Golpa-Leitung

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Mast der Golpa-Leitung

Als Golpa-Leitung wird eine 1917 bis 1918 errichtete 132 km lange 110-kV-Drehstromfreileitung bezeichnet, die das Kraftwerk Zschornewitz bei Bitterfeld mit Berlin verband. Sie war eine der ersten überregionalen Hochspannungsleitungen Deutschlands, die mit dieser Spannung betrieben wurde.

Im Juni 1948 wurde mit dem Beginn der Berlin-Blockade der Abschnitt im Westteil Berlins unterbrochen. Damit war auch die Stromversorgung der Westsektoren Berlins von außen gekappt. Nach Ende der Blockade wurde die Versorgung im Mai 1949 vorerst wieder aufgenommen. Mit der weiteren Zuspitzung des Ost-West-Konflikts in den 1950er Jahren wurden im Westteil Berlins eigene Kraftwerkskapazitäten aufgebaut und ausreichende Kohlereserven gelagert. Deshalb wurde die Golpa-Leitung auf West-Berliner Gebiet abgebaut.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste Planungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1911 wurden seitens der AEG Überlegungen angestellt, Berlin mittels einer 110-kV-Leitung durch das mitteldeutsche Braunkohlerevier zu versorgen. Anschließend wurde mit umfangreichen Vorarbeiten im Trassenraum begonnen.[1]

Im Januar 1912 ging mit der Hochspannungsleitung Lauchhammer–Riesa die erste Freileitung mit einer Spannung von über 100 kV in Europa in Betrieb. Um die Reichshauptstadt Berlin mit Strom zu versorgen, schlossen die Berliner Elektrizitätswerke (BEW) im Jahr 1913 mit der Stadt Berlin Stromlieferverträge ab, da die Kraftwerke im Stadtgebiet im Zuge der fortschreitenden Elektrifizierung an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen waren. Die AEG wurde deshalb beauftragt, ein Großkraftwerk und die notwendigen Leitungsverbindungen ins Stadtgebiet zu errichten. Als geeignet erwies sich ein Standort in der Nähe des Braunkohlegebiets nördlich von Bitterfeld mit den Gruben Bergwitz und Golpa.[2]

Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges änderten sich die Prioritäten grundlegend und so sollten vorrangig die kriegswichtigen Stickstoffwerke Piesteritz mit Strom aus dem Kraftwerk Zschornewitz versorgt werden, so dass die Leitung nach Berlin hinten angestellt wurde.[1]

Bau des Kraftwerks Zschornewitz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kraftwerk Zschornewitz 1927

Von März bis Dezember 1915 entstand als Entwurf Georg und Walter Klingenbergs das Braunkohlekraftwerk Zschornewitz der Braunkohlenwerk Golpa-Jeßnitz AG, das in seiner ersten Ausbaustufe mit acht Dampfturbinen und 64 Dampfkesseln in Betrieb genommen wurde. Zur gleichen Zeit wurde die Kraftwerksgesellschaft in Elektrowerke AG (EWAG) umbenannt und ihr Sitz nach Berlin verlegt.[2][3]

Von Zschornewitz aus wurde ein Netz aus Fernleitungen errichtet. Schon im Dezember 1915 ging die Leitung zu den Stickstoffwerken Piesteritz in Betrieb. Neben einer im Oktober 1918 in Betrieb genommenen Leitung nach Bitterfeld, die das dortige Aluminiumwerk mit elektrischer Energie versorgte, entstand als wichtigste Leitungsverbindung die Golpa-Leitung nach Berlin.

Errichtung der 110-kV-Leitung nach Berlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Silva-Karte 1925, Industriegebiet Berlin-Rummelsburg

Beteiligt am Bau der Golpa-Leitung waren die Siemens-Schuckertwerke in Berlin. Da die AEG fürchtete, das Kraftwerk Zschornewitz könnte nicht gewinnbringend betrieben werde, hatte sie sich aus dem Projekt zurückgezogen. Die Reichsregierung erachtete die Leitung als kriegswichtig: Sie sollte auch ein Berliner Aluminiumwerk versorgen. So übernahm der Fiskus das gesamte Grundkapital der EWAG und trieb das Projekt unter staatlicher Aufsicht voran.[4] Mit dem Leitungsbau wurde am 10. Oktober 1917 begonnen und die gesamte Strecke war am 6. Juli 1918 fertiggestellt. Die für zwei 110-kV-Drehstromkreise ausgelegte Leitung wurde dabei auf Tonnenmasten mit einer zusätzlichen oberen Traverse für zwei Erdseile verlegt.

Endpunkt der Leitung auf Berliner Stadtgebiet war zunächst ein Umspannwerk am Kraftwerk Rummelsburg. In rund 600 m Entfernung am Eingang zur Rummelsburger Bucht befand sich das Aluminiumwerk, das zur Zeit des Ersten Weltkrieges die gestiegene Nachfrage nach Aluminium decken sollte. Dieses Werk wurde zunächst durch das 1907 eröffnete Kraftwerk Rummelsburg versorgt. Mit zunehmendem Energiebedarf wurde die Realisierung des Kraftwerks Zschornewitz und der Bau der Hochspannungsleitung von Zschornewitz/Golpa nach Berlin vorangetrieben.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde das Aluminiumwerk unwirtschaftlich und schließlich geschlossen. An dessen Standort wurde in den 1920er Jahren das Kraftwerk Klingenberg errichtet. Die Golpa-Leitung behielt ihre Bedeutung, um das Berliner Stadtgebiet mit Strom zu versorgen. Dabei sollte das Kraftwerk Zschornewitz einen wesentlichen Beitrag für die Grundlastversorgung Berlins, sicherstellen. Um eine unwirtschaftliche Kapazitätserweiterung der Golpa-Leitung zu vermeiden, wurde den Berliner Kraftwerken die Abdeckung der Spitzenlasten zugewiesen.[5] Die Erweiterung der Golpa-Leitung um eine dritte Leitung, aber auch die Einführung von Nachtschichten in der Industrie, wurden regelmäßig in den Berliner Zeitungen thematisiert.[6]

Berliner Blockade[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 24. Juni 1948 kam die Leitung in die internationalen Schlagzeilen. Die sowjetische Militäradministration hatte mit der Blockierung der Westsektoren neben der Sperrung der Land- und Wasserwege auch die Stromlieferung für West-Berlin aus dem mitteldeutschen Braunkohlerevier gestoppt und die Golpa-Leitung an der Stadtgrenze unterbrochen.

Nach Beendigung der Blockade im Mai 1949 wurde die Versorgung des Westteils Berlins über die Golpa-Leitung zunächst wieder in Betrieb genommen. Im Jahr 1954 wurde die Stromversorgung aber erneut ohne Vorankündigung unterbrochen. Die Stromnetze wurden getrennt (zur Geschichte siehe Innerdeutscher Stromverbund). Die von Zschornewitz kommende Leitung wurde südlich der Berliner Stadtgrenze in Richtung Schönefeld / Adlershof verlegt, um den Ostteil Berlins zu versorgen.

Im Westteil Berlins war bereits während der Blockade das Kraftwerk West ausgebaut worden, das 1953 in Kraftwerk Reuter umbenannt wurde. Außerdem wurden im Rahmen der Senatsreserve große Kohlevorräte angelegt, um auf eine eventuelle zweite Blockade vorbereitet zu sein. Deshalb konnte der nicht mehr benötigte Abschnitt der Hochspannungsleitung zwischen der südlichen Berliner Stadtgrenze bei Lichtenrade und der Sektorengrenze am Teltowkanal in den 1950er Jahren abgebaut werden.[7]

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehemaliger Trassenverlauf der Golpa-Leitung im südöstlichen Berlin, Stand 1925

Der Verlauf der Golpa-Leitung in Berlin kann anhand des Silva-Stadtplans von 1925 nachvollzogen werden. Die Leitung erreichte im Raum Lichtenrade westlich der Dresdener Bahn das spätere Berliner Stadtgebiet (Groß-Berlin) und führt zunächst zum Marienfelder Industriegebiet am (erst 1946 eröffneten) S-Bahnhof Buckower Chaussee. Damit konnten für die Rüstungsproduktion wichtige Unternehmen wie das Daimler-Werk und das Fritz-Werner-Werk angeschlossen werden.

Anschließend schwenkte die Leitung nach Ostnordost ab. Im Bereich des heutigen Richard-Tauber-Dammes wurde sie von einer weiteren Hochspannungsfreileitung gekreuzt, die aus dem Raum Wildau kam und an einem Umspannwerk am Hafen Mariendorf endete.

Die Golpa-Leitung führte nördlich am Dorfkern Buckow vorbei. Der Trassenverlauf kann heute noch anhand des sogenannten Hochspannungswegs nachvollzogen werden. Südlich des heutigen Neuköllner Krankenhauses schwenkte die Leitung wieder nach Nordost und kreuzte nördlich der heutigen Oskar-Heinroth-Grundschule den Teltowkanal. Auch hier ist die Trasse noch an einem weiteren mit Hochspannungsweg benannten Weg nachvollziehbar. Die Leitung führte anschließend durch die Königsheide zum südlichen Ufer des Britzer Zweigkanals und querte dann die Spree. In Höhe der Rummelsburger Chaussee teilte sich die Leitung auf. Ein Zweig wurde zu einem am Kraftwerk Rummelsburg befindlichen Umspannwerk geführt, um das Aluminiumwerk zu versorgen.

Ein weiterer Zweig der Hochspannungsleitung von Zschornewitz führte nach Norden zu einem weiteren Umspannwerk bei Friedrichsfelde. Diese Leitung wurde bis 1925 im Zuge der Ostseestraße, Bornholmer Straße und Seestraße zum Kraftwerk Moabit verlängert, um einen Netzverbund der Kraftwerke herzustellen.[8]

Das Aluminiumwerk wurde nach Ende des Ersten Weltkriegs aufgegeben. Auf diesem Gelände wurde zwischen 1925 und 1927 das Kraftwerk Klingenberg gebaut.

Nach der Wende wurden der Tagebau in Golpa und Gröbern sowie die Kraftwerke Zschornewitz und Vockerode stillgelegt und die verbliebene Freileitung demontiert. Die ehemalige Trasse und Fundamentreste der Hochspannungsleitungen sind an einigen Stellen noch erkennbar. In den Berliner Ortsteilen Buckow und Britz erinnert die als Hochspannungsweg bezeichnete Fuß- und Radwegverbindung noch heute an den Verlauf der Hochspannungsleitung.[9]

Trägerfrequenzübertragung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1920 wurde durch die AEG-Tochtergesellschaft Telefunken auf der Golpa-Leitung die erste Trägerfrequenzübertragung über Hochspannungsleitungen (TFH) in Deutschland in Betrieb genommen. Damit wurde es möglich Messwerte, Zählerstände und andere Daten unabhängig vom Fernmeldenetz der Post über die Hochspannungsleitung zu übermitteln. Zunächst wurde parallel zu den Leiterseilen eine Antenne über die Masten gelegt, später wurden die Funksignale selbst über die unter Spannung stehenden Leiter vermittelt. An beiden Enden der Leitung wurden dafür Koppelkondensatoren zwischen dem TFH-Gerät und dem Leiterseil zwischengeschaltet. Spulen verhinderten die Übertragung auf andere sich an den Endpunkten fortsetzende Leitungsanlagen.[10]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Hochspannungsleitung Teufelsbruch-Werderstraße
  2. a b Online in der Google-Buchsuche
  3. 20. Mai 1915: Die Zukunft der Berliner Elektrizitätswerke. In: Vorwärts, 20. Mai 1915, S. 6, abgerufen am 17. Mai 2020.
  4. Gerhard Dehne: Deutschlands Großkraftversorgung. Springer Verlag, Berlin/ Heidelberg 1925, S. 52
  5. 23. Oktober 1919: Fern- und Nahkraftwerke. In: Vorwärts, 23. Oktober 1919, S. 2, abgerufen am 17. Mai 2020.
  6. 30. Juni 1920: Otto Ziska: Die Fernstromversorgung Berlins. In: Freiheit (USPD-Zeitung), 30. Juni 1920, S. 2, abgerufen am 17. Mai 2020.
  7. Susanne Schilp: Als die Lichter ausgingen.In: Berliner Woche, 16. Oktober 2018
  8. Silva-Karte 1925 Auf: ZLB Berlin, abgerufen am 16. Mai 2020
  9. Der Hochspannungsweg ist eine asphaltierte Promenade mit Spielplätzen, Bänken und vielen Sträuchern und Bäumen.(Der Spaziergang beginnt Buckower Damm und führt durch die Siedlung Neuland)
  10. Multiplextechnik: Virtuose Gleichzeitigkeit auf einer Übertragungsstrecke. Förderverein Technikforum Backnang, abgerufen am 15. Februar 2019.