Gemeinwohlprämie

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Die Gemeinwohlprämie (GWP) ist ein Modell für die Ausgestaltung der Agrarförderung im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) und wurde vom Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) e.V., dem Dachverband der deutschen Landschaftspflegeorganisationen, entwickelt.

Mit einem Punktesystem werden Maßnahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes zur Flächenbewirtschaftung gemäß ihren gesellschaftlichen Leistungen, sogenannten Gemeinwohlleistungen, bewertet und entgolten. Die Maßnahmen wirken sich positiv auf die Bereiche Biodiversitätsschutz, Klimaschutz und Gewässerschutz aus. Das Konzept beruht auf dem Grundsatz, dass Landwirte unternehmerisch handeln und sie freiwillig, neben landwirtschaftlichen Produkten, Gemeinwohlleistungen einkommensrelevant anbieten können. Die Gemeinwohlprämie unterscheidet sich deshalb grundlegend von bisherigen Fördersystemen in der GAP.[1]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gemeinwohlprämie beinhaltet einen Katalog von 19 Maßnahmen aus den Bereichen Biodiversitäts-, Klima- und Wasserschutz. Dieser Maßnahmenkatalog umfasst die Kategorien Ackerland, Grünland, Sonderkulturen und Hoftorbilanzen, aus denen Betriebe die für sie passenden Maßnahmenkombinationen auswählen können.[2]

Die einzelnen Maßnahmen der Gemeinwohlprämie werden gemäß ihrer Wertigkeit für den Biodiversitäts-, Klima- und Wasserschutz unterschiedlich hoch bepunktet. Die gesamtbetrieblich erbrachten Leistungen werden honoriert, indem die erzielten Punkte aufsummiert und vergütet werden. Zusätzlich fördert ein integriertes Bonussystem die Nutzungsvielfalt in der Agrarlandschaft. Alle Maßnahmen der Gemeinwohlprämie sind mit dem bestehenden Verwaltungssystem, dem Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS), verwaltbar.[3]

Im März 2021 bewertete die Europäische Kommission die Gemeinwohlprämie positiv und als wertvoll für die europäische Ebene. Sie sei „ausgereift genug […], um als Konzept für die Ausgestaltung der Öko-Regelungen gemäß Artikel 28 des Vorschlags für eine Verordnung über die Strategiepläne in die neue grüne Architektur der GAP Eingang zu finden.“[4]

Die Ergebnisse einer Erprobung an Landwirtschaftsbetrieben (n=32) in Schleswig-Holstein im Jahr 2016 zeigten, dass das Bewertungsverfahren im Hinblick auf die Datenverfügbarkeit sowie den Zeitaufwand für die Datenerhebung praktikabel ist.[5] Die Betriebsbewertungen lieferten zudem diskrete und durchgehend plausible Resultate. Analysen zu möglichen Auswirkungen auf die Flächenzahlungen der Projektbetriebe ergaben, dass das Konzept der Gemeinwohlprämie eine unmittelbare Umsetzung des Prinzips „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ beinhaltet. Nach den Ergebnissen von Modellrechnungen werden die beabsichtigten Allokationen und Anreizwirkungen im Vergleich zu den aktuellen Betriebszahlungen umso mehr erreicht, je höher die einzelbetrieblich erzielten Punkte honoriert werden.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gemeinwohlprämie wurde vom DVL 2011 entwickelt und kontinuierlich an die Rahmenbedingungen der Agrarförderung angepasst.[6] Die Grundzüge der Methode beruhen auf einem Bewertungsverfahren mit gewichteten Punkten. Dieses Verfahren wurde ursprünglich für die betriebliche Biodiversitätsberatung und -zertifizierung in Schleswig-Holstein mit 80 repräsentativen Praxisbetrieben entwickelt.[7] Die Punktbewertungen wurden durch Freilanderfassungen des Feldvogel-Indikators sowie des High Nature Value (HNV)-Farmland-Indikators validiert. Im Jahr 2015 wurde die Bewertungsmethode um die Bereiche Klima- und Wasserschutzleistungen ergänzt und im Anschluss im Jahr 2016 nochmals durch Erhebungen auf Praxisbetrieben geprüft.[8]

Die Vorarbeiten aus Schleswig-Holstein bildeten die Grundlage für ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt (F&E) des Bundes, in welchem das Konzept der Gemeinwohlprämie zusammen mit 93 weiteren landwirtschaftlichen Betrieben und 16 Landschaftspflegeverbänden in Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen für eine bundesweite Anwendbarkeit weiterentwickelt wurde. Die Gemeinwohlprämie ist in Deutschland als Alternative zum bestehenden Fördersystem von Bund und Ländern geprüft.[9][10][11][12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • R. Baayen, A. van Doorn: Interventielogica voor de groenblauwe architectuur van het GLB: Borging van samenhang tussen doelen, maatregelen en monitoring. (= Wageningen Environmental Research Rapport. no. 3040). Wageningen Environmental Research, Wageningen 2020. doi:10.18174/536159
  • Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V. (Hrsg.): Gemeinwohlprämie. Ein Konzept zur effektiven Honorierung landwirtschaftlicher Umwelt- und Klimaschutzleistungen innerhalb der Öko-Regelungen in der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) nach 2020. (= DVL-Schriftenreihe „Landschaft als Lebensraum“. Nr. 28). 2020. (dvl.org)
  • U. Dierking, H. Neumann, F. Taube: Erprobung und Evaluierung eines neuen Verfahrens für die Bewertung und finanzielle Honorierung der Biodiversitäts-, Klima- und Wasserschutzleistungen landwirtschaftlicher Betriebe („Gemeinwohlprämie“). In: Berichte über Landwirtschaft. Band 95, Nr. 3, 2017. (buel.bmel.de)
  • P. H. Feindt u. a.: Für eine gemeinsame Agrarpolitik, die konsequent zum Erhalt der biologischen Vielfalt beiträgt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. April 2018. (36 Seiten)
  • P. Feindt u. a.: Ein neuer Gesellschaftsvertrag für eine nachhaltige Landwirtschaft Wege zu einer integrativen Politik für den Agrarsektor. Berlin 2013. (323 Seiten)
  • H. Neumann, U. Dierking: Ermittlung des „Biodiversitätswerts“ landwirtschaftlicher Betriebe in Schleswig-Holstein. Ein Schnellverfahren für die Praxis. In: Naturschutz und Landschaftsplanung. Band 46, Nr. 5, 2014, S. 145–152.
  • N. Lampkin, M. Stolze, S. Meredith, M. de Porras, L. Haller, D. Mészáros: Using Eco-schemes in the new CAP: a guide for managing authorities. IFOAM EU, FIBL and IEEP, Brussels 2020.
  • J. Lange (Hrsg.): Biodiversität und die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, Loccumer Landwirtschaftstagung 2020. In: Loccumer Protokolle. Band 3, Rehburg-Loccum 2020. (178 Seiten)
  • C. Schader, . Grovermann, R. Frick, J. Grenz, M. Stolze: Towards a new public goods payment model for remunerating farmers under the CAP Post-2020 Potential of sustainability assessment tools for improving the effectiveness, efficiency, and acceptance of the CAP. Report. 2017. (organicseurope.bio)
  • Rat für Nachhaltige Entwicklung: Impulse für eine nachhaltige deutsche und europäische Agrar- und Ernährungspolitik. Stellungnahme vom 2. November 2020. (nachhaltigkeitsrat.de)
  • N. Röder, B. Laggner, K. Reiter, F. Offermann: Ist das DVL-Modell „Gemeinwohlprämie“ als potenzielle Ökoregelung der GAP nach 2020 geeignet? (= Thünen Working Paper. 166). Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig 2021. (thuenen.de, 85 Seiten)
  • Umweltbundesamt (Hrsg.): Gestaltung und Umsetzung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik ab 2021 – Übersicht über die politischen Debatten. (umweltbundesamt.de)
  • WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. WBGU, Berlin 2020.
  • Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim BMEL: Zur effektiven Gestaltung der Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nach 2020. Stellungnahme. Berlin 2019.
  • Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim BMEL: Für eine gemeinwohlorientierte Gemeinsame Agrarpolitik der EU nach 2020. Stellungnahme. Berlin 2018.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V. (Hrsg.): Gemeinwohlprämie. Ein Konzept zur effektiven Honorierung landwirtschaftlicher Umwelt- und Klimaschutzleistungen innerhalb der Öko-Regelungen in der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) nach 2020. (= DVL-Schriftenreihe „Landschaft als Lebensraum“. Nr. 28). 2020. (dvl.org)
  2. Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e.V. (Hrsg.): Steckbriefe für die Maßnahmen der Gemeinwohlprämie. Bewertung der Umweltleistungen und Hinweise zur verwaltungstechnischen Umsetzung in der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik in Deutschland. DVL, Ansbach 2020. (dvl.org)
  3. M. Birkenstock, N. Röder: Honorierung von Umweltleistungen der Landwirtschaft in der EU-Agrarpolitik auf Basis des Konzepts „Gemeinwohlprämie“: Ergebnisse einer Verwaltungsbefragung. (= Thünen Working Paper. 139). Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig 2020. doi:10.3220/WP1579077912000 (thuenen.de, 59 Seiten)
  4. Europäische Kommission, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung: Schreiben vom 11. März 2021. (dvl.org)
  5. Helge Neumann (Deutscher Verband für Landschaftspflege e.V.), Uwe Dierking, Friedhelm Taube: Erprobung und Evaluierung eines neuen Verfahrens für die Bewertung und finanzielle Honorierung der Biodiversitäts-, Klima- und Wasserschutzleistungen landwirtschaftlicher Betriebe („Gemeinwohlprämie“). In: Berichte über Landwirtschaft. Dezember 2017, abgerufen am 21. September 2023.
  6. Ökopunkte-Modell des Deutschen Verbands für Landschaftspflege, vgl. H. Neumann, U. Dierking: Ermittlung des „Biodiversitätswerts“ landwirtschaftlicher Betriebe in Schleswig-Holstein. Ein Schnellverfahren für die Praxis. In: Natur und Landschaft. Band 46, 2014, S. 145–152.
  7. Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V. (Hrsg.): Die Gemeinwohlprämie und die "Öko-Regelungen" in der neuen GAP-Architektur nach 2020. DVL, Ansbach 2019.
  8. U. Dierking, H. Neumann: Punktbewertung der Biodiversitäts-, Wasser- und Klimaschutzleistungen landwirtschaftlicher Betriebe als Grundlage für öffentliche Zahlungen - ein Vorschlag zur Neuausrichtung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik. Deutscher Verband für Landschaftspflege, Stand: 19. September 2016. (dvl.org)
  9. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. 2020. (wbgu.de)
  10. Beratungsgremium der Bundesregierung empfiehlt Gemeinwohlprämie. (topagrar.com)
  11. N. Lampkin, M. Stolze, S. Meredith, M. de Porras, L. Haller, D. Mészáros: Using Eco-schemes in the new CAP: a guide for managing authorities. IFOAM EU, FIBL and IEEP, Brussels 2020.
  12. N. Röder, B. Laggner, K. Reiter, F. Offermann: Ist das DVL-Modell„Gemeinwohlprämie“ als potenzielle Ökoregelung der GAP nach 2020 geeignet? (= Thünen Working Paper. 166). Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig 2021. (thuenen.de, 85 Seiten)