Hans Hauck (NS-Opfer)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hans Hauck (* 10. August 1920 in Frankfurt am Main; † Oktober 2003) war ein Sohn eines algerischen Besatzungssoldaten und einer deutschen Mutter, der die meiste Zeit seines Lebens in Deutschland lebte. Er litt als Kind unter den alltäglichen Diskriminierungen wegen seiner Hautfarbe (Rheinlandbastard) und den Hänseleien der Mitschüler. Trotzdem fühlte er sich immer als Deutscher und wollte als solcher anerkannt sein. Die Sterilisierung veränderte sein Weltbild grundlegend und hinterließ bleibende Spuren.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kindheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Haucks Vater Benmansur Belabissi war ein Algerier, der als Soldat der französischen Armee im besetzten Saarland stationiert war; seine Mutter war Deutsche. Während der Schwangerschaft wurde der Vater nach Frankfurt am Main versetzt; die Mutter folgte ihm und bekam dort das Kind, auch um dem Gerede in ihrer Heimatstadt zunächst zu entgehen.[1]

Hans Hauck wuchs in Dudweiler bei Saarbrücken in der Familie seiner Mutter auf, ohne den Vater jemals bewusst kennengelernt zu haben. In der Schule war er ständigen Hänseleien und Diskriminierungen ausgesetzt, nicht nur wegen seiner Hautfarbe, sondern auch weil sein Vater im Ersten Weltkrieg ein Soldat der gegnerischen französischen Armee gewesen war (Rheinlandbastard).

Mitglied der Hitlerjugend und Zwangssterilisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1933 wurde Hans Hauck wie seine Schulkameraden Mitglied der Hitlerjugend, was für ihn ein Gefühl von Gleichberechtigung hervorrief. Er machte dann eine Lehre bei der Reichsbahn. 1937 wurde er bei einer Vermessung des Schädels darüber informiert, dass er sterilisiert werden würde. Dies war auch nach damaligem Recht unzulässig.[2] Der Eingriff erfolgte ohne jede Betäubung. Hauck blieb dort einige Tage interniert und begegnete erstmals in seinem Leben Jungen mit dem gleichen Schicksal. Danach verließ er die Hitlerjugend; seine Illusion einer Gleichbehandlung in der Gesellschaft war zerbrochen.

Suizidversuch und vormilitärische Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da die französische Grenze nur drei Kilometer vor seinem Aufenthaltsort entfernt war, wurde seine Abteilung bei der Bahn zuerst nach Paderborn, dann nach Schneidemühl und schließlich nach Opladen verlegt. Nachdem Hauck 1941 eine Vorladung zur vormilitärischen Ausbildung – durch die SA – bekommen hatte, versuchte er sich durch Schüsse zu töten. Der Vater eines Bekannten fand und rettete ihn. Danach ging Hauck zur vormilitärischen Ausbildung, fühlte sich dort aber sehr unsicher, anders als bei der Hitlerjugend, wo ihn alle gekannt und akzeptiert hatten. Er befürchtete immer das Schlimmste für sich und sagte später, dass er dankbar sei, nicht der Krankenmorde zum Opfer gefallen zu sein.

Wehrdienst und Gefangenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1942 war Hauck aus eigener Entscheidung Soldat der Wehrmacht. Er wurde fünfmal verwundet und Anfang 1945 bei Warschau durch die sowjetische Armee gefangen genommen. Wie er später sagte, behandelten die Russen ihn besser, als er jemals von seinen eigenen Leuten behandelt worden war. Nach vierjähriger Gefangenschaft bei Minsk wurde er 1949 entlassen.

Weiteres Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über sein weiteres Leben gibt es fast keine Informationen. Er ging zunächst nach Kanada,[3] kehrte dann aber nach Dudweiler zurück, wo er die restliche Zeit seines Lebens verbrachte.[4]

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Hauck ist fast das einzige Kind französisch-afrikanischer Besatzungssoldaten in Deutschland, über dessen Leben etwas bekannt ist.[5] Die US-amerikanische Sozialwissenschaftlerin Tina Campt führte 1992 ein ausführliches Interview über sein Leben,[6] der Dokumentarfilm Hitler’s Forgotten Victims von 1997 berichtete über ihn, und die Shoah Foundation führte 1998 ein Gespräch mit ihm. Der US-Autor Alexander Thomas verwendete Elemente seiner Biographie für das Theaterstück Schwarz gemacht.[7] Sein Interview mit Tina Campt war 2004 beim Black Atlantic Festival in Berlin in einer Sound Gallery zu hören.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Tina Marie Campt: Pictures of “US”? Blackness, Diaspora and the Afro German Subject. In: Maria Diedrich, Jürgen Heinrichs: From Black to Schwarz: Cultural Crossovers Between African America and Germany. Michigan State University Press, East Lansing, Michigan 2011, ISBN 978-0-87013-989-5. S. 139–160, hier S. 144–157.
  • Tina Campt: Other Germans: Black Germans and the politics of race, gender, and memory in the Third Reich. Univ. of Michigan Press, Ann Arbor 2004, ISBN 0-472-11360-7, passim; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche

Dokumentarfilm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hitler’s Forgotten Victims (Black Survivors of the Holocaust) von David Okuefuna und Moise Shewa. GB 1996, Erstausstrahlung auf Channel 4 am 2. Oktober 1997.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Angaben zu seinem Leben vor allem nach den Interviews in Tina Campt: Other Germans: Black Germans and the politics of race, gender, and memory in the Third Reich. University of Michigan Press, Ann Arbor 2004, ISBN 0-472-11360-7, deutsche Originalfassung S. 211–222. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche, auch S. 236f., englische Übersetzung S. 94ff. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  2. Das geschah nach einer Entscheidung von 1937 nur für Kinder afrikanischer Besatzungssoldaten in Deutschland, nicht für andere Mischlingskinder, siehe Paul Weindling: Nazi Human Experiments: The Victim's Perspective and the Post-Second World War Discourse. In: Erika Dyck, Larry Stewart (Hrsg.): The uses of humans in experiment: perspectives from the 17th to the 20th century. Clio medica Bd. 95, Brill Rodopi, Leiden, Boston 2016, ISBN 978-90-04-28670-2, S. 240 ff. hier S. 242; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  3. so Hans Hauck, Kalangu. Voices of Africa
  4. Tina Marie Campt: Pictures of „US“? Blackness, Diaspora and the Afro German Subject. In: Maria Diedrich, Jürgen Heinrichs: From Black to Schwarz: Cultural Crossovers Between African America and Germany. Michigan State University Press, East Lansing, Michigan 2011, ISBN 978-0-87013-989-5. S. 139–160, hier S. 144.
  5. Julia Roos: Kontinuitäten und Brüche in der Geschichte des Rassismus. Anregungen zur Erforschung der „Rheinlandbastarde“ aus einem privaten Briefwechsel. In Birthe Kundrus, Sybille Steinbacher (Hrsg.): Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Der Nationalsozialismus in der Geschichte des 20. Jahrhunderts (= Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus. Band 29). Wallstein-Verlag, Göttingen 2013, ISBN 978-383-53130-2-6. S. 154–170, hier S. 167
  6. deutsche Originalfassung in Tina Campt: Other Germans: Black Germans and the politics of race, gender, and memory in the Third Reich. University of Michigan Press, Ann Arbor 2004, ISBN 0-472-11360-7, S. 211–222. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche, auch S. 236f., englische Übersetzung S. 94ff. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  7. Aufführung u. a. 2015 am English Theatre in Berlin, Das Theaterstück „Schwarz gemacht“ von Alexander Thomas untersucht afrodeutsche Identität. 1 +2 Migazin vom 15. April 2015.
  8. Ausgrenzung ohne Anführungszeichen Die Tageszeitung (taz) vom 28. September 2004.