Hans-Ulrich Becker

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Hans-Ulrich Becker (* 10. Juni 1956 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Theaterregisseur und Hochschullehrer.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans-Ulrich Becker studierte Germanistik, Kulturanthropologie und Theaterwissenschaft bei Erika Fischer-Lichte an der Universität Frankfurt am Main. Nach sieben Jahren freier Theaterarbeit in Frankfurt am Main u. a. als Schauspieler (z. B. mit Eugenio Barba) wurde er Regieassistent am Bayerischen Staatsschauspiel in München. Dort inszenierte er noch als Assistent 1989 die Deutsche Erstaufführung von Bergsprache von Harold Pinter.

Es folgten zahlreiche Inszenierungen am Theater Aachen, am Theater & Orchester Heidelberg sowie am Theater Bremen. In Aachen entstand u. a. seine Inszenierung von Christian Dietrich Grabbes Lustspiel Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, die 1992 zum NRW-Theatertreffen eingeladen wurde.

Von 1992 bis 1995 war Hans-Ulrich Becker Oberspielleiter am Nationaltheater Mannheim. In dieser Zeit wurden zwei seiner Inszenierungen zum Berliner Theatertreffen eingeladen. 1993 Yvonne, die Burgunderprinzessin von Witold Gombrowicz (Theater der Stadt Heidelberg) sowie 1994 Walpurgisnacht oder die Schritte des Komturs von Wenedikt Wassiljewitsch Jerofejew (Nationaltheater Mannheim). 1994 inszenierte er zum ersten Mal am Staatstheater Stuttgart und zwar die Uraufführung Foraminifere von Alexander Müller-Elmau. Es folgte noch im selben Jahr eine Inszenierung von Sonntags am Meer von Philippe Adrien.

1995 wechselte Becker als Hausregisseur in die Leitung des Stuttgarter Staatstheaters, inszenierte vor seinem Weggang aus Mannheim dort aber noch Macbeth (Shakespeare) (Nationaltheater Mannheim, 1995) und Komödie im Dunkeln von Peter Shaffer (Nationaltheater Mannheim, 1995). Seine dritte Arbeit in Stuttgart war die Wiederentdeckung von Julien Greens Drama Ein Morgen gibt es nicht, es folgte Molières Der Menschenfeind (Staatstheater Stuttgart, 1996). 1997 inszenierte er am Staatstheater Stuttgart die Uraufführung von Bryan S. Johnsons Stück Lebensabend und in Brasilien Medeia in Bahia, ein brasilianisch-deutsches Theaterprojekt, das von Jo Schmidt für den ZDFtheaterkanal aufgezeichnet wurde.[1]

1998 wurde seine Medea von Euripides, die bereits 1997 am Staatstheater Stuttgart entstand, zum Tschechow-Festival in Moskau eingeladen und dort im Tschechow-Kunsttheater Moskau gezeigt.

Becker inszeniert die Erstaufführung von Lillian Hellmans Südstaatendrama Ein anderer Teil des Waldes am Deutschen Theater Berlin. Es folgten zahlreiche weitere Inszenierungen am Staatstheater Stuttgart, u. a. die deutschen Erstaufführung von Botho StraußDie Ähnlichen, Stücken von Peter Turrini, Biljana Srbljanović, Judith Herzberg, Ray Bradbury, Yasmina Reza, Martin Walser oder Juli Zeh immer wieder in Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Alexander Müller-Elmau.

Er wendete sich für eine Weile fast ausschließlich Komödien zu und inszenierte vor allem am Theater in der Josefstadt in Wien z. B. Stücke wie die Österreichische Erstaufführung von Gmeyners Das Automatenbüffet, oder den Floh im Ohr von Feydeau.

Seit 2001 inszenierte Hans-Ulrich Becker wieder mehrfach am Bayerischen Staatsschauspiel, wo er seine Laufbahn als Regisseur begonnen hatte. In diese Zeit fallen u. a. Inszenierungen von Yasmina Rezas Drei mal Leben, Martin McDoaghs Der Kissenmann, Debbie Tucker Greens Stoning Mary, Andromache von Jean Racine sowie Die Affäre Rue de Lourcine von Eugène Labiche, Bayerisches Staatsschauspiel München.

2012 arbeitete Becker am Düsseldorfer Schauspielhaus, wo die Uraufführung von Juli Zehs 203 entstand.

Bis 2014 folgten mehrere Arbeiten am Staatstheater Wiesbaden und Theater Heidelberg.

2018 war er Gründungsmitglied von teatreBLAU, einem Zusammenschluss internationaler Künstler aus unterschiedlichen Disziplinen, deren Ziel die Konzeption, Planung und praktische Umsetzung internationaler Performances und Kunstprojekte ist.[2]

An der Württembergischen Landesbühne inszenierte er Robert Seethalers „Der Trafikant“ als Uraufführung, dessen Fassung Seethaler selber erarbeitete, Gehen von Jean Michel Räber und 2023 Macbeth von William Shakespeare. 2023/24 folgen Home, ein internationales Film-Theaterprojekt von teatreBLAU und Gott wartet an der Haltestelle von Maya Arad Yasur am Theater Heilbronn.

Becker ist Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und Kurator für Darstellende Kunst der Jürgen Ponto-Stiftung zur Förderung junger Künstler.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2015 bezeichnete die Süddeutsche Zeitung (11. Februar 2015) anlässlich seiner Inszenierung von Joel Pommerats Kreise/Visionen im Düsseldorfer Schauspielhaus diese als „einen Wurf“. Der „zyklisch angelegte Trip durch die Zeitalter“ entwickle einen „eminenten Sog“, indem er das Thema Glaube „an lebensprallen Figuren exemplifiziert.“ Hans-Ulrich Becker lasse in Düsseldorf ein „szenisches Feuerwerk abbrennen“.

Robert Seethaler schrieb extra für die Württembergische Landesbühne (WLB) eine Fassung seines Romans Der Trafikant. „Die Inszenierung von Hans-Ulrich Becker ist ein Fest“, schreibt Dorothee Schöpfer in den Stuttgarter Nachrichten (22. Oktober 2016), was die Kritikerin wesentlich auf die „großartigen“ Schauspieler und die „Führung eines klugen Regisseurs“ zurückführt, „der auch die vielen Momente der Stille auf der Bühne so zu zeigen vermag, dass alles gesagt wird.“

Über seine Inszenierung Der zerbrochne Krug, ebenfalls am WLB, schrieb die Stuttgarter Zeitung: „Hans-Ulrich Becker, der in Esslingen schon Seethalers „Trafikanten“ zum Erfolg geführt hat, kostet Kleists Reichtum bis zum Letzten aus. Und dazu gehört auch die bestechende Modernität der Themen, die im „Krug“ stecken, von Adams „Fake-News“ bis zu Eves „Metoo“, von Kolonialismus und Ausbeutung bis hin zu Rechtsbeugung und Klassenjustiz.“

2014: „Gott wartet an der Haltestelle“ von Maya Arad Azur wurde ein durchschlagender Erfolg. „Theater der Zeit“ schrieb: „Mit starkem Schauspielertheater bringt Hans-Ulrich Beckers berührende Regiearbeit dem Heilbronner Publikum die Menschen hinter den Grenzzäunen nahe.“ (TdZ, 18. Januar 2024) und „Die Deutsche Bühne:“Die Aufführung taucht tief ein in die Ursachenforschung, indem sie persönliche Motive von Tätern und gesellschaftliche Traumata aufdeckt. Immer verbunden mit einem Appell: „Auch auf der anderen Seite der Grenze gibt es Mütter.“ (Die Deutsche Bühne. 14. Januar 2014)

Lehre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 2004 bis 2009 war Hans-Ulrich Becker Professor für praktische Theaterarbeit an der Folkwang Universität der Künste in Essen/Bochum. Von 2010 bis 2022 war er Ausbildungsdirektor für den Bereich Szene an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main und bildete junge Regisseure aus.

Zum Sommersemester 2023 wurde er Gastprofessor an der Folkwang Universität der Künste.

Inszenierungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1988/89

1989/90

1990/91

1991/92

1992/93

1993/94

1994/95

1995/96

1996/97

  • Lebensabend von Bryan S. Johnson, Staatstheater Stuttgart (Uraufführung)
  • Medea von Euripides, Staatstheater Stuttgart (Eingeladen zum International Chekhov Theatre Festival Moskau)
  • Medeia-Projekt nach Euripides, San Salvador/Brasilien (Eingeladen zum Festival Ya ya Brasil Rio/München)

1997/98

1998/99

  • Die Ähnlichen von Botho Strauß, Staatstheater Stuttgart (Deutsche Erstaufführung)
  • Endlich Schluss/Eine Liebe in Madagaskar von Peter Turrini, Staatstheater Stuttgart (Deutsche Erstaufführung)

1999/2000

2000/01

2001/02

2002/03

2003/04

2004/2005

2005/2006

2006/2007

2007/2008

2008/09

2009/2010

2010/2011

2011/2012

2012/2013

2013/2014

2014/15

  • Kreise/Visionen von Joel Pommerat, Düsseldorfer Schauspielhaus (Deutsche Erstaufführung)

2015/16

2016/17

2017/18

  • Der zerbrochne Krug von Heinrich von Kleist, WLB Esslingen
  • Gründung von teatre.BLAU.eu.

2019/20

  • GEHEN nach einem Stück von Michel Räber
  • „Wasser“ ein Projekt mit Teatre blau und ESADIP (Hochschule Palma de Mallorca)

2023

Macbeth nach William Shakespeare. Eigene Fassung Verlag der Autoren. (siehe dort)

„HOME“ von Roua Horanieh (Teatre Blau)

2024

„Gott wartet an der Haltestelle“ von Maya Arad Azur

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. ZDF Jahrbuch 2009
  2. Impressum auf teatreblau.eu, abgerufen am 21. November 2018