Gegenmacht

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Der Terminus (Term) Gegenmacht (engl. counterpower, countervailing power[1]; franz. contre-pouvoir) bezeichnet in einem engen Sinn die Möglichkeit der Kompensation einseitiger Marktmacht (Nachfrage- bzw. Anbietermacht) durch eine weitere Macht auf einer anderen Marktseite, eben die Gegenmacht, die sich selbständig organisiert. Im weiteren Sinn bezeichnet Gegenmacht Widerstand, Gegendruck etc.[2]

Der Begriff, der sich zuerst bei J. M. Keynes[3] und John Kenneth Galbraith findet, wurde in der sozialwissenschaftlichen Literatur über Gewerkschaften wichtig, wo er der Erklärung von Korrekturen reiner Marktprozesse durch die kollektive Verhandlungsmacht dieser Gewerkschaften diente. Lohnhöhe und Verteilungsproportionen seien insofern auch als Ergebnis von Gegenmächtigkeit zu begreifen.

Wirtschaftsethiken gehen nicht mehr von der optimistischen Einschätzung Adam Smiths aus, dass der freie Markt selber für moralisch gerechte Verhältnisse sorgt.“[4]

Ökonomisierung wird als Ausweitung des Prinzips von Macht und Gegenmacht verstanden.[5]

Abstimmungsmacht (engl. voting power, voting interest, d. h. Stimmrecht; franz. vote, suffrage[6]) kann mithilfe von Machtindices quantifiziert werden.

Gesine Schwan wird gesprächsweise mit der kontrastiven, geschlechterdifferenzierenden[7] Aussage zitiert: „Max Weber definiert Macht als Gegenmacht, also als Fähigkeit, eine Sache gegen Widerstände durchdrücken zu können. Hannah Arendt dagegen sieht Macht als das Potenzial, andere zu motivieren und zu stärken auf dem Weg zu gemeinsamen Zielen und Projekten. Die Letztere ist diejenige Vorstellung von Macht, die ich selbst anstrebe.“[8] Bei Schwans Machtbegriff handelte es sich demnach um einen Gegenbegriff zum (Gegen-)Machtbegriff Webers.

Die (eine) berühmte Eigenformulierung Max Webers lautet: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“[9] Im Gegensatz zu Macht setze Herrschaft (sozialwissenschaftlich, nach Weber) Legitimität voraus.

Bei Heinrich Popitz steht der Verletzungsmacht (Vulneranz) die – in der Psychologie auch als Vulnerabilität bezeichnete – Verletzungsoffenheit gegenüber.[10] Auch bei dem Begriff Gegenreligion handelt es sich um Gegenmächtigkeit.

In der Verfassungstheorie wird die Staatsgewalt auch als Staatsmacht bezeichnet (pouvoir).

Als vierte Gewalt oder vierte demokratische Macht werden informell Journalismus und Medien bezeichnet.

In den ältesten Sprachen gibt es Urworte, die in sich eine gegensätzliche Bedeutung enthalten.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abstimmungsforschung

Betriebsrat

Der Streit

Hegemonie

Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit

Konfliktpartnerschaft

Konfliktpsychologie

Legitimes Machtmonopol

Politische Ökonomie

Soziale Interaktion

Subjektivität

Täter-Opfer-Umkehr

Theorie Hegemonialer Stabilität

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen/Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Nicht zu verwechseln mit countervailing strategy, einer Nuklearstrategie der USA.
  2. „Es mag zwar bei den Interessenvertretungen weniger Gegenmacht hervorrufen als klarere regulatorische Vorgaben, aber wir müssen doch von unserer Politik ‚klare Kante‘, also Führungsstärke in wichtigen Fragen einfordern und erwarten ...“ Kurt Bayer: Ein Hürdenrennen Europas gegen die Größten? In: Der Standard vom 28. Juli 2023, S. 27.
  3. Armin Thurnher: Das Trauma, ein Leben. Österreichische Einzelheiten. dtv München, um ein Nachwort erw. Ausg. 2000, S. 263: „Der ORF stellt die klassische, noch von Politik beherrschbare ‚Gegenmacht‘ (J. M. Keynes) zu den kommerzialisierten Printmedien dar.“
  4. „Ethik/Moralphilosophie/Moral“, in: Disziplinen der Philosophie - Ein Kompendium, hrsg. von Horst D. Brandt. Meiner Vlg., Hbg. 2014, S. 176.
  5. Ulrich Thielemann: „Ökonomismus - Oder wie das Prinzip Markt sich der Lebenswelt bemächtigt. Versuch einer wirtschaftsethischen Werterhellung“, in: forumEB, Beiträge und Berichte der evangelischen Erwachsenenbildung, Nr. 2, 1999, S. 5–17.
  6. Les suffrages exprimés par les votants sont classés selon les règles électorales du scrutin concerné.
  7. Geschlechterdifferenz. Abgerufen am 8. Mai 2023.
  8. Karin Janker: Gesine Schwan: Weibliche Macht funktioniert anders. Abgerufen am 8. Mai 2023.
  9. Max Weber: Macht und Herrschaft. Abgerufen am 8. Mai 2023.
  10. Pierre Pfütsch: Männer als Täter und als Opfer – zwischen Verletzungsmacht und Verletzungsoffenheit. 8. Fachtagung des Arbeitskreises für interdisziplinäre Männer- und Geschlechterforschung – Kultur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften (AIM GENDER). Stuttgart-Hohenheim 2012.