Etomidat

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Strukturformel
Allgemeines
Freiname Etomidat
Andere Namen
  • (+)-Ethyl-3-(1-phenylethyl)imidazol-4-carboxylat
  • (R)-Ethyl-3-(1-phenylethyl)imidazol-4-carboxylat
Summenformel C14H16N2O2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 33125-97-2
EG-Nummer 251-385-9
ECHA-InfoCard 100.046.700
PubChem 667484
ChemSpider 580864
DrugBank DB00292
Wikidata Q418445
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N01AX07

Wirkstoffklasse

Anästhetika

Eigenschaften
Molare Masse 244,29 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

67 °C[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​400
P: 273[2]
Toxikologische Daten

650 mg·kg−1 (LD50Mausoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Etomidat ist ein 1973 von Alfred Doenicke eingeführter, hypnotisch wirkender (= den Schlaf erzwingender) Arzneistoff, der zur Einleitung einer Narkose verwendet werden kann. Es handelt sich um ein carboxyliertes Imidazolderivat.[3]

Klinische Angaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Etomidat wirkt auf GABA-Rezeptoren und in der Formatio reticularis. Es wird zur Narkoseeinleitung verwendet und dabei parenteral verabreicht.

Pharmakologische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Plasmaproteinbindung liegt bei circa 77 %. Nach der Injektion schläft der Patient meist innerhalb von 10 bis 30 Sekunden ein (abhängig von der Kreislaufzeit und der Injektionsgeschwindigkeit). Oftmals können dann Muskelzuckungen (Myoklonien) beobachtet werden, die über den Zeitraum von ungefähr einer Minute auftreten. Die Wirkdauer liegt bei ca. zwei bis vier Minuten, durch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (z. B. Prämedikation mit Benzodiazepinen oder Opiaten) kann diese Zeitspanne verlängert werden. Der Wirkungsabbau basiert auf rascher Umverteilung und schnellerer Biotransformation.

Der Vorteil von Etomidat gegenüber anderen Narkotika ist seine Neutralität für den Kreislauf (und in gewissem Umfang auch für die Atmung); dies ermöglicht den Einsatz auch bei Patienten mit Herzerkrankungen.[4] Auch allergische Reaktionen sind nur sehr selten beschrieben worden, Etomidat setzt in seltenen Fällen Histamin frei. Eine gewisse Koronardilatation und Senkung des intrakraniellen Drucks sind beschrieben, in der Praxis aber nicht von Bedeutung. Unter Etomidat-Einleitung wird das zentrale autonome Nervensystem nicht gehemmt. Problematisch und daher kontraindiziert ist die Dauerinfusion, da diese die Cortisolsynthese hemmt. Auch schon bei einmaliger Gabe kann es beim kritisch kranken Patienten zu einer beinahe vollständigen Ausschaltung der Cortisolsynthese kommen, weshalb die Anwendung von Etomidat seit längerem Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse ist.[5] Möglicherweise bietet die Entwicklung von Carboetomidat, eines modifizierten Moleküls, das die Cortisolsynthese nicht hemmt, einen Ausweg.[6] Wegen seiner großen Sicherheitsbreite wurde[7] Etomidat im klinischen Alltag häufig als Einleitungshypnotikum zur Induktion (Einleitung) einer Narkose bei Patienten mit eingeschränkter kardialer Reserve verwendet, d. h. der Mehrzahl der älteren Patienten, insbesondere im Vergleich zum deutlich stärker kreislaufdepressiv wirkenden Propofol. Nachteilig ist allerdings das im Vergleich zu Propofol geringfügig häufigere Auftreten von postoperativer Übelkeit und Erbrechen (PONV), wenn Etomidat zur Narkoseeinleitung verwendet wurde, ganz unabhängig davon, ob die Narkose als Propofol-TIVA oder mit Inhalationsanästhetika fortgeführt wird.

Verwendung bei Hinrichtungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 24. August 2017 wurde Etomidat in Florida erstmals für eine Hinrichtung mittels letaler Injektion („Giftspritze“) verwendet. Als weitere Bestandteile wurden Rocuronium und Kaliumacetat verabreicht. Der 53 Jahre alte Doppelmörder Mark Asay verstarb elf Minuten nach der Injektion. Der Hersteller von Etomidat, das belgische Pharmaunternehmen Janssen Pharmaceutica, kritisierte die Verwendung. Das Unternehmensziel sei es „Leben zu retten und zu verbessern.“[8]

Sonstige Informationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Handel sind Lösungen oder Emulsionen mit 2 mg/ml, eine Ampulle mit 10 ml enthält somit 20 mg Etomidat. Die ursprüngliche Handelsform Hypnomidate führte bei fast allen Patienten zu einem starken Injektionsschmerz. Durch eine andere Darreichungsform, nämlich eine Öl-in-Wasser-Emulsion, die den Wirkstoff in den Emulsionströpfchen enthält (Etomidat-Lipuro), wurde eine bessere Verträglichkeit an der Injektionsstelle erreicht.

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate

  • Etomidat Lipuro (D, A, CH)
  • Hypnomidate (D, A)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rote Liste
  • Arzneimittelkompendium der Schweiz
  • AGES-PharmMed

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eintrag zu Etomidat bei Vetpharm, abgerufen am 5. August 2012.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Eintrag zu Etomidate in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM), abgerufen am 18. August 2021. (Seite nicht mehr abrufbar)
  2. a b Datenblatt Etomidate bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 31. März 2011 (PDF).
  3. Otto Mayrhofer: Gedanken zum 150. Geburtstag der Anästhesie. In: Der Anaesthesist. Band 45, 1996, S. 881–883, hier: S. 883.
  4. Eduard Burgis: Intensivkurs Allgemeine und spezielle Pharmakologie. Urban & Fischer, München 2008, ISBN 978-3-437-42613-1.
  5. WL Jackson Jr.: Should we use etomidate as an induction agent for endotracheal intubation in patients with septic shock?: a critical appraisal. In: Chest, März 2005, 127(3), S. 1031–1038; PMID 15764790.
  6. JF Cotten et al.: Carboetomidate: a pyrrole analog of etomidate designed not to suppress adrenocortical function. In: Anesthesiology, März 2010, Mar;112(3), S. 637–644; PMID 20179500.
  7. Reinhard Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin in Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. 5. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg / New York u. a. 1999, ISBN 3-540-65024-5, S. 17–20 (1. Auflage 1986).
  8. Thorsten Denkler: Hinrichtung: Florida setzt neuen Giftstoff ein. In: sueddeutsche.de. 25. August 2017, abgerufen am 25. August 2017.