Grotte Mandrin

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Grotte Mandrin

Lage: Malataverne, Region Auvergne-Rhône-Alpes, Département Drôme, Frankreich
Höhe: 245 m
Geographische
Lage:
44° 28′ 10,4″ N, 4° 46′ 16,9″ OKoordinaten: 44° 28′ 10,4″ N, 4° 46′ 16,9″ O
Grotte Mandrin (Frankreich)
Grotte Mandrin (Frankreich)
Katasternummer: RHAAA0004031
Geologie: Kalkstein
Typ: Karsthöhle
Entdeckung: 1960
Gesamtlänge: 8 m
Website: https://malataverne.fr/la-grotte-mandrin/

Die Grotte Mandrin ist eine Halbhöhle nahe der französischen Kleinstadt Malataverne bei Montélimar im Département Drôme. Sie ist ein archäologischer Fundplatz mit außergewöhnlich zahlreichen und gut erhaltenen Funden aus der Zeit des Übergangs vom Mittel- zum Jungpaläolithikum. Die älteste Fundschicht ist 120.000 Jahre alt.[1][2]

Benannt ist sie nach dem französischen Volkshelden Louis Mandrin.[3]

Geographische Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der im mittleren Rhonetal gelegene Abri befindet sich rund 2,5 km südöstlich der Ortsmitte von Malataverne im Fuß eines exponierten Kalksteinfelsens auf 245 m Höhe. Zwei Hügel bilden dort eine etwa 350 m breite Engstelle, durch die mit der A7, N7, D169 und der Schnellfahrstrecke LGV Méditerranée wichtige Verkehrswege verlaufen.

Topographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Grotte Mandrin hat heute eine Tiefe von 8 m. Große Felsblöcke im Hang unterhalb des Abris stammen vom teilweisen Einsturz des Felsüberhangs, die überdeckte Fläche war ursprünglich wesentlich größer. Die etwa 12 m breite Öffnung ist nach Norden gerichtet. Die Höhlendecke erreicht im vorderen Bereich eine Höhe von 2,5 m und fällt ab der Hälfte nach hinten um rund 1 m ab. 2013 wurde der Platz vor dem Abri überdacht und eingezäunt, seit 2016 ist das Gelände videoüberwacht.[4]

Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als archäologisch bedeutsam wurde die Grotte Mandrin in den 1960er-Jahren von Gaston Etienne (1923–2010) erkannt, einem Malataverner Stadtrat, der dort auf bronzezeitliche Besiedlungsspuren gestoßen war.[3] Seit 1991 finden jährlich Grabungskampagnen statt, seit 2006 unter der Leitung von Ludovic Slimak – einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität Toulouse und des CNRS. Bislang (Stand 2014) wurden sieben der zwölf Kulturschichten ausgegraben; die Schichtenfolge (A bis F) datiert von 42.000 cal BP (frühes Protoaurignacien) bis 56.000 cal BP (La Quina-Moustérien).[5] Die Kulturschichten spiegeln eine wiederholt wechselnde Besiedlung durch anatomisch moderne Menschen (Homo sapiens) und Neandertaler wider. Die „Daten zeigen, dass die Verdrängung indigener Neandertaler-Gruppen kein einfaches Einzelereignis war, sondern ein komplexer historischer Prozess, in dessen Verlauf beide Populationen einander schnell oder sogar abrupt, mindestens zweimal, im selben Gebiet verdrängten.“[6] Die Grotte ist ein bedeutender Fundort um den komplexen Prozess des Auftauchens des anatomisch modernen Menschen und das Verschwinden des Neandertalers zu erforschen und zu beschreiben.

Der älteste, als gesichert geltende Beleg für die Anwesenheit des anatomisch modernen Menschen in Europa stammt aus der Batscho-Kiro-Höhle in Bulgarien und ist 45.820 bis 43.650 Jahre (Cal BP) alt.[7] Im Februar 2022 wurde jedoch der Fund eines einzelnen, teilweise erhaltenen Milchgebiss-Backenzahns bekannt gegeben, dessen Alter auf 56.800 bis 51.700 Jahre (Cal BP) datiert wurde. Er stammte aus einer Schicht der Grotte Mandrin, unter der und über der Hinterlassenschaften von Neandertalern geborgen wurden, dieser „Babyzahn“ wurde jedoch einem Kind des Homo sapiens zugeschrieben.[6] In einem Begleitartikel der Fachzeitschrift Science sowie in Nature wurde eingewandt, dass der Zahn zu stark beschädigt sei, um seine Herkunft von einem Neandertaler oder einem anatomisch modernen Menschen mit Sicherheit, rein aus morphologischer Sicht, unterscheiden zu können.[8][9][10] Verlässliche Analysen der aDNA sind zurzeit allerdings schwer bis gar nicht möglich, weil dem Zahn zur Probennahme ein erheblicher Teil destruktiv entnommen werden müsste.[9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ludovic Slimak: Cultural mosaics of the last Neanderthals and the first Modern Humans: The data from the Rhône Valley. In: The Third Man: The Prehistory of the Altai. Paris 2017, ISBN 978-2-7118-6432-4, S. 144–162.
  • Laure Metz, Ludovic Slimak: La Grotte Mandrin. Derniers Néandertaliens et premiers Hommes modernes en vallée du Rhône. In: Archéologia. Nr. 555, 2017, S. 20–27.
  • Ludovic Slimak, Colette Paillole, Erwin Tscherter: Autour de la Grotte Mandrin à Malataverne (Drôme). Entretien avec Ludovic Slimak. In: Ardèche Archéologie. Nr. 32, 2015, S. 3–10.
  • Laure Metz et al.: Bow-and-arrow, technology of the first modern humans in Europe 54,000 years ago at Mandrin, France. In: Science Advances. Band 9, Nr. 8, 2023, doi:10.1126/sciadv.add4675.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Mandrin cave – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. La Grotte Mandrin – Homo Sapiens, arrivé trop tôt... (Memento vom 7. Oktober 2016 im Internet Archive) (französisch), abgerufen am 7. Oktober 2016
  2. La Grotte Mandrin. MALATAVERNE Aux portes de Provence; (französisch).
  3. a b Origine du nom de la Grotte Mandrin… (französisch).
  4. Ludovic Slimak, Colette Paillole, Erwin Tscherter: Autour de la Grotte Mandrin à Malataverne (Drôme) Entretien avec Ludovic Slimak. Ardèche Archéologie, Viviers 2015. n° 32, S. 3–10 (französisch)
  5. PLOS One – Convergent Evidence of Eagle Talons Used by Late Neanderthals in Europe: A Further Assessment on Symbolism (englisch), abgerufen am 6. Oktober 2016
  6. a b Ludovic Slimak et al.: Modern human incursion into Neanderthal territories 54,000 years ago at Mandrin, France. In: Science Advances. Band 8, Nr. 6, 2022, doi:10.1126/sciadv.abj9496.
    Grotte Mandrin: Der moderne Mensch lebte schon 10.000 Jahre früher in Westeuropa. In: Der Spiegel. 10. Februar 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. Februar 2022]).
  7. Helen Fewlass et al.: A 14C chronology for the Middle to Upper Palaeolithic transition at Bacho Kiro Cave, Bulgaria. In: Nature Ecology & Evolution. Band 4, 2020, S. 794–801, doi:10.1038/s41559-020-1136-3.
    Jean-Jacques Hublin et al.: Initial Upper Palaeolithic Homo sapiens from Bacho Kiro Cave, Bulgaria. In: Nature. Band 581, 2020, S. 299–302, doi:10.1038/s41586-020-2259-z.
    Ältester Homo sapiens Europas lebte im Jungpaläolithikum. Auf: idw-online.de vom 11. Mai 2020.
  8. Did Neanderthals and modern humans take turns living in a French cave? Auf: science.org vom 9. Februar 2022.
  9. a b Evidence of Europe’s first Homo sapiens found in French cave. Auf: nature.com vom 9. Februar 2022.
  10. Homo sapiens in Europa: Kamen die ersten Pioniere viel früher? Auf: spektrum.de vom 23. Februar 2023.