Hermokreon (Archon)

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Hermokreon (altgriechisch Ἑρμοκρέων Hermokréon) war ein antiker griechischer Politiker. Laut dem Zeugnis der mit dem Namen des Aristoteles verbundenen Athenaion politeia war er Archon eponymos in Athen am Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr.

Die Athenaion politeia berichtet, in seinem Amtsjahr hätten die Athener im Rahmen der Reformen des Kleisthenes den Eid eingeführt, den die Mitglieder des Rats der Fünfhundert bis zu Aristoteles’ Zeiten zu leisten hatten:[1]

«Πρῶτον μὲν οὖν ἔτει πέμπτῳ μετὰ ταύτην τὴν κατάστασιν, ἐφʼ Ἑρμοκρέοντος ἄρχοντος, τῇ βουλῇ τοῖς πεντακοσίοις τὸν ὅρκον ἐποίησαν, ὃν ἔτι καὶ νῦν ὀμνύουσιν.»

„Zunächst also im fünften Jahre nach der Errichtung dieser Staatsordnung, unter dem Archonten Hermokreon, entwarf man für den Rat der Fünfhundert den Eid, den sie auch heute noch leisten.“

Aristoteles: Athenaion politeia[2]

Unter der „Errichtung dieser Staatsordnung“ wird allgemein die Phylenreform des Kleisthenes verstanden, die während des Archontats des Isagoras im Jahr 508/507 v. Chr. beschlossen wurde. Demnach hätte das Amtsjahr des Hermokreon das Jahr 504/503 v. Chr. umfasst. Dies fällt aber in das von Dionysios von Halikarnassos für Akestorides bestimmte Amtsjahr.[3] Die moderne Forschung hat diesen Widerspruch in den Quellen zum Beispiel dadurch zu lösen versucht, dass sie das bei Aristoteles überlieferte „im fünften“ (πέμπτῳ) zu „im achten“ (ὀγδόῳ) korrigieren wollte.[4] Durch diese Emendation würde Hermokreons Archontat ins Jahr 501/500 v. Chr. rutschen. Unterstützung fände diese Ansetzung dadurch, dass die Athenaion politeia anschließend mitteilt, dass die Athener im zwölften Jahr danach, unter dem Archonten Phainippos, die in das Jahr 490 v. Chr. datierte Schlacht bei Marathon gewannen.[5]

Doch schiebt Aristoteles noch die Information ein, die Athener hätten begonnen, ihre Strategen nach Phylen zu bestimmen.[6] Die philologische Diskussion zur Stelle dreht sich um die Auflösung des Wortes ἔπειτα, das den Satzanschluss bildet und sowohl „dann, danach, später“ als auch „auch, weiter“ bedeuten kann.[7] Entsprechend kann die Phylenreform und die Strategenwahl nach Phylen als mehr oder minder gleichzeitig oder als Elemente einer chronologischen Aufzählung zeitlich getrennt, ἔπειτα also temporal aufgefasst werden.[8] Gleichwohl wird von vielen Hermokreons Archontat in das Jahr 501/500 v. Chr. datiert.[9]

Neben der Überlieferung in der Athenaion politeia findet sich bei Iulius Pollux die Mitteilung, dass Alkmaion Archon war, als die zehn kleisthenischen Phylen eingeführt wurden.[10] Diese zusätzlich Verwirrung stiftende Information versucht man dadurch zu lösen, dass man annimmt, in Alkmaions Jahr als Archon seien die Phylen eingerichtet, der Beschluss dazu aber im Jahr zuvor gefasst worden. Dem folgt ein Großteil der Althistoriker und setzt das Archontat des Alkmaion in das bürgerliche Jahr 507/506 v. Chr. nach dem attischen Kalender.[11] Bereits Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff vermutete – jedoch ohne Bezug auf Pollux oder Alkmaion –, dass das Jahr 507/506 v. Chr. als Jahr der „Errichtung der Staatsordnung“ (κατάστασις) galt und setzte das Archontenjahr des Hermokreon in das Jahr 503/502 v. Chr.[12] Aus ähnlichen Gründen datierten auch weitere Historiker das Archontat in dieses Jahr.[13] Andere urteilten vorsichtiger, indem sie sagen, das Jahr müsse vor 501/500 v. Chr. gelegen haben[14] oder ein nicht bestimmbares der zur Verfügung stehenden Jahre zwischen 506/505 und 502/501 v. Chr. gewesen sein.[15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Aristoteles, Athenaion politeia 22,2 (online engl.) (Memento vom 23. Oktober 2011 im Internet Archive).
  2. Übersetzung nach: Aristoteles: Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar. Band 10, Teil 1: Staat der Athener. Übersetzt und erläutert von Mortimer Chambers. Akademie-Verlag, Berlin 1990, S. 30.
  3. Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 5,37,1.
  4. Zuerst Frederic G. Kenyon: Ἀθηναίων πολιτεία – Aristotle on the Constitution of Athen. Trustees of the British Museum, London 1891, S. 57 Anm. zu 22 (Digitalisat); ihm folgten etwa Theodore John Cadoux: The Athenian Archons from Kreon to Hypsichides. In: The Journal of Hellenic Studies. Band 68, 1948, S. 70–123, hier S. 115–116 (der zahlreiche Möglichkeiten listet, den Widerspruch aufzulösen); Charles Hignett: A History of the Athenian Constitution to the End of the Fifth Century B. C. Clarendon Press, Oxford 1952, S. 337; Peter J. Rhodes: A Commentary on the Aristotelian „Athenaion Politeia“. Clarendon Press, Oxford 1981, S. 262–263.
  5. Aristoteles, Athenaion politeia 22,3; elf Jahre vor der Schlacht ist das Jahr 501/500 v. Chr.
  6. Aristoteles, Athenaion politeia 22,2.
  7. Mortimer Chambers: Staat der Athener. Akademie-Verlag, Berlin 1990, S. 236.
  8. Gegen eine chronologische Reihenfolge der Maßnahmen argumentierte Graham Vincent Sumner: Androtion F 6 and Ath. Pol. 22. In: Bulletin of the Institute of Classical Studies. Band 11, 1964, S. 79–86, hier S. 84; anders etwa Charles W. Fornara: A Note on Ἀθπ. 22. In: The Classical Quarterly. Band 13, 1963, S. 101–104, hier S. 104; Charles W. Fornara, Loren J. Samons: Athens from Cleisthenes to Pericles. University of California Press, Berkeley 1991, S. 169 (online).
  9. Theodore John Cadoux: The Athenian Archons from Kreon to Hypsichides. In: The Journal of Hellenic Studies. Band 68, 1948, S. 70–123, hier S. 116; Raphael Sealey: Regionalism in Archaic Athens. In: Historia: Zeitschrift für Alte Geschichte. Band 9, 1960, S. 155–180, hier S. 176–177; Graham Vincent Sumner: Notes on Chronological Problems in the Aristotelian Ἀθηναίων πολιτεία. In: The Classical Quarterly. Band 11, 1961, S. 31–54, hier S. 35–37; Charles W. J. Eliot: Coastal Demes of Attika. A Study of the Policy of Kleisthenes (= Phoenix. Supplement. Band 5). University of Toronto Press, Toronto 1962, S. 146; Ephraim David: A Preliminary Stage of Cleisthenes' Reforms. In: Classical Antiquity. Band 5, 1986, S. 1–13, hier S. 10 mit Anm. 31; Robert Develin: Athenian Officials 684–321 BC. Cambridge University Press, Cambridge 1989, S. 54.
  10. Iulius Pollux, Onomastikon 8,110 (Digitalisat).
  11. Georg Busolt: Griechische Geschichte. Zweite Auflage. Band. Perthes, Gotha 1895, S. 402 Anm. 6 (Digitalisat); Charles W. Fornara: A Note on Ἀθπ. 22. In: The Classical Quarterly. Band 13, 1963, S. 101–104, hier S. 104 Anm. 3; Pierre Lévêque, Pierre Vidal Naquet: Clisthène l’Athenien. Les Belles-Lettres, Paris 1964, S. 47 mit Anm. 3; Martin Ostwald: Nomos and the Beginnings of the Athenian Democracy. Oxford University Press, Oxford 1969, S. 144; John Kenyon Davies: Athenian Propertied Families. Oxford University Press, Oxford 1971, S. 382; David J. McCargar: The Archonships of Hermokreon and Alkmaion. In: Rheinisches Museum für Philologie. Band 119, 1976, S. 315–323, hier S. 318–19 und 323.
  12. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Aristoteles und Athen. Band 1. Weidmann, Berlin 1893, S. 24–25 (Digitalisat).
  13. Charles W. Fornara: A Note on Ἀθπ. 22. In: The Classical Quarterly. Band 13, 1963, S. 101–104, hier S. 104; Alan E. Samuel: Greek and Roman chronology. Calendars and years in classical antiquity (= Handbuch der Altertumswissenschaft I 7). C. H. Beck, München 1972, S. 205; Mortimer Chambers: Staat der Athener. Akademie-Verlag, Berlin 1990, S. 235–236.
  14. Charles W. Fornara, Loren J. Samons: Athens from Cleisthenes to Pericles. University of California Press, Berkeley 1991, S. 169.
  15. David J. McCargar: The Archonships of Hermokreon and Alkmaion. In: Rheinisches Museum für Philologie. Band 119, 1976, S. 315–323, hier S. 321.