Gestängewasserhaltung

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Als Gestängewasserhaltung bezeichnet man im Bergbau eine maschinelle Konstruktion, die aus einer dampfgetriebenen Antriebsmaschine und einer Kolbenpumpe besteht, die räumlich voneinander getrennt und über ein Gestänge miteinander verbunden sind.[1] Die Gestängewasserhaltung ist die älteste mit Dampf getriebene Wasserhaltungsmaschine, die im Bergbau zum Abpumpen der Grubenwässer eingesetzt wurde.[2] Bis zur Mitte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden diese Maschinen weitestgehend von modernen, untertägig aufgestellten, Wasserhaltungsmaschinen verdrängt.[1]

Grundlagen und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als man im Steinkohlenbergbau zum Tiefbau überging, taten sich große Schwierigkeiten im Bereich der Wasserhaltung auf.[3] Mit zunehmender Teufe stiegen, je nach Region, auch die anfallenden Grubenwassermengen erheblich an.[4] Wasserhaltungsmaschinen wie die Bulgenkunst, bei denen das Wasser mittels Schöpfen aus dem Grubengebäude entfernt wurde, oder die Heinzenkünste, waren für die Bewältigung größere Wassermengen nicht genügend leistungsfähig.[5] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in den schlesischen Bergrevieren die ersten sogenannten Feuermaschinen für die Wasserhebung eingesetzt.[3] Die antreibende Dampfmaschine wurde über Tage aufgestellt.[6] Im Schacht wurden einer oder mehrere Drucksätze[ANM 1] montiert, die bis zum Sumpf reichten.[7] Antrieb und Pumpe wurden über ein Pumpengestänge zu einer Einheit verbunden.[6] Gestängewasserhaltungen wurden bis zu einer Teufe von 600 Metern eingesetzt.[4] Im Jahr 1870 wurde die erste untertägige Dampfwasserhaltungsmaschine in Betrieb genommen worden. Die Maschine bewährte sich und verdrängte weitgehend die Gestängewasserhaltung.[2] Verwendung fanden Gestängewasserhaltung jedoch noch dort, wo die Gefahr bestand, dass die untertägig aufgestellten Pumpen absaufen konnten.[1]

Aufbau und Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Balanciermaschine im Bergbaumuseum Bochum

Antrieb[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfänglich wurden als Antriebsmaschinen stehende Einzylinder-Dampfmaschinen eingesetzt.[8] Diese Maschinen waren nicht rotierende Maschinen ohne Schwungrad.[6] Bei dieser Bauart gab es direkt wirkende Maschinen und Balanciermaschinen.[9] Balanciermaschinen waren die ältere Bauart, bei ihnen wirkte der Dampf von oben auf den Kolben.[4] Diese Maschinen waren erheblich teurer. Sie wurden, trotz ihrer höheren Kosten, dort verwendet, wo der Platz über dem Schacht für die Schachtförderung oder sonstige Zwecke benötigt wurde.[6] Zu Beginn der 1850er Jahre wurden die direkt wirkenden Maschinen ohne Balancier im Bergbau eingeführt. Bei dieser Bauart wurde der Dampf unterhalb des Kolbens in den Zylinder eingeleitet.[4] In den Folgejahren wurden weitere Entwicklungen bis hin zur doppelt wirkenden Maschinen eingeführt.[6] Bis zu Beginn der 1960er Jahre galt die Zweifach-Expansionsmaschine, die Woolfsche Maschine mit zwei Zylindern, als beste Maschine für große Kraftleistungen.[10] Diese Maschinen waren mit einem Schwungrad ausgestattet, welches den Balancier bei den einfachwirkenden Maschinen überflüssig machte.[11] Die Maschinen dieses Systems waren sehr kompliziert, hatten aber die beste Wirkung.[6] Die direktwirkenden Maschinen verdrängten in den Folgejahren die Balanciermaschinen, da diese aufgrund ihrer großen zu bewegenden Massen zu schwerfällig und für große Geschwindigkeiten nicht geeignet waren.[10]

Pumpensätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Pumpen wurden stehende Schachtpumpen verwendet.[12] Es wurden Hubpumpen, Druckpumpen und Zwischenglieder zwischen Hub- und Druckpumpen, die sogenannten Rittingersätze, verwendet.[13] Bei Hubpumpen wird das Wasser durch das Gestänge gehoben.[14] Diese Pumpen funktionieren auch unter Wasser.[2] Hubpumpen können das Wasser nur auf eine Höhe von 60 bis maximal 120 Meter heben.[13] Bei der Gestängewasserhaltung wird meistens der unterste Satz als Hubpumpe ausgeführt. Im Bergbau bezeichnet man Hubpumpen mit geringer Druckhöhe als Saugpumpen.[2] Bei einer Druckpumpe wird das Wasser teilweise oder sogar ganz durch das Gewicht des runtergehenden Gestänges nach oben gedrückt.[14] Bei Druckpumpen wurde die maximale Druckhöhe von 130 Metern nicht überschritten, da man davon ausging, dass die Abdichtung für höhere Drücke nicht ausreichen würde. Sollten größere Distanzen überwunden werden, wurden mehrere Pumpensätze übereinander gestellt, sodass das Wasser stufenweise gehoben wurde.[12] Sowohl die Hub- als auch die Druckpumpen können so montiert werden, dass ihre Kolben tiefer stehen als die Oberfläche des zu hebenden Wassers. Allerdings werden sie in der Regel oberhalb der Wasseroberfläche montiert.[14] Bei den doppelt wirkenden Rittingerpumpen dient ein Teil der Rohrleitung als Kolben. Durch diese Bauweise pumpt die Pumpe kontinuierlich Wasser aus.[13]

Pumpengestänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Pumpengestänge dient dazu, die Bewegung der Antriebsmaschine auf die Pumpenkolben zu übertragen.[15] Das Gestänge besteht aus vielen unterschiedlichen langen Einzelteilen.[12] Es wird entweder aus Holz, aus Holz in Verbindung mit Eisen oder auch aus Gussstahl gefertigt.[16] Werden die Pumpengestänge aus Holz gefertigt, so haben sie entweder einen quadratischen oder eine rechteckigen Querschnitt. Als Material wird im oberen Bereich des Gestänges Eichenholz und im unteren Bereich Tannenholz (yellow pitch pine oder Red pine) verwendet. Damit die Gestänge mehr Stabilität haben, werden mehrere Hölzer entweder stumpf nebeneinander gelegt und miteinander verbunden oder verzahnt. An den Enden werden die Hölzer miteinander verbunden.[15] Hierfür werden sogenannte Gestängeschlösser verwendet, mit denen es häufig Probleme gab, was wiederum zu vielen Umbauten führte.[12] Die Kombination von Holz und Eisen hat sich nicht bewährt, aus diesem Grund wurde diese nur selten angewandt und das Gestänge wurde zumeist aus Profilstahl (Winkelschienen, T-Profile, U-Profile) gefertigt.[16] Es gab auch Bergwerke, auf denen das Gestänge aus geschmiedetem Rundstahl bestand.[15] Das Gestänge wird im Schacht durch Stempel[17] und Führungsschuhe positioniert.[16] Damit das Gestänge nicht durchschlagen kann, ist es mit Fangarmen ausgestattet, mit denen das Gestänge auf hierfür vorgesehene Fanglager aufgesetzt wird.[12] Um das Gestänge mit der Pumpe und dem Antrieb zu verbinden, werden die Enden des Gestänges mittels Fanghaken und Querarmen mit den Kolben der Maschinen verbunden.[15] Mit zunehmender Teufe nimmt das Gewicht des Gestänges zu,[1] so dass es bei großen Teufen nicht mehr einsetzbar ist.[18]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d F. Wintermeyer: Die verschiedenen Kraftantriebsarten im Bergwerksbetriebe. In: Glückauf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift. Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Hrsg.), Nr. 15, 55. Jahrgang, 12. April 1919, S. 285–259.
  2. a b c d H. Hoffmann: Lehrbuch der Bergwerksmaschinen (Kraft und Arbeitsmaschinen). 1. Auflage, mit 523 Textabbildungen, Springer Verlag GmbH, Berlin/Heidelberg 1926, S. 210–233
  3. a b Conrad Matschoss: Die Entwicklung der Dampfmaschine. Eine Geschichte der ortsfesten Dampfmaschine und der Lokomobile, der Schiffsmaschine und Lokomotive; Erster Band, Verlag von Julius Springer, Berlin 1908, S. 29–33.
  4. a b c d Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Hrsg.): Die Entwickelung des Niederrheinisch-Westfälischen Steinkohlen-Bergbaues in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Band IV, Gewinnungsarbeiten - Wasserhaltung, Springer Verlag Berlin, Berlin 1902, S. 127, 131–142.
  5. Albert Serlo: Leitfaden der Bergbaukunde. Zweiter Band, vierte verbesserte Auflage, Verlag von Julius Springer, Berlin 1884, S. 539–617.
  6. a b c d e f A. Hörmann: Die neuen Wasserhaltungsmaschinen auf den Dechenschächten bei Saarbrücken, der Tiefbauanlage zu Rüdersdorf und der Ferdinandsgrube bei Kattowitz. Verlag von Ernst & Korn, Berlin 1874, S. 2–11.
  7. Denkschrift zum 50 jährigen Bestehen der Gewerkschaft Graf Bismarck zu Gelsenkirchen. Druck von Carl Bertenburg, Gelsenkirchen 1918, S. 71.
  8. Karl Heinz Bader, Karl Röttger, Manfred Prante: 250 Jahre märkischer Steinkohlenbergbau. Ein Beitrag zur Geschichte des Bergbaues, der Bergverwaltung und der Stadt Bochum. Studienverlag Dr. N. Brockmeyer, Bochum 1987, ISBN 3-88339-590-0, S. 93.
  9. Notizen zur Sammlung von Zeichnungen für die Hütte. Jahrgang 1859, Druck von Trowitsch und Sohn, Berlin 1860, S. 16–19.
  10. a b Conrad Matschoss: Die Entwicklung der Dampfmaschine. Eine Geschichte der ortsfesten Dampfmaschine und der Lokomobile, der Schiffsmaschine und Lokomotive; Zweiter Band, Verlag von Julius Springer, Berlin 1908, S. 106–111.
  11. Carl Kley: Die einfach- und direktwirkenden Woolf'schen Wasserhaltungsmaschinen der Grube Altenberg bei Aachen. Beschreibung, Berechnung und Resultate derselben, mit Notizen über verwandte Maschinensysteme und einer Abhandlung über die Anwendung der Expansion bei Maschinen ohne continuirlich drehende Bewegung; Hoffmann'sche Verlags-Buchhandlung, Stuttgart 1865, S. 1–12.
  12. a b c d e Hans Bansen (Hrsg.): Die Bergwerksmaschinen. Eine Sammlung von Handbüchern für Betriebsbeamte. Fünfter Band, Die Wasserhaltungsmaschinen. Verlag von Julius Springer, Berlin 1916, S. 267–288.
  13. a b c Fritz Heise, Fritz Herbst: Lehrbuch der Bergbaukunde mit besonderer Berücksichtigung des Steinkohlenbergbaus. Zweiter Band, Dritte und vierte vermehrte und verbesserte Auflage, Springer-Verlag GmbH, Berlin / Heidelberg 1923, S. 572–584.
  14. a b c Gustav Köhler: Lehrbuch der Bergbaukunde. Zweite verbesserte Auflage, Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1887, S. 573–631.
  15. a b c d Albert Serlo: Leitfaden der Bergbaukunde. Zweiter Band, dritte verbesserte und bis auf die neueste Zeit ergänzte Auflage, Verlag von Julius Springer, Berlin 1878, S. 437–492.
  16. a b c Heinrich Lottner, Albert Serlo: Leitfaden der Bergbaukunde. Zweiter Band, zweite verbesserte und bis auf die neueste Zeit ergänzte Auflage, Verlag von Julius Springer, Berlin 1873, S. 405–411.
  17. Wilhelm Leo: Lehrbuch der Bergbaukunde. Druck und Verlag von G Basse, Quedlinburg 1861, S. 468–484.
  18. A. von Warstemberger: Ueber die Anwendung der Elektrizität auf Steinkohlen-Bergwerken. In: Glückauf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift. Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Hrsg.), Druck und Verlag von G. D. Baedecker in Essen, 12. Januar 1895, S. 56–58.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mit der Bezeichnung Pumpensatz oder Satz wird stets die komplette Pumpe gemeint. (Quelle: Gustav Köhler: Lehrbuch der Bergbaukunde.)