Heinrich Münsinger

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Heinrich Münsinger (* 1397 in Münsingen; † ca. 1476 in Heidelberg[1]) war ein württembergischer Arzt und Leibarzt des Pfalzgrafen und Kurfürsten Ludwigs III.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heinrich Münsinger (wirklicher Name vermutlich Heinrich Kröwel) war der Sohn des verarmten Edelmanns Hans Kröwel.[1] Heinrich Münsinger konnte 1421 mit Hilfe eines jährlichen Stipendiums des Pfalzgrafen Ludwigs III. im oberitalienischen Padua an der Universität Padua ein medizinisches Doppelstudium absolvieren, das die Chirurgie explizit einschloss.[2] Das Stipendium von jährlich 40 Gulden ermöglichte ihm außerdem eine medizinische Promotion in Padua. Weitsichtige Fürsten forderten zu jenem Zeitpunkt begabte und interessierte Ärzte und Medizinstudenten dazu auf, zusätzlich zum üblichen scholastischen Studium der Buchmedizin auch ein praktisches Studium der Chirurgie aufzunehmen. Ausbildungsstätten für diese Disziplin gab es vor allem in Oberitalien.[2][3][4] 1428 wurde Münsinger Leibarzt Ludwigs III. Bis 1465 (vielleicht sogar 1471) war Münsinger Professor an der Universität Heidelberg. Der italienische Humanist Petrus Antonius Finariensis ließ ihn als Unterredner in seinem Dialog De dignitate principium auftreten. Als weiterer Wirkungsort Münsingers ist Ahldorf bei Horb am Neckar bekannt geworden.

Am 30. Juni 1462 wurde Heinrich Münsinger nach der Schlacht von Seckenheim im badisch-pfälzischen Krieg mit der Behandlung der verletzten Gefangenen beauftragt, die im Heidelberger Schloss untergebracht wurden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit befand sich der Göppinger Wundarzt Hans Seyff (ca. 1440–1518), der Münsingers Schüler wurde, unter den Gefangenen.[5][6] Münsinger erwarb sich als Wundarzt bzw. Traumatologe in der Verwundetenversorgung weitreichendes Ansehen. Er stellte auch sein steuerfrei vom Landesherrn überlassenes[7] Heidelberger Anwesen zur Verfügung,[1] das er ab 1439 als Klinik für Verwundete betrieb.

Ein Verwandter von Heinrich Münsinger war der Mediziner Nikolaus Bälz (ca. 1430–1502) aus Münsingen. Bälz ließ sich in Heidelberg von Heinrich Münsinger zum Arzt ausbilden, bevor auch er sein Medizinstudium in Padua beendete.[2][8]

Der spätere Rektor der Universität Heidelberg, Erhart Knab (Rektor 1455, 1465/66, 1470, 1476/77), promovierte im Jahr 1464 wohl vor Johann Schwendi und Heinrich Münsinger.[9] Es war später dann allerdings Erhart Knab, der die Anatomie der Hochschule gegenüber dem pfalzgräflichen Hof verteidigte und Annäherungsversuche von Heinrich Münsinger abwehrte. Münsinger hatte es deshalb schwer, an der Universität Heidelberg Fuß zu fassen, obwohl er bei Prüfungen mitwirkte und gutachterliche Tätigkeit für die medizinische Fakultät ausführte.[1] Als man Münsinger für den Tod eines hirnverletzten Studenten verantwortlich machte, hatte er einen schweren Stand vor dem Heidelberger Universitätsgericht. Dies war vermutlich ebenfalls auf das spannungsreiche Verhältnis zwischen Münsinger und Knab zurückzuführen.[1][10]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Buch von den Falken, Habichten, Sperren, Pferden und Hunden. Jordanus Rufus: Hippiatrica (Roßarzneien), gefertigt von Lohnschreiberin Clara Hätzlerin. Enth.: 1v [I]N dem ersten capitell Ist zu wissen das man dy gutten pferdt ausß vierlay mercken vnd erkennen soll .... 47r [D]Er ander taÿll helt Inn ettliche stuck von erczneÿ zü dem gepresten der pferd Inn massen, etwan maister Albrech. 60v [D]arczü nÿm essich vnd ayrschalen .... 83r [V]on des pferds gepürde vnd emphaung zü Schreiben ...
  • Pestbüchlein.
  • Regimen sanitatis in fluxu catarrhali ad pectus. Text mit einer Widmung an Ludwig III. eingeleitet.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kurt Lindner: Von Falken, Hunden und Pferden. Teil I = Dt. Albertus-Magnus-Übersetzungen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Berlin 1962. (Dort Kapitel über Heinrich Münsinger S. 65–126: VI Das Leben des Heinrich Münsinger S. 65; VII Die handschriftliche Überlieferung von Münsingers Übersetzung S. 79; VIII Das Verhältnis der Handschriften zueinander S. 101; IX Der Traktat des Hippokrates S. 110; X Münsingers Bedeutung für die deutsche Jagdliteratur S. 115; XI Sein Einfluß auf die nachfolgende Zeit S. 118; XII Spätere Übersetzungen S. 122.)
  • Gerhard Eis: Heinrich Münsingers „Regimen sanitatis in fluxu catarrhali ad pectus“. In: Forschungen zur Fachprosa: ausgewählte Beiträge. Bern, München 1971.
  • Gundolf Keil: Münsinger, Heinrich. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 6, 1987, Sp. 783–790, und Band 11, 2004, Sp. 1041.
  • Jan-Dirk Müller: Naturkunde für den Hof: Die Albertus-Magnus Übersetzungen des Werner Ernesti und Heinrich Münsinger. In: Wissen für den Hof. Der spätmittelalterliche Verschriftungsprozess am Beispiel Heidelberg im 15. Jahrhundert. München 1994, S. 121 f.
  • Wolfgang Rohe: Zur Kommunikationsstruktur einiger Heidelberger Regimina sanitatis: Heinrich Münsinger, Erhard Knab, Konrad Schelling. In: Wissen für den Hof. Der spätmittelalterliche Verschriftungsprozess am Beispiel Heidelberg im 15. Jahrhundert. München 1994, S. 323 f.
  • Roland Deigendesch (Hrsg.): Arzt und Patient im Mittelalter. Zum 600. Geburtstag von Dr. Heinrich Münsinger. Katalog, Stadtarchiv Münsingen 1997. Inhaltsverzeichnis Digitalisat, abgerufen am 15. Februar 2021.
  • Oliver Auge: „Tu si vixisses, multis jam vita daretur“ – der Leibarzt der Pfalzgrafen bei Rhein Heinrich Münsinger. In: Roland Deigendesch (Hrsg.): Arzt und Patient im Mittelalter. Zum 600. Geburtstag von Dr. Heinrich Münsinger. Katalog, Stadtarchiv Münsingen 1997, S. 52 f.
  • Manfred Gröber: Das wundärztliche Manual des Meisters Hans Seyff von Göppingen (ca. 1440–1518). Der Cod. med. et phys. 2° 8 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Göppinger Reihen zur Germanistik, Kümmerle Stuttgart 1998 (Dissertation Universität Tübingen).
  • Manfred Gröber: Meister Hans Seyff von Göppingen. Ein Wundarzt am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Hohenstaufen Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen. Band 13, 2003, S. 31 f.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Gundolf Keil: Münsinger, Heinrich. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin u. a. 2007, S. 1014 f.
  2. a b c Manfred Gröber: Meister Hans Seyff von Göppingen. Ein Wundarzt am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Hohenstaufen Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen, Band 13, 2003, S. 52.
  3. Steinmeyer: Deutsche Biografie: Mynsinger, Heinrich in Steinmeyer: Deutsche Biografie; abgerufen am 14. Februar 2021.
  4. Wolfgang U. Eckart: Medizin im Mittelalter. In: Roland Deigendesch (Hrsg.): Arzt und Patient im Mittelalter. Zum 600. Geburtstag von Dr. Heinrich Münsinger. Katalog, Stadtarchiv Münsingen 1997, S. 14 f.
  5. Manfred Gröber: Meister Hans Seyff von Göppingen. Ein Wundarzt am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Hohenstaufen Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen. Band 13, 2003, S. 45.
  6. Manfred Gröber: Das wundärztliche Manual des Meisters Hans Seyff von Göppingen (ca. 1440–1518). Der Cod. med. et phys. 2° 8 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Göppinger Reihen zur Germanistik, Kümmerle, Stuttgart 1998 (Dissertation Universität Tübingen), S. 28 f.
  7. Gundolf Keil: „Meister der Chirurgie“ aus dem „gesamten deutschen Sprachraum“. Christoph Weißers Chirurgenlexikon mit 2000 Biographien aus der Geschichte der Chirurgie. Ein Essai. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 327–333, hier: S. 330.
  8. Miriam Eberlein: Die Leibärzte der württembergischen Grafen im 15. Jahrhundert (1397–1496). Zur Medizin an den Höfen von Eberhard dem Milden bis zu Eberhard im Bart (= Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte.) DRW Leinfelden-Echterdingen, 2000, S. 87 f.
  9. Colette Jeudy: Deutsche Biographie Knab, Erhart, abgerufen am 17. Februar 2021.
  10. Colette Jeudy, Ludwig Schuba: Erhard Knab und die Heidelberger Universität im Spiegel von Handschriften und Akteneinträgen. In: QFIAB. 1981, S. 69 f. perspectivia.net Digitalisat, abgerufen am 20. Februar 2021.