Hausbesetzungen in Basel

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Hausbesetzungen in Basel finden seit Anfang der 1970er Jahre in unterschiedlicher Art und Weise und aus diversen Beweggründen statt. Wie andernorts auch, ist die Hauptmotivation der Erhalt von Gebäuden und bezahlbarem Wohnraum und die Errichtung von Freiräumen, unkommerziellen Gemeinschaftseinrichtungen, sowie selbstbestimmten Kultur- und Quartierzentren.[1] Besetzungen richten sich meist gegen die Verdrängung von Wohn- und Lebensraum durch Luxuswohnungen und Büroräume und somit oft gegen die Stadtplanungs- und Sanierungspolitik der Stadt Basel, teilweise aber auch direkt gegen Hauseigentümer, die die Häuser der Spekulation freigeben.[2]

«Die Tatsache, dass wir einen Grossteil unseres Lebens in unseren Wohnungen bzw. unseren Häusern verbringen, veranschaulicht die immense Bedeutung dieser Räumlichkeiten. So wünschen, suchen und nehmen wir uns Orte, an denen wir gemeinsam leben können; die als soziale Treffpunkte dienen; die Möglichkeiten zum Austausch von Ideen, Träumen, Freuden, Sorgen und zur Vernetzung schaffen. Und die uns als Rückzugsorte zur Verfügung stehen, an denen wir voneinander aufgefangen werden, wenn es die Situation erfordert.»[3]

Liste der Hausbesetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die folgende Liste der Hausbesetzungen in Basel zählt öffentlich bekannt gewordene Hausbesetzungen seit den 1980er Jahren in der Stadt Basel wie in seinem direkten Umland in chronologischer Reihenfolge auf. Dabei handelt es sich um politische Aktionen mit verschiedenen Ausgangslagen, unterschiedlichen Zielsetzungen, Zeiträumen, Bedeutungen und Wirkungen. Einbezogen sind sowohl sogenannte Instandbesetzungen leerstehender Häuser zum Erhalt von Wohnraum, zur Schaffung öffentlicher Räume oder zur Verhinderung stadtpolitischer Umstrukturierungsmassnahmen, wie auch Mieterkämpfe, in deren Verlauf die Mieter gegen den Willen der Eigentümer ein Haus nicht räumten.

Name Stadtteil / Strasse Datum / Zeitraum Eigentümer Anmerkungen Abbildung
Ryffstrasse 19–25 Ryffstrasse 19–25 27. Juni 1980 18. August: Nachdem die Besetzer die Häuser an der Ryffstrasse termingerecht geräumt hatten, wurden in der Umgebung Strassenbarrikaden errichtet und private und öffentliche Einrichtungen verwüstet.

20. August: Trauermarsch von der Ryffstrasse in Richtung Gefängnis Lohnhof, wo sich ein Inhaftierter erhängt hat. Unterwegs kam es zu Sachbeschädigungen und dem bisher massivsten Einsatz der Polizei. 65 Personen wurden verhaftet.[4]

AJZ Basel (Hochstrasse) Hochstrasse 14. Februar bis 5. Mai 1981 Ehemaliges Postbetriebsgebäude / trotz Duldung durch Eigentümer räumte die Polizei am Morgen das AJZ und verhaftete 141 Personen, welche in die ehemalige Strafanstalt Schällematteli gebracht wurden. Ausbruchsversuche wurden mit Tränengaseinsätzen verhindert. Die abendliche Solidaritätsdemonstration wird aufgelöst.[4]
Andlauerklinik Petersgraben 16. bis 18. Mai 1981
25. Mai 1981 Besetzung von neun leer stehenden Häusern
Alte Stadtgärtnerei Basel St. Johann 1986 bis 21. Juni 1988 Begann Ende April 1986 als legale Zwischennutzung, welche am 1. September 1987 endete und in illegale Weiternutzung durch kulturellen Aktivismus mündete.[4]
Schlotterbeck Ein Experiment mit Ateliers und Kleingewerbe / zum ersten Mal geregelte Zwischennutzung mit einem befristeten Mietvertrag[5]
Volta
Elsie Elsässerstrasse 11 bis 2004 Wohn- und Kulturzentrum. Wurde 2004 abgerissen.[6]
Türki Türkheimerstrasse
Hagi Hagentalerstrasse Wohn- und Kulturzentrum
Villa Rosenau bis 2013 Wurde wenige Tage nach einem Brand geräumt und abgerissen.
Hotel Steinengraben 1. Mai 2007 Polizeiliche Räumung wurde wenige Tage nach der Besetzung durchgesetzt. Um eine erneute Belebung dieses Ortes ausserhalb der städtischen Kontrolle zu verhindern, wurden im Anschluss die Fenster zugemauert und das Innere des Hauses zerstört. Mehr als vier Jahre nach der Räumung stand das Gebäude noch immer leer.[7]
Wettsteinvilla Wettsteinallee 40 3. und 4. Dezember 2010 Christoph Merian

Stiftung

Das Haus war im Besitz der Christoph Merian Stiftung. Jahrzehntelang wurde es als Künstlerhaus betrieben und hat eine grössere Wohngemeinschaft beherbergt. Der Plan war dazumals schon, das Haus an eine Privatperson zu verkaufen und aufwendig renovieren zu lassen.[8] Einen Monat nach der Räumung brachte die Stiftung eine Zwischennutzung aus Angst vor weiteren Besetzungen unter.[9]
Steinengraben Steinengraben 32/34 25. Juni 2011 Nationale Suisse Besetzung richtete sich gegen Leerstand und den geplanten Neubau.

Wurde noch am selben Tag geräumt. Auffällig war besonders aggressive Polizei.[10]

Schiessplatz Mühlemattweg 2013 wurde abgerissen
Petersgraben Petersgraben 2013
Schwarze Erle Schwarzwaldallee 269 Anfang 2015 bis 23. August 2017
Kannenfeld Kannenfeldstrasse 59 17. bis 18. Mai 2015 Kiwi Immobilien Group Wurde im Rahmen des Atopie-Projekts besetzt und mit einer Kunstausstellung eingeweiht. Einen halben Tag später wurde es bereits geräumt.[11]
Hardstrasse Hardstrasse 2016
Türki 2 Türkheimerstrasse 1. April bis 10. April 2017 Yatu Immobilien AG Wurde nach nur 10 Tagen geräumt. Die Häuser des Eigentümers an der Türkheimerstrasse stehen schon mehrere Jahre lang leer.[12]
Schlössli Schlossgasse 12 2017 Privat Nachdem das Haus mehrere Jahre leer stand, wurde es im Frühjahr 2017 zum zweiten Mal besetzt.[13]

Andere Besetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine alternative Wohnform mit politischer, sozialer und kultureller Nähe zu der Hausbesetzerbewegung sind die Wagenplätze, in der Wohnsiedlungen meist aus mobilen Bauwagen geschaffen werden. Diese entstanden oftmals auf Brachgeländen innerhalb der Stadt, so war auch der jetzige Ort bis zur Wagenplatzbesetzung eine leere Brache.[14] Auf dem Ex-Migrol-Gelände wurde zur Belebung aufgerufen und es folgten lose Gruppen, die eine Küche und Bar mit Konzertraum aufbauten. Es entstand das «Uferlos», ein nicht-kommerzieller Ort für Kultur. Dieses und andere Projekte wurden bei der Halbräumung 2014 abgerissen, da das Gelände von der Stadt an die Zwischennutzer Shift Mode zwischenvermietet wurde und für die Scope, eine Kunstmesse während der Art Basel, als Parkplatz dienen sollte.[15]

Langzeitige Besetzungen als politische Protestform gingen auch in Basel über Hausbesetzungen hinaus. So waren eine tagelange Kirchenbesetzung der Matthäuskirche Mittel von Abschiebungsgegnern, um auf ihren Protest aufmerksam zu machen und auch Mittel der Schaffung von öffentlicher Aufmerksamkeit und Zuflucht für abschiebungsbedrohte Migranten.[16] Diese wurde aber nach wenigen Tagen von der Polizei auf Anweisung des Migrationsamts geräumt; die Flüchtlinge wurden festgenommen und in Ausschaffungshaft gebracht.[17] Es folgte eine unbewilligte Demonstration von rund 300 Personen gegen die Kontrolle des Migrationsamts, welche von der Polizei mit Gummischrot und Tränengas aufgelöst wurde.[18]

Platzbesetzungen richteten sich gegen Bauvorhaben und Gentrifizierungsprozesse, so zum Beispiel 2011 die Besetzung der Voltamatte, bei welcher ein Turm als Mahnmal für Verdrängung auf dem neu asphaltierten Platz errichtet wurde.[19]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Valerie Zaslawski: Besetzungen und Zwischennutzungen: Geordnetes Chaos. In: Neue Zürcher Zeitung. (Online [abgerufen am 11. März 2017]).
  2. Neue Massenkündigungen im Gundeli – D’Made im Daig. Abgerufen am 11. März 2017.
  3. XX34: Kein Abriss unter dieser Nummer! – D’Made im Daig. Abgerufen am 11. März 2017.
  4. a b c Die Achtziger Bewegung | Chronologie Basel. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 11. März 2017.
  5. Valerie Zaslawski: Besetzungen und Zwischennutzungen: Geordnetes Chaos. In: Neue Zürcher Zeitung. 14. Oktober 2016, ISSN 0376-6829 (Online [abgerufen am 11. März 2017]).
  6. Basel: Mit geballter Kraft. 1. Oktober 2013 (Online [abgerufen am 11. November 2018]).
  7. XX34: Kein Abriss unter dieser Nummer! – D’Made im Daig. Abgerufen am 11. März 2017.
  8. Besetzung der Villa an der Wettsteinallee 40 – D’Made im Daig. Abgerufen am 11. März 2017.
  9. Theaterprojekt «fremd» erhält Zwischennutzungsvertrag der Wettsteinvilla – D’Made im Daig. Abgerufen am 11. März 2017.
  10. Besetzung am Steinengraben 32 und 34 beendet – D’Made im Daig. Abgerufen am 11. März 2017.
  11. [Atopie 2.0] Flanage, Besetzung, Räumung – D’Made im Daig. Abgerufen am 23. Oktober 2018.
  12. Unerwünschte Quartieroase | TagesWoche. In: TagesWoche. 7. April 2017 (Online [abgerufen am 23. Oktober 2018]).
  13. www.20minuten.ch, 20 Minuten, 20 Min, www.20min.ch: Besetzer haben sich im Klybeck einquartiert. In: 20 Minuten. (20min.ch [abgerufen am 23. Oktober 2018]).
  14. Ex-Migrol-Parzelle am Klybeckquai besetzt! – D’Made im Daig. Abgerufen am 11. März 2017.
  15. indymedia.org: Basel – Räumung von Uferlos/Haafescharte. indymedia.org, 4. Juni 2014, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 11. März 2017.@1@2Vorlage:Toter Link/linksunten.indymedia.org (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  16. Yen Duong: Matthäuskirche von Asylbewerbern besetzt. In: Tageswoche. (Online [abgerufen am 11. März 2017]).
  17. schh; Regionaljournal Basel ingm: Asylsuchende in Basler Matthäuskirche festgenommen. 2. März 2016, abgerufen am 11. März 2017.
  18. Matthäuskirche: Polizei stoppt unbewilligte Demo | barfi.ch. Archiviert vom Original am 23. Oktober 2018; abgerufen am 11. März 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/barfi.ch
  19. Voltamatte in Basel wird belebt – D’Made im Daig. Abgerufen am 11. März 2017.