Hätschelhans

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Hätschelhans ist eine Bezeichnung für einen überfürsorglich behütetes, verwöhntes männliches Kind. Diese kommt im achtzehnten Jahrhundert im Zusammenhang mit Goethe auf. So nannte ihn seine Mutter Catharina Elisabeth Goethe bis ins Erwachsenenalter, als Kosenamen. Die Bezeichnung fand zunächst keine weitere Verbreitung. In der Literatur des 20. Jahrhunderts insbesondere bei Thomas Mann wurde die Bezeichnung zu einem Terminus technicus.

Hätscheln oder verhätscheln ist das Verb hierzu.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Korrespondenz zwischen seiner Mutter Catharina Elisabeth Goethe und der Anna Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel hatte die Herzogin diese Bezeichnung ständig adaptiert.[1][2] So schrieb die Herzogin an die Mutter von Goethe auf Anfrage in einem Brief vom November 1781, wie es ihrem Sohn ergehe, folgendes.

Liebste Frau Aja, ich kann Ihnen mit Vergnügen ankündigen, daß Ihr geliebter Hätschelhans sich in Gnaden resolvieret hat, ein Haus in der Stadt zu mieten! (...) Es ist gut, daß es nun soweit gekommen ist. Auch habe ich ihm versprochen, einige Möbel anzuschaffen, weil er so hübsch fein ist. (...) Der Herr Gevatter Wieland ist ganz stolz über Ihr liebes Andenken. (...) Er wird Ihnen ein ganz Paket von Tiefurter Journals schicken. (...) Die Verfasser sind Hätschelhans, Wieland, Herder, Knebel, Kammerherr Seckendorff und Einsiedel. Der Frau Rätin weltberühmte Kennerschaft wird ihr leicht die Stücke von jedem Autor erraten lassen.[3]

Allerdings fand diese Bezeichnung für einen künftigen römischen Kaiser Namens Tiberius im Zusammenhang mit Livia Drusilla Anwendung. Der Historiker Golo Mann charakterisierte sie als die ewige Stiefmutter, den Blick auf ihren großen Hätschelhans Tiberius gerichtet, ohne Liebe und Gnade für ihre Stiefkinder.[4] Es ist eine Analogie zu Goethe.

Selbst in der literarischen Version der Josephsgeschichte in der Bibel (Genesis 37, 3) von Thomas Mann in seiner Roman-Tetralogie Joseph und seine Brüder kommt bei deren Auslegung die Bezeichnung Hätschelhans auf.[5][6] Die Analogie zu Goethe ist hier noch deutlicher als bei seinem Sohn Golo Mann. Die Romanfigur Joseph wird Goethe bei Mann äußerlich in Einzelaspekten angeglichen.[7]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Richard Huber: Hätschelhans: Goethe als Liebhaber, Verlag Medical Tribune, 1982.
  • Bernhard Marian: Als die Grossen klein waren: Goethe, Johann Wolfgang, Hätschelhans, Band 800 von Ravensburger Taschenbücher, Maier, 1982.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Georg Brandes: Goethe. 4. Auflage. Erich Reiss, Berlin 1922, S. 180 (Textarchiv – Internet Archive).
  2. Sabine Appel: Johann Wolfgang von Goethe. Ein Porträt. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2009, ISBN 978-3-412-20282-8, S. 134 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Elke Pilz (hrsg.): Bedeutende Frauen des 18. Jahrhunderts: elf biographische Essays, Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, S. 18.
  4. Golo Mann in einem Artikel von 1976 in der Neuen Rundschau mit dem Titel Versuch über Tacitus. In: Zeiten und Figuren. Schriften aus vier Jahrzehnten. Frankfurt/Main 1979 (Neudruck) 1989, S. 359–392, hier S. 383.
  5. http://literaturlexikon.uni-saarland.de/?id=850
  6. http://literaturlexikon.uni-saarland.de/index.php?id=829
  7. Klaus Schröter: Thomas Mann, Rowohlt Verlag, Hamburg 2014. Es ist nicht der einzige Roman, bei dem sich Mann der charakterlichen Eigenschaften Goethe als Versatzstücke für seine Romanfiguren bediente!