Evangelischer Friedhof

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Evangelischer Friedhof bezeichnet einen Friedhof im deutschsprachigen Raum, in dem nach der Reformation die Gemeinsamkeit des Friedhofs unmöglich geworden war. Ab dem 16. Jahrhundert entstanden daher vielerorts eigene evangelische Friedhöfe, auf denen Beerdigungen von Mitgliedern anderer Konfessionen für lange Zeit verboten blieben.[1] Auf evangelischen Friedhöfen waren anonyme Bestattungen erlaubt und Grabstätten von einfachen Menschen blieben lange Zeit ohne Kennzeichnung.[2]

Reformierte Gebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In reformierten Gebieten wurden bis zur Reformation gemeinsam genutzte Friedhöfe entweder zu evangelischen Friedhöfen erklärt oder es wurden eigene neue Friedhöfe angelegt. Später wurde dort, wo es keinen eigenen katholischen Friedhof gab und dann zunehmend auch in gemischt-konfessionellen Gebieten, Gastrecht gewährt, wenn auch zum Teil versehen mit höheren Grabgebühren.[3] Die Landeskirche des Königreichs Sachsen zum Beispiel beschloss 1906 sogar die völlig gleiche Zulassung und Behandlung von katholischen und evangelischen Verstorbenenauf evangelischen Friedhöfen.[4]

Gebiete der katholischen Reform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Gebieten der Katholischen Reform wurden evangelische Friedhöfe erst später üblich, da dort das geltende römisch-katholische Kirchenrecht zwei erstmals konkurrierende Artikel aufwies. Einerseits durften Häretiker nicht in geweihter Erde bestattet werden, andererseits war die Neuanlage eigener evangelischer Friedhöfe ebenfalls nicht vorgesehen.

Entwicklung in Österreich-Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Habsburgermonarchie wurden nach einer Bestimmung von 1609 evangelische Friedhöfe angelegt, um diesen kirchenrechtlichen Missstand abzustellen. Viele der neuen evangelische Friedhöfen wurden dann allerdings während der Gegenreformation wieder zerstört.[5] Nach dem Konkordat von 1855 zwischen Österreich-Ungarn und dem Heiligen Stuhl waren die Friedhöfe endgültig zu trennen. Dort, wo evangelische Friedhöfe nicht eigens angelegt werden konnten, wurden – ähnlich den Selbstmördern, Missetätern und Juden – eigene Winkel für Akatholiken angelegt.[6]

Liste bekannter evangelischer Friedhöfe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans-Peter Hübner, Klaus Raschok (Hrsg.) mit Bildern von Gerhard Hagen: Evangelische Friedhöfe in Bayern, Franz Schiermeier Verlag, München März 2021, ISBN 978-3-948974-04-6.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Norbert Ohler: Sterben und Tod im Mittelalter. 1990, S. 134.
  2. Gerold Eppler: Grabkultur in Deutschland: Geschichte der Grabmäler. 2009, S. 27.
  3. Michael Hirschfeld: Katholisches Milieu und Vertriebene. 2002, S. 316.
  4. Deutscher Geschichtskalender. Teil 2, 1908, S. 50.
  5. France Martin Dolinar, Maximilian Liebmann: Katholische Reform. 1994, S. 417; Karl Amon, Maximilian Liebmann: Kirchengeschichte der Steiermark. 1993, S. 152.
  6. Johannes Borbis, Chr. Ernst Luthard: Die evangelisch-lutherische Kirche Ungarns. 1861, S. 477.