Giselakreuz

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Giselakreuz, Schatzkammer der Münchner Residenz, Vorderseite

Das Giselakreuz ist ein mit Goldblech verkleidetes Holzkreuz, das Königin Gisela von Ungarn für ihre 1006 verstorbene Mutter Gisela von Burgund, Herzogin von Bayern, dem Kloster Niedermünster in Regensburg stiftete. Es gilt als eines der besten Werke ottonischer Goldschmiedekunst.[1]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kreuz ist 44,5 cm hoch und 32 cm breit.[2] Es besteht im Kern aus Eichenholz, das mit Goldblech verkleidet ist. Die Randborten der Vorderseite sind mit Perlen, Edelsteinen und in Zellenschmelztechnik hergestellten Emailarbeiten besetzt. Bei den über 200 kleinen Emailplättchen auf Vorder- und Rückseite handelte es sich um eine Wiederverwendung, möglicherweise waren diese ursprünglich auf einem Prunkgewand aufgenäht. Auf der Vorderseite wurden später an den vier Enden der Kreuzbalken edelsteinbesetzte Fragmente anderer Goldschmiedearbeiten angebracht.[3]

Die goldgetriebene[4] Christusfigur enthält im Inneren Kreuz-[2] oder Passionsreliquien.[5] Zu beiden Seiten der Fußstütze des Gekreuzigten sind die gekrönte Gisela von Ungarn und ihre Mutter dargestellt.

Der nicht von der Figur eingenommene Raum zwischen den Randborten trägt eine lateinische Majuskel-Inschrift, die über Stifterin und Stiftungsanlass Auskunft gibt und so das Kreuz als Memorialstiftung charakterisiert.

  • (Oben:) ECCE SALVS VITE P(ER) QVA(M) MORS MORTUA MORTE
    Seht das Heil des Lebens, durch das der Tod des Todes starb.
  • (Links:) VNDE SVAE MATRISQVE ANIMAE POSCENDO SALVTE(M)
    Daher hat, um für ihre und ihrer Mutter Seele das Heil zu erbitten,
  • (Unten:) HANC REGINA CRVCE(M) FABRICARI GISILA IVSSIT
    die Königin Gisela dies Kreuz anfertigen lassen.
  • (Rechts:) QVAM SIQVIS DEMIT HINC DA(M)NETVR MORTE P(ER)ENNI
    Wer es von hier [d. h. vom Grab, für das es gestiftet wurde,] wegnimmt, soll zum ewigen Tode verdammt sein.[2]

Rückseite und Kanten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rückseite des Kreuzes zeigt eine der Vorderseite vergleichbare Randgestaltung aus Emails und Perlen, eine kürzere Inschrift sowie auf gepunztem Grund durch Punktierlinien „gezeichnete“ Darstellungen[5] des Gekreuzigten zwischen den vier Evangelistensymbolen. An den Schmalkanten schließlich läuft eine dritte, teilweise zerstörte Inschrift um.

  • (Rückseite:) HANC CRVCE(M) GISILA[6] DEVOTA REGINA AD TVMVLV(M) SVE MATRIS GISILE DONARE CVRAVIT
    Gisela, die fromme Königin, war besorgt, dieses Kreuz für das Grab ihrer Mutter Gisela zu stiften.
  • (Kanten:) ... (CRVC)EM DOMINI CHRISTI SVB HONORE SACRATAM ANGELICI CIVES QVAM CHRISTI CO(LVNT) GLORIFICANT STIPANT VENERANTVR ADORANT ...
    ... das Kreuz des Herrn Christus, unter Ehren geheiligt, das die engelhaften Bürger pflegen, verherrlichen, umdrängen, verehren, anbeten, ...[2]

Datierung und Provenienz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kreuz wurde nach 1006/1007 oder möglicherweise erst nach 1038[7] wohl in Regensburg hergestellt und im dortigen Kloster Niedermünster, der Begräbnisstätte von Gisela von Burgund, aufbewahrt. Es gelangte nach der Säkularisation zunächst (1811) in die Reiche Kapelle der Münchner Residenz, 1938 in die Schatzkammer der Reichen Kapelle und befindet sich seit 1958 in der Schatzkammer der Residenz.[2]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hugo Schnell (Text), Benno Keysselitz (Fotos): Bayerische Frömmigkeit. Kult und Kunst in 14 Jahrhunderten. Verlag Schnell und Steiner, München/Zürich 1965, S. 31 Taf. 46–49 Farbtaf. XVII (gute Fotos).
  • Herbert Brunner (Hrsg.): Schatzkammer der Residenz München. Katalog. 3. Auflage. Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München 1970, S. 40–41 Kat. 8.
  • Sybille Eckenfels-Kunst: Goldemails. Untersuchungen zu ottonischen und frühsalischen Goldzellenschmelzen. Pro Business Verlag, Berlin 2008, ISBN 3-86805-061-2.
  • Egon Boshof: Das Giselakreuz. In: Katharina Weigand, Jörg Zedler (Hrsg.): Ein Museum der bayerischen Geschichte. Herbert Utz Verlag, München 2015, ISBN 978-3-8316-4200-7, S. 107–129.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gisela-Kreuz. In: Harald Olbrich (Hrsg.): Lexikon der Kunst. Neubearbeitung. Band 2. E. A. Seemann, Leipzig 1989, S. 753: „Es gehört zu den besten Schöpfungen ottonischer Goldschmiedekunst.“
  2. a b c d e Herbert Brunner (Hrsg.): Schatzkammer der Residenz München. Katalog. 3. Auflage. Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München 1970, S. 40–41 Kat. 8.
  3. Hermann Fillitz: Kreuz der Königin Gisela. In: Hermann Fillitz (Hrsg.): Das Mittelalter I (= Propyläen-Kunstgeschichte. Band 5). Propyläen-Verlag, Berlin 1969, S. 165 Farbtafel XXVI.
  4. Hans Thoma: Kronen und Kleinodien. Meisterwerke des Mittelalters und der Renaissance aus den Schatzkammern der Residenz zu München. Aufnahmen von Walter Hege (= Deutsche Lande, deutsche Kunst, begründet von Burkhard Meier). Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1955, S. 19 Taf. 10–12: „Der Gekreuzigte ist eine fast vollrunde, aufgestiftete Goldtreibarbeit ...“ – Herbert Brunner (Hrsg.): Schatzkammer der Residenz München. Katalog. 3. Auflage. Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München 1970, S. 40–41 Kat. 8: „An dem goldgetriebenen Corpus Christi ...“
  5. a b Hans Thoma: Kronen und Kleinodien. Meisterwerke des Mittelalters und der Renaissance aus den Schatzkammern der Residenz zu München. Aufnahmen von Walter Hege (= Deutsche Lande, deutsche Kunst, begründet von Burkhard Meier). Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1955, S. 19 Taf. 10–12.
  6. Brunner schreibt "GISELA", aber das Foto zeigt auch an dieser Stelle eindeutig „GISILA“, wie weiter unten.
  7. In diesem Jahr wurde Gisela von Ungarn, die nach dem Tod ihres Gatten aus Ungarn hatte fliehen müssen, Äbtissin des Klosters. – Herbert Brunner (Hrsg.): Schatzkammer der Residenz München. Katalog. 3. Auflage. Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München 1970, S. 40–41 Kat. 8.