Hans Ueberschaar

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Johannes „Hans“ Ueberschaar (* 4. März 1885 in Meißen; † 21. Januar 1965 in Kōbe) war ein deutscher Japanologe und der erste deutsche Professor für Japanologie an der Universität Leipzig.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Otto Georg Johannes Ueberschaar wuchs in einer evangelisch-lutherisch orientierten Familie in Meißen auf. Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums nahm er an der Universität Leipzig ein Studium der Geschichte und ostasiatischer Sprachen auf. Nach Abschluss des Studiums reiste er nach Japan und arbeitete von 1911 bis 1914 als deutscher Lektor an der Universität Osaka. In dieser Zeit veröffentlichte er in der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunden Ostasiens (OAG) einen Artikel zum preußischen und japanischen Verfassungsrecht.[1] Sein Studium der Geschichte bei Karl Lamprecht und der Ostasiatischen Sprachen beendete Ueberschaar dann 1913 mit der Promotion zum Dr. phil. in Japanischem Staatsrecht an der Universität Leipzig mit der Dissertation Die staatsrechtliche Stellung des Kaisers in Japan. Staatsrechtlich-historische Skizze. Bereits in dieser Zeit setzte er sich intensiv mit deutschen Publikationen über Japan auseinander und schrieb 1913 eine positive Rezension auf das Buch von Karl Haushofer „Dai Nihon“. Er bewertete jedoch den Inhalt der Publikation als tendenziös und schrieb, dass sich damit Karl Haushofer selbst aus der wissenschaftlichen Japanologie ausschlösse.[2]

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Hans Ueberschaar, entsprechend der Mobilmachungs-Aufforderungen, als Freiwilliger in Tsingtau. Hier wurde er im August 1914 als Oberleutnant der Reserve in der Nachrichtenabteilung beim Stab des Gouverneurs von Kiautschou als Dolmetscher eingesetzt. In dieser Abteilung lernte er den von der Südmandschurischen Eisenbahn kommenden Friedrich Hack kennen, der als Dolmetscher des Chefs des Stabes, Kapitän zur See Waldemar Vollerthun, tätig war. Beide gerieten nach der Belagerung von Tsingtau im November 1914 in japanische Kriegsgefangenschaft, Ueberschaar wurde im Gefangenenlager Tokyo-Asakusen mit der Häftlingsnummer 276 interniert. Im Jahre 1915 wurde er in das Gefangenenlager Narashino verlegt, wo er wieder mit Friedrich Hack zusammentraf. In den letzten Monaten des Lageraufenthaltes waren beide bereits zeitweilig als Dozenten an der Hochschule Navashino eingesetzt. Seine Entlassung erfolgte im Dezember 1919 mit der Option an der Medizinischen Akademie in Osaka tätig zu werden.[3]

Der Ruf für Hans Ueberschaar nach Osaka ging vom dortigen Rektor der Medizinischen Hochschule Aihiko Sata aus. Sata hatte um die Jahrhundertwende an den Universitäten Berlin und Freiburg studiert und war ein Verehrer Karl Lambrechts. Unmittelbar nach dem Krieg galt sein Bemühen, die wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland wieder aufleben zu lassen. So hatte er im Dezember 1921 einen deutsch-japanischen Verein gegründet, deren hauptsächliche Organisationsarbeit in den Händen von Hans Ueberschaar lag. Der nächste Schritt war die Herausgabe einer wissenschaftlichen Zeitschrift, die 1923 unter dem Titel „Japanisch-deutschen Zeitschrift für Wissenschaft und Technik“ erschien. Der Verlag war G.C. Hirschfeld in Kobe und ihr Herausgeber war Aihiko Sata. Die Redaktion der Zeitschrift lag in den Händen von Hans Ueberschaar und dem Mediziner Fritz Härtel. Für die deutsche Seite war André Wedemeyer, Assistent an der Universität in Leipzig, verantwortlich. Ueberschaar reiste mehrfach nach Deutschland, um gute Autoren für die Zeitschrift zu gewinnen und auch in Deutschland ein geeignetes wissenschaftliches Netzwerk aufzubauen. So hielt er sich 1923 in München auf und bemühte sich dort, den persönlichen Kontakt zu Karl Haushofer herzustellen, der ab 1924 in Deutschland die „Zeitschrift für Geopolitik“ mitherausgab. Die ersten Ausgaben der „Geopolitik“ hatte Ueberschaar aufmerksam gelesen und dazu in einem Brief an Haushofer seine Erfolgswünsche zum Ausdruck gebracht. Zu seinen Gesprächspartnern als zukünftige Autoren gehörte ebenfalls der Mediziner Leopold Langstein.[4]

Aus der Feder von Hans Uberschaar erschien 1925 die Publikation „Die Eigenart der japanischen Staatskultur. Eine Einführung in das Denken der Japaner“ im Verlag Theodor Weiche Verlag, Leipzig. Karl Haushofer schrieb im gleichen Jahr eine Rezension zur genannten Veröffentlichung. In dieser Monographie setzte Uberschaar die soziale Psyche seines Lehrmeisters Karl Lamprechts gleich mit dem ‚seelischen Leben einer Nation‘ oder ‚den nationalen Anlagen‘. Nach ihm bewiesen, so Ueberschaar, die politischen Großtaten der Nation, die selbstverständlich einen Schluss auf die inneren Fähigkeiten des Volkes zulassen, ganz sicher auf diejenigen, welche die geistige und moralische Kraft für Krieg und Expansion darstellen‘. Von 1925 bis 1932 lehrte Hans Ueberschaar dann als Privatdozent an der Kaiserlichen Universität Kyōto. Ab Oktober 1928 wurde die „Japanisch-deutsche Zeitschrift für Wissenschaft und Technik“ nunmehr durch den Verlag de Gruyter in Osaka, mit verändertem Layout und unter dem Titel „Japanisch-Deutsche Zeitschrift“ zur Förderung der wissenschaftlich-technischen, politisch-wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen bis Juni 1930 herausgegeben. In der ersten Ausgabe der Zeitschrift veröffentlichte Hans Ueberschaar seinen Artikel über die „Bongali“.[5] Ab 1930 unterhielt er Arbeitsbeziehungen zu dem deutschen Japanforscher Friedrich Max Trautz, der sich in dieser Zeit zu Studienzwecken in Kyoto aufhielt. Er verfolgte das Ziel, seine Forschungen über den japanischen Poeten Matsuo Basho vor Ort weiter zu vertiefen.

Am 1. April 1932 erhielt Hans Ueberschar einen Ruf nach Leipzig. Hier wurde er zum Extraordinarius für „Sprache und Kultur des modernen Japans“ berufen und leitete das am 25. Februar 1933 eröffnete Japan-Institut der Leipziger Universität. Die Gründung des Japan-Instituts erfolgte mit Hilfe einer Stiftung des Herausgebers mehrerer großer japanischer Tageszeitungen, Motoyama Hikoichi (1853–1932). Die Wahl des Standortes Leipzig stand im Zusammenhang mit Ueberschaars langjähriger Tätigkeit von Japan nach Deutschland. Im Oktober 1932 trat Ueberschaar in die NSDAP ein. Ein Jahr darauf, im November 1933 unterzeichnete er das Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler. Auch zeigte er in seiner nach außen getragene Gesinnung in mehreren Veranstaltungen, die der „Vorbereitung des deutschen Volkes auf die XII. Olympischen Spiele 1940“ in Tokio dienten, eine systembekennende Haltung. An seine, noch aus der Zeit in Japan herrührenden Kontakte und wissenschaftlichen Orientierungen knüpfte er 1935 wieder an. So erschien im OAG-Verlag seine Publikation „Basho (1644–1694) und sein Tagebuch ‚Oku no hosomi‘“. Doch bereits im folgenden Jahr holte Hans Ueberschaar die Realität des Alltages unter dem NS-Regime in Deutschland mit voller Härte ein. In der Öffentlichkeit wurden gegen ihn Anschuldigungen und Schmähungen wegen einer angeblich homosexuellen Veranlagung laut. Noch 1936 verließ er deswegen Leipzig. Im April 1937 wurde Überschaar wegen angeblichen Vergehens gemäß § 175 Strafgesetzbuch, der Homosexualität unter Strafe stellte, seines Amtes enthoben. Er trat aus der NSDAP aus und ging wieder nach Japan. Hans Ueberschaar kehrte trotz seiner späteren Rehabilitation nicht mehr nach Deutschland zurück. Sein Leipziger Lehrstuhl für „Sprachen und Kultur des modernen Japans“ blieb zunächst unbesetzt.

Nach der Rückkehr nach Japan arbeitete er zunächst an der Tenri-Fremdsprachenschule, danach an der Kōnan Oberschule. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte er als Professor für Deutsch an der Konan-Universität.[6] Für die Jahre ab 1953 ist dokumentiert, dass er seinen Wohnsitz in Kobe hatte. Am 21. Januar 1965 verstarb er dort, kurz vor seinem 80sten Geburtstag.

Wissenschaftliche Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Preußisches und japanisches Verfassungsrecht. MOAG Band XIV (1911–1913) Teil 2, S. 171–195
  • Haushofer, Karl / Ueberschaar, Johannes: Dai Nihon, Betrachtungen über Gross-Japans Wehrkraft, Weltstellung und Zukunft. MOAG Band XIV (1911–1913) Teil 3, S. 285–298
  • Die staatsrechtliche Stellung des Kaisers in Japan – staatsrechtlich-historische Skizze. Universität Leipzig, 1913
  • Die Eigenart der japanischen Staatskultur. Eine Einführung in das Denken der Japaner. Leipzig Verlag Theodor Weicher, 1925
  • Bongali. Bei den Malaien in den Bergen der südlichen Formosa. Japanisch-deutsche Zeitschrift, der Gruyer Verlag, 1928/1929
  • Basho (1644–1694) und sein Tagebuch „Oku no hosomichi“. MOAG Band XXIX, Teil A Tokyo, 1935

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Eigenart der Völker, Leipzig 1923
  • Die deutsch-japanischen Kulturbeziehungen der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart, Deutsche Akademie München 1937
  • Hans Joachim Bieler, SS und Samurei, Deutsch-japanische Kulturbeziehungen, Deutsches Institut für Japanstudien, 2016
  • Akiko Deguchi, Dr. Yūbāshāru no Nihongaku kyōiku kenkyū no kiseki. Kōnan Daigaku Kiyō - Bungaku hen, No. 171, 2021, S. 287–317 (出口晶子「Dr.ユーバーシャールの日本学と教育・研究の軌跡」『甲南大学紀要 文学編』)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans Ueberschaar: Preußisches und japanisches Verfassungsrecht, MOAG Heft 14
  2. Johannes Ueberschaar, Buchbesprechung, OAG Mitteilungen, Band XIV (1911–1913) Teil 3. S. 273 ff. und Karl Haushofer: Johannes Ueberschaar – Dai Nihon, Band XIV (1911–1913), Teil 3 S. 285 ff. in: https://oag.jp/books/band-xiv-1911-1913-theil-3/
  3. Biografische Angaben zu Ueberschaar und Hack in www.tsingtau.info
  4. Hans-Joachim Bieber: SS und Samurai. Deutsch-japanische Kulturbeziehungen 1933–1945, Deutsches Institut für Japanstudien, 2016, S. 83 ff
  5. Japanisch-deutsche Zeitschrift, Nr. 1, Jahrgang 1928/1929, de Gruyter Verlag
  6. Deguchi (2021), S. 312