Ernst Lürßen

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Ernst Lürßen (geboren am 21. Oktober 1930 in Kiel; gestorben am 19. September 2020 in Berlin) war ein deutscher Psychiater und Psychoanalytiker.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Er wurde als zweites Kind von Johann Lürßen, einem Schiffsingenieur und 1. Maschinisten, und Erna Lürßen (geb. Frost), einer Postbeamtin, geboren. Seine psychoanalytische Ausbildung erhielt er am Berliner Psychoanalytischen Institut (Karl Abraham Institut), die Lehranalyse erfolgte durch Käthe Draeger. Nach dem medizinischen Staatsexamen und Promotion in Kiel zog er 1957 endgültig nach Berlin und begann seine Facharztausbildung im Bethanien-Krankenhaus sowie später in der Psychiatrischen Klinik der Freien Universität Berlin (FU), die er 1963 mit dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie abschloss. An der Landesnervenklinik Spandau war er zunächst Assistenzarzt, später Oberarzt und dirigierender Chefarzt verschiedener Stationen, u. a. der Arbeits- und Beschäftigungstherapie. In Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst in Spandau richtete er die erste psychiatrische Wohngemeinschaft außerhalb der Klinik ein, was zu dieser Zeit neuartig war und inspirierend für andere Kliniken wurde.

Im Oktober 1964 hielt er als erster Arzt der Nachkriegszeit, der nicht aktiv am Krieg teilgenommen hatte, seinen Aufnahmevortrag für die außerordentliche Mitgliedschaft in der Deutschen Psychoanalytische Vereinigung (DPV). Neben seiner ärztlichen Tätigkeit als Psychoanalytiker in eigener Praxis war er langjährig im Wechsel Institutsleiter und Leiter des Unterrichtsausschusses am Karl-Abraham-Institut (BPI).

1972 erhielt er von der Evangelischen Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik eine Professur und wurde Gründungsmitglied der Evangelischen Hochschule Berlin sowie Prorektor.

Sein wissenschaftliches Bestreben galt viele Jahre dem Problem der Sucht, dem er sich insbesondere aus psychoanalytischer Sicht widmete. Seine vielfältigen Interessen u. a. in Bezug auf Kunst, Literatur, Geschichte und Teppichkunde (er wurde der „Lumpendoktor“ genannt, da er auf Flohmärkten, Antiquitäten- und Kunstläden die damals wenig beachteten Teppiche der Volkskunst bevorzugte) mündeten in Arbeiten über Don Quijote, Friedrich der Große, Georg Büchner Jakob Michael Reinhold Lenz, Karl Philipp MoritzAnton Reiser oder auch Eugene O`Neill´s Eines langen Tages Reise in die Nacht.

Sein Freund und Kollege Otto F. Kernberg sagte über ihn: „He was a true scholar and a masterful clinician; his depth and clarity of thinking continue to guide me in my own work“.

Sein Grab befindet sich auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf.[1]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ludger M. Hermanns (Hrsg.), Psychoanalyse in Selbstdarstellungen, Band XIII, Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2021
  • (1970) Die Funktion der Beschäftigungstherapie in einer modernen Klinikorganisation. Beschäftigungstherapie, Veröffentlichungen der Landesnervenklinik Berlin,5-8.
  • (1974) Psychoanalytische Theorien über die Suchtstruktur. Suchtgefahren, 20,141-151.
  • (1976) Das Suchtproblem in neuer psychoanalytischer Sicht. In: Eicke, D. (Hrsg.): Psychologie des 20. Jahrhunderts, Bd. 2, Zürich (Kindler),838-867.
  • (1979) In Memoriam Käthe Dräger. Jahrbuch der Psychoanalyse, 11, 171-174.
  • (1984) Ein Weg praxisbezogener Ausbildung in der Psychiatrie für Studenten der Sozialarbeit - Evangelische Hochschule Berlin. Soziale Arbeit, 488-493.
  • (1993) Reinszenierung eines massiven Traumas. Leitmotive im Leben Friedrichs des Großen. In: Gutwinski-Jeggle, J. & Rotmann, M. (Hrsg.): Die klugen Sinne pflegend. Psychoanalytische und kulturkritische Beiträge. Hermann Beland zu Ehren. Tübingen (edition diskord), 414–434.
  • (1996) Büchners „Lenz“. Der psychotische Bruch mit der Realität oder das Scheitern an der Welt. In. Greve,G. (Hrsg.): Kunstbefragung. 30 Jahre psychoanalytische Werkinterpretation am Berliner Psychoanalytischen Institut. Tübingen (edition diskord), 105-134.
  • (1996) Fortsetzung oder Neubeginn? Persönliche Betrachtungen zur Geschichte der Psychoanalyse von Kriegsende bis heute. In: Tagungsband der West-Ost Kommission der DPV, 4. Symposium. 13-39. (Verkürzte Fassung in DPV Informationen Nr. 21, 1997, 16-24).
  • (1998) Die schwierige Ausbildung. DPV-Informationen Nr. 24, 17-23.
  • (2000) „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ - der psychische Rückzug der Borderline-Persönlichkeit. In: Kernberg,O., Dulz & Sachsse, U. (Hrsg.): Handbuch der Borderline-Störungen. Stuttgart (Schattauer), 293–306.
  • (2000) Persönliche Betrachtungen zur Frühzeit der psychoanalytischen Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut von 1950 bis 1965. Luzifer-Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse,13 (26), 84-92.
  • (2000) Können wir Lehranalytiker schwierig werden - dürfen Kandidaten schwierig werden? PsA-Info Nr. 53, 26-34.
  • (2002) Einführung zu Ehren von Gerda Klöppel am 8. September 2001. Semester-Journal Nr.2, Karl-Abraham-Institut, 55-58.
  • (2007) Macht und Ohnmacht der Psychoanalyse. In: Stock, D.& Lürßen, E., Zur Aktualität der Psychoanalyse. Wiener Vorlesungen Bd. 129, Wien (Picus Verlag), 17-37
  • (2008) Dichter, Sucht und Dichtung. In: Bilitza, K.W. (Hrsg.): Psychodynamik der Sucht. Psychoanalytische Beiträge zur Theorie. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht), 213–235.
  • (2010) Fragen der Kandidaten. Elke Hartmann im Gespräch mit Prof. Lürßen. Semester-Journal Sondernummer Ernst Lürßen zu Ehren. Karl-Abraham-Institut Berlin, 29–35.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ernst Lürßen. In: Traueranzeige. Der Tagesspiegel, 4. Oktober 2020, abgerufen am 3. Oktober 2023.