Gain-Scheduling

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Unter Gain-Scheduling (engl., ungefähr: „arbeitspunktabhängige Verstärkungseinstellung“) versteht man in der Regelungstheorie einen Ansatz zur Regelung nichtlinearer Systeme mit Hilfe linearer mathematischer Modelle. Der Ausdruck Gain Scheduling wird aus historischen Gründen verwendet und bezieht sich heute nicht mehr bloß auf eine Verstärkung von Signalen, sondern auch auf die Regelung weiterer Parameter eines Prozesses.

Prinzip[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hierbei wird ein klassisches Gain-Scheduling vom LPV-Gain-Scheduling (Linear parameter-varying control) unterschieden. Das Gain-Scheduling wird der Klasse der adaptiven Regelungen zugeordnet. Der Gain-Scheduling-Reglerentwurf kann wie folgt zusammengefasst werden:[1]

  1. Linearisierung des nichtlinearen Systems,
  2. Ermittlung eines Schedulingparametervektors, der das nichtlineare Verhalten des Prozesses abbildet,
  3. Parametrierung der linearen Systeme und Entwurf linearer Regler,
  4. Interpolation der linearen Regler.

Klassisches Gain-Scheduling[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Methode des klassischen Gain-Schedulings ermöglicht auf Basis der linearen Systemtheorie, einfache in der Praxis bewährte Regelungen für nichtlineare Regelstrecken zu entwerfen. Typische Anwendungen sind Flugregelungen, Regelungen in der chemischen Prozessindustrie und Regelungen in mechatronischen Systemen[2]. Bei einem klassischen Gain-Scheduling ist der Ausgangspunkt des Entwurfs die Linearisierung des nichtlinearen Systems an einem festen Gleichgewichtspunkt (engl. equilibrium point). Die Linearisierung an einer beliebigen Anzahl fester Prozesspunkte führt auf eine Familie lokal linearer Modelle. Mit der Einführung eines Schedulingparametervektors erhält man parametrierte lineare Modelle, die sogenannte Linearisierungsfamilie (engl. family of frozentime linear time-invariant systems). Eine allgemeine Klasse nichtlinearer zeitinvarianter Mehrgrößensysteme kann mit

beschrieben werden. Hierbei sind der Zustandsvektor, der Stellvektor und der Ausgangsvektor und die Abbildungen , seien im Arbeitsraum stetig differenzierbar. Die Linearisierung des nichtlinearen Systems erfolgt mithilfe der Taylorreihenentwicklung erster Ordnung um einen festen Gleichgewichtspunkt (Arbeitspunkt). Befindet sich das nichtlineare System an einem Gleichgewichtspunkt, erhält man für die Zustandsvektordifferentialgleichung

Das nichtlineare System wird um einen festen Gleichgewichtspunkt linearisiert. Mithilfe der Taylorreihenentwicklung ergibt sich das linearisierte zeitinvariante System

wobei und die jeweiligen Jacobi-Matrizen am Gleichgewichtspunkt sind. Gain-Scheduling-Regler sind adaptive Regler, bei denen sich die Reglerparameter in Abhängigkeit von den internen Prozessgrößen und/oder externer Größen ändern. Die (ausgewählten) zeitabhängigen Prozessgrößen, die das dynamische Verhalten des nichtlinearen Systems charakterisieren, stellen dann die Schedulingparameter beziehungsweise Schedulingvariablen dar. Diese Parameter werden im Schedulingvektor zusammengefasst. Durch analytische Betrachtungen am Gleichgewichtspunkt lassen sich Verallgemeinerungen zur Bestimmung von Schedulingparametern formulieren. Im stationären Zustand (Ruhelage) gilt

Dieses nichtlineare Gleichungssystem setzt sich aus n Gleichungen mit (n+p) Unbekannten zusammen. Die maximale Anzahl der Parameter eines Schedulingvektors ist auf (n+p) beschränkt. Bei der Parametrierung der Menge der Gleichgewichtspunkte ergibt sich für den Schedulingvektor . Durch einen Schedulingvektor lässt sich somit die definierte Menge der Gleichgewichtspunkte parametrieren:

.

Hierbei sind und Abbildungen, welche die analytischen Abhängigkeiten zwischen bzw. und dem Parametervektor für die Menge der Gleichgewichtspunkte beschreiben. Für das linearisierte System erhält man das mit dem Schedulingvektor parametrierte System

.

Wählt man eine endliche Anzahl verschiedener Gleichgewichtspunkte, erhält man die Linearisierungsfamilie

.

Linearer Zustandsreglerentwurf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter den verschiedenen Reglerstrukturen haben vor allem die Zustandsregler mit vollständiger Zustandsrückführung[3][4] auch beim Anwender einen bedeutenden Stellenwert erlangt. Ein Grund hierfür ist die relativ einfache Struktur. Im Prozess werden die Zustandsgrößen gemessen, dann zurückgeführt und im Regler verarbeitet. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Messung der Zustandsgrößen auch mehr Informationen über den Prozess liefert als vergleichsweise die Regelgröße . Wegen der Forderung nach stationärer Genauigkeit sind Zustandsregler mit I-Anteil eine praktikable Möglichkeit. Dieser Regler lässt sich relativ einfach in Rechnersysteme implementieren. Des Weiteren werden Entwurfsprobleme, wie vergleichsweise bei einer strukturbeschränkten Zustandsrückführung vermieden.[5] Exemplarisch lässt sich für ein Mitglied aus der Linearisierungsfamilie der Entwurf eines linearen Zustandsreglers mit I-Anteil unter Verwendung der Entwurfsmethode Polvorgabe beschreiben. Für das i-te lineare Modell

ist ein linearer Zustandsregler mit I-Anteil

zu entwerfen. Für die um den I-Anteil des Reglers erweiterte Regelstrecke ergibt sich

.

Für den geschlossenen Regelkreis gilt dann

.

Um (asymptotische) Stabilität des i-ten geschlossenen Regelkreises am Gleichgewichtspunkt gewährleisten zu können, müssen die Eigenwerte der Systemmatrix des geschlossenen Regelkreises in der linken Hälfte der komplexen Ebene liegen, d. h. . Die Eigenwerte sind die Nullstellen des charakteristischen Polynoms . Soll dieses Polynom die (Wunsch-)Eigenwerte haben, so muss

gelten.

Denkt man sich die Determinante berechnet und das Produkt ausmultipliziert, erhält man eine komplexe (nichtlineare) Gleichung. Insbesondere für den hier betrachteten Mehrgrößenfall ist dann aber die Berechnung der Elemente der Reglermatrix sehr aufwendig. Lediglich im Eingrößenfall ist es relativ einfach, das heißt mittels Koeffizientenvergleich, die Elemente des Reglervektors zu ermitteln.

Interpolation der linearen Zustandsregler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der letzte Schritt des Gain-Scheduling-Reglerentwurfes, das heißt die Interpolation der linearen Regler, führt unmittelbar auf den nichtlinearen Gesamtregler. Der Wahl der Interpolationsmethode kommt somit für den Entwurf eines Gain-Schedulingreglers eine besondere Bedeutung zu. Folgende Interpolationsvarianten werden favorisiert:

Interpolation mittels Reglernetzwerk auf Grundlage normierter Gaußscher Radial-Basisfunktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einem Reglernetzwerk werden die lokalen Reglerparametermatrizen mit den Wichtungsfunktionen, d. h. den sogenannten Gültigkeitsfunktionen, verknüpft (multipliziert). Die Reglerparametermatrizen der lokal entworfenen Regler werden so in Abhängigkeit von der Entfernung vom jeweiligen Entwurfsprozesspunkt unter Verwendung der Gültigkeitsfunktionen gewichtet. Ein auf diese Weise entworfener Gain-Schedulingzustandsregler mit I-Anteil lässt sich wie folgt angeben

Die Gültigkeitsfunktionen müssen der Bedingung

genügen. Den Gültigkeitsfunktionen werden Werte zwischen

zugeordnet.[11] Als Gültigkeitsfunktionen werden vorrangig stetige, konvexe Funktionen verwendet. Ein Beispiel hierfür sei die Gauß-Funktion (Gaußsche Verteilungskurve), die auch als Normalverteilung bezeichnet wird und im Allgemeinen die Wahrscheinlichkeitsverteilung für bestimmte zufällig auftretende Ereignisse angibt. Die Gaußsche Radial-Basisfunktion (engl. Gaussian radial basis function)[12][13][14][15] kann wie folgt angegeben werden

ist eine positive definite Diagonalmatrix

Die in der Diagonalmatrix zu bestimmenden Standardabweichungen lassen sich mit

ermitteln. Die sind die Nachbarpunkte vom jeweiligen Zentrum (Gleichgewichtspunkt) . Da der Proportionalitätsfaktor einen aktiven Einfluss auf die Ausdehnungen und Formen der einzelnen Basisfunktionen hat, sollte dieser im Bereich liegen. Damit die Summe aller Gültigkeitsfunktionen die Forderung eins erfüllt, sind die Radial-Basisfunktionen zu normieren

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. D.J. Leith and W.E. Leithead: Survey of gain-scheduling analysis and design. International journal of control, 73(11), S. 1001–1025, November 2000 (englisch).
  2. J. Adamy: Nichtlineare Systeme und Regelungen. SpringerVieweg Verlag, 2. Auflage 2014, S. 273 ff. ISBN 978-3-642-45013-6.
  3. G. Roppenecker: Polvorgabe durch Zustandsrückführung. Regelungstechnik, 29(7), 1981, S. 228–233.
  4. P. Korba: A Gain-Scheduling Approach to Model Fuzzy Control. Dissertation, VDI Reihe 8 Nr. 837, 1999 (englisch).
  5. G. Roppenecker: Zeitbereichsentwurf linearer Regelungen. 1. Auflage. Oldenbourg Verlag, München 1990.
  6. D.A. Lawrence and W.J. Rugh: Gain scheduling dynamic linear controllers for a nonlinear plant. automatica, 31(3), März 1995, S. 381–390 (englisch).
  7. J.H. Kelly and J.H. Evers: An interpolation strategy for scheduling dynamic compensators. American institute of aeoronautics and astronautics, 1997, S. 1682–1690 (englisch).
  8. R.A. Hyde and K. Glover: Vstol aircraft flight control system design using controllers and a switching strategy. Proceedings of the 29th conference on decision and control Honolulu, Hawaii (USA), Dezember 1990, S. 2975–2980 (englisch).
  9. K.J. Hunt and T.A. Johansen: Design and analysis of gain-scheduling control using local controller networks. International journal of control, 66(5), Mai 1997, S. 619–651 (englisch).
  10. R. Murray-Smith and T.A. Johansen: Local Learning in Local Model Networks. In Multiple Model Approaches to Modelling and Control, S. 185–210. Murray-Smith, R. and Johansen, T.A., Taylor and Francis, 1997 (englisch).
  11. O. Nelles und M. Fischer: Lokale Linearisierung von Fuzzy Modellen. at-Automatisierungstechnik, 47(5), 1999, S. 217–223.
  12. R. Murray-Smith and T.A. Johansen: Local Learning in Local Model Networks. In Multiple Model Approaches to Modelling and Control, S. 185–210. Murray-Smith, R. and Johansen, T.A., Taylor and Francis, 1997 (englisch).
  13. U. Korn und D. Döring: PI-Gain-Schedulingregler auf der Basis eines lokalen Reglernetzwerkes – eine Übersicht. Otto-von-Guericke-Universität, Fakultät für Elektro- und Informationstechnik, Magdeburg 2001, S. 10 f.
  14. K.J. Hunt, R. Haas and M. Brown: Extending the functional equivalence of radial basis function networks and fuzzy inference systems. IEEE transactions on neural networks, 7(3), Mai 1996, S. 776–781 (englisch).
  15. J.S.R. Jang and C.T. Sun: Functional Equivalence Between Radial Basis Function Networks and Fuzzy Inference Systems. IEEE transactions on neural networks, 4(1), Januar 1993, S. 156–158 (englisch).