Hans Rudolf Rehder-Knöspel

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Hans Rudolf Rehder-Knöspel (geb. 1. Februar 1905 in Nieder Ullersdorf, Landkreis Sorau (Lausitz),[1] gest. nach 1961) war ein deutscher Jurist. Im deutschen „Protektorat Böhmen und Mähren“ war er Erster Staatsanwalt am Sondergericht Prag, danach Staatsanwalt in Heidelberg und Mannheim.

Lebensweg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rehder-Knöspel wurde am 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP[1] (Mitgliedsnummer 1.992.007)[2]

Im Jahr 1939 wurde er Erster Staatsanwalt am deutschen Sondergericht in Prag, das zum deutschen Landgericht Prag gehörte.[1] Er war dort an mindestens 59 Todesurteilen beteiligt.[3] So war er beispielsweise der Ankläger in dem Verfahren gegen Marianne Golz-Goldlust (1895–1943), in dem diese zum Tode verurteilt wurde.[4], ferner war er am 8. Februar 1944 an dem Todesurteil des Sondergerichts Prag gegen sieben Tschechen, darunter eine schwangere Frau, beteiligt, die einen sowjetischen Kriegsgefangenen unterstützt hatten (GZ: 8 K Ls 27/44-V-202)[5], und am 23. August 1944 an dem Todesurteil gegen drei Tschechen, die ihr Bedauern über das Misslingen eines Attentates auf den Reichskanzler Adolf Hitler geäußert hatten (GZ: 4 K Ls 220/44-V1444/44 und 4 K Ls 221/44-V1445/44).[1]

Im Jahre 1944 verurteilte das Sondergericht Prag auf Antrag des Anklägers Rehder-Knöspel zwei Ehepaare wegen der Beherbergung zweier polizeilich gesuchter „Volksfeinde“ zum Tode, obwohl das Sondergericht in diesem Fall auch eine Zuchthausstrafe hätte verhängen können.[6]

Rehder-Knöspel sorgte dafür, dass das Sondergericht Prag im Gefängnis Prag-Pankratz eine eigene Hinrichtungsstätte mit Fallbeilmaschine (Guillotine) bekam, die am 1. April 1943 in Betrieb genommen werden konnte. Bis dahin waren die in Prag zum Tode Verurteilten zur Hinrichtung nach Dresden an den Münchener Platz gebracht worden,[7] wo das Gebäude des Landgerichts auch als Gefängnis und im „Dritten Reich“ als Hinrichtungsstätte genutzt wurde.

Rehder-Knöspel amtierte nach 1945 als Staatsanwalt in Heidelberg und Mannheim.[8] Am 16. März 1959 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen seiner Tätigkeit am Sondergericht Prag eingeleitet.[9] Der Karlsruher Generalstaatsanwalt Albert Woll, der seinerseits vor Mai 1945 am Sondergericht Mannheim tätig gewesen war, bewahrte nach 1945 viele NS-belastete Richter und Staatsanwälte seines Geschäftsbereichs vor strafrechtlicher Ahndung. Davon profitierte auch Rehder-Knöspel; das Verfahren gegen ihn wurde im Juni 1961 eingestellt.[3]

Rehder-Knöspels weiterer Lebensweg ist nicht bekannt.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Verband der Antifaschistischen Widerstandskämpfer (Redaktion), „Verbrecher in Richterroben, Dokumente über die verbrecherische Tätigkeit von 230 nazistischen Richtern und Staatsanwälten auf dem okkupierten Gebiet der Tschechoslowakischen Republik, die gegenwärtig in der westdeutschen Justiz dienen“, Orbis-Verlag, Prag 1960, S. 108
  2. „Criminals on the Bench, Documents concerning crimes committed on the occupied territory of Czechoslovakia by two hundred and thirty nazi judges and public prosecutors who today hold legal posts in Western Germany“, Edited by The Union of Anti-Fascist Fighters, Orbis, Praguer, 1960, S. 51, https://collections.mun.ca/digital/collection/radical/id/64079/rec/2 Digitalisat bei: Memorial University of Newfoundland, Digital Archives Initiative, International Labour and Radical History Pamphlet Collection, https://collections.mun.ca/digital/collection/radical/id/64079/rec/2
  3. a b Michael Greve, „Neuere Forschungen zu NS-Prozessen: Ein Überblick“, in: Kritische Justiz, Vol. 32, No. 3 (1999), S. 472–480, S. 475, https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0023-4834-1999-3-472.pdf?download_full_pdf=1
  4. Ronnie Golz, „»Ich war glücklich bis zur letzten Stunde«. Marianne Golz-Goldlust 1895–1943“, Berliner Taschenbuch-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-8333-0125-2 (BvT 125 Lebensgeschichten), S. 13, 164, 167, Aktualisiert im April 2016, https://www.rgolz.de/BUCH_auf_DEUTSCH.pdf
  5. Verband der Antifaschistischen Widerstandskämpfer (Redaktion), „Verbrecher in Richterroben, Dokumente über die verbrecherische Tätigkeit von 230 nazistischen Richtern und Staatsanwälten auf dem okkupierten Gebiet der Tschechoslowakischen Republik, die gegenwärtig in der westdeutschen Justiz dienen“, Orbis-Verlag, Prag 1960, S. 109
  6. Michael Greve, „Neuere Forschungen zu NS-Prozessen: Ein Überblick“, in: Kritische Justiz, Vol. 32, Nr. 3 (1999), S. 472–480, Nomos Verlagsgesellschaft mbH, JSTOR:24000886, https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0023-4834-1999-3-472.pdf?download_full_pdf=1
  7. Klaus Hillenbrand, „Berufswunsch Henker: Warum Männer im Nationalsozialismus Scharfrichter werden wollten“, Campus Verlag, 2013, S. 141–144
  8. Michael Greve, „Neuere Forschungen zu NS-Prozessen: Ein Überblick“, in: Kritische Justiz, Vol. 32, No. 3 (1999), S. 472–480, S. 475, https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0023-4834-1999-3-472.pdf?download_full_pdf=1. Siehe auch: Verband der Antifaschistischen Widerstandskämpfer (Redaktion), „Verbrecher in Richterroben, Dokumente über die verbrecherische Tätigkeit von 230 nazistischen Richtern und Staatsanwälten auf dem okkupierten Gebiet der Tschechoslowakischen Republik, die gegenwärtig in der westdeutschen Justiz dienen“, Orbis-Verlag, Prag 1960, S. 108: „gegenwärtig [d.h., ca. 1960]: Staatsanwalt in Mannheim“ und Weißbuch der VVN, „In Sachen Demokratie“, Druck und Verlag: Druckwerkstatt Renchen, hrsg. vom VVN, 1960, neu herausgegeben von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten 2003, mit einer Einleitung von Ulrich Sander, 208 Seiten https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/weissbuch_vvn.pdf : „Heute [d.h., ca. 1960] ist er noch Staatsanwalt in Heidelberg.“
  9. Marc von Miquel: Ahnden oder amnestieren? Westdeutsche Justiz und Vergangenheitspolitik in den sechziger Jahren. Wallstein-Verlag, Göttingen 2004, ISBN 978-3-89244-748-1, S. 65 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 3. Juli 2023]).