Formationserziehung

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Formationserziehung bezeichnet die für den Nationalsozialismus charakteristische Erziehungsauffassung, dass zum vorherbestimmten und gewünschten Typus nur in zentral vorgegebenen Vereinigungen und Organisationen erzogen werden könne. Systematisch kann Formationserziehung als eine hierarchisch strukturierte, das ganze Leben begleitende Sozialisationssteuerung in und durch politisch vorstrukturierte Sozialverbände verstanden werden. Von NS-Erziehungstheoretikern wie Ernst Krieck, Karl Friedrich Sturm und Alfred Baeumler wird der Begriff zur Selbstbeschreibung der Erziehungsideologie des deutschen Faschismus benutzt. Er kann in einem ersten Zugriff von zwei Punkten her entschlüsselt werden:

1) Erziehen wird gefasst als von außen her den Menschen eine Form aufprägen, ohne dass diese an dem Vorgang aktiv mitwirken können. Nicht zufällig wurde und wird auch beim Militär eine Truppeneinheit und eine Gefechtsaufstellung als Formation (von lat. formatio = „Gestaltung, Ordnung“) bezeichnet.

2) Erziehen wird zudem bestimmt als Beeinflussung und Lenkung von Menschen durch das Leben in durchorganisierten Formationen wie beispielsweis der Hitler-Jugend, dem Arbeitsdienst, der Sturm-Abteilung (SA) der NSDAP, der NS-Frauenschaft oder der Wehrmacht.

Zeitgenössisches Verständnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits 1922 hatte Ernst Krieck in seiner „Philosophie der Erziehung“ im Unterschied zum Individualitätsideal des deutschen Neuhumanismus unter Erziehung verstanden, dass Menschen primär in, durch und für bestimmte Gemeinschaften und Sozialverbände erzogen werden (vgl. Krieck 1922). Alfred Baeumler hat einprägsam formuliert:

„Durch die Erziehung in der Formation werden Knaben und Mädchen in den Rhythmus der politischen Gemeinschaft eingefügt. Verbunden mit Gleichaltrigen, geführt von solchen, die noch ihrer Jugendwelt angehören, lernen sie in der Formation sich auch außerhalb des Elternhauses mit andern eins zu fühlen ... Die Erziehung in der Formation ist unerläßlich, um in der jugendlichen Seele den Feierklang der großen Gemeinschaft und den Stolz auf gemeinsame Leistungen zum Schwingen zu bringen." (Baeumler 1942, S. 129)

Erziehungsformen und Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Methoden und Mittel der Formationserziehung sind z.B. das Lager, die Marschkolonne, der Kult und die Feier. Für diese Erziehungsformen sind fünf Merkmale besonders kennzeichnend:

  • Emotionalität und Erlebnis statt Vernunftgebrauch und Wissen,
  • politisch-staatlich vororganisiertes Gemeinschaftsleben,
  • gesellschaftliche und ideologische Einheitlichkeit statt Pluralität und Vielfalt,
  • autoritäre Steuerung von Massen statt Entfaltung von Individualität,
  • Identifikationsangebote durch Rituale und Symbole.

Formationserziehung ist ein Gegenbegriff zu Bildung. Von führenden Bildungshistorikern der Bundesrepublik (Harald Scholz, Ulrich Herrmann, Wolfgang Keim) wurde er als zentrales Kennzeichen der Praxis und Theorie von Erziehung im NS-Regime herausgearbeitet.

Verhältnis zwischen außerschulischer und schulischer Erziehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Erziehungskonzept des Nationalsozialismus räumt der lebenslangen Beeinflussung in außerschulischen Organisationen Vorrang gegenüber der Schule ein. Aber der Schüler von Ernst Krieck und nationalsozialistische Didaktiker Philipp Hördt hat bereits 1932 proklamiert, schulische Lernformen in Anlehnung an außerschulische Formen der Gemeinschaftserziehung als „Abbild des organischen Lebens und Schaffens der Ganzheit des Volkes“ (vgl. Hördt 1932, S. 125) zu gestalten. Der nationalsozialistische Erziehungsschriftsteller Georg Usadel stellt gar die These auf: „Es gibt keinen Unterschied zwischen Schulerziehung und Formationserziehung“ (Usadel 1939, S. 28), weil das Wissen zur Erziehung wie der Leib zur Seele gehöre.

Gründe für die Faszination[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Formationserziehung gewann ihre Attraktivität – besonders unter Jugendlichen – durch deren Ansprechbarkeit für gefühlsbezogenes Denken, moralischen Rigorismus, Freude an körperlicher Betätigung, ein Leben in der Natur und zusammen mit Gleichaltrigen, wie es von der bürgerlichen Jugendbewegung in Deutschland bereits vor 1933 kultiviert worden war. Risiken wie Entpersönlichung, weltanschauliche Gleichschaltung und die Entwicklung blinder Gehorsamsbereitschaft wurden während der NS-Herrschaft zwischen 1933 und 1945 nur von einer Minderheit und aktiven Widerstandsgruppen erkannt.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Baeumler, Alfred: Bildung und Gemeinschaft. Berlin: Junker und Dünnhaupt 1942.
  • Hördt, Philipp: Grundformen volkhafter Bildung. Frankfurt am Main: Diesterweg 1932.
  • Krieck, Ernst: Philosophie der Erziehung. Jena: Diederichs 1922.
  • Sturm, Karl Friedrich: Deutsche Erziehung im Werden. 3. Aufl., Zickfeldt und Berlin 1935, S. 97–106.
  • Usadel, Georg: Wissen, Erziehung, Schule. Dortmund: Crüwell 1939.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Keim, Wolfgang. Erziehung unter der NS-Diktatur. 2 Bände. 2. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995.
  • Scholtz, Harald: Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1985.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Herrmann, Ulrich: Formationserziehung. Zur Theorie und Praxis edukativ-formativer Manipulation von jungen Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus – In: Herrmann, Ulrich; Nassen, Ulrich (Hrsg.): Formative Ästhetik im Nationalsozialismus. Intentionen, Medien und Praxisformen totalitärer ästhetischer Herrschaft und Beherrschung (Zeitschrift für Pädagogik, 31. Beiheft). Weinheim u. a.: Beltz 1993, S. 101–112 – URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-105749 – URL: https://www.pedocs.de/volltexte/2015/10574/pdf/Herrmann_1993_Formationserziehung.pdf.