Hardingsen

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Hardingsen ist eine wüst gefallene Siedlung nahe Wülfingen in Niedersachsen.

Ortsname[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Überlieferte Namensschreibungen Hardingsens sind Herdigessen (1264), Herdingessen (1264+1345), Hardingessen (1384+1727), Herdingsen (1462), Herdinghessen (vor 1480), Hardegsen (1546), Hardingsen (1650),[1] Hargingsen (1650) und Hardingessen (1727).

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hardingsen lag in einer Größe von etwa 3 ha nordwestlich von Wülfingen und südlich von der Haller[2] im Südosten des Flurstücks Hoeben, am Westrand des Flurstücks Rothenbleek und am Nordostrand des Flurstücks Strengenfeld in der Nähe der Alten Heerstraße von Hannover nach Kassel.[3] Die Ortswüstung wird heute durch die B3 und den Feldweg Hardingser Weg durchschnitten. Die Lage der Ortswüstung kann durch die Flurnamen Hoeben, In den Höfen, Hardingser Anger und Hardingser Kirchhof eingegrenzt werden. Südlich der Rosenmühle liegen die Flurteile Hardingser Bruch und Bei der Hardingser Straße.[4]

Archäologische Untersuchungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Archäologe Tobias Gärtner vom Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Georg-August-Universität Göttingen nahm im Winterhalbjahr 2006/2007 im Rahmen von Untersuchungen zur frühgeschichtlichen und mittelalterlichen Besiedlungsgeschichte des Calenberger Landes[5] archäologische Voruntersuchungen im nordöstlichen Bereich der Wüstung Hardingsen vor und wertete anschließend 4840 gefundene Fragmente mittelalterlicher Keramik aus.[6] Sobald die Finanzierung sichergestellt werden kann, ist eine Ausgrabung im Bereich der Wüstung Hardingsen vorgesehen. Nach den bisherigen Forschungsergebnissen wurde Hardingsen im späten 8. Jahrhundert oder in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts gegründet. Wenige prähistorische Keramikfunde im nördlichen Randbereich der Siedlungsfläche lassen die noch nicht gesicherte Annahme zu, dass hier bereits in der Spätlatènezeit oder der römischen Kaiserzeit eine Siedlung bestanden hat.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Funde mittelalterlicher Keramik zeigen, dass Hardingsen danach kontinuierlich bis in das 15. Jahrhundert hinein bewohnt und frühestens um die Mitte des 15. Jahrhunderts verlassen wurde. Nach mittelalterliche Urkunden sind bereits 1460 in Hardingsen gelegene Höfe von Wülfingen aus bewirtschaftet worden. Da aber auch Scherben einer besonderen Keramik in Hardingsen gefunden wurden, die zwischen 1450 und 1530/40 hergestellt und verwendet wurde, könnten auch noch nach dem Jahr 1460 Bauern in Hardingsen auf ihren Höfen gelebt haben.

In der Wüstungsperiode führte um 1500[1] die Aufgabe der letzten Hofgebäude in Hardingsen zum Untergang des Dorfes. Die ehemaligen Bewohner von Hardingsen siedelten sich in Wülfingen an und erbauten dort fünf Meierhöfe und vier Kötnerstellen. Es waren Meierhöfe von Oppermann, Mohnke-Severin, Rusche, Warnecke und Kötnerstellen von Weber-Kleine, Oehlerking, Brandes und Blume.[7] Der Grund war möglicherweise die Überführung der ursprünglich freien Höfe in Lehnsland und später in grundherrlich abhängiges Meierland.

Westlich der Ortswüstung stellte der Heimatbund Wülfingen im Jahr 2007 einen Gedenkstein mit der Inschrift Hardingsen 1500 wüst geworden auf. Ein Feldweg, der von der B3 dorthin führt, trägt den Namen Hardingser Weg. Die ursprüngliche Hardingser Straße führte von Hardingsen am Flurstück Bei der Hardingser Straße vorbei zur Alten Heerstraße von Hannover nach Kassel.

In Erinnerung an die Landwirte aus Hardingsen, die Hardingsen verließen und nach Wülfingen übersiedelten, feierten die Wülfinger Landwirte in Wülfingen das sogenannte Hardingser Fest, das bis zum Jahre 1846 alljährlich in der Fastnachtszeit begangen wurde. Es wurde am 12. Februar 1941 erstmals wieder gefeiert. Dabei sprach der Bauer Alfred Warnecke über den Sinn des Festes und Geschichtliches über Hardingsen und die Höfe der ehemaligen Hardingser in Wülfingen.[8] Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts feierten die Wülfinger Landwirte als gesellschaftliches Ereignis erneut das Hardingser Fest.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Heinz Weber: Flurnamenlexikon zur Flurnamenkarte Alferde, Flurnamensammlung des Landkreises Hannover 5/2 Alferde, Hannover 1986, Seite 34.
  2. Zur ungefähren Lage siehe die Flurnamenkarte 1:10.000 Blatt 5/2 Alferde des Landkreises Hannover, Hannover 1986 und die Karte in der Veröffentlichung Die Siedlungskammer Eldagsen. Ein Forschungsprojekt zur kaiserzeitlichen und mittelalterlichen Besiedlungsgeschichte der Calenberger Börde von Tobias Gärtner und Kirsten Casemir, EAZ, Ethnogr.-Archäol.Z. 48, 2007, Karte 7, Seite 523.
  3. Heinz Weber: Flurnamenlexikon zur Flurnamenkarte Alferde, Flurnamensammlung des Landkreises Hannover 5/2 Alferde, Hannover 1986, Seite 119–123.
  4. Weitergehende Informationen: Egon Wieckhorst: Hardingsen. Ein wüst gewordener Ort. In: Springer Jahrbuch 2010 für die Stadt und den Altkreis Springe. Förderverein für die Stadtgeschichte von Springe e.V., Springe 2010. Seiten 62–66.
  5. Prospektion mittelalterlicher Fundstellen im Calenberger Land (pdf; 96 kB)
  6. Die Untersuchungen von Tobias Gärtner sind hier veröffentlicht: 1) Tobias Gärtner und Kirsten Casemir: Die Siedlungskammer Eldagsen. Ein Forschungsprojekt zur kaiserzeitlichen und mittelalterlichen Besiedlungsgeschichte der Calenberger Börde. In: EAZ, Ethnogr.-Archäol.Z. 48, 2007, S. 499–536. Die Forschungsergebnisse zu Hardingsen finden sich auf den Seiten 522–528. 2) Tobias Gärtner und Martin Posselt: Zur Besiedlung der Calenberger Börde in der römischen Kaiserzeit und im frühen Mittelalter. In: NNU Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Band 77, Seite 91–123, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2008.
  7. 140 Jahre Freiwillige Feuerwehr Wülfingen. Feuerwehrfest am 18. und 19. Juni 2016. 50 Jahre Jugendfeuerwehr Wülfingen. Freiwillige Feuerwehr Wülfingen, Selbstverlag Wülfingen 2016. Seite 36.
  8. Jahresbuch der Hannoverschen Heimatfreunde e.V. gegründet 1901 als Heimatbund Niedersachsen. Hannover, Mai 1941, Seite 101.

Koordinaten: 52° 9′ 51,1″ N, 9° 44′ 15,8″ O