Gonfaloniere der Kirche

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Wappen der Familie Gonzaga mit den päpstlichen Insignien, die Federico II. als päpstlicher Gonfalonier erwarb
Wappen der Familie Montefeltro mit den päpstlichen Insignien, die Federico als päpstlicher Gonfalonier erwarb

Der Gonfaloniere der Kirche oder Päpstlicher Gonfalonier (italienisch Gonfaloniere della Chiesa, deutsch ‚Bannerträger‘, lateinisch Vexillifer Ecclesiæ) war ein militärisches und politisches Amt des Kirchenstaates. Es ging aus der Nutzung des päpstlichen Banners während des Kampfes hervor. Das Amt wurde später weitgehend zeremonieller und politischer Natur. Bei seiner Nominierung wurden dem Gonfaloniere zwei Banner verliehen, eines mit den Wappen der Kirche (Vexillum cum armis Ecclesiae) und ein weiteres mit dem Wappen des regierenden Papstes (cum suis armis). Der Gonfaloniere war berechtigt, kirchliche Embleme (dazu gehörten die Schlüssel von St. Peter und das Padiglione) auf seinen eigenen Waffen in der Regel nur während seiner Amtszeit, aber bei Gelegenheit dauerhaft zu tragen. Innozenz XII. schaffte beide Ämter ab und ersetzte sie durch das Amt des Fahnenträgers der Heiligen Römischen Kirche (ita.: Vessilifero Romana Chiesa di Santo), das später erblich an die Familie Naro Patrizi verliehen wurde.[1]

Liste der Gonfaloniere der Kirche (unvollständig)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Amtszeit Porträt Gonfaloniere ernennender Papst Anmerkungen
ca. 1296 Jakob II. von Aragón Bonifatius VIII.
(1294–1303)
König von Aragon und Valencia; Gonfalonier, Admiral, und Generalkapitän der Kirche; ernannt, um ihn zu ermutigen einen Krieg gegen seinen Bruder, Friedrich II., zu führen (vgl. Sizilianische Vesper)[2]
1372–? Galeotto I. Malatesta Gregor XI.
(1370–1378)
Kommandant der päpstlichen Armee gegen Bernabò Visconti, den er bei Montechiaro besiegte
1377–1384 Ridolfo II. da Varano di Camerino Gregor XI.
(1370–1378)
diente als Kommandant der päpstlichen Armee in den letzten Jahren des Avignonesischen Papsttums
1384–1385 Karl III. von Neapel Urban VI.
(1378–1389)
König von Neapel, exkommuniziert und aus dem Amt entfernt; seine Kräfte belagerten den Papst in Nocera, während der Papst später versuchte Neapel für seinen Neffen Francesco Moricotti Prignani an sich zu reißen[3]
1387–? Carlo I. Malatesta Urban VI.
(1378–1389)
ein Condottiere
ca. 1399 Martin I. von Aragón Gegenpapst
Benedikt XIII.
König von Aragon und Sizilien, Gonfaloniere des westlichen Gegenpapstes, weigerte sich aber, während der Belagerung Avignons Krieg gegen Frankreich zu führen[4]
1403–? Niccolò III. d’Este Bonifatius IX.
(1389–1404)
ein Condottiere, auch Herr von Ferrara; ernannt als Gegensatz zu Mailand; möglicherweise wiederernannt von Papst Martin V.
1406–? Ladislaus von Neapel Innozenz VII.
(1404–1406)
König von Neapel; ernannt für seine Hilfe bei der Unterstützung Innozenz’ VII. gegen den römischen Mob;[5] im Jahre 1411 nach Roccasecca gesandt, verließ er Papst Gregor XII. zugunsten des Gegenpapstes Johannes XXIII., der ihn zu seinem Gonfalonier ernannte[6]
1409–1411 Ludwig II. von Anjou Gegenpapst
Alexander V.
im Gegensatz zu Ladislaus für das Königreich Neapel; wurde von der Pisaner Fraktion von Gegenpapst Alexander V. zum Gonfalonier ernannt; obwohl er einen wichtigen Sieg in Roccasecca errang, verließ er das Feld und kehrte nach Frankreich zurück[7]
1412–? Gianfrancesco I. Gonzaga Gregor XII.
(1406–1415)
ein Condottiere; auch Herr von Mantua
1419–? Guidantonio da Montefeltro Martin V.
(1417–1431)
ein Condottiere; auch Herr von Urbino
1431–? Niccolò Fortebraccio Eugen IV.
(1431–1447)
ein Condottiere; trotz seines Scheiterns Città di Castello wiederzuerobern, wurde er als Gonfaloniere verpflichtet, sich Sigismund von Luxemburg in der Toskana und den Prefetti di Vico in der Region Latium zu widersetzen, nutzte aber seine Stellung, um seine eigenen Interessen zu fördern, danach zog er in den Krieg gegen den Kirchenstaat für das Herzogtum Mailand
1433–1434 Giovanni Vitelleschi Eugen IV.
(1431–1447)
für kurze Zeit unter Papst Eugen IV. Kommandant der päpstlichen Truppen
1434–1442 Francesco I. Sforza Eugen IV.
(1431–1447)
ein Condottiere; während der Arbeit für Mailand erhielt er die Position des Gonfaloniere zusammen mit Ancona im Rahmen der Bedingungen eines Friedens mit Eugen, dann führte die Kampagne gegen den ehemaligen Gonfalonier und seinen ehemaligen Verbündeten Niccolò Fortebraccio[8] Verlor seine Position nach dem Bündnis Mailands mit dem Papsttum gegen ihn.[9]
1442–? Niccolò Piccinino Eugen IV.
(1431–1447)
ein Condottiere; ursprünglich half er Fortebraccio und Sforza gegen das Papsttum; ernannt zum Gonfalonier, um Sforzas Besitzungen in der Marca anconitana zu erobern
1444–? Ludwig XI. von Frankreich Eugen IV.
(1431–1447)
ernannt für seine Taten in der Schweiz gegen das Konzil von Basel und den Gegenpapst Felix V.
ca. 1455 Francesco I. Sforza zweite Amtszeit;[10] unangefochtener Herzog von Mailand
?–1458 Pedro Luis Borgia Calixt III.
(1455–1458)
Papst Kalixts älterer Bruder, auch Generalkapitän der Kirche und Herzog von Spoleto[11]
1462[12]–1468 Federico da Montefeltro Pius II.
(1458–1464)
ein Condottiere, auch Herzog von Urbino; berufen gegen Sigismondo Malatesta, den Herrn von Rimini; wiederbestellt von Papst Paul II. gegen Venedig[13]
1474–? Federico da Montefeltro Sixtus IV.
(1471–1484)
zweite Amtszeit, nun als Herzog von Urbino; verheiratete seine Tochter mit Papst Sixtus’ Lieblingsneffen Giovanni della Rovere, der das Herzogtum nach dem Tod von Federicos Sohn Guidobaldo erbte
1496[11]–1497 Giovanni Borgia Alexander VI.
(1492–1503)
Sohn Alexanders VI., auch Herzog von Gandía und Generalkapitän; ermordet, vielleicht von seinem Bruder Cesare[14]
29. März 1500[11]–1503 Cesare Borgia Alexander VI.
(1492–1503)
Sohn Alexanders VI.; ehemaliger Kardinal, auch Herzog von Valentino und Generalkapitän; oft der Ermordung Giovannis beschuldigt,[15] entweder direkt oder indirekt;[16] Julius II. weigerte sich, ihn nach seiner Wahl zu bestätigen[17]
1504–1508? Guidobaldo da Montefeltro Julius II.
(1503–1513)
ein Condottiere, auch Herzog von Urbino; Sohn von Federico da Montefeltro; adoptierte Francesco Maria I. della Rovere, Neffe sowohl von ihm als auch des Papstes[13][18]
19. April 1509[19]–1510[20] Alfonso I. d’Este Julius II.
(1503–1513)
auch Herzog von Ferrara;[21] kommandierte die Kräfte gegen Venedig in der zweiten Phase des Krieges der Liga von Cambrai; seines Postens enthoben und exkommuniziert mit seiner ganzen Familie, um Ferrara unter päpstliche Verwaltung zurückzukehren zu lassen[20]
30. September 1510–? Gianfrancesco II. Gonzaga Julius II.
(1503–1513)
auch Markgraf von Mantua
1513–1516 Giuliano di Lorenzo de’ Medici Leo X.
(1513–1521)
auch Generalkapitän der Kirche und Herzog von Nemours[22]
1516–? Lorenzo di Piero de’ Medici[13] Leo X.
(1513–1521)
auch Generalkapitän der Kirche; befehligte die päpstliche Armee im Krieg von Urbino (1517), bevor er bei der Belagerung von Mondolfo verwundet wurde
1519–? Federico II. Gonzaga Leo X.
(1513–1521)
auch Herzog von Mantua und Generalkapitän der Kirche und der Republik Venedig;[23] war nicht verpflichtet gegen das Heilige Römische Reich und versäumte damit, in den Sacco di Roma einzugreifen[21][24]
1. Februar 1537–1547 Pier Luigi Farnese Paul III.
(1534–1549)
Sohn Pauls III.; auch Herzog von Parma, Piacenza und Castro[21]
1547–1551 Ottavio Farnese Paul III.
(1534–1549)
Sohn Pier Luigi Farneses, auch Herzog von Parma, Piacenza und Castro[25]
ca. 1565 Jacob Hannibal von Ems zu Hohenems (oder Graf Hannibal von Altemps)[1]
1566–? Ottavio Farnese Pius V.
(1566–1572)
zweite Amtszeit[26]
1572–1585 Giacomo Boncompagni Gregor XIII.
(1572–1585)
Sohn von Gregor XIII.; auch Generalkapitän des spanischen Mailands, erwarb die Herzogtümer von Sora und Arce, Aquino und Arpino; aus dem Amt entfernt nach der Wahl von Papst Sixtus V.
ca. 1621–? Odoardo I. Farnese Gregor XV.
(1621–1623)
auch Herzog von Parma und Piacenza; Papst Urban VIII. exkommunizierte ihn und verbot ihm die Benutzung der Wappen des Gonfalonier[1]
?–1630 Carlo Barberini Urban VIII.
(1623–1644)
Bruder von Papst Urban VIII. und Antonio Marcello Barberini, Vater Taddeo Barberinis
1630–1636(?) Torquato Conti Urban VIII.
(1623–1644)
Herzog von Guadagnolo und Feldmarschall des Heiligen Römischen Reiches
1639–1644 Taddeo Barberini Urban VIII.
(1623–1644)
Neffe Papst Urbans VIII. und Prinz von Palestrina. Zum Kommandeur der päpstlichen Armee in den Kriegen von Castro ernannt. Ging 1644 nach der Wahl Papst Innozenz’ X. ins Exil und starb im Jahre 1647 ohne wieder nach Rom zurückzukehren. Daten sind ungefähre Angaben.
1649–? Maffeo Barberini Innozenz X.
(1644–1655)
Sohn Taddeo Barberinis, der die früheren Titel seines Vaters nach der Versöhnung mit den Familien Pamphili und Barberini erhielt.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Philippe Levillain: The Papacy: An Encyclopedia. „Heraldry.“ Abgerufen am 5. Juni 2010.
  2. Pope Boniface VIII. In: Catholic Encyclopedia, 1913 (englisch)
  3. Welbore Baddeley: Charles III of Naples and Urban VI. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  4. H. J. Chaytor: A History of Aragon and Catalonia. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  5. Lodovico Antonio Muratori: Annali d’Italia ed altre opere varie: Dall’anno 1358 all’anno 1687, Vol. IV. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  6. Catholic Encyclopedia. „Antipope John XXIII.“ Abgerufen am 5. Juni 2010.
  7. Encyclopædia Britannica, 1911. Alexander V. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  8. Niccolò Machiavelli: History of Florence. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  9. Cecilia M. Ady: A History Of Milan Under The Sforza. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  10. Giorgio Vasari: Lives of the Most Eminent Painters Sculptors and Architects, Vol. III. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  11. a b c Raphael Sabatini: The Life of Cesare Borgia. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  12. Adrian Mourby: The Independent. In search of: Federico in Urbino. 13. November 2001. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  13. a b c John Sloan: Dukes of Urbino. (Memento des Originals vom 9. Mai 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.xenophon-mil.org Abgerufen 5. Juni 2005.
  14. Spinosa: La saga dei Borgia.
  15. Eliakim Littell: Making of America Project: The Living Age. (PDF) 1888.
  16. Borgia. (PDF) In: Chambers’s Encyclopædia: A Dictionary of Universal Knowledge. 1901.
  17. The New Encyclopædia Britannica. 1983.
  18. J. D. Passavant: Rafael of Urbino and his Father, Giovanni Santi. Op. cit. The National Quarterly Review. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  19. John Julian Norwich: History of Venice. S. 401–402.
  20. a b William Roscoe: The life and pontificate of Leo the Tenth, Vol. II. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  21. a b c Giacomo Bascapè u. a.: Insegne e Simboli, Araldica Pubblica e Privata Medievale e Moderna. Ministero per i beni culturali e ambientali, Rom 1983. Op. cit. „Heraldry in Pre-Unification Italy.“ Abgerufen am 5. Juni 2010.
  22. John A. Symonds: Sketches and Studies in Italy and Greece. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  23. Kenneth M. Setton: The Papacy and the Levant (1204–1574). Vol. III. The Sixteenth Century to the Reign of Julius III.
  24. Christopher Hare u. a.: Courts & Camps of the Italian Renaissance. (PDF) 1908.
  25. Lodovico Antonio Muratori: Annali d’Italia dal principio dell’era volgare sino all’anno MDCCXLIX, Vol. XIV. Abgerufen am 5. Juni 2010.
  26. Allan J. Crosby (Hrsg.): Calendar of State Papers, Foreign: Elizabeth. Vol. 8 (1566–1568). „Elizabeth: February 1566.“ Abgerufen am 5. Juni 2010.