in Den Haag (1980)
Niederländisches Monument im KZ Mauthausen von Appie Drielsma (1986)

Nach dem Krieg wurde Huub Lauwers, der nachweisen konnte, dass er im Rahmen seiner Kollaboration mit der deutschen Abwehr immer wieder – allerdings in London ignorierte – Warnungen in seine Funksendungen eingebaut hatte,[33] von der niederländischen Königin Wilhelmina geehrt.

Hermann J. Giskes gehörte nach seiner Internierung in Großbritannien und den Niederlanden ab 1946 zu den ersten Mitarbeitern der Organisation Gehlen und des späteren Bundesnachrichtendienstes. 1951 veröffentlichte er seine Erinnerungen unter dem Titel „Spione überspielen Spione“ mit einem Nachwort von Huub Lauwers. Die 1953 veröffentlichte englische Buchversion London Calling North Pole führte im Vereinigten Königreich zu einer Parlamentsanfrage der oppositionellen Labour Party zur Klärung des Wahrheitsgehalts. Der Regierungssprecher teilte mit, dass der Sachverhalt „unhappily true“ sei. Eine parlamentarische Untersuchung wurde abgelehnt, da es nicht im öffentlichen Interesse sei, Angelegenheiten des Geheimdienstes öffentlich zu debattieren.[34]

Joseph Schreieder wurde erst am 17. März 1949[35] nach eingestellten Verfahren und einem Freispruch von den Niederländern nach Deutschland abgeschoben und kam anschließend ebenfalls bei der Organisation Gehlen unter. Er veröffentlichte 1950 seine Erinnerungen unter dem Titel Das war das Englandspiel.

1955 drehte Duilio Coletti den italienischen Spielfilm „Londra chiama Polo Nord“ (dt.: London ruft Nordpol) frei gestaltet nach Spione überspielen Spione von Hermann J. Giskes. Die Handlung wurde nach Amsterdam verlegt und Giskes als „Bernes“ von Curd Jürgens „in seiner besten Rolle seit langem“[36] besetzt. Sein Gegenspieler Joseph Schreieder wurde als „Hermann“ von René Deltgen gespielt und eine Liebesgeschichte mit einer von Dawn Addams dargestellten „Mary“ hinzugefügt.

1968 brachte die Stiftung Niederländische Kriegsgräberfürsorge im KZ Mauthausen hinter dem Arrestgebäude Gedenktafeln für die umgebrachten SOE-Agenten an, wo 1944 deren Asche verscharrt worden sein soll.

Am 3. Mai 1980 weihte Königin Juliana, die wenige Tage zuvor zu Gunsten ihrer Tochter Beatrix abgedankt hatte, im Van Stolkpark in Den Haag in der Nähe des ehemaligen Sitzes der niederländischen Außenstelle der Abteilung III F der Abwehr im Hogeweg[37] die Skulptur „Der Fall des Ikarus“ von Titus Leeser in Erinnerung an das Englandspiel ein. Der niederländische Text lautet:

„Sie sprangen in den Tod für unsere Freiheit. Englandspiel 1942–1944. In dankbarer Erinnerung an die 54 niederländischen Agenten und an die vielen im Nachrichtennetzwerk.“

Ebenfalls am 3. Mai 1980 wurde im Binnenhof, wo die deutsche Sicherheitspolizei ihren Sitz hatte und die gefangenen Agenten als erstes untergebracht wurden, eine Gedenktafel mit folgendem niederländischen Text enthüllt:

„Sie sprangen in den Tod für unsere Freiheit. Englandspiel 1942–1944. In dankbarer Erinnerung an die 54 niederländischen Agenten und an die vielen im Nachrichtennetzwerk. Gefangen wurden viele von ihnen in dieses Gebäude geführt.“

Die Namen der vierzig niederländischen in Mauthausen umgebrachten SOE-Agenten sind auch unter den 1660 Namen auf den Bronzeplatten des niederländischen Monuments von Appie Drielsma zu finden, das 1986 im KZ Mauthausen eingeweiht wurde.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joseph Schreieder: Het Englandspiel, van Holkema & Warendorf, Amsterdam 1949.
  • Hermann J. Giskes: Abwehr III F de duitse contraspionnage in Nederland. De Bezige Bij, Amsterdam 1949.
  • Joseph Schreieder: Das war das Englandspiel. Walter Stutz, München 1950.
  • Hermann J. Giskes: Spione überspielen Spione. Hansa Verlag Josef Toth, Hamburg 1951. – Neuauflage: London ruft Nordpol. Das erfolgreiche Funkspiel der deutschen militärischen Abwehr. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 1982, ISBN 3-404-65046-8.
  • Jelte Rep: Englandspiel. Spionagetragedie in bezet Nederland 1942–1944, Van Holkema & Warendorf, Bussum 1977, ISBN 90-269-4561-2.
  • Pieter Hans Hoets: Englandspiel ontmaskerd. Schijnstoot Op Nederland En België 1942–1944. Ad. Donker, Rotterdam 1990, ISBN 90-6100-345-8.
  • Jo Wolters: Dossier Nordpol. Het Englandspiel onder de loep. Boom, Amsterdam 2003, ISBN 9-05352-882-2.
  • Hans Schafranek: Unternehmen „Nordpol“. Das Englandspiel der deutschen militärischen Abwehr in den Jahren 1942–1944. In: Hans Schafranek, Johannes Tuchel (Hrsg.): Krieg im Äther. Widerstand und Spionage im Zweiten Weltkrieg. Picus-Verlag, Wien 2004, ISBN 3-85452-470-6, S. 247–291.

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Schafranek (2004), S. 248.
  2. Giskes (1982), S. 56.
  3. Schreieder (1950), u. a. S. 114, S. 380.
  4. Giskes (1982), S. 159ff.
  5. Giskes (1982), S. 176ff.
  6. Schafranek (2004) S. 267f.
  7. Giskes (1982), S. 192.
  8. Giskes (1982), S. 188.
  9. Giskes (1982), S. 201.
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