Frieda Keller

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Frieda Keller (* 24. Dezember 1879 in Bischofszell; † 7. September 1942 in Münsterlingen) war eine verurteilte Kindsmörderin sowie Schneiderin und Näherin.[1] Sie wurde am 12. November 1904 wegen des Mordes an ihrem Sohn Ernst vom Kantonsgericht St. Gallen zum Tode verurteilt. Am 24. November 1904 erfolgte die Begnadigung durch den Grossen Rat des Kantons St. Gallen und die Umwandlung des Todesurteils in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe in Einzelhaft.

Leben vor der Tat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frieda Keller wurde als fünftes von elf Kindern des Ehepaars Jakob und Anna Keller-Kobi in Bischofszell geboren. Ihr Vater Jakob Keller führte in Bischofszell eine Schusterei-Werkstatt.

Noch während der Schulzeit in Bischofszell begann Frieda Keller zu stricken und nähen. Nach der Schulzeit arbeitete sie zuerst als «Fädenabschneiderin» in der Stickereiindustrie, um zum Unterhalt der Familie beizusteuern. Im Herbst 1895 begann sie als 16-Jährige im Schneideratelier von Mathilde Müller in Bischofszell eine Lehre als Damenschneiderin, die sie nach eineinhalb Jahren abschloss. Danach half Frieda Keller ihrer kränklichen Mutter im Haushalt. Um sich etwas dazuzuverdienen, begann sie als Aushilfe im Wirtshaus «Zur Post» in Bischofszell zu arbeiten. Der Chef, Karl Zimmerli, war ein Freund ihres Vaters und verheiratet. Er vergewaltigte Frieda Keller mehrfach im Keller des Restaurants und in seiner Wohnung. Im November 1898 bemerkte Frieda Keller, dass sie schwanger war. Daraufhin verliess sie ihre Stelle im Wirtshaus «Zur Post» und begann in St. Gallen bei Luise Tremp als Schneiderin zu arbeiten. Die Schwangerschaft blieb von ihrer Chefin bis acht Wochen vor der Geburt unbemerkt. Auf Bitten von Frieda Keller fuhr Luise Tremp nach Bischofszell zu Friedas Eltern, um sie über die uneheliche Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen. Der Vater verstiess Frieda daraufhin. Er verstarb am 4. September 1901. Ihre Mutter Anna Keller zeigte mehr Verständnis, genauso wie ihre Arbeitgeberin Luise Tremp. Der Sohn Ernst Keller wurde Ende 1898 oder Anfang 1899 geboren. Die drei Frauen beschlossen, das Kind nach der Geburt in der Kinderbewahrungsanstalt «Tempelacker» in St. Gallen unterzubringen.

Der Kindsvater Karl Zimmerli wurde von Frieda Kellers Mutter über die Geburt informiert. Die Vergewaltigung hatte für Zimmerli keine strafrechtlichen Konsequenzen. Frieda Keller reichte auch keine Vaterschaftsklage ein, da diese zu dieser Zeit ausweglos war. Klagen auf Vaterschaft wurden laut dem Privatrechtlichen Gesetzbuch für den Kanton Thurgau unter anderem dann abgewiesen, wenn der Beklagte zur Zeit der Schwängerung verheiratet und die Klägerin über seinen Zivilstand Bescheid wusste. Karl Zimmerli schickte ein einmaliges Kostgeld von 80 Franken in den «Tempelhof». Frieda Keller hatte grosse Mühe, für ihre eigenen Lebenskosten und das Kostgeld für Ernst im Tempelhof aufzukommen. Sie bekam jedoch finanzielle Hilfe von ihrer Mutter, die sie nach dem Tod des Vaters am 4. September 1901 auch wieder regelmässig im Elternhaus in Bischofszell besuchte. Am 6. September 1903 wurde Frieda Keller durch die Ordensschwestern in der Kinderbewahrungsanstalt «Tempelacker» mitgeteilt, dass Ernst die Einrichtung aufgrund der baldigen Erreichung der Altersgrenze bald verlassen und anderweitig untergebracht werden müsse. Frieda Keller befand sich somit in einer finanziellen und familiären Notsituation.

Sie hatte sich im Juli 1903 in einen Postbeamten mit dem Namen Beat Rothenfluh verliebt, der in St. Gallen seinen Militärdienst leistete. Frieda Keller hatte ihm aus Angst, ihn zu verlieren, nichts von ihrem unehelichen Sohn und der Vergewaltigung erzählt. Ihre Mutter riet der Tochter, ihrem Geliebten von ihrem Sohn und der Vergewaltigung zu erzählen. In dieser Situation erzählte die Mutter ihrer Tochter das erste Mal von ihrem eigenen Schicksal. Auch sie war als junge Frau unehelich schwanger geworden. Der Kindsvater wollte sie nicht heiraten, woraufhin Anna Keller-Kobi das neugeborene Baby erwürgte und in einen Weiher warf. Sie wurde von der Kriminalkammer des Kantons Thurgau 1866 zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Verbüssung der Strafe heiratete sie den Mann, dessen Kind sie getötet hatte, Friedas Vater Jakob Keller. Anna Keller-Kobi starb im September 1903. Am 24. Dezember 1903 gestand Frieda Keller ihrem Geliebten Beat Rothenfluh, dass sie Mutter eines unehelichen Kindes aus einer Vergewaltigung war. Beat Rothenfluh verliess sie daraufhin.

Tat und polizeiliche Ermittlungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frieda Keller holte ihren Sohn am 2. Mai 1904 aus dem «Tempelacker» ab. Als Grund gab sie an, ihn nach München zu einer Tante bringen zu wollen. Mutter und Sohn sassen nach dem Verlassen der Kinderbewahungsanstalt einige Zeit auf einer Bank beim Hagenbuchwald in St. Fiden. Frieda Keller begann, ein Grab mit ihren Händen und Schuhen auszuheben. Anschliessend erdrosselte sie Ernst mit einer Schnur. Den Leichnam bedeckte sie mit Erde und Blättern.

Am 7. Juni 1904 fanden zwei Spaziergänger, Liliana Pellizari und Luigi Lavagni, im Hagenbuchwald in St. Fiden die teilweise mit Laub bedeckte Leiche eines unbekannten Knaben. Der Leichnam war bereits stark verwest.[2] Laut dem mit der Untersuchung des Knaben beauftragten Arzt war der Tod sechs bis acht Wochen vor der Entdeckung eingetreten. Als Todesursache stellte er Erdrosseln fest. Am Fundort der Leiche wurden keine Spuren gefunden, die Rückschluss auf die Täterschaft geben konnten. Um Hinweise zu erhalten, wurde am 13. Juni 1904 in der Presse eine amtliche Publikation veröffentlicht. Diese enthielt eine genaue Beschreibung der aufgefundenen Kleider des Kindes. Am 14. Juni 1904 meldeten sich zwei Ordensschwestern, die im «Tempelacker» arbeiteten, bei der Staatsanwaltschaft. Lina Rüge und Malwina Durisch konnten die Kleidung bei einer Besichtigung eindeutig ihrem ehemaligen Zögling Ernst Keller zuweisen. Noch am selben Tag wurde Frieda Keller an ihrem Arbeitsplatz im Schneider-Atelier von Leontine Bahon in St. Gallen verhaftet. Sie legte sofort ein Geständnis ab. Als Grund für den Mord gab sie an, in einer ausweglosen Situation gewesen zu sein, da ihre Mutter, auf deren Unterstützung sie in der Vergangenheit hatte zählen können, verstorben war. Sie schämte sich auch für ihr uneheliches Kind.

Verurteilung und Begnadigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Prozess am St. Galler Kantonsgericht fand am 11. und 12. November 1904 statt. Die Anklage lautete auf vorsätzlichen Mord, wobei der Staatsanwalt die Todesstrafe forderte. Frieda Kellers Verteidiger, Arnold Janken, forderte eine Verurteilung wegen Totschlags und mildernde Umstände aufgrund der Notsituation und Verzweiflung der Angeklagten. Das Gericht verurteilte Frieda Keller am 12. November 1904 wegen Mordes zum Tode. Das Urteil löste vor allem bei schweizerischen Frauenorganisationen eine Welle der Empörung aus, da keinerlei mildernde Umstände miteinbezogen worden waren. Es gab aber auch kritische Stimmen, wie beispielsweise durch die katholische Zeitung Die Ostschweiz, die Frieda Keller als kaltblütige Mörderin mit unsittlichem Lebenswandel darstellte.

Leben in Haft und Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Verteidiger Arnold Jenggen reichte am 14. November 1904 ein Begnadigungsgesuch beim Grossen Rat des Kantons St. Gallen ein, der über die Vollstreckung des Todesurteils zu befinden hatte. Ein zweites Begnandigungsgesuch stammte von der Verurteilten. Das Kantonsparlament entsprach Gesuchen am 28. November 1904. Das Todesurteil wurde aufgehoben und in eine lebenslange Zuchthausstrafe in Einzelhaft umgewandelt.

Frieda Keller wurde am 25. November 1919 aus der Haft entlassen. Auf der Vermittlung durch ihre Schwester Berta Iseli-Keller fand sie im Frühling 1931 eine Stelle als Hilfskraft und Putzfrau im Kanton Bern. Die jahrelange Haft hatte Spuren hinterlassen: Frieda Keller war depressiv und physisch angeschlagen. Am 30. Dezember 1937 erlitt sie einen Hirnschlag, aufgrund dessen sie bis Ende September 1938 im Bezirksspital Thun behandelt wurde. Anschliessend wurde sie in die Heil- und Pflegeanstalt Münsingen verlegt. Anfang 1939 erfolgte die Überweisung in die kantonale Irrenanstalt Münsterlingen im Kanton Thurgau, wo Frieda Keller am 7. September 1942 starb.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedas Fall, Condor Films, in Preproduction.[3]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ida Sandl: Frieda Keller: Ein Thurgauer Mädchen, das zur Kindsmörderin wurde. In: St. Galler Tagblatt. Abgerufen am 19. Februar 2023.
  2. Peter Holenstein: Der Fall Frieda Keller. Kindsmord als Verzweiflungstat. In: Kriminalstatistik Schweiz. Nr. 8-9/2012, S. 533–542.
  3. Friedas Fall (aka Die Verlorene) – In Preproduction. Abgerufen am 27. März 2023.