Gisela Schertling

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Gisela Schertling (* 9. Februar 1922 in Pößneck; † 8. November 1994 in Wildau) war eine deutsche Katechetin und stand der Widerstandsgruppe Weiße Rose nahe, wofür sie 1943 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

BW

Schertling war Tochter des Verlegers Paul Schertling (1889–1960) und seiner Frau Charlotte (geb. Preßler, * 1895) und hatte zwei jüngere Schwestern Renate und Ute. Schertlings wohnten in einer Villa in Pößneck und waren überzeugte Nationalsozialisten. Der Vater Paul Schertling war Inhaber einer nationalsozialistischen Lokalzeitung in Pößneck.

Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schertling legte das Abitur an einer Oberschule bei Überlingen ab und studierte jeweils ein Semester an den Universitäten Jena und Freiburg. Im Sommer 1941 freundeten sich Schertling und Sophie Scholl beim Reichsarbeitsdienst in Krauchenwies (heute in Baden-Württemberg) an. Auf ihre Einladung hin studierte Schertling ab dem Wintersemester 1942/1943 Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie ging in der Wohnung der Geschwister Scholl ein und aus und war ab Dezember 1942 die letzte Geliebte von Hans Scholl.[2] Für die Darstellung, dass das Paar verlobt gewesen sei, gibt es keine Belege.[3]

Am 18. Februar 1943 verteilten Hans und Sophie Scholl Flugblätter im Lichthof der Universität und wurden denunziert. Schertling war bei Hans Scholls Verhaftung anwesend und wurde am selben Tag ebenfalls verhaftet und erstmalig von der Gestapo verhört. Von der Verurteilung und Enthauptung Scholls am 22. Februar erfuhr sie am Abend durch die übrigen Scholl-Geschwister. Sie erreichte als einzige ein Abschiedsbrief von Hans Scholl, weil die Gestapo alle übrigen Abschiedsbriefe zurückhielt. Zwei Tage später machte sie auf eigene Initiative, vermutlich auf Anraten des Anwalts ihrer Familie, eine weitere Aussage gegenüber der Gestapo und belastete sich selbst und andere schwer. Am 29. März 1943 wurde Schertling erneut verhaftet und weiter verhört.[4]

„Ich muss zugeben, dass unter dem politischen Einfluss von Hans Scholl meine politische Haltung allmählich wankend geworden ist. Es kam zu dem Punkt, dass ich begann, an dem Nationalsozialismus zu zweifeln.“

Gisela Schertling: im Verhör am 1. April 1943

Am 19. April 1943 fand im Volksgerichtshof im Justizpalast in München der Prozess gegen Schertling und 13 weitere Angeklagte statt. Roland Freisler verurteilte sie wegen „Mitwisserschaft[2] und „Nichtanzeige eines hochverräterischen Unternehmens“ zu einem Jahr Gefängnis. Vier Wochen später wurde sie vom Hochschulstudium an allen deutschen Universitäten ausgeschlossen.[3] Bis zu ihrer Entlassung 1944 war sie im Gefängnis München-Stadelheim inhaftiert.[5]

Es ist nicht genau bekannt, wie viel Schertling von den Aktivitäten der Weißen Rose wusste. Belegt ist lediglich, dass sie Briefumschläge für Sophie Scholl besorgte und am 9. Februar bei einer Besprechung des Widerstandskreises anwesend war, bei der es um die Zusammenarbeit mit einer Berliner Widerstandsgruppe ging. Ihr war also mehr bekannt, als sie der Gestapo verriet.[2] Der Historiker Robert Zoske kritisierte 2018 die Deutung Schertlings als „christlich motivierte Widerstandskämpferin“, weil sie nicht aktiv am Widerstand beteiligt gewesen sei und 1943 in ihrem Lebenslauf ihren Bezug zur Kirche und zum christlichen Glauben aktiv herabgespielt hatte.[3]

Nach Kriegsende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Kriegsende schloss Schertling ihr Studium ab und machte danach in Eisenach eine Ausbildung zur kirchlichen Religionslehrerin, Katechetin und Organistin. Ab 1956 arbeitete sie in der Kirche von Krölpa. 1963 wurde Schertling von der DDR als Verfolgte des Naziregimes anerkannt. Ab 1973 war sie Organistin und Katechetin der Friedenskirche Wildau. Sie engagierte sich außerdem im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR.[3] Der Wildauer Pfarrer Friedrich-Wilhelm Ritter gibt an, dass sie ihre Liebschaft mit Hans Scholl nur wenigen anvertraut und zu ihm gesagt habe:[5]

„Ich bin nicht die Weiße Rose, sondern bestenfalls ein Dorn oder Beiblatt.“

1994 starb Schertling nach langer Krankheit im Alter von 72 Jahren.[4]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

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Filme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kerstin Hirschel/Stadtarchiv Pößneck: Gisela Schertling – Zivilcourage in düsterer Zeit. Eine Erinnerung anlässlich ihres 100. Geburtstag. (PDF) In: Pößnecker Stadtanzeiger. Stadt Pößneck, Januar 2022, S. 9–10, abgerufen am 26. April 2024.
  2. a b c 100. Geburtstag von Gisela Schertling. In: weisse-rose-stiftung.de. Weiße Rose Stiftung e. V., abgerufen am 28. Februar 2022.
  3. a b c d e Robert M. Zoske: Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose. C. H. Beck, 2021, ISBN 978-3-406-76803-3, S. 141 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. a b Franziska Mohr: Wildau: Ehrengrab für Weiße-Rose-Aktivistin. In: Maz-online.de. 1. November 2014, abgerufen am 28. Februar 2022.
  5. a b Frank Pechhold: Geliebte aus Thüringen bekam den einzigen Abschiedsbrief von Hans Scholl. In: LVZ.de. 9. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
  6. Franziska Mohr: Wildau: Ehrengrab für Weiße-Rose-Aktivistin. In: Märkische Allgemeine Zeitung online. 11. Januar 2014, abgerufen am 6. September 2022.